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"Malia! Bleib jetzt stehen!" ruft mir meine Mutter noch nach, doch ich reiße mir einfach den pinken Rüschenhut vom Kopf und laufe hinunter in den Stall. An der Box meiner Stute angekommen, schwinge ich mich auf ihren Rücken und galoppiere vom Hof. Hinter mir höre ich wieder die Schreie meiner Eltern, die mir bedeuten, dass ich sofort wiederkommen würde, wenn ich nicht lebenslangen Hausarrest bekommen wolle.

Vor knapp zwei Stunden hat mir meine Mutter eröffnet, dass heute Abend wieder eine Gala stattfand, an der wir unbedingt teilhaben mussten. Seit sie keine Turniere mehr reitet und ich soweit bin in der Spitzenklasse zu trainieren, achtet sie immer darauf, dass wir zu allen Veranstaltungen gehen, um mich zu präsentieren und zu zeigen, dass ich die Vorzeigetochter bin, die einmal den Platz der weltberühmten Emma Summer einnehmen wird, meiner Mutter.

Ich weiß ganz ehrlich gar nicht, was passiert ist. Als ich 10 war und meine Stute Aisha bekommen hatte, war alles noch völlig normal und frei. Drei Jahre später fingen meine Eltern dann plötzlich an mich beim Training härter dranzunehmen und ich sollte mich immer schön fein benehmen, wenn wir nicht alleine waren.

Ich war noch nie ein großer Fan von der strikten Dressur, in der alle Reiter ihren Pferden im sekundentakt die Sporen in den Bauch rammten und aus Erzählungen wusste ich, dass meine Mutter das früher auch so sah. Warum also sollte ich unbedingt eine weltklasse Dressurreiterin werden? Das Springen lag meiner Stute und mir eigentlich schon recht, was sich schon nach den ersten Trainingsstunden herausstellte, aber seit meine Eltern mich härter rannahmen, habe ich die Lust daran verloren. Ab und zu wenn ich beim Ausreiten im Wald über Baumstämme springe, kehrt das Gefühl das ich früher dabei hatte wieder zurück. Aber auch nur solange, bis wir wieder am Boden der Tatsachen landen. Aisha und ich lieben es außerdem am Strand entlang zu galoppieren und das taten wir auch wann immer wir konnten. So wie auch heute.

Als wir am Strand ankommen, gebe ich die Zügel frei und meine Stute prescht wie gewohnt los.
Wir rasen den endlosen Strand entlang und ich genieße die frische Meeresluft, die mir entgegenweht. Am Ende des Strandabschnittes, pariere ich wieder durch und klopfe meiner Stute den Hals.

"Ach Aisha...was soll ich nur tun? Ich hasse solche Veranstaltungen. Wieso haben sich meine Eltern nur so verändert?" rede ich mit meinem Pferd und sie schnaubt. Es ist unwarscheinlich, dass sie wirklich verstanden hat, was ich gesagt habe, aber ich rede trotzdem gerne mit ihr, da sie mir keine schrägen Blicke zuwirft oder mich auslacht, wenn ich irgendetwas blödes sage oder tue. Das tun die Töchter vom Mum's Bekannten schon genug.

Jedes Mal wenn wir auf so einer doofen Veranstaltung sind, muss ich mich zu den anderen Mädchen stellen und mit ihnen hochnäsigen Smalltalk über die neueste Pikeur-Mode führen. Man darf mich nicht falsch verstehen. Ich besitze selbst fast alle Kollektionen davon, aber wirklich wichtig war mir das noch nie.

Ich bin nicht wie diese Mädchen. Ich bin eben ich. Mir passiert manchmal etwas peinliches und damit ich nicht wie der reinste Bauerntrampel aussehe, versucht meine Mutter das wieder durch schreckliche, pinke Kostüme und Federhüte schönzumachen. Ich hasse das alles.

"Malia? Hey...ich habe gehört, dass deine Mutter wild fluchend durchs Haus gerannt ist und da wusste ich schon wo du bist...wie geht es dir?" ertönt plötzlich eine sanfte Stimme hinter mir und ich drehe mich zu meiner besten Freundin um.
"Ach Hayley...heute Abend ist wieder so eine Veranstaltung und sie wollten mich diesmal in ein Pinkes Kostüm mit rosa Federhut stecken. Oh Mann, ich halte das echt nicht mehr lange aus." erzähle ich ihr und schaue bedrückt zu Boden.

"Achja Malia? Ich hab heute zufällig was mitgehört.."
"Was denn?"
"Hast du schon mal vom Reitinternat Sunshine gehört?"
"Ja, da war meine Mutter früher. Wieso?"
"Sie überlegen, dich dort hinzuschicken..."
"Was?? Aber das geht nicht! Kommst du wenigstens mit?"
"Ich könnte versuchen meine Eltern zu überzeugen, aber eigentlich habe ich nicht sonderlich Lust dazu. Aber ich überlegs mir okay? Immerhin bist du meine beste Freundin. Und sieh es mal positiv! Dort können dich deine Eltern nicht mehr so behandeln. Das ist mindestens 3 Stunden entfernt."
"Das schon ja, aber dafür werde ich sicher von allen mit meiner Mutter verglichen."

Sie schenkt mir einen verständnisvollen Blick und lenkt ihre Stute Amica dann in die entgegengesetzte Richtung.
"Komm mit. Wir müssen sowieso zurück und wenn du jetzt kommst, kriegst du vielleicht eine Woche weniger Hausarrest."
Ich lache bitter, folge ihr aber mit Aisha.


"Wo warst du? Was soll das? Die Galanacht beginnt in zwei Stunden. Das schaffen wir niemals. Du bleibst heute zu Hause. Ich nehme dich erst wieder mit, wenn du dich zu benehmen weißt. Und das kannst du wohl noch nicht. 1 Woche Hausarrest! Und Ausreiten gehst du auch nicht mehr! Trainiere doch endlich mal wieder Dressur! Dein Sitz ist ja fürchterlich!" kreischt mich meine Mutter an, als Hayley und ich in den Hof einreiten.

Neben meiner Mutter erscheint Avery, Hayleys Mutter und die best Freundin meiner Mutter.
"Komm mit, Em. Ich mach uns einen Tee." sagt sie gelassen zu ihr und führt sie ins Haus hinein, während meine Mutter noch sowas wie:"Ich werde verrückt mit diesem Kind." murmelt.

Hayley und ich satteln die Pferde ab und bringen sie in den Paddock, der mittlerweile besser ausgestattet ist, als mein Zimmer. Klimaanlage, Heizstrahler, automatisch reinigende Wassertränke, eine Klappe in jeder Box, die sich öffnet wenn ein Pferd misten will.

Ich dagegen habe nur ein Bett und einen Schrank.

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