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Erik
"Er müsste eigentlich gleich kommen.", sagte ich zu Sandra. "Ardy war noch nie der Pünktlichste."
"Das ist doch kein Problem. Ich bin auch nie die Pünktlichste."
Ich hatte Ardy bereits drei Nachrichten geschrieben, da er bereits eine halbe Stunde zu spät war. Aber er antwortete mir nicht auf meine Nachrichten.
"Die Unpünktlichkeit hat er auf jeden Fall von-"
Ich unterbrach mich selbst, als mein Handy klingelte. Es war eine fremde Nummer.
"Hallo?", meldete ich mich verwirrt.
"Das Klinikum Stadtmitte. Intensivstation. Sind Sie der Onkel von Ardy Bora...?"
Die Nachricht ging wie eine Welle durch meinen Körper. Ich blendete alles um mich herum aus und bemerkte erst, dass ich mein Getränk umgekippt habe, als Sandra es wieder aufhob.
"Was ist los?", fragte Sandra besorgt.
"Er ist auf der Intensiv.... Ich... Ich soll dahin kommen und..."
"Okay, schon gut. Ich fahre dich hin."
Dafür war ich ihr sehr dankbar. Ich hatte nämlich kein Auto und der Bus würde jetzt nicht schnell genug gehen. Sandra fuhr definitiv zu schnell, doch das war gut so. Je schneller wir ankamen, desto schneller fand ich heraus was mit Ardy los war. Sie wollten mir am Telefon nichts sagen und so gingen mir die schlimmsten Gedanken durch den Kopf.
Ist er in eine Prügelei geraten? Hat er sich was eingeworfen? War es ein Unfall?
"Scheiße, die Parkplätze hier sind alle voll.", fluchte Sandra. "Ich lass dich am Eingang raus und komm gleich nach."
Ich konnte ihr gar nicht antworten so sehr war ich in einem Adrenalinrausch. Ich stieg einfach aus dem Auto und lief so schnell es ging zur Intensivstation. Dort angekommen klingelte ich an der Tür, damit mir jemand aufmachte.
"Hallo, kann ich Ihnen helfen?"
"Ich sollte her kommen. Mein Neffe... Ardy..."
"Ja, genau. Der Arzt erwartet Sie bereits. Kommen Sie mit."
Sie führte mich durch einen langen Flur mit offen stehenden Türen. Überall lagen oder saßen Patienten in ihren Betten. Manche von ihnen waren an Beatmungsgeräten angeschlossen. Überall piepte es. Mal schnell und mal langsam.
Die Pflegerin führte mich in ein Büro, wo ein junger Arzt saß.
"Schön, dass Sie so schnell kommen konnten. Setzen Sie sich."
Ich tat was er sagte und schaute ihn erwartungsvoll an.
"Also ihr Neffe wurde vor ein paar Stunden mit dem Krankenwagen hier eingeliefert. Er hat eine große Platzwunde am Hinterkopf. Eine Passantin hat ihn gefunden und sofort den Rettungswagen gerufen. So wie es aussieht wurde er von hinten niedergeschlagen und ist mit dem Kopf auf dem Boden aufgekommen."
Der Arzt machte eine kurze Pause, welche ich sofort nutze und ihn fragte: "Wie geht es ihm?"
"Ich will ehrlich zu Ihnen sein.", sagte der Arzt. "Es ist nicht gut aus."
Mein Herz setzte kurz aus und danach fühlte es sich so an, als würde es jeden Moment aus meiner Brust springen.
"Was meinen Sie?", fragte ich weiter.
"Er hat eine starke Hirnblutung durch den frontalen Sturz auf den Kopf. Wir konnten die Hirnblutung soweit unter Kontrolle bringen, wissen jedoch noch nicht ob vielleicht bleibende Schäden entstanden sind oder ob sich noch irgendwo eine kleine Blutung befindet, welche wir nicht erkennen können. Diese Gefahr besteht leider. Aktuell liegt er im Koma und muss bei der Atmung unterstützt werden."
"Wird... Wird er wieder aufwachen?"
"Das wissen wir nicht. Aber wir geben unser Bestes um ihn aus dem Koma zurückzuholen."
"Was können für Schäden bleiben?"
"Sprachstörungen, Gehbehinderung, Amnesie. Es ist fast alles möglich. Das Gehirn ist sehr komplex."
Ich nickte nur und ließ mir seine Worte nochmal durch den Kopf gehen.
"Wollen Sie zu ihm?"
"Ja, bitte..."
Er führte mich in einen hellen Raum. Vorne lag ein anderer etwas älterer Patient, welcher augenscheinlich auch im Koma lag. Hinter dem Vorhang, am Fenster, lag Ardy.
Er sah so fremd aus mit den ganzen Kabeln.
"Reden Sie mit ihm. Es schadet nicht. Wenn etwas ist, es sitzt immer jemand vorne am Tresen."
Ich nahm mir den Stuhl, welcher am Fenster stand und setzte mich neben ihn. Dann nahm ich seine kalte Hand in meine und schaute zu ihm hoch.
"Ich bin hier Kumpel.", sagte ich leise. "Alles wird gut werden. Du bist ein Kämpfer, das weißt du."
Keine Ahnung wie lange ich hier saß und keine Ahnung wann Sandra dazukam. Doch anscheinend hatte bereits ein Schichtwechsel begonnen, da nun andere Ärzte und anderes Pflegepersonal durch die Flure liefen.
"Hey, wir müssen langsam gehen.", sagte Sandra sanft. "Ich weiß, du willst ihn nicht alleine lassen, aber die Schwestern und Ärzte müssen sich weiter um ihn kümmern."
Natürlich. Sie hatte Recht. Es fühlte sich nicht richtig an jetzt zu gehen aber ich musste es tun.
Doch bevor wir verschwanden, hielt uns noch eine Pflegerin auf.
"Ich brauche noch einmal Ihre Personalien, damit ich Sie als Kontaktperson angeben darf. Hier auf der Intensivstation darf nicht jeder einfach reinkommen. Nur ein paar bestimmte Leute um die Infektionsgefahr für unsere sowieso schon kritischen Patienten zu minimieren."
Ich nickte und gab ihr schnell alles durch.
"Alles klar, danke. Sonst noch jemanden?"
"Wie viele dürfen es sein?", fragte ich.
"Höchstens 5 Personen. Aber es dürfen immer nur zwei Leute gleichzeitig zu ihm rein."
"Ich würde gerne noch ein paar von seinen Freunden mit angeben."
Taddl
"Erik hat mir Bescheid gegeben und gesagt, dass er dich auch als Kontaktperson mit angegeben hat. Er weiß zwar, dass ihr getrennt seid, hielt es aber trotzdem für richtig.", erklärte Luna mir weinend.
"Und... wie geht es ihm?", fragte ich mit Tränen in den Augen.
"Sie wissen nicht ob er wieder aufwacht. Sein Zustand ist instabil."
Ich konnte das alles absolut nicht realisieren. Ardy lag im Koma und kämpft um sein Leben und niemand weiß wie es um ihn steht. Ob er es schafft oder ob er es nicht schafft.
"Ich glaube Maddox steckt dahinter.", unterbrach Luna die Stille.
"Meinst du?"
"Ja. Ardy hatte nicht umsonst Stress mit ihn. Er ist garantiert der Grund. Dieser kleine Wichser. Wenn ich den sehe dann-"
"Luna, beruhige dich. Es bringt dir nichts irgendwas aus ihm rausprügeln zu wollen. Die Polizei ist doch schon dran an dem Fall."
"Ja ich weiß... Es ist nur gerade alles soviel..."
Sie fing an zu weinen und ich nahm sie in den Arm.
"Ich will, dass er wieder aufwacht. Ich hab ihn lieb.", weinte sie.
Ja.... Ich auch...
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