T W E L V E| Dunkles Zeichen

„Nein, ich habe schon als Kind nicht sonderlich viel mit meinen Geschwistern zu tun gehabt", lachte Kol, als wir wieder gemeinsam auf dem umgefallenen Baumstamm saßen, „Klaus und Rebekah waren schon immer unzertrennlich gewesen, ebenso Elijah. Finn war nun einmal Finn und naja Henrik war unfassbar jung gewesen."

„War?", fragte ich nach und sah wie er kurz so wirkte, als würde er nicht weiter wissen. Offensichtlich wollte er nicht darüber reden müssen und schon tat er mir leid. Egal was auch geschehen war, es war sicher nicht erfreulich gewesen.

„Tut mir leid", meinte ich deshalb hastig und er lächelte leicht.
„Muss es nicht, nur ist es seltsam über ihn zu reden. Niemand redet über ihn in unserer Familie." Er atmete seufzend aus und schon schien jeder Kummer wieder wie weggeblasen zu sein, „Aber wie auch immer. Ich habe zwar viele Geschwister, aber mit keinem von ihnen unbedingt ein sehr enges Band."
„Das liegt vermutlich an den Altersunterschieden", bemerkte ich und er schmunzelte leicht.
„Wahrscheinlich, aber du scheinst trotz dieses Unterschiedes dich mit deinen Brüdern zu verstehen... mehr oder weniger."

„Naja", lachte ich und dachte daran, wie viel besser alles früher gewesen war, „Stefan und ich kamen in unserer Kindheit nie gut miteinander aus. Unsere Mutter hat es irgendwann dann aber doch geschafft, dass wir uns miteinander anfreunden und seit dem sind wir ein Herz und eine Seele." Ich dachte fröhlich daran, wie viele Nerven wir von unserer Mutter zerstört hatten. Sie hatte es nie leicht mit uns gehabt und doch hatte sie uns über alles geliebt.

„Und Damon?"

„Damon war schon immer was besonderes", lachte ich, „Er wollte immer unser Beschützer sein und ich fand das super, nur mit dem Alter wurde es lästig und naja nun stehe ich hier und er hat an allem was ich mache was auszusetzen, weil er mich schützen will."
„Dann musst du immerhin nie etwas befürchten", meinte Kol erheitert, der nun aufstand, da es schon angefangen hatte recht dunkel zu werden. Ich hatte sicher 1000 Nachrichten von meinen Brüdern auf meinem Handy, nur hatte ich es in Kols Auto zusammen mit meiner Tasche gelassen. Ja, das würde Ärger geben.

„Ich habe nur was von Damon zu befürchten, der mich sicher umbringen wird", kicherte ich und erstarrte sofort auch schon, als ich wenige Meter von uns entfernt am Waldrand eine Gestalt sah. Woher zum Teufel war die denn aufgetaucht und wer war das?

„Emma?", fragte Kol besorgt nach, der meinem Blick folgte und wohl nichts sah, „Ist alles in Ordnung, Kleine?"

„Siehst du das?", fragte ich panisch nach und wich einen Schritt zurück, denn das war keine Einbildung. Da stand eine, in einem schwarzen Umhang gehüllte, Gestalt und sie beobachtete uns. Wie konnte Kol sie verflucht noch einmal nicht sehen?

„Was sehe ich denn?", fragte er nach und sah noch einmal in die Richtung, in die ich deutete, doch er schien dort nichts zu sehen. War ich nun endgültig verrückt? Super, spätestens jetzt müsste er von mir davon laufen!

„Da... da ist doch jemand", stammelte ich überfordert und wusste nicht weiter, denn als ich erneut dorthin sah, war niemand mehr da.

„Ganz ruhig, Kleine, soll ich nachsehen gehen und dir zeigen, dass keiner dort ist?", fragte Kol mich besänftigend und zwang mich ihn anzusehen, doch ich schüttelte panisch den Kopf. Wenn da jemand sein sollte, wollte ich nicht, dass ihm was passierte.

„Wahrscheinlich werde ich nur verrückt oder so", murmelte ich und fühlte mich so blöd.
„Du wirst sicher nicht verrückt", lachte Kol belustigt und nahm meine Hand beruhigend in seine, als er mich in die andere Richtung zum Auto zog.

„Sieht für mich anders aus", murmelte ich und empfand seine Hand in meiner als solchen Trost. Verflucht nochmal, wie machte er das nur?
„Du scheinst einfach gestresst zu sein, es liegt sicher an der Schule. Ich war schon immer der Meinung, dass Schulen einen in den Wahnsinn treiben."
„Und dann fängt man an Menschen zu sehen?", fragte ich nach, als wir sein Auto erreichten.
„Wer weiß das schon, kann ja sein?", sagte er erheitert und ich atmete erleichtert auf, als ich in der Sicherheit des Autos war.
„Du brauchst einfach ein wenig Schlaf, einen Tee und noch mehr Gesellschaft von einem so unfassbar gutaussehenden Kerl wie mir!"
„Du bist auch überhaupt nicht Selbstverliebt oder?", fragte ich nach, als wir den Wald um uns herum verließen.
„Nicht ein Stück, Herzblatt", antwortete er und ich musterte ihn ungewollt von der Seite. Er konnte sich so eine gewisse Arroganz auf jeden Fal leisten. Er sah eben nun einmal unverschämt gut aus. Neben ihm würde sich jeder wie ein Kartoffelsack fühlen.

„Du starrst", bemerkte er amüsiert und verlegen wandte ich mich hastig ab.

„Nur ein wenig."
„Ich schreibe es meiner Schönheit zu."
„Tu das", lachte ich auf, als wir schneller als mir lieb waren vor meinem Haus hielten und ich seufzend mich auf das Kommende gefasst machte. Kol stieg Gott sei Dank mit mir zusammen aus, so dass ich noch nicht ganz so schnell da hinein musste, doch wahrscheinlich hatten meine Brüder uns jetzt schon gehört.

„Wann habe ich die Ehre dich wieder zusehen?", fragte er nach und reichte mir meine Tasche, die ich beinahe vergessen hätte.


„Sicher, dass du mich wieder sehen willst?" Er schnaubte bei meinen Worten hin auf und sah mich wieder so durchdringend an, dass ich eine Gänsehaut bekam.
„Ich würde dich am liebsten jeden Tag sehen", hauchte er und schaffte es mein Herz so viel schneller schlagen zu lassen. Wie hatte er es geschafft in einer so kurzen Zeit mir so wichtig geworden zu sein? So wichtig, dass ich so nervös in seiner Gegenwart wurde und mich gleichzeitig so wohl fühlte? Ich war ihm verfallen, ohne so wirklich zu wissen wieso. Ohne ihn überhaupt wirklich zu kennen, denn ich wusste einfach, dass da so vieles war, was ich nicht über ihn wusste.

Behutsam nahm er mein Gesicht in seine Hände und ich atmete zittrig ein, wollte unbedingt wissen, wie es weiter gehen würde, vor allem als sein Blick auf meine Lippen fiel. Zuvor hatte mich noch nie ein Kerl geküsst gehabt, zumindest nicht, dass ich es wüsste und aus irgendeinem Grund wollte ich einfach, dass Kol mich küsste. Ich sehnte mich regelrecht danach und sah ihm an, dass er nichts lieber auf dieser verfluchten Welt getan hätte, als mich zu küssen und das sicher nicht sanft und lieblich, wie ich es als ersten Kuss gewollt hätte. Nein, jemand wie er würde einen nicht so küssen, doch ich würde es auch nicht herausfinden.


Genau in dem Moment musste Damon seinem Ruf alle Ehre machen und die Haustüre laut aufknallen, wo er böse grinsend auf uns zu lief und Kol schon einen Schritt von mir wich und seine arrogante Haltung eingenommen hatte. Ich fand es jedes mal bemerkenswert, wie anders er vor anderen Leuten als mir war.


„Emma, ins Haus und du, du solltest lieber ganz schnell verschwinden!", sagte Damon kalt und ich seufzte schwer.
„Sonst was?", fragte Kol lediglich unbeeindruckt nach, doch ich wollte keinen Streit.
„Ist schon gut", meinte ich hastig und stellte mich zwischen beide, wo ich Kol flehend ansah, „Sehen wir uns bald wieder?"
„So schnell wie möglich", versicherte er mir und zog mich in eine Umarmung, wo ich fast aufgequietscht hätte, so gut fühlte sie sich an. Seine starken Arme um mich geschlungen, als würden sie mich nie wieder freigeben wollen, sein warmer Atem an meiner Halsbeuge, einfach er an mir. Herrje, ich verlor mein Herz an einen Mann, der nicht so wirkte, als würde er ein langes Interesse an einer Frau haben und doch war ich verloren.

„Genug davon jetzt. Emma, wir müssen reden, also rein mit dir!", meinte Damon sauer und recht widerwillig löste ich mich von Kol, der alles andere als nett zu meinem Bruder blickte, der ihn jedoch anlächelte, als wäre doch überhaupt nichts geschehen.

„Man sieht sich, Kleine", murmelte Kol noch, ehe er zu seinem Auto ging und ich vor Damon ins Haus lief, mit dem schwachen Versuch vielleicht noch zu entkommen, doch fehlgeschlagen.

„Emma, verflucht du kannst nicht einfach von der Schule abhauen!", sagte da auch schon Stefan, der die Treppen runter kam und mich streng anblickte.

„Ich habe es da nicht ausgehalten", jammerte ich, denn ich würde da gewiss nicht mehr hingehen.
„Keiner hält es da aus, aber es geht nicht darum, wie es dir gefällt, sondern was es dir bringt", meinte Damon genervt von meinem Gejammer und ich verschränkte beleidigt meine Arme vor der Brust.
„Du kannst mich nicht zwingen!", bemerkte ich und sah anhand seines Gesichtsausdrucks deutlich, dass er es sehr wohl konnte.
„Wir wollen dir nichts vorschreiben, aber wenn du in die Schule gehst, ohne abzuhauen, werden wir versuchen Kol ein wenig mehr zu tolerieren", mischte sich Stefan da ein und mein Mund klappte verblüfft auf, denn mit so einer Einsicht hätte ich niemals gerechnet. Woher kam denn dieser plötzliche Sinneswandel?

„Wirklich?"

„Wir werde ihn nicht zum Essen einladen und wenn er bei dir ist werde ich ihn nach wie vor verscheuchen, aber ich versuche ihm zu vertrauen", sagte Damon, der nicht begeistert klang, also war das Stefans Idee gewesen, wie typisch.
„Wenn er dir jedoch auch nur irgendwas anhaben sollte...", begann Stefan und ich unterbrach ihn verwundert.
„Was sollte er mir schon anhaben? Er ist unfassbar nett und gütig und hält mich nicht für verrückt, obwohl ich mich teilweise in seiner Gegenwart wie eine Irre benehme."
„Ich meine ja nur", besänftigte Stefan mich lächelnd und zog mich mit zum Sofa, während Damon sich ein Glas Bourbon einschenkte.

„Na gut, dann werde ich es versuchen", seufzte ich ergeben und dachte mit Grauen an die Schule.

„Sehr schön und wo hast du heute den ganzen Tag gesteckt?", fragte Damon nun nach, der sich zu uns setzte und verflucht misstrauisch klang, als hätte Kol mir seine Leichenkammer gezeigt.
„Ich war bei unserem Haus und ihr werdet mir nicht glauben, was ich gefunden habe", sagte ich aufgeregt und suchte hastig nach meinen Fundstücken, doch ich fand nur noch die Briefe. Es war als wäre die Kette einfach weg. Habe ich sie etwa verloren?

„Briefe?", fragte Stefan nach, als er die Umschläge in meiner Hand bemerkte und ich frustriert die Suche nach der Kette aufgab. Womöglich war sie mir im Wald aus der Tasche gefallen.
„Ich habe doch vieles früher aufbewahrt und sie haben das Feuer überlebt", sagte ich glücklich und sah wie beide Blicke tauschten, als ich einen von ihnen öffnete, der sogar aus dem Jahr stammte, das ich vergessen hatte, nur würde ich daraus nicht schlau werden.
„Was steht denn so interessantes darin?", fragte Damon nach und ich schüttelte frustriert den Kopf. Das Feuer konnte sie zwar nicht zerstören, aber fast 150 Jahre in der Natur hatten ihre Spuren hinterlassen.
„Man kann kaum mehr was lesen", murmelte ich und öffnete die anderen auch, doch alle waren sie gleich, als ich einen von ihnen versuchte zu entziffern oder das was davon übrig geblieben war.

13.02.1865

Liebe Emma,

...., dir geht es gut...., der Norden ist..... bald sehen wir.... und dann.... In Liebe...


Es war unfassbar nutzlos. Ich konnte nicht einmal erahnen, von wem er stammte.

„Es wird schon werden. Die Erinnerungen kommen schon noch", sagte Stefan besänftigend, doch seine Worte konnten mich nicht sehr beruhigen. Sie könnten mir ja helfen, nur taten sie es nicht. Es war zum verzweifeln.



Aloha :) Ich hoffe sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat und im nächsten gibt es was aus der Vergangenheit xx

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