»i am heath ledger«
Widerum vier Wochen darauf war der Zeitpunkt gekommen, an dem klar war, dass das Ende bald eintreten würde.
Und obwohl ich deshalb innerlich ein Wrack war und morgens nur mit Mühe und Not aus dem Bett kam, schwang ich mich auf mein Fahrrad und radelte zu Harry, der aufgehenden Sonne entgegen.
Es fühlte sich surreal an, dass Harry in wenigen Tagen nicht mehr da sein würde, und noch surrealer war es, als ich in sein Zimmer kam und sah, wie er auf der Bettkante hockte, sich über einen Plastikeimer krümmend.
Schnell eilte ich zu ihm, fasste seine Haare im Nacken zusammen, damit er sie nicht voll spuckte. Währenddessen kraulte ich mit der freien Hand seinen Rücken, bis sich sein Magen vollständig geleert hatte.
Röchelnd richtete er sich wieder auf und wischte sich mit der flachen Hand über den Mund. »Sterben fühlt sich furchtbar an.« »Oh Schatz«, murmelte ich bloß, da ich nicht fähig war, mehr zu sagen.
Stattdessen löste ich mich kurz von ihm und wusch den Eimer im Bad aus, ehe ich ihn neben Harrys Bett stellte und mich auf ebendiesem niederließ.
Eine Weile schwiegen wir uns an, unsere Hände sich gegenseitig haltend.
»Ich werde dich vermissen«, wisperte ich niedergeschlagen. Nicht mal weinen konnte ich noch. »Ich dich auch.«
Abermals schwiegen wir, bis er sich irgendwann räusperte.
»Claire?«
»Ja?«
»In welchen schweren Zeiten hat dieser Heath Ledger dir eigentlich geholfen?«
»Keine Ahnung, irgendwie hat er mir die Angst vor dem Tod genommen und dafür Mut zum Leben gegeben.«
Fragend hob er eine Augenbraue.
»Angst vor dem Tod?«
Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern.
»Weißt du, früher, als wir uns noch nicht kannten, hab ich irgendwie nur existiert. Ich hab mich oft einsam gefühlt und nur so die Tage verstreichen lassen. Ich dachte immer, ich hätte noch massig Zeit. Doch dann bin eigentlich eher durch Zufall auf ihn gestoßen und hab von seinem frühen Tod und dem Leben, das er davor hatte, erfahren.
Dadurch ist mir plötzlich bewusst geworden, was ich ändern muss. Er war so voller Tatendrang, hat vor Ideen gesprudelt und hat kein Risiko gescheut, um seine Ziele zu erreichen. Dabei jedoch ist er so herzensgut und bodenständig geblieben, dass ich mich irgendwie in ihm wiedererkannt habe. Er hat mir gezeigt, dass ich, wenn ich mein Leben mit all seinen Möglichkeiten auskoste, den Tod nicht fürchten muss.«
»Wow«, sagte der Lockenkopf baff und schluckte ein paar Mal.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich mein Leben wirklich ausgekostet habe. Es gibt noch so viel, was ich eigentlich gern erlebt hätte«, meinte er traurig, weswegen ich seine Hand drückte.
»Ja, aber das heißt nicht, dass du kein tolles erfüllendes Leben gehabt hast. Du hast letztes Jahr eine Backpack-Tour durch Australien mit mir zusammen gemacht. Hast deinen Lieblingssänger live gesehen. Konntest zwei Instrumente spielen und Ski fahren. Hast Philosophie studiert, was immer dein Traum gewesen ist. Du hast eine wundervolle Familie und wundervolle Freunde an deiner Seite, die verdammt stolz auf dich sind.«
Tränen formten sich in seinen Augen, die er schnell wegzublinzeln versuchte. »Danke. Danke für alles.« Ich lächelte ihn sanft an. »Ich hab zu danken, mein Lieber.«
Dann zückte ich einen Film aus meiner Tasche und betätigte zum letzten Mal den DVD-Player, bevor ich mich an ihn kuschelte.
»Wir schauen jetzt die Doku über Heath. Und danach wirst du das Leben lieben, trotz aller Endlichkeit«, flüsterte ich in sein Ohr.
Wie erwartet flennten wir volle eineinhalb Stunden lang, während Freunde, Verwandte und Kollegen über Heath erzählten, um den Zuschauern an dessen fantasievollem Leben teilzuhaben.
Dabei hielten wir uns gegenseitig im Arm und ich spürte die wohlige Wärme seiner Haut, die ich schmerzlich vermissen würde. Atmete sein Parfum ein, das so ausgezeichnet zu ihm passte, und spürte, wie seine Haaren meinen Nacken kitzelten.
Schließlich drehte er sich zu mir. »Ich werde in dir und Louis weiterleben. Durch unsere Erinnerungen und Liebe zueinander«, verkündete er schniefend.
»Und wir werden bei dir sein«, fügte ich hinzu. »Du musst da nicht allein durch. Deine Schwester und deine Mutter werden bei dir stehen und deine Hand solange halten, bis du eingeschlafen bist. Und Louis und ich werden auch da sein. Versprochen.«
Und als just in diesem Augenblick die Tür aufschwang und Besagter den Raum betrat, wich all die Sorge aus Harrys Gesicht purer Freude - zumindest für einige Sekunden.
Er streckte seine dünnen Arme in die Richtung seines Freundes, der diese Einladung sich nicht zweimal geben ließ und sich direkt über das Bettende lehnte, um seine Finger mit Harrys zu verzweigen.
»Ich liebe dich«, sagte Harry unverfänglich - garantiert zum ersten Mal, da Louis' Kinnlade hinunter klappte.
»Und ich liebe dich. Bis zum Mond und zurück.«
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