F I F T Y - E I G H T| Ein langer Schlaf


Kol

1914

Vergnügt drehte ich mich zu der lauten Musik im Kreis, trank einen kräftigen Schluck aus meinem Rumglas und sah lächelnd zu meinem Bruder Klaus, der mich schmunzelnd dabei beobachtete, wie ich meine gute Laune auslebte, wie ich durch den Raum lachend tanzte, völlig ausgelassen war.

„Du solltest dringend auch mal tanzen, Nik. Es ist ein befreiendes Gefühl und es würde dir nicht schaden auch mal etwas Spaß zu haben, wirklich", riet ich ihm und ließ mich letztendlich auf dem Sessel ihm gegenüber fallen.

„Ich sehe es", erwiderte mein älterer Bruder vergnügt, „Du wirkst ausgesprochen gut gelaunt, ein recht untypisches Benehmen für dich, hat dich die Weihnachtsfreude etwa ergriffen?"

„Vielleicht? Das Fest hier wird heute großartig und ich bin mir sicher viel Spaß zu haben, wenn du verstehst, was ich meine", sagte ich, leerte mein Glas und stellte es auf dem Tisch neben mir ab.

„Wirst du sicher haben, Ich habe die halbe Stadt eingeladen, von dieser Feier wird man noch nächstes Jahr reden und es gibt sicher ein naives Mädchen, das sogar was von dir wollen könnte", pflichtete Klaus mir bei, stand auf und schritt aus dem Raum raus, ließ mich alleine zurück, so dass ich es mir zu traute meine verborgenen Emotionen wieder mehr herauszulassen, mein Lächeln sofort erstarb und ich mir frustriert seufzend durch mein Haar strich. Der Alkohol half mir durch die meisten Tage, ebenso die ganzen Feiern, die mich gut ablenkten, doch in vielen Momenten war der Schmerz dennoch unerträglich, selbst jetzt, fast 50 Jahre nach ihrem Tod. Es verging nach all der Zeit immer noch kaum ein Tag, an dem ich nicht an sie denken musste, wo ich Emma nicht vermisste, daran dachte, wie anders mein Leben mit ihr an meiner Seite nun ausgesehen hätte, doch ich hatte mich damit abzufinden in New Orleans mit meiner Familie zu leben, selten die Stadt für Reisen zu verlassen. Meine Schwester machte mit mir eine wirklich harte Zeit durch. Die erste Jahre nachdem sie gestorben war, war ich unkontrolliert durch das Land gestreift, hatte ganze Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, ehe Rebekah mir half mich in den Griff zu kriegen, doch wirklich viel besser war es nach wie vor nicht geworden. Ich war unkontrollierbar. Ich trank viel zu viel, ging mit meinen 'Blutspendern' nicht sehr liebevoll um, war oft unerträglich mit meinen Launen und wenn ich Klaus zu sehr nervte, drohte er mir entweder an mich zu erdolchen oder er schickte mich mal wieder auf Reisen, wo ich in anderen Städten oder Ländern für Chaos sorgen konnte.

„Wieso hast du mich nur verlassen?", fragte ich leise in die Stille hinein, umgriff die Kette um meinen Hals dabei, wo ihr Verlobungsring dran hing und ich unterdrückte die aufsteigenden Tränen, wollte nicht wieder daran denken, dass sie nie meine Frau werden konnte, dass wir nie wirklich zusammen sein konnte, einfach zu wenig Zeit gehabt hatten. Ich hatte neben diesem Schmuckstück nicht viel, was mich noch an sie erinnern könnten. Mir waren wenige Bilder von ihr verblieben, die ich mir manchmal ansah, um nicht zu vergessen, wie wunderschön sie eigentlich doch aussah, doch mit der Zeit wurde es auch für einen Vampir schwer sich an alles zu erinnern, an jedes Detail zu erinnern. Manchmal gelang es mir nicht mehr den Klang ihres Lachens in meinem Kopf wieder zu hören, manchmal vergaß ich, welchen Farbton ihre Augen gehabt hatten oder wie weich ihre Haut sich immerzu angefühlt hatte, all das waren nichts weiter als Erinnerungen, die mit der Zeit verflogen und egal wie wenig ich es auch zulassen wollte, in ein paar Jahrhunderten wäre sie wirklich nichts mehr als eine schmerzvolle Erinnerung, wo der Schmerz dann hoffentlich jedoch auch erträglicher geworden wäre, wo es einfacher werden würde zu leben, zu existieren in einer Welt, wo sie nicht länger war. Ich schüttelte kurz den Kopf, versuchte mich wieder abzulenken und stand auf, verließ das Zimmer und durchquerte das Anwesen meiner Familie hier in New Orleans, wo Nik sich sein eigenes kleines Königreich aufgebaut zu haben schien.

„... sorge mich nur, mehr nicht. Die letzte Feier hat er schon ruiniert gehabt, Nik!", zischte Rebekah gerade gereizt, als ich auf die Beiden zu lief, die draußen gegenüber voneinander standen und sofort zu mir sahen, als sie auch mich bemerkten, ihr Gespräch somit beendeten.

„Worüber redet ihr?", fragte ich belustigt, wusste die Antwort im Grunde längst schon, doch natürlich war ich das Gesprächsthema der beiden, da meine reizende Schwester sich viel zu sehr um meinen Zustand sorgt und auch darum, sie alle zu verraten, das, was wir waren, zu verraten, die Aufmerksamkeit unseres wahnsinnigen Vaters auf uns zu locken, der überall nach uns suchte, uns töten möchte und das schon seit einer Ewigkeit.

„Gar nichts, Kol", wandte Nik die Sache lächelnd ab, „Ich habe sowieso viel interessantere Nachrichten für dich."
„Ach, hast du das?", fragte ich nicht überzeugt, hob amüsiert eine Augenbraue hoch von dem billigen Versuch die Sache hier abzulenken.

„Ja, es geht um die Salvatore Brüder", merkte er grinsend an und augenblicklich erstarb mein Lächeln und mich durchfuhr ein schmerzhaftes Gefühl bei dem bloßen Erwähnen Emmas Familiennamens, des Erwähnen ihrer Brüder und sofort kamen alle Erinnerungen zurück an sie, an ihren Tod, all der Schmerz und die Trauer.

„Nik!", rief Rebekah vorwurfsvoll aus, die mir anzusehen schien, was für eine Wirkung Klaus' Worte hatten, denn ich hatte mit Sicherheit einen Gesichtsausdruck drauf, als ob mich jemand geschlagen hätte.

„Was? Ich rede nicht über sie, sondern über ihre Brüder", verteidigte Nik sich gut gelaunt, schien eindeutig darauf aus zu sein mich zu provozieren, obwohl er wusste, dass ihm das nur selbst schaden könnte am Ende, „Auf jeden Fall scheint einer ihrer Brüder völlig durchzudrehen, ein richtiger Ripper geworden zu sein, der eine blutige Spur überall hinterlässt, wo er hingeht."
„Wieso solle mich das deiner Meinung nach interessieren?", fragte ich abwertend, sah meinen Bruder hasserfüllt an, doch Emmas Brüder bedeuteten mir nichts. Sie waren nicht für sie da gewesen, hatten sie leiden lassen, in dem sie ihr vorgespielt hatten tot zu sein, die beiden waren mir völlig gleich.

„Ich weiß nicht, nicht interessiert daran, wo deine beinahe Schwäger sich so aufhalten und was aus ihnen geworden ist? Wie sie mit ihrem Dasein als Vampire so klar kommen?"

„Nicht im geringsten!"

„Ok, das reicht jetzt auch wieder mit dem Thema!", ging Rebekah aufgebracht dazwischen, bevor das wirklich böse hätte enden können, „Nik, du hörst auf Kol hier zu provozieren und Kol, du kriegst dich langsam mal in den Griff, du kannst nicht immer so ausflippen, nur weil man Emma in irgendeiner Form erwähnt."
„Oh und wie ich das kann!", erwiderte ich sauer und ging mit den Worten auch schon, wollte gar nichts mehr dazu hören müssen. Keiner von ihnen würde mich verstehen, könnte es jemals. Sie alle hatten vielleicht schon jemanden geliebt, hatten besondere Menschen verloren gehabt, doch die Zahl war bei ihnen allen schon so hoch, dass sie leicht mit dem Tod umgingen, nie so starke Bindungen zu anderen mehr überhaupt zuließen, doch bei mir war das eben anders. Ich hatte nie jemanden an mich herangelassen gehabt. Ich hatte nie jemanden besonderes gehabt. Hunderte Jahre lang war mir jeder gleichgültig gewesen, bis Emma kam und mein Leben wie eine Flutwelle um gerungen hatte, alles so durcheinander gebracht hatte und nun? Nun müsste ich mit den Konsequenzen leben sie in mein Leben gelassen zu haben, auf ewig.




Die Weihnachtsfeier von Klaus war wie jede Feier hier ein großer Erfolg. Die halbe Stadt war anwesend, es wurde gegessen, getrunken, getanzt, alles schien friedlich zu sein, fast als wären die Einwohner New Orleans eine große, kuschelige Familie, wovon ich recht wenig wissen wollte, wie so üblich meine Zeit lieber in einer der Zimmer oben mit einer hübschen Dame an meiner Seite verbrachte, mich so wie üblich versuchte abzulenken, mein Leben anders, ausgelassener lebte als der Rest meiner Familie.

„Du bist so wunderschön, habe ich dir das eigentlich schon gesagt, Liebste?", fragte ich die dunkelhaarige Schönheit, die ich auf meinen Schoß zog und die glücklich und geschmeichelt von meinen Worten kicherte. Ich hatte keine Ahnung mehr, wie ihr Name lautete, ich wusste nur, dass sie ein Mensch war, nett anzusehen war und dass sie freiwillig mit mir hochgekommen war.

„Du bist wirklich charmant. Die Gerüchte über den jüngsten Bruder der Mikaelsons sind also wahr", bemerkte sie und bedeckte meinen Hals sanft mit Küssen anschließend, was mich lächeln ließ, während ich mein Glas voll Rum leerte, es zur Seite stellte.

„Was für Gerüchte denn?", fragte ich mit einer rauen Stimme nach, strich über ihren blassen Hals, hörte wie das Blut durch ihren Körper rauschte, wie mein Hunger davon immer stärker wurde, doch für mehr war sie auch nicht hier. Nur für mein Vergnügen, nur zu meiner Ablenkung und nur um als mein Abendessen zu dienen.

„Dass du der bestaussehendste bist, ein Frauenheld und unglaublich toll einfach", erwiderte sie, sah mir in die Augen, wo ich kurz erschrocken feststellen musste, dass ihre hellen Augen mich in dem Moment wieder an Emma denken ließen, sie ihren so sehr ähnelten, ich wieder genau vor mir sah, wie leuchtend ihre Augen immer gewesen waren, wie sie mich immer mit so einem Blick angeschaut hatte und verzweifelt kniff ich die Augen zusammen, schüttelte kurz den Kopf, versuchte meine Gedanken wieder zu ordnen, ehe ich zurück zu dem Mädchen sah, die leicht lächelte.

„Alles in Ordnung?"
„Aber natürlich doch, ich war nur etwas in Gedanken", meinte ich, lächelte gezwungen, während sie ihre Hände hinter meinem Nacken verschränkte, lieblich lächelte und meinem Gesicht näher kam.

„Ich kann sicher dabei helfen, dich abzulenken", versicherte sie mir leise und legte schon ihre vollen Lippen auf meine, schaffte es wirklich damit mich kurz vergessen zu lassen und hingebungsvoll erwiderte ich den Kuss, zog sie enger an mich, legte meine Arme um ihren zierlichen Körper und merkte zu deutlich, wie mein Hunger nach ihr immer mehr anstieg. Lange würde ich mich nicht mehr beherrschen können. Ihre Hände strich von meinem Nacken nach vorne zu meiner Brust, über meinen Kragen und ehe ich mich versah, unterbrach sie den Kuss, als sie plötzlich die Kette unter meinem Oberteil hervorzog, neugierig den Ring an dieser musterte.

„Der Ring einer Verflossenen?", fragte sie neugierig und ich spürte erneut den schmerzvollen Stich in meiner Brust, sah verstört dabei zu, wie sie den Ring begutachtete. Sie hatte kein Recht dazu!

„Ja", brachte ich angespannt hervor, bemühte mich ruhig zu bleiben, auch wenn es schwer war.

„Tot?", fragte sie weiter nach, sah völlig fasziniert weiter den Ring an und ich nickte knapp, weswegen sie wieder zu mir sah, mir sachte eine Hand ans Gesicht legte.

„So an etwas zu klammern tut niemandem gut, Kol", meinte sie verführerisch, „Du solltest wirklich aufhören das Ding zu tragen, damit wird es doch nie einfach werden zu vergessen."
„Du hast ja keine Ahnung", erwiderte ich kalt, was sie lächeln ließ.

„Aber natürlich habe ich das. Sie war sicher umwerfend und alles, doch sollte man sich nicht lieber auf die Lebenden konzentrieren, als sein Herz zu sehr bei den Toten hängen zu lassen?", fragte sie und schaffte es mit ihren Worten nun endgültig etwas in mir zu bewegen. Ich konnte mich nicht bremsen, als ich plötzlich aufstand, sie an der Kehle gepackt hatte und so gegen die nächste Wand drückte. Ich sah in ihre vor Schock geweiteten Augen, wie sie versuchte nach Luft zu schnappen, nicht zu wissen schien, was hier bitte geschah, doch sie hatte das hier provoziert. Hätte sie nicht einfach still bleiben können?

„Glaube niemals wieder irgendwas über mich zu wissen, verstanden?", fragte ich sie wütend, wo sie verzweifelt nickte, ihre Hände meine umgriffen, sie versuchte meinen Griff zu locken, während ihr Gesicht bläulich anlief, ihre hübschen Augen rötlich wurden.

„Und jetzt renn', bevor ich dir die Kehle herausreiße für deine Worte!", zischte ich, ließ sie los, wo sie schon hustend und nach Luft ringend aus dem Zimmer rannte, keine Sekunde weiter zögerte, um ihr Leben schrie und wütend schmiss ich den nächst besten Tisch um, warf Flaschen voll Bourbon und Wein gegen die Wände, schrie mir selbst die Seele halb aus dem Leib mit den Erinnerungen an Emma, mit der Tatsache, wie sehr ich sie gerade vermisste, hier haben wollte, wie unerträglich einfach immer noch alles ohne sie an meiner Seite war.

„Kol!", rief Rebekah aus, die mit einem entsetzten Gesichtsausdruck in den Raum gestürzt kam, „Was tust du hier? Du sorgst für Chaos, was hast du mit dem Mädchen getan?"

„Sie kann von Glück reden, zu leben", erwiderte ich genervt, raufte mir die Haare und tigerte im Zimmer herum, konnte mich nicht beruhigen.

„Ist es wieder wegen Emma? Ich habe dir tausende Male gesagt, dass du langsam besser damit umgehen musst, dass..."
„Erwähne nicht ihren verfluchten Namen!", schrie ich sie an, stellte mich vor sie hin und sah sie kalt an, doch natürlich ließ sie sich nicht davon einschüchtern.

„Kol, ich weiß, dass sie dir wichtig war, aber sie ist jetzt fast 50 Jahre tot und..."
„Provoziere es nicht, Rebekah!", warnte ich sie, doch wann hatte sie jemals auf mich gehört gehabt?
„Du kannst dich aber auch nicht hier so aufführen, du musst lernen damit abzuschließen!"

„Oh ja, natürlich, weil das so einfach ist!", schrie ich sie an, warf wütend nun auch das Sofa um und schrie frustriert erneut auf, ertrug den Schmerz in mir kaum mehr, wusste, dass es dauern würde diesen Ausbruch meiner Gefühle wieder in den Griff zu kriegen, doch offensichtlich hatte Klaus keine Nerven mehr dafür nach all der Zeit, als ich plötzlich nämlich von Elijah hinten gepackt und festgehalten wurde.

„Was soll das werden?", fragte ich wütend, versuchte mich los zu reißen, sah wie Rebekah traurig zu mir schaute, während Nik mit einem Dolch in der Hand auf mich zugelaufen kam.

„Ich denke ein paar Jahrzehnte Ruhe schaden dir nicht, Bruder. Wenn du aufwachst, wird die Welt anders aussehen, erträglicher und deine Geliebte und ihr Tod werden in weiter Ferne für dich sein, doch fürs erste bist du hier eine zu große Nervensäge, schadest uns allen", sprach dieser und ich wehrte mich weiter, wollte mich los reißen, wollte dem Schicksal erdolcht in einem Sarg für Gott weiß wie lange zu enden entrinnen, doch ich war machtlos, spürte den Schmerz, als die Klinge mich durchbohrte, sah verbittert in die Augen meiner Bruders, merkte wie mein Körper austrocknete, jede Kraft von mir wich, alles anfing dunkel zu werden und während ich in diese Dunkelheit fiel, ahnungslos darüber, wann sie enden würde, wie lange sie anhalten würde, dachte ich an Emma, dachte ich einfach nur an sie, um alles erträglicher zu machen.


Aloha :) Ich hoffe euch hat dieses letzte Kapitel aus der Vergangenheit gefallen. Das nächste Kapitel kann nett werden und ich versuche bald was wieder von mir hören zu lassen, was jedoch vermutlich erst im neuen Jahr sein wird. Deswegen wünsche ich allen, die es feiern, ein schönes Weihnachten vom Voraus xx

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