Nächtliches Gespräch
Arthus PoV
Seit Ollie den Anruf beendet hatte, war ich am überlegen, wie ich ihm von den Ereignissen am Nachmittag erzählen sollte. Bisher war ich zu keinem Ergebnis gekommen. Es gab keine Variante bei der ich ehrlich zu Ollie war und er sich dennoch keine Sorgen machte. Die Schusswunde ließ sich einfach nicht schön reden.
Ein Klopfen an der Tür riss mich schließlich aus meinen Gedanken. Ehe ich etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür bereits und Ollie betrat den Raum. Sein Blick glitt vermutlich nach Verletzungen suchend über meinen Körper. Der Verband, der sich über der genähten Wunde befand, wurde jedoch von meinem T-Shirt verborgen.
Mein Freund trat näher und setzte sich zögerlich auf die Bettkante.
"Tut mir leid. Ich hätte dir schreiben sollen, dass ich es nicht zum Kino schaffe", entschuldigte ich mich, woraufhin Ollie schnaubte.
"Du hättest mir vor allem schreiben sollen, dass du im Krankenhaus bist. Der blöde Film interessiert mich gerade überhaupt nicht."
"Ich hatte keine Gelegenheit dazu gehabt. Bei unserem Telefonat war ich das erste Mal seit der Einlieferung überhaupt an meinem Handy."
"Einlieferung? Bedeutet du bist nicht mal von selbst hergefahren, sondern wurdest mit einem Krankenwagen eingeliefert?" Der Plan, dass Ollie sich keine Sorgen machen sollte, war schneller gescheitert als im Vorfeld bereits befürchtet. "Rück jetzt raus mit der Sprache, Arthur, wieso bist du hier? Wie hast du es hinbekommen, dass ein Krankenwagen notwendig ist und du mehrere Tage hier bleiben musst? Ich will die komplette Wahrheit. Ich kann verstehen, dass du gerade versuchst, dass ich mir keine Sorgen mache, aber das zeigt mir nur, dass es Grund zur Sorge gibt, sonst hättest du mir schon längst den Grund erzählt."
"Mir geht's gut ..." Ollie unterbrach mich.
"Du liegst im Krankenhaus und bist komplett blass", unterbrach Ollie mich.
"Mir geht es besser und ich werde wieder komplett gesund. Ich bin nicht mehr in Lebensgefahr", startete ich einen erneuten Versuch, um den Jüngeren zu beruhigen.
"Nicht mehr in Lebensgefahr?!", entfuhr es Ollie entsetzt. Seufzend schloss ich die Augen.
"Hör auf auf jedes Wort zu achten, dass macht es verdammt schwierig dich zu beruhigen", forderte ich.
"Du sollst mich auch nicht beruhigen, sondern mir die Wahrheit erzählen."
"Max ist mit Lio in Monaco ..."
"Lenk nicht vom Thema ab."
"Charles hat am Nachmittag auf Lio aufgepasst. Sie waren auf einen Spielplatz. Ich wollte Lio besuchen, hab bei Max geklingelt, der hat mich zum Spielplatz geschickt. Als ich ankam, war Lio verschwunden. Charles und ich haben alles abgesucht, ihn aber nicht gefunden. In der Zwischenzeit hat Max eine Nachricht bekommen. Eine Lösegeldforderung. Man hatte Charles abgelenkt und Lio entführt." Ollie griff nach meiner Hand, um diese festzuklammern. Es kam jedoch kein Wort über seine Lippen. "Max hat die Lösegeldübergabe, die in einer verlassenen Fabrik stattgefunden hat, selbst gemacht, wofür er mit einer schusssicheren Weste, Mikrophone und Kamera ausgestattet wurde. Charles und ich haben draußen bei den Polizisten im Auto gewartet. Die Entführer kamen dahinter, dass Max die Polizei eingeschaltet hat. Er konnte mit ihnen jedoch verhandeln, dass sie Lio gehen lassen und er selbst dort bleibt, wofür er die Kamera und das Mikrophone abgelegt hat. Wir wussten also nicht mehr, was im Inneren passiert. Charles und ich haben Lio draußen in Empfang genommen. Charles ist dann mit Lio zurück zum Auto."
"Bitte erzähl mir jetzt nicht, dass du in die Fabrik gegangen bist."
"Hätte ich Max in Stich lassen sollen?"
"Du verdammter Idiot." Ollie sprang auf und begann durch den Raum zu laufen.
"Ich bin durch eine andere Tür rein, wodurch ich hinter dem Entführer war. Er hatte eine Waffe auf Max gerichtet. Kurz nachdem ich drin war, ist die Mittäterin in den Nachbarraum gegangen. Es war meine Chance..."
"Wie kann man so dämlich sein", warf Ollie aufgebracht ein.
"Ich hab ihn zu Boden gerissen, wobei sich ein Schuss gelöst hat." Ollie wirbelte zu mir herum. Sein Blick glitt erneut suchend über meinen Körper. In seinen Augen schimmerten Tränen. "Der Schuss hat Maxs Arm gestreift. Ich hatte den Entführer zwar am Boden, schaffte es aber nicht ihm die Waffe abzunehmen, da er sich gewährt hat. Plötzlich war die Frau wieder zurück. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was genau passiert ist. Es ging so schnell. Es gab zwei Schüsse, dann habe ich einfach nur Schmerzen gefühlt. Alles andere habe ich nur noch wage mitbekommen. Max war plötzlich bei mir, dann waren da Sanitäter und schließlich auch Charles. Ich muss irgendwann das Bewusstsein verloren haben. Vorhin war ich kurz war. Ein Arzt hat mir erzählt, dass ich operiert wurde, danach bin ich direkt wieder eingeschlafen bis du mich angerufen hast." Tränen rannen über Ollis Gesicht.
"Da waren Polizisten vor Ort. Ausgebildete Polizisten mit schusssicheren Westen. Wie bist du bitte sehr auf die komplett hirnrissige Idee gekommen, dass es von all den Möglichkeiten, die es gab, es die beste Option ist, dass du reingehst? Meiner Meinung nach war das nämlich die absolut dämlichste Variante, die man hätte wählen können. Arthur, du hättest jetzt tot sein können und zwar wegen deiner eigenen Dummheit. Ich kann es einfach nicht fassen."
"Es tut mir leid", murmelte ich.
"Ich hätte dich verlieren können, nur weil du unbedingt den Helden spielen musstest."
"Ich konnte Max doch nicht einfach in Stich lassen. Charles und Lio brauchen ihn."
"Und ich brauche dich. Außerdem solltest du ihn nicht in Stich lassen, sondern die Polizei ihren Job machen lassen."
"Tut mir leid", wiederholte ich kleinlaut, wobei ich den Blick senkte.
"Wo wurdest du getroffen? Wie schlimm ist es?"
"Bauch. Es wurde alles wieder geflickt. Es bleibt nur eine Narbe zurück."
"Mehr Glück als Verstand", grummelte Ollie, ehe sich die Matratze neben mir senkte. Vorsichtig schaute ich auf. Ollie hatten den Platz auf der Bettkante wieder eingenommen. Sein Gesicht war Tränen überströmt. "Ich liebe dich, du Idiot", murmelte er und drückte seine Lippen auf meine.
Charles PoV
Am Abend war ich in Maxs Armen eingeschlafen. Als ich jedoch wach wurde lag ich allein im Bett. Es war draußen noch dunkel und der Wecker zeigte gerade mal vier Uhr an. Es war eindeutig zu früh um aufzustehen und erst Recht, um es auch noch freiwillig zu tun. Seufzend quälte ich mich dennoch unter der warmen Decke hervor und verließ das Bett, um nach Max zu suchen.
Bereits im Flur traf ich auf den Niederländer. Er lehnte im Türrahmen zum Gästezimmer und schien Lio zu beobachten.
"Max", hauchte ich, um ihn nicht zu erschrecken und Lio nicht zu wecken. Ich trat an seine Seite. Lio lag friedlich schlafend in seinem Bett. Eine Hand legte ich an Maxs Arm. "Alles in Ordnung?", flüsterte ich. Als Antwort erhielt ich ein träges Nicken. Besorgt musterte ich den Älteren, der seufzend die Zimmertür wieder schloss, um unseren Sohn in Ruhe weiterschlafen zu lassen.
"Lass uns wieder ins Bett." Ohne meine Antwort abzuwarten, ging Max zurück Richtung Schlafzimmer. Ich folgte ihm schweigend. Ich schloss die Zimmertür hinter mir und griff nach Maxs Hand, wodurch ich ihn daran hinderte sich zurück ins Bett zu legen. Ich konnte nicht so tun, als hätte es die Situation gerade nicht gegeben.
"Wieso bist du wach?", fragte ich, wobei ich näher an ihn trat und sein Gesicht sanft mit beiden Händen umschloss, damit er mich ansah.
"Bin wohl von den Schmerzen der Wunde wachgeworden. Hab eben ne Schmerztablette genommen und noch kurz nach Lio geschaut. Ich wäre gleich zurückgekommen."
"Danach sah es gerade aber nicht aus. Schließ mich bitte nicht aus. Wenn du sauer auf mich bist, ist das okay. Wenn ich dein Vertrauen auf Lio bezogen verloren hab, kann ich das verstehen. Aber dann sag es mir auch, damit ich weiß, woran ich bin. Es tot zu schweigen hilft Niemanden."
"Ich hab überlegt, morgenfrüh mit Lio zurück nach Belgien zu fliegen."
"Was?", entfuhr es mir mit kratziger Stimme. "Gestern Abend hast du gesagt, zwischen uns ist alles in Ordnung und dass wir ..."
"Charles", unterbrach Max mich, woraufhin ich verstummte. "Es geht dabei nicht um dich und mich. Ich denke einfach, dass es das Beste für Lio ist, erstmal zurück in seine gewohnte Umgebung zu sein. Zumindest bis zum nächsten Rennen. Wenn sich danach alles etwas beruhigt hat, können wir wieder für ein paar Tage nach Monaco kommen. Aber derzeit ist Lios Zuhause noch in Belgien." Ich nickte. Max lehnte sich vor und platzierte einen kleinen Kuss auf meinen Lippen. "Ich würde dir ja anbieten, uns zu begleiten, aber ich vermute, du willst Arthur nicht allein lassen?"
"Ich kann ihn jetzt nicht allein lassen. Er würde sich niemals ausruhen, wenn nicht irgendjemand dafür sorgt. Ich möchte aber auch bei euch sein."
"Es sind nur ein paar Tage. Spätestens an der Rennstrecke werden wir uns wiedersehen."
"Du willst fahren? Trotz Schussverletzung willst du fahren?", realisierte ich.
"Wenn es irgendwie möglich ist, ja. Wenn nicht, werde ich trotzdem an der Rennstrecke sein. Wir werden uns dann Wiedersehen, versprochen."
"Du bist dir sicher, dass ihr nicht hier bleiben wollt?"
"Es ist das Beste für Lio." Seufzend nickte ich, da ich seine Entscheidung verstehen konnte.
"Ich werde euch vermissen", flüsterte ich.
"Meinst du nicht, dass es noch etwas früh für einen Abschied ist? Wir sind noch ein paar Stunden hier." Max zog mich näher zu sich und küsste mich. Ich erwiderte den Kuss, wobei ich mich den Niederländer fest an mich drückte.
Jeder Abschied fühlte sich wie für immer an. Bei jedem Mal hatte ich aufs Neue Angst, Max und nun auch Lio nie wiederzusehen. Die zwei Jahre ohne Max waren hart gewesen. Ein weiteres Mal, jetzt wo das zwischen uns noch viel intensiver geworden war und es zudem auch noch Lio gab, würde ich das nicht überstehen.
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