Kapitel 30

„Holen wir deine Sachen gleich, dann können wir den Rest des Tages hier verbringen", sagte Adam, als er den letzten Löffel Müsli heruntergeschluckt hatte. Wir waren erst gegen Mittag aufgestanden, aber Hunger hatte ich nicht wirklich gehabt. Da Adam aber darauf bestanden hatte, dass ich was zu mir nahm, hatte er uns etwas Müsli hingestellt. Es war noch immer etwas befremdlich, dass sich nun jemand um mich kümmern wollte, aber es gefiel mir, dass Adam so aufmerksam war. Wenn ich ehrlich war, gefiel es mir sehr gut sogar.

Ich nickte. „Alles klar. Ich mache mich schnell fertig."

„Mach in Ruhe, wir haben keinen festen Zeitplan", sagte Adam liebevoll lächelnd.

Als wir schließlich in Adams SUV saßen, hingen wir beide größtenteils unseren Gedanken nach. Die Fahrt dauerte nicht allzu lange. Adam parkte das Auto und wir stiegen aus. In meiner Wohnung angekommen, lief ich schnurstracks ins Schlafzimmer und holte eine Reisetasche unter meinem Bett hervor. Adam setzte sich auf die Bettkante.

„Viele Farbtöne hast du aber auch nicht."

„Stimmt. Ich habe alles irgendwie in einem braun bis cremefarbenen Ton gehalten", sagte ich schmunzelnd. Adams Blick glitt durch mein Schlafzimmer, bis er an dem Bild auf dem Nachttisch hängen blieb, auf dem meine Eltern, November und ich zu sehen waren. Damals müssten wir um die 17 Jahre alt gewesen sein. Er blickte zu mir. „Darf ich?" Und deutete auf das Foto.

„Sicher."

Adam nahm den Bilderrahmen zur Hand und betrachtete es mehrere Minuten still. „Du und deine Schwester, ihr saht euch wirklich verdammt ähnlich."

„Ja das stimmt. Die meisten konnten uns nicht auseinanderhalten", erzählte ich, während ich ein paar Sachen aus meinem Kleiderschrank zog.

„Das bist du." Adam tippte auf das Bild. Ich ging von meinem Kleiderschrank mit ein paar Hosen im Arm zu ihm herüber und schaute auf das 17-jährige Mädchen. „Genau. Woher wusstest du es?", fragte ich verwundert.

„Deine Schwester ist hübsch gewesen, keine Frage, aber dich würde ich überall erkennen. Du bist für mich einfach schöner auf eine innere Art und Weise und das sieht man auch auf dem Foto hier."

Ich ließ mich neben ihm auf meinem Bett nieder. „Schöner?", fragte ich nur verwirrt. November sah auf dem Foto genauso aus wie ich, wie konnte ich da schöner sein?

„Ja." Adam schaute zu mir und unsere Blicke trafen sich. Er lächelte. „Es ist deine Ausstrahlung, April. Die ist ganz anders als die deiner Schwester. Auch auf diesem Foto. Hätte ich euch beide kennengelernt, wäre mein Blick an dir und nicht an ihr hängen geblieben."

Ungläubig schüttelte ich den Kopf. „Sie war immer die Beliebte. Sie war die Cheerleader Kapitänin und mit dem Footballstar zusammen. Ich mein, mich hat das nie gestört, weil ich es nicht wollte. Ich wollte nie so im Mittelpunkt stehen, aber sie hatte immer die Blicke aller auf sich gezogen."

Adam schmunzelte. „Tja meinen hätte sie nicht gehabt. Dafür bin ich zu sehr von dir angetan."

Ich schaute wieder auf das Foto. „Als ich 11 war, sind meine Großeltern gestorben. Sie waren für mich mehr meine Bezugspersonen gewesen als meine Eltern. Ich weiß bis heute nicht warum, aber ich hatte nie diese innige Bindung zu ihnen, wie November sie hatte. Als meine Großeltern gestorben waren, habe ich alles und jeden verflucht. Ich habe meine Haare geschnitten und dunkel gefärbt, mir Kontaktlinsen eingesetzt und mich komplett äußerlich verändert. Ich wollte einfach anders sein und etwas für mich haben. Das ganze habe ich zwei Jahre lang durchgezogen, bis ich mich damit abgefunden hatte, so auszusehen wie November. Aber der Tod meiner Großeltern hat mich damals unheimlich aus der Bahn geworfen. So sehr wie der Selbstmord meiner Eltern."

Adam stellte das Foto wieder auf das Tischchen neben dem Bett und zog mich in eine Umarmung. Er stützte sein Kinn auf meinem Kopf ab.

„Wie geht es dir damit, dass deine Eltern dein Freitod gewählt haben?", fragte er leise. Das war eine Sache, die ich an Adam so liebte. Er verstand mich durch und durch. Adam fragte mich einfach und wenn ich ihm nicht antworten konnte oder wollte, dann war das okay für ihn. Ich glaube, wenn ich ihn anlügen würde, würde es ihn mehr verletzten, als wenn ich sagen würde, dass ich nicht darüber reden wollte. Zumindest hatte er oft akzeptiert, dass ich nicht immer sofort mit ihm reden wollte. Aber die „Keine Fragen" – Regel existierte nicht mehr, immerhin kannte Adam mein dunkelstes Geheimnis, also konnte ich ihm seine Fragen beantworten.

Ich zuckte mit den Achseln. „Am Anfang habe ich mir die Schuld an ihrem Tod gegeben. Ich mein, wenn sie mir nicht die Schuld an Novembers Tod gegeben hätten, warum hätten sie mich dann allein zurücklassen sollen? Mit dem Wissen, dass ich niemanden habe. Ich brauchte einige Jahre um zu verstehen, dass meine Eltern sich vielleicht selbst Vorwürfe gemacht haben, oder sie haben mir doch die Schuld gegeben. Keine Ahnung. Ich war wütend, traurig und verwirrt. Ich glaube, das bin ich heute noch. Aber ich lebe seit sechs Jahren damit. Irgendwann wurde es... na ja normal, dass sie nicht mehr da waren."

„Es tut mir leid, April. Ich wünschte, wir hätten uns damals schon gekannt."

„Das hätte auch nicht viel gebracht. Damals wurde ich..." Ich stockte. Adam wartete einfach, während er mir über den Rücken strich. „Ich wurde damals für fast ein halbes Jahr in die Psychiatrie eingewiesen", flüsterte ich schließlich und kniff die Augen zusammen. Adam schob mich langsam von sich weg. Er wartete geduldig, bis ich die Augen wieder öffnete und sah mich mit so einem traurigen und doch liebevollem Blick an, dass mir unweigerlich Tränen in die Augen schossen. Er verstand.

„Meine Worte müssen echt verdammt wehgetan haben. Es tut mir leid. Damals, als ich dir den Ordner aus dem Schrank geholt habe, du hast dich an Matthew erinnert nicht an William, oder?", fragte er sanft. Ich nickte nur.

Er war nicht schockiert, dass ich fünf Monate in einer Psychiatrie verbracht habe, dass ich meine Eltern nie so sehr wie meine Großeltern an mich herangelassen habe, dass ich einen Menschen getötet hatte. Außerdem fragte er nicht, was in diesen Monaten in der Psychiatrie passiert war. Adam schien das ganze einfach hinzunehmen. Aber irgendwie glaubte ich ihm das nicht ganz.

„Adam?" Er schaute mir in die Augen. „Wie geht es dir damit? Also mit allem, was ich dir erzähle. Du sagst die ganze Zeit, dass du für mich da bist, aber das muss doch auch irgendwas mit dir machen und bitte sag jetzt nicht, dass es für dich okay ist oder sowas in der Art." Ich betrachtete sein Gesicht, um jede noch so kleine Gefühlsregung, die er vielleicht verstecken wollte, zu sehen. Aber Adam wäre nicht Adam, wenn er nicht offen und ehrlich sagen würde, was er dachte.

„Es ist nicht okay für mich. Ganz und gar nicht. Der Gedanke daran, dass du so viel Leid erlebt hast, macht mich fertig. Ich wünschte, dass ich dir all die Last und die schmerzhaften Erinnerungen abnehmen könnte. Ich fühle mich so machtlos deiner Vergangenheit gegenüber, aber ich will dafür sorgen, dass die Gegenwart uns keinen Strich durch die Rechnung macht." Robert, dachte ich verbittert. „Ich will und kann mir nicht vorstellen, wie die letzten Jahre für dich gewesen sein müssen, aber du sollst wissen, dass das jetzt und hier aufhört. Du hast mich und auch Pat, Mike, Hugh und Liam stehen dir zur Seite. Doreen findet dich klasse, Nick liebt dich und meine Eltern sind auch sehr von dir angetan. Ich hatte immer Menschen um mich, die mich aufgebaut haben, wenn es mal schlecht lief, aber das hattest du nicht und ich will einfach, dass du ganz viele Erinnerungen sammelst mit uns zusammen, damit du die Vergangenheit irgendwann ruhen lassen kannst. Und dazu zählt auch, Robert aus dem Weg zu räumen."

Ich lächelte und in meinen Augen sammelten sich abermals Tränen. „Ich bin so froh, dich gefunden zu haben", sagte ich leise, während mir die Tränen über die Wangen liefen.

„Genauso geht es mir auch, Rainbow", flüsterte Adam, während er mich an sich zog und fest umarmte. So saßen wir eine Weile stillschweigend auf meinem Bett, bis ich die Ruhe unterbrach.

„Warum eigentlich Rainbow?" Ich spürte, wie Adam anfing zu lächeln. Er löste sich von mir, schaute mich eine Weile stumm an und ließ sich nach hinten auf das Bett fallen. „Weißt du noch, was ich an Thanksgiving über dich gesagt habe?" Ich nickte.

„Du hast gesagt, dass ich nett bin", sagte ich gespielt schnippisch, grinste dann aber auf ihn herunter. Er erwiderte es.

„Ja, aber das meine ich nicht. Wo ist denn die Verbindung zwischen Rainbow und nett?", fragte Adam lachend. „Sag du's mir."

„Ich habe gesagt, dass man deine verletzliche Seite so selten sieht. Du warst die ganze Zeit über die starke Frau, die sich gegen einen betrunkenen Mann wehren kann, über den Tratsch von Kollegen steht und ihre Arbeit so gut wie perfekt verrichtet."

„So viele Komplimente", sagte ich gespielt erstaunt. „Früher hast du dich davor gedrückt auch nur ein gutes Wort über mich zu verlieren."

„Weil ich früher einfach nicht zeigen wollte, wie sehr du mich beeindruckst. Ich wollte nicht, dass du zu einem Menschen wirst, der die Macht hat, mich zu verletzten, weil ich dich zu nah an mich heranlasse. Na ja darin bin ich glücklicherweise kläglich gescheitert." Ich lachte leise und ließ mich neben Adam rückwärts auf das Bett fallen.

„Jedenfalls, hinter dieser starken Fassade stecken auch andere Seiten von dir und die schimmern hin und wieder durch. Mittlerweile stärker und öfter als früher. Du hast gelächelt, aber deine Augen haben selten Glück ausgestrahlt. Du hast gelacht, aber es wirkte nicht wirklich sorgenfrei. Jede Seite von dir hat ihre eigene Farbe und zusammen ergeben sie einen Regenbogen. Einen Regenbogen kann man nicht immer sehen, aber er ist im Grunde immer da. Die Sonne muss nur durch die Wolkendecke brechen und das Licht muss nur im richtigen Moment auf das Wasser treffen. Deine andere Seite kommt auch nur in Momenten, wo alles zusammenpasst, zum Vorschein. Du hast so viele Seiten an dir, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber nur zusammen ergeben sie ein vollständiges Bild. Den Regenbogen sehen nicht alle Menschen. Nur die, die im richtigen Moment zum Himmel sehen. Dich sehen auch nur wenige Menschen, weil du es so willst, aber ich sehe dich." Adam drehte sich auf die Seite zu mir und sah mich an, den Ellenbogen aufgestützt, das Kinn in der Handfläche. „Ich sehe meinen Regenbogen. Und ich bin froh, ihn entdeckt zu haben."

Die ganze Zeit über hatte ich an die Decke geschaut und Adam schweigend zugehört. Schließlich drehte ich meinen Kopf nach links und sah Adam an. „Diese Gedanken hast du dir gemacht, um einen Kosenamen für mich zu finden?", flüsterte ich mit erstickter Stimme.

„Naja ich habe ihn auch erst auf der Benefizgala gefunden."

„Die Benefizgala?"

„Das Lied, was sie gespielt haben, als wir getanzt haben." Ich runzelte die Stirn und versuchte mich zu erinnern. Es war eine Band gewesen, die ein recht langsames Lied gesungen hatten. Dann riss ich die Augen auf. „True Colors", sagte ich. Adam nickte.

„Es ist, als wäre dieser Song perfekt für dich, für uns. Du mit deinen traurigen Augen lass dich nicht entmutigen. Selbst, wenn es schwer wird. Selbst, wenn du dir unglaublich klein in dieser Welt vorkommst. Doch ich sehe deine wahren Farben durchschimmern und deshalb liebe ich dich. Also hab keine Angst, sie zu zeigen. Denn wahre Farben sind so schön wie ein Regenbogen." Adam fasste den Text des Liedes perfekt zusammen und mir wurde bewusst, dass es perfekt für mich – für uns war.

„Und in diesem Moment wusste ich, dass du mein Regenbogen bist. Ich habe mich in dein wahres Ich verliebt. In die Frau, die gedankenverloren aus dem Fenster sieht, die andere Menschen beschützt, auch wenn sie selber verletzt wird. In die Frau, die mich immer wieder zum Lachen bringt und bei der ich mich vollkommen wohlfühle. Für all die Gedanken hatte ich kein Wort, dass dich beschreiben könnte, bis ich dieses Lied gehört habe."

„Adam." Meine Stimme war nur ein Hauch. Er lächelte mich einfach nur an. Ich drehte mich zu ihm und kuschelte mich an seinen warmen Körper. Ohne zu zögern, legte er seine Arme um mich und so lagen wir eine Zeit lang nur da und genossen die Anwesenheit des anderen.

Mit diesem Geständnis hatte Adam mich vollkommen überwältigt. Seine Erklärung war so durchdacht, dass es schon fast irritierend war, wie gut dieses Lied passte. Zu mir, zu Adam. Zu unserer ganzen Situation. Menschen freuten sich darüber, einen Regenbogen zu sehen. Und ich würde alles daransetzten, dass Adam immer glücklich sein würde, dass ich bei ihm war. Ich wollte sein Regenbogen sein und ein Lächeln auf seine Lippen zaubern. Das versprach ich mir. So wie ich ihn zu Beginn meiner Arbeitszeit zum Lachen bringen wollte, wollte ich ihm nun, das schenken, was er in mir sah. Einen Grund glücklich zu sein.

Als ich alle meine Sachen schließlich zusammengepackt hatte, nahm Adam mir die Tasche ab und wir verließen meine Wohnung. Ich drehte mich zu Adam. „Wartest du kurz? Ich will nur kurz bei Mister Smith vorbeischauen." Adam nickte. Ich klopfte an die Tür und wartete. Es dauerte eine Weile, bis Mister Smith die Tür öffnete.

„Oh April meine Liebe, was kann ich für Sie tun?" Mister Smith trug wie immer eine dunkle etwas zu große Stoffhose und ein zerknittertes Hemd. Sein Blick fiel auf Adam, dann auf die Reisetasche, die er der Hand hielt. Danach schaute er wieder zu mir.

„Ich werde für eine Zeit zu Adam ziehen. Es ist... na ja nicht mehr ganz so sicher, wenn ich allein wohne."

„Ist etwas passiert?", fragte Mister Smith besorgt. Ich schüttelte lächelnd den Kopf. „Es ist eher nur zur Vorsicht, damit nichts passiert, aber ich weiß nicht, wann ich zurückkommen werde." Mister Smith nickte. Dann wendete er sich an Adam.

„Passen Sie gut auf sie auf. So eine einzigartige Frau trifft man nur einmal im Leben. Außerdem bin ich zu alt, um auf sie Acht zu geben."

„Ich verspreche, auf sie aufzupassen", sagte Adam und erwiderte Mister Smiths Blick ernst. Er trat neben mich und legte einen Arm um meine Taille, um mich ein Stück zu ihm zu ziehen.

„Gut. Gut", antwortete Mister Smith wahrscheinlich eher sich selbst, als uns.

„April, mein Kind, ich habe auch noch eine Neuigkeit."

„Was denn für eine?", fragte ich neugierig.

„Ich werde zu meinen Enkelkindern nach Sacramento ziehen. Der Umzug ist schon nächste Woche." Ich riss die Augen auf. Das freute mich. Mister Smith konnte bei seiner Familie leben. Warum er das bis jetzt noch nicht getan hatte, war mir eh immer ein Rätsel gewesen. Aber dennoch würde ich den alten Mann vermissen. Wir hatten nicht sehr viel Zeit miteinander verbracht, aber die paar Stunden, die wir uns unterhalten haben, waren sehr schön gewesen. Irgendwie hatte mich mein Nachbar immer an meinen Großvater erinnert. Vielleicht wurde ich deswegen ein wenig rührselig.

„Das heißt wir werden uns so schnell nicht mehr wiedersehen", sagte ich, löste mich von Adam und umarmte den alten Mann vor mir. Mister Smith erwiderte meine Umarmung. „Das stimmt wohl, aber es gibt ja jetzt jemanden, der auf Sie Acht geben wird. Also kann ich beruhigt die Stadt verlassen."

Wir redeten noch ein paar Minuten miteinander im Flur. Ich hatte gemerkt, dass Mister Smith aber langsam nicht mehr stehen konnte, weswegen ich mich von ihm mit einer weiteren Umarmung verabschiedet hatte. Adam hatte ihm die Hand geschüttelt und versichert, dass ich in guten Händen war. Daraufhin hatte Mister Smith mir noch einmal zugezwinkert und leise „Natürlich, nur der Chef" geflüstert. Ja, Adam war mittlerweile mehr für mich, als nur mein Chef. Doch ehrlich gesagt, störte mich das nicht wirklich. Er wollte mich, ich wollte ihn. Punkt.

Ich fühlte mich auf der einen Seite traurig, dass ich den älteren Mann wahrscheinlich nie wiedersehen würde oder zumindest nicht so schnell, aber die Freude, dass er nun ein Leben mit den Menschen verbringen konnte, die er liebte, überwog die Traurigkeit. Ich wünschte Mister Smith für seine restlichen Lebensjahre eine schöne Zeit mit seiner Familie und verließ mit Adam das Haus.

In Adams Wohnung angekommen, ging ich zu dem Gästezimmer.

„Was machst du?", fragte Adam verwirrt.

„Na ja, ich würde gern meine Sachen aufhängen." Adam nickte und kam zu mir, aber anstatt rein zu gehen, schloss er die Tür zum Gästezimmer wieder und nahm meine Hand. Wir gingen in sein Schafzimmer und dann weiter in seinen begehbaren Kleiderschrank. Staunend schaute ich mich um.

„Der ist ja noch nicht mal bis zur Hälfte voll. So viele Sachen kann man gar nicht haben."

„Gut, dass jetzt zwei Personen hier wohnen, da wird er gleich etwas voller", antwortete Adam schmunzelnd. Ich stellte mich auf meine Zehenspitzen und gab ihm einen Schmatzer auf seine Wange. „Danke", hauchte ich noch. Dann nahm ich meine Tasche, die Adam neben sich hingestellt hatte und fing an meine Sachen auszuräumen. Adam ließ mich allein.

Nachdem ich alles ordentlich verstaut hatte, stieß ich die Luft aus. Es war surreal, dass ich meine Kleidung bei meinem Boss in den Kleiderschrank einsortiert hatte und dieser auch gleichzeitig mein Freund war. Auf der einen Seite fühlte es sich merkwürdig an. Auf der anderen war es ein unglaublich gutes Gefühl.

Ich kam aus dem Schlafzimmer und sah, dass die Tür zum Arbeitszimmer nur angelehnt war. Ich trat in den Türrahmen und schaute zu Adam, der mit einem Glas in der Hand aus dem Fenster schaute. Er wirkte nachdenklich.

„Alles okay?", fragte ich und tappte zu ihm herüber. Er drehte sich zu mir und breitete seine Arme aus. Ohne zu zögern, schmiegte ich mich an ihn und er hielt mich fest, das Kinn auf meinen Kopf gestützt.

„Hugh kommt morgen Mittag vorbei. Er hat das Video bis dahin", sagte er.

„Musst du dir das ansehen?", fragte ich mit belegter Stimme. Ich fand diese Idee immer noch schrecklich.

Als Antwort zog Adam mich näher zu sich. „Ich fürchte ja. Glaub mir, ich will es eigentlich gar nicht sehen, aber ich weiß, dass ich es muss." Adam war zwar stark, aber ich hatte Angst, dass es etwas in ihm verändern könnte.

„Lass es, wenn du nicht willst." Er schüttelte aber nur den Kopf.

„Nein, ich muss es sehen."

Ich grummelte nur an seiner Brust und er drückte mir einen Kuss auf den Scheitel. Die Zeit mit ihm war heute unglaublich schön gewesen. Auch wenn Robert und Matthew immer wieder Thema waren, schienen die beiden doch so fern und nun holte uns das alles wieder ein.

Den Rest des Tages verbrachten wir mit Filme gucken, essen oder uns gegenseitig beim Flipper zu überbieten. Wir konnten wenigstens noch einmal abschalten, bevor morgen der Terror wieder losgehen würde.

Am Abend im Bett kuschelte ich mich wieder eng an Adam, der mich an sich zog, als hätte er Angst, dass ich sonst verschwinden könnte. Ich hatte vor dem nächsten Tag wirklich Angst. Ich konnte nur hoffen, dass Adam mich danach nicht doch noch mit anderen Augen sehen würde.

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