1.9
Es krachte, als hätte jemand die Tür eingetreten und sofort war Fred hellwach.
Es war stockfinster im Raum, aber neben ihm raschelte das Tuchent und auch Agnes setzte sich auf.
„Was war das?", wisperte sie in der Dunkelheit und im Gegensatz zu Fred, der noch etwas verwirrt und verschlafen war, wirkte sie hellwach und kampfbereit, ihren Zauberstab schon in der Hand, den sie mit einem stummen Zauber erleuchtete und den Raum in blasses Licht tauchte.
Freds Körper und Geist fühlte sich schwer an. Er wollte nach seinem Zauberstab greifen, der auf dem Nachtkästchen neben ihm liegen sollte, aber er konnte sich nicht bewegen.
„Sie greifen an", zischte Agnes leise und sprang aus dem Bett, „Komm schon, Fred! Lass mich nicht allein!"
Agnes eilte aus dem Raum und Fred wollte sie warnen, dass er sich nicht bewegen konnte, aber er konnte auch nicht sprechen oder einen Laut von sich geben.
Agnes verschwand und damit auch das Licht und Fred konnte nur dabei zusehen.
Ein Baby begann zu weinen. Ein Schrei – es war Agnes.
Endlich konnte Fred sich wieder bewegen und sofort eilte er Agnes hinterher, aus dem Raum hinaus, nur um gegen eine andere Person zu rennen und er fiel nach hinten gegen eine Wand und auf den Boden.
Benommen blickte er auf und sah in das totenblasse Gesicht von Roger Davies. Blut rann aus seiner Nase und seine Augen waren ganz weiß ohne Pupillen oder Iris, als er mit eiskaltem Blick auf Fred hinuntersah.
„Agnes braucht deine Hilfe", sagte Roger zu ihm – seine Stimme hallte seltsam im Raum wieder, als befänden sie sich in einem großen, leeren Kirchenraum, „Warum bist du nicht bei ihr, Fred? Warum hast du sie allein gelassen?"
„Sie hat nicht auf mich gewartet", verteidigte Fred sich, aber diese Ausrede klang selbst für ihn selbst billig.
Kinderschreien. Ein Baby weinte. „Dad!", schrie ein Mädchen und Fred wollte sich aufrappeln und den Schreien folgen, aber Roger trat gegen seine Brust und zwang ihn wieder zu Boden.
„Gib auf!", sagte Roger kühl zu ihm, „Es ist zu spät. Du hast sie in Stich gelassen."
„Lass mich zu ihnen!", bat Fred ihn verzweifelt, „Meine Kinder – sie brauchen mich."
Roger begann sich plötzlich direkt vor Freds Augen aufzulösen und er zerfloss in eine schwarze Flüssigkeit, die Fred an den Tag erinnerte, als Agnes in Hogwarts eine Rose mit dem Fluch der Schwarzen Rose von ihrer Mutter zugeschickt bekommen hatte und Dumbledore den Zauber gelöst hatte.
Roger verschwand, aber von oben fiel ein Körper direkt vor Fred auf den Boden und kam mit einem ekelerregenden Knacken auf. Fred schrie erschrocken auf und brauchte einen Moment, um die weißblonden Haare von Agnes zu erkennen.
„Nein!", hauchte er verzweifelt und krabbelte zu ihr und drehte sie vorsichtig herum.
Agnes' wunderschönen, eisblauen Augen starrten glasig ins Nichts und sie war blasser als jemals zuvor.
„Nein, bitte nicht!", weinte Fred und drückte Agnes' Leiche an sich, „Es tut mir leid! Bitte! Sei nicht tot!"
Wieder Kinderschreien und Fred erkannte, dass es zu spät für Agnes war, aber nicht für die Kinder und behutsam legte er Agnes auf den Boden, um nach den Kindern zu sehen.
„Verlässt du mich schon wieder?", fragte Agnes plötzlich hinter ihm – ihre Stimme klang kratzig.
„Unsere Kinder", sagte Fred hin und her gerissen und er versuchte, das Schreien und Kreischen der verzweifelten Kinder zu ignorieren und ihre Rufe nach ihrem Dad – nach ihm, „Ich muss ihnen doch helfen."
„Wir haben keine Kinder, Fred", erinnerte Agnes ihn kühl mit einem Blick, von dem Fred mittlerweile wusste, dass er dem von Agnolia Tripe nicht so unähnlich war. „Du hast mich nicht retten können, Fred. Wie sollst du da Kinder retten können?"
Mit einem Schlag verstummten die Kinder und Agnes fiel wieder in sich zusammen, als wäre sie nur eine leblose Puppe – oder eben tot.
Es war auf einem Schlag totenstill und Fred schluchzte verzweifelt, als er erkannte, dass er alles verloren hatte.
Fred schreckte hoch und sah sich im dunklen Raum um.
Mit zitternder Hand griff er nach seinem Zauberstab auf dem Nachtkästchen und einen Moment lang setzte sein Herz einen Schlag aus, als er ihn nicht sofort greifen konnte, aber dann fand er ihn doch in der Finsternis und mit einem zitternd ausgesprochenen „Lumos" erhellte er den Raum und sah als erstes neben sich.
Agnes war nicht da und seine Gedanken rasten, als er versuchte sich zu erinnern, was ein Traum war und was Realität, als ihm wieder einfiel, dass Agnes niemals neben ihm im Bett schlief.
Zu groß war ihre Sorge, sie könnte ihn verletzen, wenn sie einen Albtraum hatte und bisher hatte Fred sie nicht davon überzeugen können, dass sie ihn niemals verletzen würde. Agnes bevorzugte die Couch im Wohnzimmer.
Ohne seine Hausschuhe anzuziehen sprang Fred aus dem Bett und schlich leise aus seinem Zimmer ins Wohnzimmer und er erwartete, Agnes auf dem Sofa zu sehen, aber dort war sie nicht.
Nun breitete sich doch wieder Schrecken in ihm aus.
„Agnes?", fragte Fred leicht verzweifelt in die Dunkelheit der Nacht, „Agnes? Agnes!"
Panisch sah er sich um und suchte nach Anzeichen für einen Kampf oder nach einem Hinweis darauf, wo Agnes war.
Er konnte nur daran denken, wie er in dem Traum Agnes' leblosen Körper gehalten hatte und dann fragte er sich, ob überhaupt alles nur ein Traum gewesen war.
War Agnes tot? Agnolia hatte sie erstochen. Hatte er sich das Leben nach dem Krieg mit Agnes nur zusammengeträumt? War Agnes überhaupt am Leben?
Er fand keinen Beweis dafür, dass Agnes wirklich jemals zurückgekehrt war. Konnte Fred seinem eigenen Verstand noch trauen?
„Agnes! Wo bist du?", schrie Fred nun verzweifelt und Tränen traten ihm in die Augen.
Die Tür von Georges und Tias Zimmer ging auf und die beiden kamen mit erhobenen Zauberstäben und im Pyjama herausgeeilt und noch jemand trat ebenso alarmiert aus der Küche und Fred richtete erschrocken seinen Zauberstab auf diese unerwartetete dritte Person, nur um zu erkennen, dass es doch kein Traum gewesen war.
Agnes stand dort in ihrem eigenen Pyjama und sah Fred besorgt an.
„Was ist los?", fragte George verschlafen, aber doch kampfbereit und er sah sich um.
Fred antwortete ihm nicht, sondern stolperte nur erleichtert zu Agnes und schloss sie in seine Arme.
Einen Moment lang war Agnes verwirrt.
Fred schluchzte in ihre Arme und Agnes strich ihm beruhigend über den Rücken.
„Was ist passiert?", fragte sie ihn sanft, „Erzähl es mir."
„Du bist gestorben", brachte Fred irgendwie zwischen den Schluchzern heraus, „Ich hab dich nicht retten können! Du bist gestorben!"
Da verstand Agnes und sie hielt Fred einfach nur fest.
„Schon gut", sagte sie zu George und Tia, die ebenfalls ihre Zauberstäbe wieder senkten, „Wir machen das schon – geht ihr nur ins Bett."
Aber weder George noch Tia rührten sich.
Stattdessen starrte George nur mit einem seltsam hilflosen Blick auf seinen Zwilling, bevor er zu Agnes und Fred ging und sie beide ebenfalls umarmte und Fred an sich drückte, der sich nur langsam von dem Schreck erholte.
Und dann kam auch Tia und zu viert standen sie sich gegenseitig umarmend in der Dunkelheit und hielten sie einfach nur fest.
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