chapter 2 - the killing kind


»All my friends are heathens, take it slow
Wait for them to ask you who you know«

𝙝𝙚𝙖𝙩𝙝𝙚𝙣𝙨 𝘣𝘺 𝙩𝙬𝙚𝙣𝙩𝙮 𝙤𝙣𝙚 𝙥𝙞𝙡𝙤𝙩𝙨




JUNIPER HATTE IMMER GEDACHT, sie würde die Schattenseiten von New York kennen. Mit einem Polizisten als Vater tat man das vielleicht noch einmal mehr, als man zunächst vermutete. Natürlich war es in ihrem Leben schon des Öfteren vorgekommen, dass sie Beomseok völlig am Ende mit einem Whiskey am Küchentisch vorgefunden hatte. Gewaltsame Auseinandersetzungen, das Auffinden von Leichen, Schießereien...das alles und noch so viel mehr war bereits der Grund für eine gezielte Abtötung der Sinne durch Alkohol gewesen. In einer Stadt wie New York, mit so einer enormen Kriminalitätsdichte, stellte etwas dergleichen fast schon Alltag für Cops dar. Zumindest, wenn sie wie Junipers Vater hauptsächlich im Außendienst tätig waren.

Dementsprechend hatte sie sich auch schon oft damit beschäftigt, was es außer dem, was sie tagtäglich zu sehen bekam, noch gab. Was noch tiefer in den Schatten lauerte. Dass sie selbst einmal in genau jener Position landen würde, in der jemandem in ihrer Gegenwart das Gehirn weggepustet wurde, das hätte sie jedoch niemals für möglich gehalten.

Youngbae hatte sie gerade mal seit ein paar Stunden gekannt und doch sorgte der Anblick seines regungslosen Körpers dafür, dass Juniper schluchzte wie ein kleines Kind. Aber nicht nur, weil sie nicht fassen konnte, was gerade geschehen war...auch weil die Droge in ihrem Körper inzwischen genau das Gegenteil davon tat, was sie eigentlich sollte. MDMA konnte zu starken Panikattacken führen. Und genau darauf lief es gerade bei ihr hinaus.

Dass es nicht dazu kam, dafür sorgte letztendlich Hendery. Der Hendery, von dem sie eigentlich gedacht hatte, er wäre eine Person, der sie vertrauen konnte. Der Hendery, dem sie so viele ihrer tiefsten Sorgen und Geheimnisse anvertraut hatte. Ja, genau der Hendery, der ihr jetzt ein Tuch mit einem süßlichen Geruch auf Nase und Mund presste. Keine drei Sekunden später wurde ihr schwarz vor Augen.

Juniper verlor ab diesem Augenblick jegliches Gefühl für Zeit. Sie schwebte durch ein blutrotes, erdrückendes Nichts, durch das grelle, blendend helle Blitze zuckten. Irgendwann mischten sich Geräusche dazu. Ferne, tiefe Stimmen, die miteinander sprachen, von deren Unterhaltung sie aber kein Wort verstand. Motorengeräusche und Hupen. Leise Musik...

Als sie irgendwann langsam wieder zu Bewusstsein kam, sagten ihr die Schmerzen in ihrem ganzen Körper bereits, dass sie eine ganze Weile ohnmächtig gewesen sein musste. Doch auch ihr Kopf dröhnte auf eine seltsam dumpfe Weise, als hätte sie plötzlich verlernt, wie denken funktionierte. Alles, was sie in diesem Moment antrieb, waren wohl ihre primitivsten menschlichen Instinkte. Doch letztendlich fehlte ihr die Kraft, die Augen aufzuschlagen. Alles, was ihr übrigblieb, war ruhig in ihrer undefinierbaren Position zu verharren. Sie wusste nicht einmal, wo oben und wo unten war.

Als Junipers Gehirn langsam wieder so etwas wie Gedankenfluss zuließ, nutzte sie ihre Unbeweglichkeit erst einmal dafür, um die Geschehnisse noch einmal zurückzuspulen. Sie hatte mit ihrem Vater gestritten, als er von der Arbeit gekommen war...hatte gewartet, bis er geschlafen hatte und war dann rausgeschlichen, um ins VIBE zu gehen. Dort hatte sie sich mit Hendery und Tao getroffen. Und Youngbae. Sie waren zu seinem Loft in Tribeca gefahren, hatten Ecstasy geschnupft, zu Bohemian Rhapsody getanzt und...Tao hatte Youngbae erschossen. Einfach so. Als wäre es nichts Großes für ihn gewesen.

Die Erkenntnis jagte einen eiskalten Schauer über Junipers ganzen Körper. Es war, als würde sie den Koreaner noch immer direkt vor sich sehen. Wie die Kugel seinen Schädel seitlich durchschlug, als wäre dieser nichts weiter als Watte. Wie das Blut spritzte und er zu Boden stürzte, mit nichts als Leere in seinen immer noch weit aufgerissenen Augen. Schon wieder brannte die Übelkeit in ihrem Hals und heiße Tränen unter ihren Lidern.

Wo zur Hölle war sie hier nur hineingeraten? Was war der Zweck dieser brutalen Ermordung gewesen? Was wollten Tao und Hendery von ihr und wer verdammt nochmal waren sie?!

Binnen Minuten drohte Junipers Kopf wieder zu platzen. Ihre Atmung beschleunigte sich und ihr ganzer Körper begann zu kribbeln, als würden Ameisen ihre Venen bevölkern. Das hier war zu viel. Es war einfach zu viel.

»Oh, ich glaube, deine Prinzessin ist aufgewacht.«

Die Stimme, die an ihre Ohren drang, war unverkennbar die von Hendery. Das leise Lachen, das darauf folgte, gehörte Tao. Und erst dann konnte sich Juniper richtig orientieren. Sie saß aufrecht auf einem unbequemen Polster, die Hände hinter ihren Rücken geklemmt und irgendetwas schnitt ihr in die Knöchel. Als sie es endlich schaffte, die Augen zu öffnen, konnte sie nichts als die Innenseite einer Art Sack sehen. Doch ihr war auch so bereits bewusst, dass sie sich in Taos Porsche befinden mussten. Angeschnallt auf der Rückbank, die Hände auf dem Rücken gefesselt.

»Ganz ruhig, Babe«, säuselte Tao. »Wir sind fast da. Zwing Hendery nicht dazu, dich mit noch mehr als den Fesseln und dem Gurt zu fixieren.«

Dass er wirklich noch die Nerven hatte, sie so zu nennen...Plötzlich klang das Babe aus seinem Mund wie eine spöttische Herabwürdigung ihrer Existenz. Und wenn Juniper ehrlich mit sich war...sagte er es gerade nicht viel anders, als er es sonst immer getan hatte. Nun kam sie sich so unglaublich dumm vor.

Die nächsten zehn Minuten verbrachte sie in ihren Gedanken, irgendwo zwischen der Suche nach Antworten und dem elendigen Versuch, nicht durchzudrehen. Ihr Vater, schoss es ihr durch den Kopf. Hatte sie in letzter Zeit irgendwas mitbekommen? War er wieder mal unter Personenschutz gestellt worden, weil er sich neue Feinde gemacht hatte? Als Polizist in New York konnte dies öfter vorkommen, wenn man zur falschen Zeit die falschen Leute verhaften musste. Oder wenn man jegliche Korruption im Keim zu ersticken versuchte. Juniper hatte sich zumindest immer selbst eingeredet, dass ihr Vater einer der guten Cops war. Nun jedoch kam sie ins Zweifeln...und das nur, weil ausgerechnet sie nun hier auf dieser verdammten Rückbank saß.

Die quietschenden Reifen des Porsche brachten ihren Gedankengang zu einem jähen Stillstand und ihr Herz erneut zum Rasen. Das seltsame Hallen erweckte den Eindruck, dass sie sich in einem Innenraum befanden. Vielleicht einer Tiefgarage?

Juniper blieb nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Ein paar schlagende Autotüren später spürte sie die Präsenz einer Person über sich, die ganz offensichtlich ihren Gurt löste und sie kurz darauf grob aus dem Wagen zerrte. Sie schnappte erschrocken nach Luft, zwang sich aber vehement, nicht zu schreien. Die Genugtuung, dass sie eine scheiß Angst hatte, wollte sie Tao oder Hendery ganz gewiss nicht geben. Auch, wenn sie sich eigentlich gerade fast in die Hosen machte.

Was nun folgte, war ein sehr holpriger Weg. Juniper hatte man am Arm gepackt und sie wurde achtlos mitgezerrt. Dabei kam es nicht selten vor, dass sie über kleine Erhöhungen am Boden stolperte oder sich die Schulter an einer Wandkante stieß. Doch sie ließ es kommentarlos über sich ergehen. Das bisschen Stolz, das ihr in dieser aussichtslosen Situation geblieben war, verbot ihr, auch nur eine Frage zu stellen.

Eine gefühlte Ewigkeit und tausende Abzweigungen später drückte man sie schließlich auf etwas Hartes, was sie als Stuhl identifizierte. Ihre Hände wurden von den schneidenden Fesseln gelöst, nur dass man sie gleich darauf auf die Armlehnen presste und dort, dem Geräusch und dem schneidenden Schmerz nach, mit Kabelbindern befestigte.

»Oh wow, ich hätte mit etwas mehr Widerstand gerechnet, so wie du mir von ihr erzählt hast. Die Kleine scheint ja doch ziemlich handzahm zu sein.«

Diese Stimme, in der ein leichter kalifornischer Akzent mitschwang, war neu und jagte Juniper ganz nebenbei bemerkt einen eiskalten Schauer über den Rücken. Nicht nur, weil sie so gespenstisch von den offensichtlich vorhandenen Wänden um sie herum widerhallte.

»Auf was wartet ihr noch? Jetzt nehmt ihr schon das verdammte Ding vom Kopf!«

Keine drei Sekunden später wurde Juniper der Sack mitsamt einiger Haare entrissen und sie sah sich Auge in Auge mit der unbekannten Person, die gesprochen hatte. Noch ein Ostasiate mit schwarzen, zurückgegelten Haaren und einem steinernen Ausdruck auf dem wie aus Marmor gemeißelten Gesicht. Der von Heizungsrohren durchlaufene, fensterlose und ziemlich dreckige Raum, in dem sie sich befanden, passte erstaunlich gut zu seinem makellosen und zweifelsohne maßgeschneiderten, grauen Anzug.

»Hey«, sagte er und ein kaum merkliches, schiefes Grinsen zuckte in seinen Mundwinkeln, ehe er die Arme auf dem Rücken verschränkte. Tao schritt unterdessen im Schatten des Fremden herum, während Hendery sich wohl irgendwo hinter Juniper befinden musste. Zumindest sagte ihr das das widerliche Kribbeln in ihrem Nacken.

»Was ist los, Babe?«, spottete Tao und stellte sich dabei direkt neben den Typ im Anzug. »Seit wann bist du so schweigsam? Im Loft hast du noch gekreischt wie ein kleines Kind.«

»Fick dich ins Knie, Tao.«

Die Worte waren ihr so unkontrolliert entwischt, dass sie sich – wenn sie nicht gefesselt gewesen wäre – am liebsten direkt eine Hand auf den Mund geschlagen hätte. Das Klicken von einer Waffe hinter ihr, die offensichtlich entsichert wurde, bestätigte ihr, dass sie eventuell einen Schritt zu weit gegangen war.

Der Fremde schnaubte und warf dem Chinesen neben sich einen belustigten Seitenblick zu, ehe er sich wieder Juniper zuwandte.

»Man merkt, zu wem du gehörst, Kleine«, raunte er, ehe er gelassen ein paar Schritte näher kam. »Was hätte man auch anderes erwarten sollen?«

»Also darum geht's hier?«, gab sie ungewollt patzig zurück. »Um meinen Vater? Bin ich deswegen hier?«

Juniper wusste nicht, woher ihr plötzlicher Mut kam. Weshalb ihre Zunge offensichtlich dachte, es wäre eine gute Idee, sie noch weiter ins Verderben zu stürzen. Doch was sie noch weniger verstand, war die Tatsache, warum der Kerl mit den zurückgegelten Haaren ihre Worte offenbar lustig genug fand, um herzlich aufzulachen.

»Nun, Kleine...«, säuselte er, nachdem er sich wieder gefasst hatte. »So ungefähr...könnte man es nennen. Allerdings glaube ich trotzdem nicht, dass wir gerade dasselbe meinen.«

Juniper zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. »Euch ist hoffentlich schon bewusst, dass mein Vater beim NYCPD ist. Wenn er bemerkt, dass ich weg bin, dann wird er nicht aufgeben, bis er jeden verdammten Stein in dieser Stadt umgedreht hat und –«

»Ja, ja, langweile mich nicht mit so einem Gelaber. Ich weiß, wer Park Beomseok ist. Die Einzige, die es offensichtlich nicht zu wissen scheint, bist du.«

»Was redest du da?!«, fuhr Juniper dagegen. »Wer...wer seid ihr überhaupt? Und was wollt ihr von mir?«

Der Fremde seufzte theatralisch und beugte sich dabei gefährlich nahe zu ihr herunter. »Oh Juniper...Es ist so traurig, dass dir das dein Vater nicht selbst sagen kann. Aber dafür darfst du dich bei deiner Mutter bedanken und der Kugel, die sie ihm durch den Schädel gejagt hat.«

Die Worte sanken in ihre Magengrube wie ein tonnenschweres Bleigewicht. Ihre...Mutter?! Und ihr Vater war...tot?! Sie musste sich verhört haben. Oder hier lag eine gewaltige Verwechslung vor! Die Einzige, die hier tot war, war ihre Mum und ihren Vater hatte sie vor wenigen Stunden schlafend in seinem Bett in ihrem Apartment in Yorkville zurückgelassen.

»Da sagst du nichts mehr, Kleine, hmm?«, frohlockte der Kerl, dessen Gesicht viel zu nah vor ihrem schwebte. »Aber alles der Reihe nach...Ich will nicht unhöflich sein; wir sind ja schließlich keine Amerikaner. Mein Name ist Key. Und du bist hier, um uns zu verraten, wo sich deine Mutter aufhält.«

Juniper konnte es einfach nicht fassen. War das noch der Rest des MDMAs in ihrem Blut, der ihr irgendwelche Halluzinationen bescherte? Das konnte dieser Kerl doch nicht wirklich ernst meinen. Sicher, dass sie in Youngbaes Apartment nicht einfach weggekippt war und nun in einem komatösen Schlaf diesen ganzen Bullshit hier träumte?

»Meine Mutter ist tot!«, wehrte sie sich und schüttelte dabei vehement den Kopf. »Sie ist kurz nach meiner Geburt gestorben. Wenn ihr wirklich so gut Bescheid wissen würdet, wie ihr tut, dann –«

»Oh Mädchen«, unterbrach sie Key mit einem gelangweilten Unterton, ehe er sich wieder zu seiner vollen Größe aufrichtete und auf sie herabschaute. »Hör auf, uns hier für dumm zu verkaufen. Mag sein, dass es keiner für nötig erachtet hat, dir von deinen wahren Wurzeln zu erzählen, aber wir wissen, dass du Informationen zu Kim Hyuna hast. Mach diese Situation nicht unangenehmer für dich, als sie ohnehin schon ist.«

»Meine Mutter war Kang Yuri! Ich kenne keine...Hyuna? Ihr müsst mich verwechseln, ich schwöre euch. Meine Mutter ist –«

»Alles, nur nicht tot. Leider.«

Dieses Mal war es Tao gewesen, der ihr ins Wort gefallen war und sofort schnellte Junipers Blick zu ihm.

»Du«, zischte sie, während ihr langsam aber sicher so viele Erkenntnisse in den Sinn kamen. »Du hast mich so oft...«

»So oft nach ihr gefragt? Blitzmerker.« Er grinste schief, ehe er die Arme vor der Brust verschränkte. »Wir hatten schon eine ganze Weile den Verdacht, dass Hyuna wieder im Lande ist. Damit war auch klar, dass du nicht tot bist, wie wir lange angenommen haben. Dich ausfindig zu machen, war viel zu einfach. Hendery hatte dich nach einer Woche Recherche auf dem Radar und irgendwer musste dich ja beobachten. Doch unser Geduldsfaden ist nicht ewig lang, Babe.«

Juniper presste die Lippen aufeinander, kaum fähig, ihm dabei in die Augen zu sehen. »Hast...hast du deswegen Youngbae...?«

Tao gluckste. »Youngbae war nur ein Mittel zum Zweck. Das Einzige, was schade an seinem Tod ist, ist die Tatsache, dass wir diesen guten Colt-Revolver nun an die Asservatenkammer verlieren. Aber dass deine liebe Mum am Montag unseren Boss gekillt hat, war Grund genug, um diese ganze Show hier endlich zu beenden.«

So langsam kamen sie an einen Punkt, ab dem Juniper gar nichts mehr verstand. Sie konnte immer noch nichts von dem glauben, was man ihr hier zu erzählen versuchte, auch wenn sich teilweise immer mehr Lücken schlossen. Aber wenn diese ganze Geschichte auch nur einen Funken Wahrheit innehatte...hieße das nicht, dass sie vom einen auf den anderen Moment in eine ziemlich heikle Mafia-Verschwörung geraten war?!? Anders konnte man das hier doch nicht nennen, oder? Und wenn Tao davon sprach, dass ihr angeblicher Boss von Junipers angeblicher Mutter umgebracht worden war ...und vorhin dieser Key angemerkt hatte, dass ihr Vater...

»Aber...mein Vater ist bei der Polizei«, presste sie erneut hervor und sah dabei gezwungenermaßen zwischen den beiden Kerlen vor ihr hin und her. »Wenn ihr sagt, er wäre euer...«

Juniper brach ab, als schallendes Gelächter, dieses Mal von allen drei Anwesenden, den Kellerraum durchdrang.

»Wie oft denn noch, Kleine«, schnaubte Key und legte dabei den Kopf schief. »Beomseok ist nicht dein Vater.«


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Die folgende Stunde (oder waren es mehr davon?) gestaltete sich wie der ungekürzte Ausläufer eines Horrorfilms. Zumindest fühlte es sich für Juniper so an. Tao, Hendery und allen voran Key schienen sich nicht in der Überzeugung beirren zu lassen, dass sie angebliche Informationen zu ihrer angeblichen Mutter haben würde. Doch Juniper fehlte so langsam die Kraft, um sich zu verteidigen. Zwischen all den Fragen, mit denen man sie zu zerfleischen versuchte, drückten viel zu viele Dinge auf ihren Kopf. Tao, der Youngbae vor ihren Augen erschossen hatte. Das Runterkommen von der Droge, welche einen Großteil ihrer Endorphine dahingerafft und sie mit nichts weiter als Herzrasen zurückgelassen hatte. Und dann natürlich noch all die Informationen, die man ihr hier als die Wahrheit zu verkaufen versuchte...

»Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber mir geht das hier ein bisschen zu schleppend voran«, merkte Key irgendwann an, während er gelangweilt vor dem Stuhl auf und ab schritt. »Ich würde sagen, wir stecken die Prinzessin fürs Erste ins Loch, dass sie sich ein bisschen besser über ihre eigentliche Lage klar werden kann. Wenn sie uns dann immer noch nicht weiterhelfen will...werden wir nicht mehr auf vornehme Gentlemen machen.«

Er sagte seine letzten Worte so eindringlich, dass Juniper unweigerlich schlucken musste. Das hier entwickelte sich immer weiter zu einem wahren Höllentrip. Und sie hatte keinen blassen Schimmer, wie sie sich selbst wieder aus dieser Situation winden konnte.

»Sperrt sie in die Zelle neben Youngbaes kleiner Hure«, befahl Key Tao und Hendery in einem geradezu beiläufigen Ton. »Kaum zu glauben, dass wir auf diese Weise eine dieser Kanalratten geschnappt haben. Und das auch noch in New York. Der Boss wird sich freuen, das zu hören.«

»Hyunsuk-pa hatte die Abreibung nach Dragons ungefragter Gebietserweiterung verdient«, schnaubte Tao, während er gerade alles andere als zart Junipers Fesseln löste. »Und bezüglich der Ratte in der Zelle...Hätte echt nicht gedacht, dass der Kerl auch auf Schwänze steht.«

»Kugelsichere Schwänze, meinst du wohl«, grunzte Hendery, ehe die beiden auf eine ekelhafte Weise zu gackern begannen.

»Wie dem auch sei«, seufzte Key mit einer gewissen Zufriedenheit. »Sobald wir mit diesem Täubchen hier durch sind, wird er uns sicher ein paar nette Informationen zu seiner Sippe und seinen Verbindungen zu Hyunsuk-pa geben. Wir können dabei ja mal testen, ob auch sein Schwanz wirklich so...kugelsicher ist. Dafür muss er aber noch ein bisschen in diesem Loch verrotten. Bis dahin...werde ich jetzt erstmal ein paar wichtigeren Dingen nachgehen.«

Darauf schenkte er Juniper ein letztes arrogantes Lächeln, ehe er durch die eiserne Tür ins Dunkel verschwand.

Tao hatte es inzwischen zu seiner alleinigen Aufgabe gemacht, sie von ihrem Stuhl zu wuchten und mit verschränkten Händen hinter dem Rücken ebenfalls aus dem Raum zu drängen. Hendery, so konnte sie nur schätzen, blieb hinter ihnen zurück.

»Wieso musste Youngbae sterben?«, zwang sich Juniper schließlich zu der Frage, obwohl sie sich eigentlich vorgenommen hatte, kein einziges Wort mehr mit Tao zu reden.

Hinter ihr ertönte ein leises Lachen. »Der scheint es dir ja echt angetan zu haben, was?«

Sie presste die Lippen aufeinander, um sich einen bissigen Kommentar zu verkneifen. Die Wut, die nun wieder in ihr aufstieg, trieb ihr beinahe Tränen in die Augen.

»Du hast keine Ahnung, wer Youngbae war, Babe«, fuhr Tao fort und schob sie dabei nur noch etwas grober vor sich her durch die dunklen Gänge. »Wenn du es wüsstest, würdest du nicht so viel Mitleid mit ihm haben.«

»Ich habe auch keine Ahnung, wer du eigentlich bist, außer ein widerlicher, verlogener, verachtenswerter Wichser.«

Der Chinese gluckste wieder, ehe er sie an einer Abzweigung ruckartig nach rechts lenkte, so dass sie heftig mit der Schulter gegen die Kante knallte. »Du wirst noch früh genug erfahren, wer ich bin und wer wir sind.«

Tao stieß die eiserne Tür, die sich vor ihnen aufbaute, unwirsch mit dem Fuß auf und eröffnete damit den Blick auf etwas, was man wirklich als nichts anderes als einen Kerker bezeichnen konnte. Drei von dicken Gitterstäben eingekesselte Zellen lagen direkt vor ihnen und das einzige Licht, das es gab, kam von einer flackernden Neonröhre an der Decke. Es roch nach abgestandenem Wasser und modrigem Kellermief und von irgendwoher drang ein leises Tropfgeräusch an Junipers Ohren. Eines war jedenfalls sicher...dies hier war kein Ort, an dem sie auch nur eine Nacht verbringen wollte.

Ihre Chancen standen jedoch schlecht. Tao schubste sie in die mittlere der Zellen, ehe er die Gittertür mit einem lauten Knall hinter ihr zuwarf und den Schlüssel im Schloss umdrehte.

»Tut mir echt leid für dieses mittelalterliche Niveau«, seufzte er. »Aber weißt du, wir sind so selten in...lovely America, dass wir nicht gerade viel Wert darauf legen, hier sonderlich modern ausgestattet zu sein. Aber immerhin hast du...nette Gesellschaft.«

Mit einem letzten Zwinkern kehrte er ihr den Rücken zu, nur um mit einem weiteren lauten Knall die Tür zum »Kerker« hinter sich zu schließen. Und Juniper? Sie konnte einfach nur wie angewurzelt dastehen und fassungslos den Kopf schütteln. Wo zur Hölle war sie hier hineingeraten?

»Oh man...was für ein peinlicher Abgang.«

Die honigsüße Stimme, die wie aus dem Nichts seitlich an ihr Ohr drang, ließ sie erschrocken zusammenfahren. Es war Koreanisch gewesen, weswegen es wieder einige Sekunden dauerte, bis Juniper sich einen Reim auf den Satz gemacht hatte. Als sie den Kopf herumriss, konnte sie gerade noch erkennen, wie sich ein Schatten aus der Ecke der Zelle neben ihrer löste und in ihre Richtung kam. Erst, nachdem die Person die Hälfte des Weges hinter sich gebracht hatte, erreichte sie der erste Streif des kalten Neonlichts. Kupferfarbenes Haar, das im Sonnenlicht bestimmt zu einem Feuerton wechselte, mandelförmige Augen und Lippen, die Juniper in so einer perfekten, üppigen Form an noch niemandem zuvor gesehen hatte. Sie fügten sich so makellos in das bildschöne Gesicht des Fremden und das schiefe Grinsen, das er auf ihnen platzierte, tat dem keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil.

»Du bist also Park Juniper«, säuselte der Rothaarige, der sich inzwischen lässig an den Querstangen der Gitter zwischen ihnen abstützte. Seine Arme, die in einer Lederjacke steckten, baumelten dabei in ihre Zelle. Sie konnte erstaunlich kleine Hände erkennen, an denen unzählige Ringe steckten.

»Ja...bin ich«, brachte Juniper hervor. Es war so ungewohnt, wieder in dieser Sprache zu sprechen...

»Scheiße, dein Akzent ist ja grauenhaft!«, rief der Fremde mit einer Mischung aus Schock und Belustigung.

Sie zog die Nase kraus, ehe sie den Blick stier auf die Tür vor ihnen richtete. »Vielen Dank auch.«

Der Kerl lachte, doch er tat es nicht so dreckig wie Tao, Hendery und Key zuvor. Dafür klang seine Stimme einfach zu sanft, ja, fast schon zu kindlich... Sicher, dass er eine besondere Verbindung zu Youngbae gehabt hatte? Dafür klang er nicht gerade wie ein trauerndes Betthäschen. Obwohl...vielleicht war er ja auch nur zu dem Job gezwungen worden. Oder es hatte von Anfang an nur das Geld gezählt.

»Wer sind die?«, wagte Juniper es schließlich zu fragen. Wenn dieser Kerl wirklich Youngbaes »Hure« gewesen war, musste er das doch bestimmt wissen...oder?

»Die da?«, stellte er die Gegenfrage und zeigte mit hochgezogenen Augenbrauen in Richtung Tür, ehe er erneut kicherte. »Oh wow...Bin ich wirklich derjenige, der dir das sagen muss? Verdammt.«

Eigentlich klang er gar nicht so, als würde es ihn besonders stören. Eher so, als könnte er sein Privileg kaum fassen.

»Die da«, setzte er erneut an und ließ es dabei so klingen, als würde er über eine besonders schleimige Schneckenart sprechen, »sind das Ungeziefer dieser Welt. Sooman-pa, wenn dir das was sagt. Koreanischer Clan. Ganz miese Truppe. Wären wir in einem Marvel-Film, wären sie Thanos. Wenn auch ein bisschen lappiger und weniger furchteinflößend. Hmm...sagen wir besser, sie sind wie dieser elendige Möchtegern-Gott aus Guardians of the Galaxy 2. Ego oder wie der hieß. Ein bisschen zu größenwahnsinnig, wenn du verstehst, was ich meine.«

Juniper brauchte eine ganze Weile, um den Wortschwall, den der Kerl ihr entgegengebracht hatte, im Kopf zu übersetzen. Ein Glück schien er keiner der Sorte zu sein, die besonders schnell sprachen oder mit einem starken Satoori, wie man in Südkorea die Dialekte nannte. Das wäre definitiv ihr Untergang gewesen. Allerdings konnte sie nicht leugnen, dass der Vergleich mit Ego alias Peter Quills Vater – Juniper war bekennender Hardcore-Fan des Marvel Cinematic Universe – definitiv nicht hinkte. Denn auch, wenn sie sich nicht ganz sicher mit der Vater-Referenz war...wie Ego seinem Sohn hatten Tao und Kris ihr einiges vorgegaukelt, nur um ihr dann eiskalt und ohne Rücksicht auf Verluste in den Rücken zu fallen. Nur um sie für ihre Zwecke auszunutzen. Akkurater ging es nicht.

»Ein...koreanischer Clan?«, wiederholte sie dennoch leise die ursprüngliche Kernaussage des Ganzen und schaffte es auch nur auf diese Weise, die Bedeutung dahinter richtig sacken zu lassen.

Der Rothaarige seufzte und starrte sie fast schon eine Spur mitleidig an. »Du hast echt keine Ahnung von all dem...krass.«

»Wie...wie sollte ich auch?«, legte sich Juniper mit größter Vorsicht vor Grammatik-Fallen die Worte zurecht. »Die behaupten, meine Mutter wäre am Leben, aber...ich weiß nichts davon! Ich verstehe einfach nicht, was die...was die...«

Ihre Finger wanderten wie automatisch zu der kleinen Wölbung in ihrem Dekolleté. Oftmals vergaß sie, dass es dort war, doch nun brannte das Metall des einzigen Erbstücks ihrer Mutter auf ihrer Haut, als würde es glühen. Ihr Vater hatte ihr das silberne Medaillon, in dem nie ein Foto gesteckt hatte, zu ihrem sechsten Geburtstag gegeben und sie hatte es seitdem kaum einmal abgenommen. Aber hatte es wirklich ihrer Mutter gehört? Juniper wusste nichts mehr...absolut gar nichts.

»Was die von dir wollen?«, vervollständigte er gleich darauf ihren Satz und riss sie damit aus ihren Gedanken. »Na, genau das, was sie dir gesagt haben...Das Problem ist nur, dass du ihnen keine Informationen geben kannst, die du nicht hast.«

Juniper musterte den Typen rechts von sich kurz, ehe sie sich mit zitternden Fingern die blauen Strähnen aus dem Gesicht strich und die Arme vor der Brust verschränkte. »Und...wer bist du überhaupt?«

»Oh...verzeih mir, wie unhöflich. Du kannst mich Baby J nennen.«

»Bitte was?!«

Sie musste sich wirklich ein unsicheres Lachen verkneifen, was ihr jedoch nicht allzu schwerfiel, als sie den ohnehin unglaublich unbekümmerten Ausdruck auf dem Gesicht des anderen Gefangenen sah.

»J geht auch«, grinste er sie lässig an, während seine Augenbrauen herausfordernd nach oben zuckten. »Oder wenn du es ganz persönlich willst...kannst du mich auch Jimin nennen.«

»Okay...und woher weißt du, wer ich bin?«

Der Kerl namens Jimin lachte erneut auf. »Das ist eine lange Geschichte, Juniper. Ich erzähl sie dir wann anders, okay? Viel wichtiger wäre es, wenn du mir sagst, was genau geschehen ist und wie sie dich hierhergebracht haben.«

Juniper zögerte. Eigentlich sträubte sich alles in ihr, einfach einer wildfremden, zufällig auch hier unten eingesperrten Person diese Informationen weiterzugeben. Aber auf der anderen Seite...Der Feind deines Feindes ist dein Freund, sagte man doch...oder?

Letztendlich waren es Jimins Augen, die Juniper dazu veranlassten, alles zu erzählen. Es war, als hätten diese ihr mit nur einem Blick in sie offenbart, wie blind sie über das letzte halbe Jahr gewesen war. Hätte sie jemals genau darauf geachtet, wäre ihr aufgefallen, dass Hendery und Tao keine Personen gewesen waren, denen sie hätte vertrauen sollen. Denn keiner von ihnen hatte über seine Augen je so eine vertrauenserweckende Wärme ausgestrahlt, wie Jimin es mit seinen tat. Entweder war der Kerl tatsächlich auf ihrer Seite...oder der beste Schauspieler dieser Welt.

Gegen Ende ihrer Geschichte spürte Juniper, wie ihre Stimme immer wieder die Fassung verlor. Nicht nur, weil ihr das Koreanisch so schwerfiel und sie beten musste, überhaupt einen Satz ohne Fehler herausgebracht zu haben...hauptsächlich, weil ihr noch einmal mit aller Klarheit bewusst geworden war, was sie da eigentlich gerade erlebte.

»Ich verstehe nicht...warum sie ihn umgebracht haben«, hauchte sie leise. Sie hatte sich inzwischen auf den kalten Boden gesetzt, weil ihre Knie mit der Zeit zu zittrig geworden waren. Jimin hatte es ihr nachgemacht, wenngleich seine Arme immer noch in ihre Zelle baumelten...nur eben ein paar Querstäbe tiefer.

»Ist doch ganz einfach«, zuckte der Rothaarige mit den Schultern, wobei er aber keineswegs gleichgültig klang. »Sie wollten dein Verschwinden mit etwas decken, wovon sich die Polizei im Normalfall fernhält. Youngbae – oder besser Taeyang, wie er in den Kreisen genannt wird – war ein hochrangiges Mitglied eines Clans in Seoul.«

»Ich verstehe immer noch nicht, was das mit mir zu tun haben soll. Wieso sollten die denn mein Verschwinden auf sowas zurückführen?«

Jimins Lippen verzogen sich zu einer schmalen Linie und er legte den Kopf etwas schief. »Du hattest die Waffe in der Hand, oder?«

Juniper vergaß für einen Moment das Atmen, als sie in ihrem Kopf eins und eins zusammenzählte. Tao hatte sie förmlich dazu animiert, diesen dämlichen Colt-Revolver in die Hand zu nehmen...aber er selbst hatte diese Einweghandschuhe getragen, als der Schuss auf Youngbae gefallen war! Wenn die Polizei den Tatort finden würde, wären da nur ihre Fingerabdrücke an der Waffe...Die Fingerabdrücke, die sich bereits in ihrer Kartei befanden, dank ihrer früheren Drogeneskapaden. Ganz große Klasse. Sie war nun offiziell Hauptverdächtige im Fall eines Mordes.

»Dieser miese kleine...«, zischte sie, doch brach wieder ab, als erneut Jimins leises Lachen den Raum durchhallte.

»Das ist so typisch für sie«, seufzte er, nach wie vor mit einem Grinsen auf dem Gesicht und einem träumerischen Ausdruck in den Augen. »Sie werden immer durchschaubarer. Dabei dachte ich, Soomans Sohn würde neuen Wind in die Sache bringen.«

»Sooman?«

Jimins Blick huschte auf eine seltsame Art und Weise zu ihr, was ein Grummeln in ihrem Magen verursachte.

»Ja, Lee Sooman«, sagte er langsam und ohne sie dabei aus den wachsamen Augen zu lassen. »Der ehemalige Boss von Sooman-pa. Dein...Vater.«

Nun von Jimin im Prinzip das Gleiche zu hören, wie auch schon von Tao und Key, drehte Junipers Innereien endgültig um. Dieser dämliche Schwachsinn wurde von Minute zu Minute erschreckend realer. Konnte es wirklich stimmen, dass ihr Vater, Park Beomseok, gar nicht ihr echter Vater war?! Dass sie in Wirklichkeit die Tochter eines...was auch immer dieser Lee Sooman sein sollte, war? Und obendrauf einen Bruder hatte, der ganz offensichtlich diesen ganzen Scheiß hier veranlasst hatte? Sie wollte das alles einfach nicht wahrhaben...Differenzen hin oder her...Beomseok war immer noch ihr Dad. Die Person, die sie alleine aufgezogen hatte. Die Person, die – auch, wenn Juniper das echt ungern zugab – immer nur das Beste für sie gewollt hatte. Er war die einzige Familie, die sie hatte. Das konnte man ihr doch nicht einfach wegnehmen...oder?

»Das muss alles...ganz schön viel für eine Nacht sein«, murmelte Jimin und klang plötzlich ernster, als er es je davor getan hatte.

»Schon«, wisperte Juniper zurück und ließ ihren schweren Kopf gegen die Gitterstäbe neben sich sinken. Der Kater, der sie nun mit voller Breitseite traf, machte die ganze Situation noch einmal so viel schwerer, als sie ohnehin schon war. Und so langsam überkam sie auch die Müdigkeit.

»Warum...haben sie dich gefangen genommen, Jimin?«, fragte sie leise nach einigen Minuten der Stille, in denen nur das Tropfen des Wassers zu hören gewesen war.

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie der Rothaarige leicht vor sich hinlächelte. Gleich einem Engel im Exil.

»Das wirst du noch früh genug erfahren, June. Du solltest jetzt erst einmal schlafen. Aber so lange wird es nicht mehr dauern...«

»Wird was nicht mehr dauern...?«

»Siehst du dann. Schlaf jetzt.«


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Der Schlaf, in den Juniper schlussendlich fiel, sollte alles, aber nicht erholsam werden. Dafür stand ihr Körper noch zu sehr unter Strom als Nachwirkung der Drogen und durch die stetige Angst, die sie jetzt nicht mehr so einfach unterdrücken konnte. Ihr Herzschlag pochte ständig in ihren Ohren und machte sie fast wahnsinnig. Und wenn es das nicht war, dann der harte, kalte Boden oder die unbequemen Gitterstäbe, an die sie sich nach wie vor lehnte.

Was sie letztendlich aus ihrem erbärmlichen Dämmerzustand riss, waren die lauten Geräusche der quietschenden Türen. Juniper hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, seit man sie hierhergebracht hatte. Tatsache war, dass sie jetzt zurückkamen. Dass das Verhör, zu dem sie keine Antworten liefern konnte, weitergehen würde. Fuck.

Das Schlimmste an der ganzen Sache sollte wider Erwartens Junipers letzter Blick zurück werden, als ein ihr unbekannter Typ sie aus der Zelle zerrte. Der Ausdruck auf Jimins Gesicht zeugte nicht davon, als hätte er damit gerechnet, dass man sie so schnell erneut holen würde. Und genau das trieb sie letztendlich fast in den Wahnsinn. Auch, wenn sie diesen Kerl erst seit wenigen Stunden kannte, so schien er doch der einzige Strohhalm in diesem verdammten Loch zu sein, der ihr so etwas wie Hoffnung gab. Als verkörperte er das kleine bisschen Kontrolle, das ihr noch geblieben sein könnte. Wer auch immer er wirklich war.

»Na, hattest du genug Zeit zum Nachdenken?«, begrüßte sie Key, nachdem man sie wieder in den verdreckten Raum von ihrem ersten Verhör gezerrt hatte. Juniper konnte beim besten Willen nicht sagen, ob schon der nächste Tag angebrochen war oder vielleicht sogar schon der übernächste...Tao und Hendery waren auch beide wieder da, wenngleich sie sich auch dieses Mal sehr im Schatten der Wände herumdrückten.

»Es gab nichts nachzudenken«, presste Juniper unter ihrem eigenen Zwang hervor, während der fremde Mafioso sich wieder daran machte, ihre Handgelenke mit Kabelbindern an die Stuhllehnen zu fesseln. Ihr Herzschlag beschleunigte sich automatisch, als ihr klarwurde, dass ihre Handflächen dieses Mal nach oben platziert wurden. Was auch immer das bedeutete...es konnte nichts Gutes sein.

»Ach, immer noch der Meinung, nichts über deine Mutter zu wissen?«, fragte Key geradezu gelangweilt, während er seine Nagelbetten betrachtete. Er steckte nun in einem weinroten Anzug, bestehend aus einer Stoffhose, Kurzweste und einem weißen Hemd. Juniper fühlte sich um Längen dreckiger, als sie ohnehin schon war, wenn sie ihn ansah.

»Ich habe keine Informationen, die ich euch geben könnte«, erwiderte sie mit möglichst gefasster Stimme.

»Siehst du, genau das ist das Problem«, seufzte er theatralisch und beugte sich dabei wieder auf eine gefährliche Weise über sie. »Du kannst sie uns nicht geben, aber du hast sie. Traurige Sache, Juniper. Und noch trauriger für dich, dass ich heute keine Geduld für nervtötende Diskussionen habe. Ich fürchte, wenn du dich nicht sofort dazu entscheidest, uns die Wahrheit zu sagen, müssen wir auf andere Mittel umsteigen, um deine Zunge zu lockern.«

Als wäre dies ein Kommando gewesen, zog der fremde Kerl für Key einen weiteren Stuhl zu ihrer rechten Seite heran und dieser ließ sich elegant darauf nieder. Er war nun so nah an Juniper, dass sie sein wahrscheinlich sündhaft teures Aftershave riechen konnte.

»Also wie sieht es aus?«, fragte er erneut, während er sie mit seinen kalten Augen taxierte. »Hast du was zu sagen, oder weigerst du dich weiterhin?«

Juniper biss sich verzweifelt auf die Zunge, während sie in ihrem Kopf jeden noch so kleinen Stein nach irgendwelchen Hinweisen umdrehte, die es vielleicht einmal in ihrem Leben gegeben hatte. Kleine Spuren, die ihre Mutter hinterlassen haben könnte. Nicht, dass sie gewillt war, diese zu verraten, wenn sie sie wüsste. Aber Key ließ sie gerade so stark an sich selbst zweifeln...als wäre sie einundzwanzig Jahre blind durch die Welt gelaufen.

»Nun«, murmelte eben dieser und strich mit seiner Fingerkuppe auf eine widerlich sanfte Weise über ihren freigelegten Unterarm. »Dann werden wir es eben anders aus dir rauskitzeln müssen.«

Key nickte dem anderen Kerl zu, welcher sich irgendwo hinter Juniper befand und kurz darauf spürte sie, wie sich zwei Hände grob um ihre Schultern schlossen. Sofort machte ihr Herz einen erschrockenen Satz und sie duckte sich automatisch ein wenig nach unten.

Der Koreaner hatte unterdessen die Finger von ihrem Unterarm genommen und ins Innere seiner Kurzweste wandern lassen. Der glänzende Dolch, mit dem sie gleich darauf wieder zum Vorschein kamen, jagte Juniper einen eiskalten Schauer über alle ihre Gliedmaßen. Das hier konnte echt nicht noch schlimmer werden, oder?

»Weißt du, Kleine...Eigentlich hast du nicht wirklich etwas mit dieser ganzen Sache zu tun. Das ändert für uns aber nichts daran, dass deine Mutter eine Verräterin war...und Blut ist dicker als Wasser. Das macht dich leider zusammen mit der Tatsache, dass du sie deckst, ebenfalls zu genau dem...einer Verräterin. Und ich bin der Meinung, dass man Verräter ein Leben lang daran erinnern sollte, was sie getan haben...findest du nicht auch?«

Juniper begann unkontrolliert zu zittern, als Key die Klinge über die empfindliche, blasse Haut ihres Unterarms wandern ließ, entlang der leicht bläulich schimmernden Adern, die sich dort abzeichneten.

»Ich frage dich ein letztes Mal«, sagte er so leise, dass nur sie es hören konnte. »Welche Informationen kannst du uns zum Aufenthaltsort von Kim Hyuna geben?«

Juniper wusste, dass es ihr Untergang war. Doch es blieb ihr nichts anderes übrig.

»Ich habe diese Frau in meinem Leben noch nie getroffen oder Kontakt mit ihr gehabt. Ich weiß nicht, wo sie sich aufhält.«

»...wirklich schade, Juniper. Wirklich schade.«

Der Schmerz, der darauf ihren Unterarm durchdrang, ließ sie zischend die Luft einziehen. Key hatte geschnitten. Und der Dolch war bereits in der besten Position für den nächsten Schnitt.

»Jetzt, da du weißt, dass ich nicht bluffe, gebe ich dir noch eine allerletzte Chance. Von da an kannst du dich nur noch retten, indem du mich anbettelst, aufzuhören, Kleine. Also...?«

»Ich weiß es nicht«, heulte Juniper auf, überrascht darüber, wie viel Wut in ihrer Stimme mitschwang. Aber verdammt nochmal, wie wütend sie das alles machte!

Doch weitere Gedanken darüber, wie unfair das alles war, blieben aus, denn jetzt legte Key erst richtig los. Als hätte er nur darauf gewartet, senkte er das Messer mit einem Ausdruck der Genugtuung auf dem Gesicht immer wieder auf ihren Unterarm, während der brennende Schmerz sie unbarmherzig durchdrang und sie sich in ihrem Stuhl winden ließ. Nach einigen Sekunden konnte sie sich auch nicht mehr zurückhalten mit dem Schreien. Dafür schnitt Key einfach zu tief.

»Wow wow wow, Kleine. An deiner Stelle würde ich besser stillhalten, sonst kann man es erstens am Ende nicht lesen und zweitens könnte ich ein bisschen zu heftig deine Hauptschlagader treffen. Und lass mich dir sagen...du bist nicht unsere einzige Möglichkeit, um an Informationen über Kim Hyuna heranzukommen. Heißt so viel wie, dass es uns relativ scheiß egal ist, ob du bei dieser ganzen Tortur draufgehst.«

Doch Juniper konnte nichts dagegen unternehmen. Alles, was ihr blieb, war durch ihre Schmerzen hindurch zu schreien und Key immer wieder an den Kopf zu brüllen, dass sie ihm keine Antworten geben konnte. Doch egal, wie sehr sie es beteuerte, egal, wie oft sie sich wiederholte...er schnitt mit einer Seelenruhe weiter, als wäre es sein liebstes Hobby. Inzwischen floss das Blut in stetigen Rinnsalen von ihrem Arm und tropfte genauso regelmäßig auf den Boden wie das Wasser im Kerker.

Juniper hatte keine Ahnung, wie lange sie das noch mitmachen konnte. Der Schmerz fraß sich durch ihren ganzen Körper und lähmte ihre restlichen Sinne. Als würde er ihr langsam aber sicher den Kopf abschalten. Lange sollte es nicht mehr dauern, bis sie das Bewusstsein verlor, wenn man noch ihren Blutverlust und ihren ohnehin angeschlagenen körperlichen Zustand miteinberechnete.

»Ich beende gerade die letzten Silbe, Prinzessin«, säuselte Key nach ewigen Minuten, in denen Juniper nur noch gewimmert und geschluchzt hatte. »Aber weißt du, was das Schöne ist? Es gibt noch so viele mehr Stellen an deinem Körper und so viele andere Bezeichnungen für dieses Wor–«

Weiter kam er nicht, denn genau in diesem Moment wurde die Tür hinter ihm mit einem explosionsgleichen Geräusch aus ihren Angeln gerissen.


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𝖆𝖚𝖙𝖍𝖔𝖗'𝖘 𝖓𝖔𝖙𝖊

Und wir haben den ersten BTS-Member auf der Bildfläche, woop woop! Wie hat euch Jimins Auftritt gefallen? :3

Und besser entschuldige ich mich jetzt schon für mein Marvel/Avengers-Fangirling, das sich wahrscheinlich auch noch in den nächsten Kapiteln widerspiegeln wird >.< Ich wälze mich gerade erneut durch die Reihe und kann diese Anekdoten nicht aufhalten aaarksksksksks. Sie. Wollen. Einfach. RAUS.

...im gleichen Rutsch könnt ihr mir ja mal verraten, wer euer Lieblings-Avenger ist und wieso. Ich schiebe seit Jahren einen platonischen Crush auf Tony Stark alias Iron Man. He's my one and only :') Allerdings liebe ich auch Rocket von den Guardians (wtf, eigentlich alle Guardians), Hawkeye, Spiderman und Wanda T-T Und zählt Loki? Egal, ICH ZÄHLE LOKI!

PS: Auch ein ganz großes »Sorry« an den lieben Key alias Kim Kibum von SHINee >.< ABER ICH BRAUCHE LEUTE FÜR DIE BAD SIDE, OKAY? :(

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