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Mittlerweile sitzen alle auf dem Pferd. Ich lasse Aisha die Zügel lang und schiele immer wieder zu meiner Mutter, die sich auf der Tribüne mit der Direktorin unterhält. Wir haben jetzt 20 Minuten um uns warmzureiten. Dann würden wir einzeln einen Parcours springen. Und meine Mutter wird dabei jedem genau zusehen. Wie ich da noch verstecken will, dass ich ihre Tochter bin, weiß ich selbst noch nicht.

Die Idee mich als jemand anderes auszugeben, um meiner Mutter zu beweisen, dass meine Stute und ich im Springreiten unsere Leidenschaft haben, kam mir in dem Moment, als ich von dem Kurs erfuhr. Die Absage von Celine McKelldon kam mir da gerade recht.

Warum ich nicht als ich selbst teilnehme, ist wohl klar. Erstens würde mich meine Mutter warscheinlich gar nicht erst teilnehmen lassen und uns wieder ins Dressurviereck schicken und zweitens würde sie nicht dasselbe zu mir sagen, was sie einer Fremden sagen würde. Es kann also alles nur gutgehen. Denke ich....

"So, erstmal willkommen und es freut mich, dass ihr heute hier dabei seid. Ich bin lange Zeit nicht mehr hier gewesen, habe aber früher hier so viel gelernt und das möchte ich an euch weitergeben. Wer möchte denn anfangen?" ruft meine Mutter von der Tribüne in die Gruppe und zeigt ihr strahlendstes Zahnpastalächeln. Meine Mutter ist hübsch, keine Frage. Und ich bezweifle auch nicht, dass sie früher ein toller Mensch war. Aber so wie sie jetzt ist, würde ich sie nicht heiraten. Dad ist da sicher der gleichen Meinung..

Meine Gedanken werden von dem donnernden Hufgeräusch eines bildschönen Rappen unterbrochen. Seine blonde Reiterin und er galoppieren einige große Touren bei C und zweimal ganze Bahn, bevor die Blondine ihr Pferd auf das erste Hinderniss im Parcours lenkt. Ein kleines Kreuz zum Beginn. Mit Leichtigkeit hüpft der Rappe darüber und schnaubt erfreut. Das nächste Hinderniss ist ein etwas breiterer Oxer, der schon etwas angsteinflößend aussieht. Das sieht der Rappe anscheinend genauso, denn kurz vor dem Sprung stemmt er die Beine in den Sand und bleibt stehen. Die Reiterin war darauf wohl nicht vorbereitet und fliegt alleine über den Oxer.

Meine Kursmitglieder keuchen erschrocken auf, als das zierliche Mädchen einige Momente regungslos am Boden liegen bleibt. Die Direktorin und meine Mutter stürmen sofort zu der Gestürzten und drehen sie vorsichtig um. Zum Glück richtet sich das Mädchen kurz darauf wieder auf und verkündet ihr Wohlbefinden. Sie fängt noch ihr Pferd ein, dass alleine einige Runden durch die Halle getrabt ist und verlässt nach einem kurzen Gespräch mit meiner Mutter die Reithalle. Denn so sind die Regeln. Wer sein Pferd im Parcours unfreiwillig verlässt, ist draußen. Um es authentischer zu gestalten wird diese Regel hier auch beim Training gilten.

"Okay, Alina geht es soweit gut, aber sie ruht sich jetzt aus, nachdem sie ihr Pferd versorgt hat. Wer möchte als nächstes?" Meine Mutter stemmt enthusiastisch die Hände in die Hüften und lächelt in die Runde. Wieder meldet sich ein Mädchen. Und dann das nächste. Jeder von ihnen gibt auf, nachdem sein Pferd beim Oxer mehrmals verweigert.

Alle waren dran, außer Aisha und ich. Jetzt ist unsere Zeit gekommen.
"Nun gut...letzter Versuch. Gib dein Bestes, Mädchen. Und enttäusch mich bitte nicht. Die anderen haben schon gereicht." seufzt sie und will näher an mich heran kommen, aber ich trabe Aisha aus dem Stehen heraus sofort an. Wie die anderen lasse ich meine Stute vorher zwei große Touren galoppieren, bevor ich sie auf das Kreut zulenke. Mit einem großen Satz landen wir sicher und weich wieder auf der anderen Seite. Jetzt folgt der Oxer, bei dem bis her alle Pferde verweigerten. Aisha legt die Ohren zurück, als sie das mächtige Hinderniss vor sich sieht und ich merke, dass auch sie stehen bleiben würde. Also wende ich knapp vor dem Hinderniss ab und reite es in einer extrem engen Wendung erneut an, in der Aisha keine Zeit zu Überlegen hat. Wenn auch widerspenstig, drückt sich die Braune mit den Hinterhufen vom Boden ab und wir landen ohne Vorkommnisse auf der anderen Seite. Dann folgt noch als letztes Hinderniss die dreifach Kombination inklusive Wassergraben. Ich nehme die Zügel ein Stück auf und Aisha geht sofort in den Versammelten Galopp. Nachdem die engbeieinanderliegenden vorderen zwei Hindernisse hinter uns liegen, nimmt die Stute ein wenig an Tempo zu und überspringt den Wassergraben ebenfalls fehlerlos.

Überglücklich klopfe ich ihr auf den Hals und die Schulter und sie schnaubt ausgelassen. Hinter uns höre ich das Jubeln und Klatschen der anderen Teilnehmer. Darunter auch die Stimme meiner Mutter. Absichtlich drehe ich mich so, dass sie mein Gesicht nicht erkennen kann, als sie anfängt zu reden.

"Das war großartig, Celine. Einfach große Klasse. Ihr habt wirklich Potenzial. Mit dem richtigen Trainer werdet ihr es weit bringen können. Das Pferd ist ebenfalls ein Traum. Aber es kommt mir seltsam bekannt vor. Haben wir und schon einmal getroffen?" spricht sie laut aus der Menge und die Anderen hören mit dem Klatschen auf.
Das ist der Moment an dem ich mich umdrehe, meiner Mutter ins Gesicht blicke und sage: "Danke, Mum."

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