F O U R T Y - N I N E| Die Beerdigung



Kol

Nachdenklich saß ich seit geschlagenen zehn Minuten in meinem Auto vor dem Haus der Salvatores und starrte aus der Windschutzscheibe hinaus zu diesem. Ich war hier, um Emma zu sehen, zu sehen, wie es ihr mit all ihren neuen Erinnerungen erging, ob es ihr auch wirklich gut ging, nachdem sie vorgestern beinahe gestorben wäre, und doch fiel es mir so schwer jetzt auszusteigen und in das Haus zu gehen. Ich wusste einfach, dass nichts so schnell so gut sein würde, auch wenn sie gestern noch gut drauf gewesen war. Ich hatte sie schließlich Wochen lang belogen, ihr das alles verheimlicht gehabt und ich konnte mir gut vorstellen, dass sie das nicht so locker sehen würde, vor allem jetzt, wo sie ein wenig Zeit gehabt hatte über alles nachzudenken. Ich fluchte verzweifelt auf, schlug gegen mein Lenkrad und raufte mir anschließend meine Haare. Es musste auch immer alles kompliziert sein, oder? Ich wusste, dass dieses Abwarten mir rein gar nichts bringen würde, dass wir eben miteinander sprechen müssten, dass ich hier nicht ewig sitzen könnte, weswegen ich seufzend aus dem Wagen stieg und zur Haustüre lief. Sofort fiel mir auf, dass ihre Brüder wohl nicht da waren, offensichtlich waren sie viel lieber bei ihrem Doppelgänger-Mädchen, was mich gleich schnauben ließ. Sie stellten dieses Mädchen wirklich über ihre Schwester? Ich hatte keine Worte dafür, doch immerhin hatte Emma mich und ich würde immer für sie da sein, würde sie niemals im Stich lassen, anders als ihre tollen Brüder, die für diese Elena vermutlich sogar Emmas Leben opfern würden und das obwohl dieses Mädchen nur irgendein seltsames Spiel mit den beiden da spielte.

„Emma?", rief ich durch das Haus, konnte sie in ihrem Zimmer hören, wie sie wohl von ihrem Bett aufstand und augenblicklich lief ich zu diesem, kam in dem Moment vor ihrer Türe an, als sie diese erreichte und öffnete. Es war jedes Mal atemraubend sie zu sehen, in ihre hellen Augen zu sehen, in ihr schönes Gesicht zu sehen, zu sehen, dass sie lebte, dass sie echt war, dass sie hier war.

„Kol", begrüßte sie mich mit einem Lächeln und augenblicklich atmete ich erleichtert aus von der Tatsache, dass sie schon einmal nicht verärgert wirkte.

„Ich dachte mir, ich sehe mal nach dir, Liebste", sagte ich gut gelaunt und küsste sanft ihre Stirn, ehe ich an ihr vorbei in das Zimmer lief und mich schon auf ihrem Bett fallen ließ. Sie hatte anscheinend gar nicht mehr vor dieses Zimmer irgendwie moderner zu gestalten, doch seit dem sie hier war, sah es immerzu gleich aus und die Einrichtung war alles andere als modern oder wirkte wie das, was man sich unter dem Zimmer eines Teenagers vorstellte, doch es schien sie nicht zu stören und mich auch nicht, so wirkte es hier nur mehr wie damals, zu unserer alten Zeit eben.

„Wie nett von dir, damit bewahrst du mich vor einem Tod an Langeweile", kicherte sie und ließ sich neben mich auf ihrem Bett fallen, wo ich nicht anders konnte, als sie zu mustern, mir ihr schönes Gesicht nur mal wieder aufs neue einzuprägen.

„Wieso sind deine Brüder nicht da? Ist Elena so viel wichtiger? Ich dachte jetzt wo sie wissen, dass du dich wieder erinnerst, da würden sie..."
„Oh, sie wissen es nicht", unterbrach sie mich und verwirrt zog ich meine Stirn kraus, doch wieso sollte sie das geheim halten?, „Sie haben mir auch so vieles verschwiegen, also verschweige ich das jetzt auch mal vor ihnen und außerdem will ich mir keine neuen Ausreden anhören müssen, wieso sie das getan haben." Sie wandte bei ihren Worten den Blick ab und ich wusste sofort, dass sie damit nicht nur ihre Brüder, sondern auch mich meinte und es ließ mich nervös werden.

„Ich kann dir gar nicht erklären, wieso ich das getan habe, ich... ich habe mich zu sehr wohinein ziehen lassen, hatte irgendwann einfach zu viel Angst dir die Wahrheit zu sagen, nicht nur weil ich befürchtete, dass du sauer werden könntest, sondern auch weil ich Angst hatte, dass du vielleicht zu überfordert von diesen Neuigkeiten sein würdest", sagte ich deswegen und ergriff ihre Hand, während ich sprach, brachte sie damit dazu wieder zu mir zu sehen.

„Ich bin dir auch nicht böse... ich will es sein, doch es ist irgendwie schwachsinnig. Du warst so süß und hast versucht mein Herz nur wieder neu zu erobern, hast es sogar geschafft und du hast es geschafft viele schmerzvolle Dinge so auch vor mir verborgen zu halten, die jetzt zwar wieder in meinem Kopf geistern, doch ich konnte ein paar Wochen wenigstens ohne sie leben", erklärte sie sich und ich wusste, dass es schwer sein musste für sie so viele Dinge wieder zu wissen, die sie vergessen hatte. Da waren nicht nur tausende Bilder, Gespräche, sondern auch Gefühle und es waren schwere Monate gewesen, die sie da vergessen hatte.

„Es tut mir leid, dass ich den Schmerz nicht ganz nehmen kann", meinte ich leise und sie schüttelte den Kopf.

„Muss es nicht, ich komme schon irgendwie damit klar", erwiderte sie lächelnd, „Auch wenn es seltsam ist sich an seinen eigenen Tod nun erinnern zu können."

„Wie geht es dir dabei?", fragte ich besorgt nach, dachte selbst nur an diesen grauenvollen Tag zurück, den Schmerz, das Feuer, an ihren leblosen Körper. Augenblicklich bekam ich eine Gänsehaut, glaubte mich übergeben zu müssen von diesen schrecklichen Erinnerungen, wollte niemals mehr daran denken müssen, auch wenn es unmöglich war.

„Es geht schon. Es ist so komisch, kommt mir eher vor wie ein Albtraum, schließlich lebe ich ja noch, aber es ist beängstigend", erklärte sie ihre merkwürdige Lage und ich küsste ihre Hand sanft, hätte so vieles dafür gegeben, ihr diese Dinge nehmen zu könne, die Ängste, dieses Trauma.

„Es war ein schlimmer Tag gewesen und ich hatte Jahre gehofft, dass es nur ein böser Traum gewesen war. Nun hat dieser böse Traum jedoch eine überraschende Wende eingenommen und ich werde alles dafür geben, dass er nie wieder so ein Ende finden wird, wie damals", sagte ich leise, spürte ihren Blick auf mir, weswegen ich zu ihr sah, bemerkte, wie viele Fragen in ihren Augen doch lagen.

„Willst du über damals reden? Ich meine, ich erinnere mich an alles, wo ich dabei gewesen war, doch... als ich dann weg war, tot war, wie ist es dir ergangen?", fragte sie mich behutsam und ich lächelte verbittert bei dem Gedanken an die Vergangenheit.

„Nicht gut."
„Willst du darüber reden? Ich würde nämlich nur zu gerne wissen, was ich alles verpasst habe."

„Ich weiß nicht, ob ich bereit bin über alles zu reden, aber ich kann es versuchen, wenn du es hören willst", erwiderte ich und sie nickte, lehnte ihren Kopf dabei an meine Schulter, bereit dazu der Geschichte über ihren eigenen Tod und das was darauf folgte zu lauschen.



1865

Ich fühlte mich nicht lebendig, ich fühlte mich nicht tot, ich fühlte mich einfach nur wie versteinert, als würde ich nicht existieren und doch war ich da, war ich ein Teil dieser Welt. Es war eine Welt, in der es nichts schönes mehr gab. Alles schöne war mit ihr gestorben, alles gute, war mit ihr dahin und ich blieb alleine zurück, alleine in einer Welt, die ich schon so gut und so lange kannte und die mir dennoch jetzt einfach nur Angst machte.

„Kol?" Ausdruckslos schaute ich zu Rebekah auf, die in einem schwarzen Kleid mein Zimmer betreten hatte, wo ich auf einem Sessel saß, in der Hand ein Glas Rum, „Kol, wir müssen los."

„Ich weiß", erwiderte ich leise, sah zu der Flüssigkeit in meinem Glas und fand es dennoch so unfassbar schwer jetzt aufzustehen, dieses Haus zu verlassen und auf ihre Beerdigung gehen zu müssen. In den letzten Tagen hatte ich schon gedacht am Schmerz zu vergehen, hatte gedacht alles schlimme gespürt zu haben, während ich ihren Tod akzeptiert und ihre Beerdigung geplant hatte und doch war dieser Tag heute genauso schlimm wie der Tag, an dem sie starb. Ich würde sie gleich ein letztes Mal sehen, gleich würde ich endgültig Lebe Wohl sagen müssen und es fühlt sich an, als hätte eine dunkle Macht ihre Hand um mein Herz gelegt und es herausgerissen.

„Na dann komm, Nik und Elijah warten bereits." Mit den Worten ging sie wieder und ich seufzte kurz, leerte mein Glas und stand auf. Klaus war zwei Tage nach ihrem Tod in Mystic Fall angekommen, schien ernsthaft erschüttert über meinen Verlust zu sein, vor allem als er sah, wie sehr es mich mitnahm und auch wenn es nicht seine Art war, so leistetet er mir sogar Beistand und er leistete ihr seinen nötigen Respekt.



Ich fühlte mich zu dem Moment zurückversetzt, wo ich mit Emma hier gestanden war, um ihre Brüder zu beerdigen, als diese angeblich verstarben. Wieder einmal stand ich hier, trug schwarze Kleidung, mit dem Unterschied, dass ich dieses Mal ernsthaft traurig war, dass die Personen, von denen hier Abschied genommen wurde, wirklich tot waren, mir wichtig waren, zumindest eine von beiden. Mit einer ausdruckslosen Miene sah ich dabei zu, wie der Sarg von Emmas Vater an uns vorbei getragen wurde, der jedoch komplett leer war, da von seinem Körper in den Flammen nichts mehr übrig geblieben war. Ohne viel Aufwand wurde der Sarg in die Gruft der Familie getragen, während der nächste Sarg folgte. Ihr Sarg. Anders als bei ihrem Vater wurde Emmas Sarg jedoch noch kurz aufgestellt, bereit damit die Trauernden sich richtig von ihr verabschieden könnten, da es bei ihr auch einen Körper zu betrauern gab und mein Herz schmerzte fürchterlich bei der ganzen Sache. Ich spürte ihre Nähe augenblicklich, auch wenn sie nicht mehr lebte spürte ich nur mal wieder zu deutlich ihre Nähe und es trieb mir die Tränen in die Augen keinen Herzschlag zu hören oder das vertraute Geräusch von ihrem Blut, das durch ihren Körper gepumpt wurde.

„Sei stark, Bruder", hauchte Klaus mir zu, als der Pfarrer irgendwelche Worte sprach und ihr Sargdeckel kurz geöffnet wurde, damit frische Blumen in diesen gelegt werden konnten. Ich atmete schluchzend ein bei dem Anblick von ihr, noch blasser als vor ein paar Tagen, gehüllt in einem hübschen Kleid und wäre ihre Haut nicht von einem merkwürdigen Grauton gewesen, dann hätte ich gedacht, sie würde schlafen, sie würde bald wieder aufwachen, doch das Mädchen in diesem Sarg war nicht mehr Emma, es war nur noch eine leere Hülle. Stumm liefen mir die Tränen übers Gesicht und ich wandte meinen Blick hiervon ab, bis der nun wieder verschlossene Sarg auch in die Gruft getragen wurde und die beiden Gräber dort drinnen unter Steinplatten versiegelt wurden.

Sie war fort, für immer und ewig fort, verschlossen unter diesem Stein, in diesem kalten, tristen Haus, unerreichbar für mich.

„Willst du noch bleiben?", fragte Rebekah mich leise, die sich ihre eigenen Tränen wegwischte und ich nickte knapp, während die Menge sich auflöste. Niemand würde wirklich um die beiden hier trauern. All ihre Verwandten waren tot oder gar nicht erst hier anwesend, waren nicht vertraut genug mit den beiden gewesen und so blieb ich als letzter auf diesem Friedhof zurück. Langsam lief ich in die Familiengruft der Salvators hinein, sah zu dem Grabstein, unter dem Emmas Sarg nun lag, sah zu der Schrift, die ich selber ausgesucht hatte, für die ich gesorgt hatte, dass sie eingraviert werden würde.


Emma Jane Salvatore

01.09.1848 – 09.06.1865

„Ich komme zurück zu dir, meine geliebte Prinzessin. Mögen die Engel so lange über dich wachen."

Ich lächelte leicht von dem Satz, denn er bedeutete mir viel. Ich würde wieder zu ihr finden, ich würde schon noch einen Weg finden, wieder mit ihr vereint zu sein, egal wie lange es auch dauern würde.


Aloha :) Ich weiß es ist kurz geworden, aber besser als nichts xD Ich hoffe es hat euch dennoch gefallen xx

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