Erinnerungen
POV Grace
Grace versuchte sich aufs Atmen zu konzentrieren, aber es gelang ihr nicht wie es eigentlich sollte. Sie fühlte sich als würde sie ertrinken, durch Medinas Zauber, obwohl nicht einmal Wasser in ihrer Nähe war. Grace riss die Augen auf und hörte dumpf die Stimme von Kaylee in ihren Ohren.
Sie konnte nicht mehr ihre Umgebung durch ihre Augen erkennen. Vor ihren Augen war nicht mehr Medina, sondern ein endlos blauer Tunnel, wie bei einer geschlossenen Rutsche, durch die man durchrutscht auf dem Klettergerüst.
Nur war am Ende ihres Tunnels kein Licht zu sehen, nur eine silberne Mauer die immer näher kam, je mehr Medina in ihrem Verstand grub. Sie sah den Tunnel aus Medinas Augen nicht durch ihre eigenen. Es war in einer Art gruselig, die Grace nicht in Worte fassen konnte. Medina versuchte die Mauer zum Einsturz zu bringen, aber erfolglos. Grace merkte, dass Medina nicht so leicht durch die Mauer kam, dass konnte Grace am eigenen Leibe fühlen.
Es fühlte sich so an, als würde jemand oder etwas in ihrem Körper sie die ganze Zeit von innen in den Magen boxen. Und dieses Gefühl auf Dauer war keineswegs angenehm. Grace hatte gar keine Kontrolle mehr über ihren Körper. Es war gerade wie eine leere Hülle. Sie konzentrierte sich wieder auf Medina, deren Projektion in Grace' Verstand versuchte die Mauer mithilfe von Magie einzureißen. Und das mehrmals.
Erst nach dem vielleicht dem sechsten Versuch klaffte ein Loch in der Mauer, etwa einen Finger groß. Bilder überfluteten Grace' Gedanken. Es waren bloß Bruchstücke, nichts zusammenhängendes.
Beim ersten Bild war sie noch ein Baby. Sie trug eine schwarze Mütze mit einem silbernen Drachen darauf und auch ihr Pullover hatte dasselbe Motiv. Er war dunkelgrün, kombiniert mit einer schwarzen Hose und kleinen Schuhen.
Dann lag sie in den Armen einer platinblonden Frau, die ihr weinendes einjähriges Selbst zu trösten versuchte. Sie waren neben einer Wiege mit Kristall Glockenspiel, welches über der Wiege befestigt war. „Alles ist gut, kleiner Drache.", redete die Frau auf das Kind ein und wiegte es in ihren Armen.
Beim dritten Bild war sie wieder in den Armen der blonden Frau. Nur stand jetzt ein Mann neben ihr. Er hatte rotbraunes Haar und dieselben grüngrauen Augen wie Grace sie hatte und dieser Jonathan aus ihrem Traum. „Wie soll unsere Tochter heißen, Hope?" „Grace Thalia Blackthrone.", sagte Hope bestimmt.
Das vierte Bild war als sie vielleicht zwei oder drei Jahre alt war. Sie saß auf dem Kristallboden und spielte mit einem Babydrachen. Die beiden hatten Spaß zusammen. Immer wieder wedelte das kleine Mädchen mit ihrer Hand durch die Luft und der silberne Drache folgte dieser Bewegung.
Das Bild schlug um. Jetzt lag das kleine Mädchen in den Armen ihres Vaters und in den Armen ihrer Mutter lag ein weiteres Baby in Leinendecke. Die Gesichter der beiden Erwachsenen waren tränenverschmiert. „Wir können nicht zulassen, dass Rossende sie holen kommt, Hope.", schluchzte der Vater und streichelte dem kleinen Mädchen über den Rücken. „Rossende wird immer hinter ihr her sein. Sie wird niemals sicher vor ihr sein. Sie ist die Auserwählte, Matteo." „Ich weiß, Hope, aber das können wir nicht machen. Wir können Jonathan und Grace nicht voneinander trennen."
„So wahr ich Hope Sturmwind heiße, ich will nur, dass sie in Sicherheit ist. Und wenn es heißt, dass ich ohne sie leben muss, würde ich es tun." Hope weinte Rotz und Wasser und drückte den Jungen fester an sich. „Also willst du unsere Tochter einfach weggeben an eine Sterbliche!", sagte Matteo. „Allison wird sich um sie kümmern. Ich habe mit ihr dieselbe Schule besucht in dieser Kleinstadt. Unsere Tochter wird sicher bei ihr sein."
Das Bild wechselte wieder. Zu sehen waren wieder Hope und Matteo. Matteo mit einem Baby auf dem Arm. Sie standen vor dem Haus von Allison. Hope klingelte und Allison machte auf. Überrascht davon Hope zusehen. „Hope? Was tust du..."
„Es gibt keine Zeit für Fragen, Allison. Bitte ich flehe dich an! Ziehe unsere Tochter groß, es ist wichtig, dass sie in Sicherheit ist!" Hope flossen wieder die Tränen. Sie griff nach einer Silberkette, die an ihrem Hals hang und gab sie Allison. „Verwahre sie für uns. Und pass auf sie auf!", schluchzte sie. Matteo kam auf sie zu mit dem Mädchen im Arm, welches ebenfalls wie ihre Eltern weinte.
„Ich werde sie meinem Bruder überlassen. Er hat einen Sohn. Die beiden können zusammen aufwachsen. Hier bei mir wäre sie nicht sicher, weil du mich eingeweiht hast, Hope. Ich verspreche euch beiden sie wird in guten Händen sein." Sie nahm das kleine Mädchen aus den Armen ihres Vaters und wiegte es.
Die Szene wechselte. Diesmal waren nur Allison und Matteo da. Von dem Mädchen war nichts zu sehen. „Was soll ich tun, wenn sie mit eurer Welt in Kontakt kommt?" „Sorge dafür, dass sie nicht unvorbereitet ist, wenn der Fall eintreten solle. Wie geht es meiner Tochter?" „Sie fühlt sich wohl bei meinem Bruder und seinem Sohn Jason."
Dann endete der Erinnerungsfluss.
Medina ließ schlagartig von Grace' Schläfen ab und taumelte nach hinten. Grace schreckte aus ihrer Starre und bemerkte, dass sie weinte. Grace fühlte sich wie betäubt. Sie konnte keinen Mucks von sich geben. Sie legte ihre Hände an ihre pochenden Schläfen und lautlos seufzte auf, als ihre kühlen Finger auf den pochenden Stellen ihrer Schläfen lagen. „Was hast du gesehen, Medina?", verlangte der König zu wissen.
Die ganze Königsfamilie inklusive Kaylee, Valentine und Hayley standen um Medina und Grace herum. Medina antwortete zuerst nicht. Sie war genauso geschockt wie Grace. Na ja, vielleicht war Grace doch etwas mehr als geschockt. Medina stammelte etwas, aber keiner der Anwesenden im Raum verstand was sie sagte. „Was hast du gesehen, Medina?", fragte eine zarte Mädchenstimme, die Grace nicht einordnen konnte. Sie hatte auch gerade keinen Kopf dafür.
„Sie ist die Prinzessin von Elysium. Sie ist die Tochter von Matteo Blackthrone und Hope Sturmwind.", antwortete Medina mit lauter Stimme. Es wurde still im Raum. Keiner sagte ein Wort. Niemand rührte sich vom Fleck. Bei dieser Stille hätte man eine Stecknadel runterfallen gehört.
POV Valentine
Es war ein beklommenes Gefühl in seinem Magen, als die Wachen Kaylee, Hayley und Valentine aus dem Saal brachten. Sie schlossen die Türen und ließen die drei einfach draußen stehen. Ohne Erklärung. Eine absolute Frechheit. Valentine tigerte vor der Tür hin und her. „Bitte hör auf damit, Val.", stöhnte Hayley wehleidig. Sie stand mit Kaylee an der Wand gelehnt. „Beschäftigt euch nicht was da drin vor sich geht?", fragte Valentine entrüstet.
„Natürlich, beschäftigt uns das. Falls es dich beruhigt. Solche Eingriffe sind vollkommen harmlos und schmerzlos.", sagte Kaylee. Sie sah zu ihm. Den Kopf gegen die Wand gelehnt. Wie aufs Stichwort hörte Valentine einen Schrei von drinnen, der markerschütternd laut war. Er schreckte auf und auch die Mädchen fuhren zusammen. Dann war der Schrei verstummt.
„Ich glaube, das war nicht grade schmerzfrei und harmlos!", feuerte Valentine zu Kaylee. Sie sah ihn nicht an. Ihre Miene war voller Sorge. Ausnahmsweise teilten die beiden diese Sorge und Hayley blieb davon nicht unberührt. Valentine wollte gerade die Tür öffnen, aber das blieb ihm erspart.
Die Wachen in ihrer kupferroten Rüstung öffneten wortlos die Tür und die drei stürmten zu der Königsfamilie, die rund um, um die rotbraunhaarige stand. Er hatte keinen genauen Blick auf Grace, als er bei der Königsfamilie angekommen war. Er sah nur wie das blonde Mädchen namens Medina zurücktaumelte und die Prinzessin fragte, was die Hexe gesehen habe.
Medina antwortete nicht direkt, doch dann stammelte sie etwas unverständliches, bevor sie sich einigermaßen wieder gefasst hatte. Mit lauter und deutlicher Stimme verkündete sie dann: „Sie ist die Prinzessin von Elysium. Sie ist die Tochter von Matteo Blackthrone und Hope Sturmwind."
Alle erstarrten und verstummten schlagartig. Von einer Sekunde auf die andere. Valentine wusste nicht wie lange sie schwiegen, bis er endlich aus der Starre erwacht und auf Grace zuging. Ihr Gesicht war tränenverschmiert. Er rüttelte sie zuerst leicht an der Schulter als er bei ihr angekommen war. Keine Reaktion.
Er schüttelte sie stärker bis sie aus ihrer eigenen Trance erwachte. Überraschenderweise schlang sie ihre schlanken Arme um seinen Hals und vergrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge. Valentine schlang seine Arme um ihre Taille und hielt das weinende Mädchen an sich gedrückt. Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Sie rochen nach Vanille.
...
Nun hatten sich auch die anderen Menschen im Raum aus ihrer Starre gelöst. Die Königsfamilie hatte Distanz von den vier Jugendlichen genommen und besprachen etwas miteinander, was aber in Gemurmel unterging, sodass Valentine kein Wort verstand, was sie sagten. Aber dies war aktuell Nebensache.
Wichtig war gerade das Mädchen in seinen Armen. Sie ist die Prinzessin von Elysium. Valentine konnte es gar nicht glauben, aber es war die Wahrheit. Grace löste ihren Klammergriff und er den seinen. Grace fiel Kaylee und seiner Schwester gleichzeitig in den Arm und die Mädchen starteten eine Dreier-Umarmung. Sie dauerte aber nicht lange an, da die Königsfamilie sich ihnen wieder zugewandt hatte.
„Willkommen zurück, Prinzessin.", lächelte das Königspaar und deren Kinder. Sie senkten alle respektvoll die Köpfe. „Wir werden euch ein freies Geleit nach Hause gewähren. Kommt gut nach Hause.", sagte der König.
Die Königsfamilie und die Hexe Medina verabschiedeten sich von den Jungendlichen und wünschten ihnen allen gut Glück bei der Reise. Mit einem breiten Lächeln gehen die vier durch die Tore des Thronsaals hinaus und stiegen in die Kutsche mit dem Hofnarr von Botschafter, der sie dann zum Portalstützpunkt kutschierte.
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