1.7

„Disziplinarische Anhörung vom fünften November in Sache Mitbeteiligung an Verbrechen gegen das Ministerium und der Zaubererbevölkerung von Großbritannien und Irland im Zusammenhang mit –", der Richter, ein alter, grantig aussehender Zauberer mit dem Namen Aaron Dixon, zögerte tatsächlich noch immer bei diesem Namen und Agnes konnte es ihm nicht wirklich übelnehmen, immerhin schaffte sie es auch manchmal nicht, „– Lord Voldemort und seinen Todessern sowie Mithilfe an Mord, Folter, Entführung und Erpressung durch Draco Malfoy. Es führen das Verhör: Aaron Dixon, Leiter der Abteilung für Magische Strafverfolgung; Maxwell Vinson, Spezialistin für Todesser-Angelegenheiten. Gerichtsschreiber, Parvati Patil."

„Parvati arbeitet jetzt also im Ministerium?", fragte plötzlich jemand und Harry Potter selbst setzte sich mit etwas Verspätung zu diesem Prozess neben Agnes. Ein paar Leute drehten sich zu ihm um und tuschelten leise untereinander, als wäre es mittlerweile nicht normal, ihn zu sehen. Vielleicht hatte er ja den Dunklen Lord besiegt und die Zaubererwelt wohl vor einer mittleren Katastrophe bewahrt, aber dann hatten sie wohl noch nie gesehen, wie dieser „Junge der überlebte" nach nur einem Feuerwhiskey lautstark zu Celestina Warbeck mitgesungen hatte, während Fred und George im Hintergrund dazu Walzer getanzt hatten.

Die Moral von dieser Geschichte war, dass Harry Potter eigentlich ein Idiot war.

„Auch hier?", fragte Agnes ihn leise, während Aaron Dixon die Anklagepunkte von Draco Malfoy aufzählte, dem Jungen, der wahrscheinlich genauso ein Idiot war, wie Harry, aber in diesem Moment an einem Stuhl gekettet vor einer ganzen Horde an Leuten saß und kreidebleich war.

Draco war gerade einmal achtzehn Jahre alt – kaum alt genug, um zu wissen, was Leben bedeutete und noch lange nicht alt genug, um dieses auch zu verstehen.

Harry nickte als Antwort auf Agnes' Frage. „Wirst du aussagen?", fragte er sie.

Dieses Mal nickte Agnes.

Für oder gegen ihn?"

Für", gestand Agnes, „Ich hoffe, das schafft keine Spannungen zwischen uns zwei – ich weiß, dass ihr euch nie verstanden habt."

„Es ist deine Entscheidung, würde ich sagen", meinte Harry gleichgültig und zuckte mit den Schultern, „Außerdem sieht er so aus, als könnte er etwas Unterstützung gebrauchen. Letztendlich entscheidet der Zaubergamot."

„Wirst du aussagen?", fragte Agnes Harry.

Dieses Mal schüttelte Harry den Kopf. „Ich hätte einiges zu sagen – Gutes und Schlechtes. Letztendlich wäre meine Meinung ausgewogen und ich kann Argumente für alle Enden liefern, also halte ich mich lieber raus. Ich halte mich eigentlich bei allen Prozessen raus – ich will niemanden beeinflussen, weil ich Voldemort besiegt habe..."

„Ich denke, das ist ziemlich ehrenhaft von dir", überlegte Agnes, „aber bei dem Prozess von Umbitch nächste Woche sehe ich dich, oder?"

Harry grinste. „Aber natürlich! Ich habe schon eine ganze Liste vorbereitet, die begründen, warum sie direkt nach Askaban gehört!"

„Ich bin stolz auf dich", grinste Agnes.

„Ich rufe nun die erste Zeugin in den Zeugenstand: Agnes Tripe."

Agnes verzog bei ihrem Nachnamen das Gesicht und einige Anwesende tuschelten wieder miteinander. Agnolia Tripe – noch immer verursachte ihr Name Schrecken, obwohl Agnes sie schon vor Monaten erstochen hatte.

Agnes konnte es kaum erwarten, sich letztendlich von diesem Namen trennen zu können.

Agnes stand auf und Harry wünschte ihr noch ein schnelles „Viel Glück", bevor sie mit hoch erhobenem Kopf die Stufen nach unten ging, zu der Grube, in der die Gefangenen sitzen mussten, damit der Zaubergamot und die Schaulustigen sie von oben herab verachten konnten.

Draco schien ebenfalls überrascht zu sein, sie zu sehen und sein Gesicht zeugte von Abscheu – kein Wunder. Agnes hatte ihn und seine Familie erst vor wenigen Wochen aufgesucht und bedroht.

Aber dieses Mal war sie als Freundin und Familie gekommen.

Ein Stuhl für die Zeugen stand bereit, aber Agnes bevorzugte es, davor stehen zu bleiben. Sie spürte Dracos Blick auf ihrem Hinterkopf, aber sie drehte sich nicht zu ihm um, sondern konzentrierte sich auf den Richter und den Zaubergamot.

Ihre neutrale Miene erinnerte einige an den kühlen Gesichtsausdruck von Agnolia Tripe, wenn diese ihre Opfer gequält und ermordet hatte.

„Vollständiger Name?", fragte Dixon sie schroff.

Agnes seufzte, bevor sie antwortete: „Agnes Bellatrix Tripe."

„Tochter der Todesser Agnolia und Tristus Tripe und direkte Verwandte vom Angeklagten Draco Lucius Malfoy?"

„Korrekt, aber irrelevant", sagte Agnes nur kühl, „Soll ich Ihnen den gesamten Familienstammbaum der Blacks vorlegen, Mr Dixon? Wir würden etwas mehr Zeit brauchen, als Sie vielleicht eingeplant haben."

„Das wird nicht nötig sein", lehnte Dixon genervt ab, „Ist es auch korrekt, dass Sie sich 1995 mit Lykanthropie angesteckt haben?"

„Wieder korrekt, Sie haben wohl Ihre Hausaufgaben gemacht", lobte Agnes sarkastisch.

„Ist es auch korrekt, dass Sie derzeit nicht befugt sind, einen Zauberstab zu tragen?", fragte Dixon weiter.

Agnes biss wütend die Zähne aufeinander, aber ansonsten merkte man ihr nach außen ihre Gefühle überhaupt nicht an. „Wieder korrekt, aber nächste Woche sollte ich ihn wieder zurückbekommen. Vielleicht könnten wir jetzt auch ein paar meiner positiven Errungenschaften aufzählen, damit meine Aussage überhaupt Relevanz hat und die Wähler und Wählerinnen nicht schon von Anfang an meine Worte als die Worte einer Todesser-Anhängerin abstempeln? Mir fallen da ein paar Sachen ein: Ich bin dabei gewesen beim ersten großen Ausbruch der unter dem Regime von Vol- Voldemort gefangenen Muggelgeborenen und Blutsverrätern; ich habe bei der Schlacht von Hogwarts gekämpft und Agnolia Tripe besiegt sowie auch Greyback –"

„Für Heldengeschichten ist dies nicht der richtige Ort", unterbrach Dixon sie rasch, aber Agnes bemerkte zufrieden, dass sie schon einige der Zuhörer und Zuhörerinnen erreicht hatte, und diese beeindruckt von ihren Taten waren, wo zuerst nur Abscheu gewesen war.

Agnes lächelte leicht und ihr Blick fiel auf Kingsley Shacklebolt, nun Zaubereiminister in London, und er nickte ihr ermutigend zu.

„Erläutern Sie uns nun Ihre Aussage zu dem Angeklagten Draco Malfoy, Miss Tripe", wies Dixon sie an.

Agnes hatte ihre Worte genau vorbereitet und sie hatte jegliche Möglichkeiten durchgeplant, um ja das zu erreichen, was sie geplant hatte.

„Anfang März 1996 bin ich in Hogwarts gewesen", erinnerte Agnes sich.

„Wenn das nun wieder eine Geschichtestunde wird–", unterbrach Dixon sie spöttisch, aber das erlaubte Agnes ihm nicht.

„Ich darf Sie wohl bitten, mich ausreden zu lassen!", schnaubte Agnes empört und sah Dixon mit einem Blick an, als hätte er Remus beleidigt, „In welchen Kreisen bewege ich mich, dass es mir nicht einmal erlaubt ist, zu sprechen, ohne unterbrochen zu werden? Wenn das nun das Gesicht des Zaubereiministeriums ist, frage ich mich doch, wo der Unterschied zu dem totalitaristischen Regime von zuvor besteht, wenn ich nicht einmal ungestört meine Aussage beenden kann!"

Es war einen Moment lang angespannt still. Aaron Dixon war knallrot geworden, unterbrach Agnes nicht mehr.

Agnes schnaubte noch einmal und fuhr dann fort. „Wie ich schon erwähnt habe, bin ich in Hogwarts gewesen und bin dort zufällig auf Draco gestoßen. Und da habe ich ihm gesagt, dass, egal welchen Auftrag er vom Dunklen Lord erhalten hat, er muss ihn ausführen."

Schwere Stille. Agnes sah die Anwesenden beinahe schon provozierend an.

„Warum haben Sie das gesagt, Miss Tripe?", fragte Dixon, offenbar selbst überrascht von dieser Wendung.

„Weil ich einen ziemlich guten Überlebensinstinkt besitze und nicht dumm bin", schnaubte Agnes abfällig, „Voldemort hat zu dieser Zeit gerade wieder sein Imperium vom ersten Krieg aufgebaut, hat Leute ermordet, terrorisiert, bedroht und gefoltert. Es wäre töricht gewesen, sich gegen ihn zu stellen."

„Leute, die Befehle ausführen, sind genauso zu bestrafen, wie jene, die selbst der Kopf der Schlange sind", zischte Dixon.

„Da stimme ich zu – aber nur, wenn diese Gerechtigkeit für alle zählt", verlangte Agnes kühl, „Wo waren also Sie, Mr Dixon, als Voldemort die Macht im Zaubereiministerium übernommen hat?"

„Ich– Das ist nicht –",, stammelte er.

„Waren Sie dauerhaft in Lebensgefahr, auf der Flucht oder in einer der Einrichtungen für die Flüchtigen?", fragte Agnes unbarmherzig weiter und einige im Zaubergamot warfen Dixon mitleidige Blicke zu, als er so ins Kreuzverhör genommen wurde, „Oder waren Sie sogar in Askaban, weil sie sich offenbar so aktiv gegen Voldemort und die Todesser gewehrt haben?"

„Nein, ich –"

„Oder waren Sie hier im Ministerium angestellt, haben einfach weggesehen, als Muggelgeborene unfairer Weise verurteilt und nach Askaban gebracht wurden?"

Dixon verstummte und wurde kreidebleich. Ein sicheres Zeichen dafür, dass Agnes den Nagel auf den Kopf getroffen hatte und sie konnte sich ein leicht überhebliches Lächeln einfach nicht verkneifen.

„Das habe ich mir schon gedacht, Mr Dixon – da wir dieses Dilemma also so einfach aus der Welt geschafft haben, sollten wir Draco Malfoys Fall noch etwas mehr durchleuchten: Zu dem Zeitpunkt, an dem ich ihm nämlich gesagt habe, dass er diesen Auftrag unbedingt ausführen muss, da sonst sein Leben oder – was noch schlimmer wäre – Existenz auf dem Spiel stand, war er gerade einmal sechzehn."

Wieder Stille. Agnes ließ diese Stille einen Moment lang wirken.

„Ich kann meine eigene Situation in diesem Alter nicht direkt als Paradebeispiel benutzen, weil ich da gerade erst ein paar Wochen auf der Straße geschlafen habe und eindeutig alle meine Lebensentscheidungen bereut habe, aber ich kann mir denken, dass andere Jungs in diesem Alter nicht um ihr Leben fürchten müssen, außer sie werden gerade bei einem heimlichen Trinkspiel in Hogwarts dazu aufgefordert, auf den Ravenclaw-Turm zu klettern – natürlich ein komplett frei erfundenes Beispiel."

Ein paar lachten nervös. Das war gut – wenn Agnes ihnen sympathisch war, hörten sie auf sie.

„Dracos Vater, Lucius Malfoy, ist gerade als Todesser enttarnt und nach Askaban gebracht worden. Nicht nur eine Schande in den Augen der Zauberergemeinschaft, sondern auch in den Augen des Dunklen Lords – Lucius hat versagt. Als Strafe für sein Versagen gab er seinem einzigen Sohn, Draco, einen unmöglichen und wahrscheinlich tödlichen Auftrag: Töte Albus Dumbledore. Ich sage jetzt nicht, dass Draco Malfoy in dieser Angelegenheit vollkommen unschuldig ist, immerhin sind einige Schüler verletzt worden und seine Taten haben letztendlich zum Tod von Dumbledore geführt, aber wenn ich Sie alle noch einmal daran erinnern darf, dass er gerade einmal sechzehn war und Druck von allen Seite verspürt hat, die Sicherheit der Zauberergemeinschaft verloren hat und dann noch der Dunkle Lord seine Familie bedroht – und sein Leben... Was hätten Sie denn getan?"

Agnes sah sich um. Bedrückende Stille.

„Denn nicht jeder von uns kann ein Held sein, würde ich sagen", sagte Agnes etwas ruhiger und blickte kurz zurück zu Draco, dann aber wieder zu den Zuschauern, „Wir können nicht alle das Leben von uns selbst und allen, die wir lieben gefährden, um das Richtige zu tun – besonders nicht, wenn man kaum siebzehn ist. Was haben Sie denn alle in ihrem letzten Jahr in Hogwarts gemacht, als Sie in Dracos Alter gewesen sind? Ich bin mir sicher, Sie haben nicht jederzeit auf Ihre Gedanken achten müssen, weil der Dunkle Lord ein ausgezeichneter Legilimens gewesen ist. Sie haben vermutlich nicht jeden Tag entscheiden müssen, ob der nächste Schritt nicht doch zum Tod führen könnte, weil der Dunkle Lord impulsiv gewesen ist. Sie haben vermutlich noch nicht einmal ihren Zauberstab gegen einen Menschen erheben müssen, um seine eigene Familie zu schützen. Und letztendlich hat Draco sich richtig entschieden – ein Zeichen dafür, dass er lernfähig ist und das ist wichtig für einen so jungen Mann wie ihn."

Agnes wartete noch einen Moment lang, bevor sie ihren Kopf zum Abschied nickte und einfach wieder die Treppen hinaufging zu Harry zurück.

„Wirklich gut", raunte er ihr zu, während der Zaubergamot nach dieser Rede versuchte, wieder Haltung einzunehmen, „Jetzt müssen sie ihn freilassen."

„Hoffentlich", murmelte Agnes, „Er hat eine Strafe verdient, aber sicherlich nicht Lebenslänglich in Askaban wie Lucius. Vielleicht in paar Wochen ohne Zauberstab – die waren die Hölle!"

Harry lachte leise. „Jetzt bekommst du ihn ja bald wieder zurück."

„Wenn sie mich nicht wieder für verrückt halten", murmelte Agnes unsicherer.

„Du hast deinen Verstand schon vor langer Zeit verloren – du musst ihnen nur klarmachen, dass das bei dir Normalzustand ist", scherzte Harry.

„Du kannst nicht zufällig ein gutes Wort für mich einlegen?"

„Nope – ich mische mich nicht ein, außer bei –"

„– bei Umbitch", vervollständigte Agnes ihn.

„Ganz genau. Bei dieser Bitch."

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