Kapitel 19
Nachdem wir kurz mit den anderen gesprochen hatten, führte Patrick mich nach oben in ein großes Zimmer, welches in dunklen Blautönen gehalten wurde. Schwere dunkelblaue Vorhänge umrahmten das große Fenster. Auf dem weiten Bett, welches am anderen Ende des Raumes an der Wand stand, waren weiße und verschiedene blaue Kissen arrangiert worden. Selbst der Teppich hatte einen gewissen blauen Stich. Dennoch wirkte es stimmig und nicht zu viel des Guten. Ein schönes Gästezimmer, denn da hier nirgends persönliche Sachen, wie Fotos oder Kleidungsstücke zu sehen waren, ging ich davon aus, dass Patrick mich in ein Gästezimmer gebracht hatte. Ich stellte meine Tasche ab und baute den Laptop auf, den Doreen mir geliehen hatte.
Hugh kam kurz danach in den Raum, setzte sich an den Schreibtisch und begann die Verträge durchzusehen. Adam schien ihn schon eingewiesen zu haben, da er ohne ein Wort, oder ohne mich auch nur zu beachten, an mir vorbeigegangen war. Dass Hugh nicht der offenste Mensch war, hatte ich am Tisch schon gesehen, aber ich wusste nicht, ob ich ihm seine Ignoranz oder Nichtachtung mir gegenüber böse nehmen sollte oder nicht. Ich schaute zu Patrick, der sich auf das Bett gesetzt hatte und einen anderen Teil des Vertrages überflog. Nach einer Weile fragte Hugh: „Wo habt ihr die Ausweichsumme stehen, wenn es zu Verzögerungen kommen sollte?" Er blickte weiter auf den Vertrag und blättere ihn durch.
„Seite 24", antwortete ich, während ich darauf wartete, dass der Laptop endlich hochfuhr. Hugh blätterte weiter und schaute dann auf. Ich spürte seinen Blick auf mir. Ohne wieder auf die Papiere zu schauen, fragte er: „Und bei Vertragsbruch?"
„Die Konsequenzen stehen auf Seite 33 bis 36 und die Summen kalkuliert und tabellarisch dargestellt sind im Anhang 3 zu finden." Ich drückte Enter.
„Laptop ist startklar." Adam kam genau in diesem Moment in den Raum. „Und stimmt alles?"
„Ja sieht so aus", sagte Patrick.
„Ja die Verträge stimmen überein", antwortete Hugh und musterte mich weiter. Adam fiel der Blick auf und er runzelte die Stirn, bevor er Hughs Platz einnahm und er die Videokonferenz begann.
„Mister Black es freut mich sehr", begrüßte Mister Carter meinen Boss. „Es freut mich auch", antwortete Adam, ganz im Geschäftsmodus. „Ihre Assistentin ist wirklich tüchtig."
„In der Tat. Wir haben die Verträge geprüft", wechselte Adam sofort das Thema und lies jeglichen Small Talk beiseite. Vielleicht aus Zeitgründen oder weil er nicht schon wieder über mich reden wollte. Ich konnte es nicht sagen. „Und?", fragte Mister Carter. Er schien sehr hoffnungsvoll.
„Ich werde unterzeichnen. Sie haben in zehn Minuten die gefaxten Verträge mit meiner Unterschrift." Mister Carter schloss die Augen und atmete hörbar aus. „Vielen Dank Mister Black. Das bedeutet mir viel. Ich war sehr verwirrt, als Robert Olsen mich vorhin anrief und mir ein Angebot unterbreitete."
„Hat er gesagt, woher das plötzliche Interesse kam?", fragte ich und stellte mich hinter Adam. Normalerweise tat ich das nie, aber in diesem Fall interessierte es mich doch und ich konnte meine Neugierde und mein schlechtes Gefühl nicht ignorieren.
„Er sagte etwas im Sinne von 'für alte Bekannte'", antwortete Carter und schüttelte darauf den Kopf, weil er nicht verstand, was Robert Olsen damit gemeint haben könnte. Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Wusste er, wo ich war? Wusste er, dass ich bei Blacktronic arbeitete und wollte er mich jetzt, oder schlimmer noch Adam fertigmachen? Ich schluckte schwer und spürte wieder Hughs Blick auf mir. Er hatte meine Reaktion gesehen. Verdammt!
Ich bekam nicht mehr mit, was die beiden Geschäftsführer noch besprachen, sondern konzentrierte mich auf meine Atmung. „Kauf erfolgreich abgeschlossen." Patricks Worte holten mich wieder zurück in die Gegenwart.
Adam spürte, dass etwas nicht stimmte, sagte aber nichts. Seinen Blick konnte ich nun auch auf mir spüren. Er war prüfend, aber nicht so einschüchternd wie Hughs Blick. Ich baute den Laptop wieder ab. Diese ganzen Blicke heute, das machte mich wahnsinnig!
„Manchmal lohnt es sich also, sein Ladekabel zu vergessen." Ich versuchte das unangenehme Gefühl abzuschütteln. „Manchmal schon", entgegnete Patrick nickend. Er und Hugh verließen den Raum. Als ich ihnen folgen wollte, griff Adam sanft nach meiner Hand und zog mich zu sich zurück, meinen Rücken an seine Brust.
„Was hast du?" Adams Atem streifte mein Ohr und sofort breitete sich Gänsehaut auf meinem Körper auf. „Es geht schon wieder." Ich brauchte nicht zu leugnen, dass etwas nicht stimmte, also musste ich versuchen ihn zu beschwichtigen.
„Was immer ist, du kannst mit mir über alles reden. Was ich vorhin unten vergessen habe zu erwähnen ist, dass du mir nicht nur ähnlich bist in der Hinsicht, dass du verschlossen bist, sondern auch, dass du niemandem einfach so vertraust. Nicht auf persönlicher Ebene. Aber du sollst wissen, dass ich dir vertraue. Beruflich und privat." Er strich sanft mit den Fingerspitzen über meinen rechten Arm, nahm mir den Laptop aus der Hand und verließ das Zimmer. Ich blieb allein und regungslos zurück. Mein Körper hatte instinktiv auf Adam reagiert und sich geweigert auch nur einen Millimeter von ihm zu weichen. Dass er jetzt wiederum gegangen war, schien meinem Körper auch nicht gefallen zu haben, denn ich fühlte mich plötzlich ziemlich leer. Adam kam mir in letzter Zeit sehr oft nahe. Seine Nähe brachte mich dann immer vollkommen aus dem Konzept. Ich wollte mich an ihn lehnen, aber die Tatsache, dass er mein Boss war und dass er Fragen stellen würde, hielten mich davon ab. Als ich mich schließlich gefasst hatte, ging ich nach unten.
„Die Störung tut mir wirklich leid", sagte ich, während ich das Esszimmer wieder betrat. Mittlerweile saßen alle wieder am Tisch. „Ich verabschiede mich und Sie können Ihr Essen genießen."
„Liebes, Sie bleiben natürlich. Sie sind heute allein, meinte Patrick, also essen Sie mit uns", sagte Mrs. Black.
„Mrs. Black das ist wirklich nett, aber..."
„Na na na. Für Sie bin ich Effi und das ist mein Mann Charles. Und heute Abend sind Sie nicht Assistentin bei Blacktronic, sondern eine Freundin der Familie" Sie nahm meine Hand und ich setzte mich auf den freien Stuhl zwischen Doreen und Effi.
Und eines musste ich einräumen. Es war eine gute Entscheidung gewesen, zu bleiben. Der Abend verlief angenehm und mit viel Gelächter. Es wurden viele Geschichten erzählt, aber niemand fragte nach meinen Eltern. Einmal kam ich auf meine Mom zu sprechen, weil sie etwas ganz anders als Effi gekocht hatte, aber keiner fragte weiter nach. Sie schienen entweder zu wissen, dass sie tot waren, oder dachten sich, da ich an Thanksgiving nicht bei ihnen war, dass ich kein gutes Verhältnis zu ihnen hatte. Mike erzählte viele Anekdoten aus der Studienzeit der fünf und Liam redete oft von seiner Frau, die als Krankenschwester arbeitete und heute leider Dienst hatte.
Ich spürte Adams Blick, aber auch die Blicke seiner Freunde immer wieder auf mir. Vor allem Hugh musterte mich ununterbrochen, als wollte er verstehen, wer ich war und irgendein Mysterium lösen. Er redete sehr wenig, lachte kein einziges Mal, aber das musste er auch nicht. Er hatte, wann immer andere Lachen, ein Glänzen in den Augen. Das war wohl seine Art, den anderen zu zeigen, dass ihm gefiel, was er gehört hatte. Ja, auch ich konnte beobachten. Dennoch missfiel mir, dass ich heute so oft so durchdringen angestarrt wurde. Jetzt konnte ich nachempfinden, wie sich so ein Pinguin im Zoo fühlen musste. Keine tolle Erfahrung.
Es war schon recht spät, als ich in der Küche stand und Effi beim Abtrocknen half. Sie stellte gerade den letzten Teller in den Schrank, als ich sagte: „Es war ein wunderbarer Abend Effi. Ihre Familie ist großartig."
„Das ist sie in der Tat", antwortete sie liebevoll lächelnd. „Aber ich glaube, ich werde mich für heute verabschieden. Ich werde mir ein Taxi rufen."
„Nichts da", unterbrach mich Effi mich sogleich. „Adam wird Sie nach Hause fahren. Doreen und Nick schlafen hier, aber Adam fährt zu sich. Da kann er Sie gleich mitnehmen."
„Das mache ich", sagte Adam, der in die Küche kam und ein paar Servietten auf die Arbeitsplatte legte. „Ähm..."
„April, beuge dich der Entscheidung meiner Mutter. Du kannst schon schlimm sein, wenn du etwas durchsetzen willst, aber sie ist da noch tausendmal schlimmer", sagte Adam schmunzelnd. „Okay", brachte ich leise, den Kopf eingezogen, hervor.
„Ich weiß nicht, ob das jetzt ein Kompliment war, oder nicht", murmelte Effi. Adam verließ zufrieden die Küche und ging zu den anderen ins Wohnzimmer.
„Vielen Dank, dass Sie sich so gut um meinen Sohn gekümmert haben und kümmern. Vor allem, dass Sie so hinter ihm stehen", sagte Effi, die sich mir jetzt komplett zugewandt hatte.
„Ah das ist doch nicht der Rede wert."
„Oh doch Liebes, das ist es. Nicht jeder wäre an das Telefon gegangen, dass im Büro seines Chefs geklingelt hat und nicht jeder wäre quer durch San Francisco gefahren, um ihm einen Deal zu sichern."
Ich nickte nur und sie lächelte mich weiterhin liebevoll an. Ich mochte diese Frau. Und scheinbar mochte sie auch mich. Das beruhigte mich merkwürdigerweise. Während Charles einfach nur höflich und nett war, strahlte Effi so viel Liebe aus, dass es mich am Anfang verwundert hatte. Aber ich verstand, dass sie einfach so ein Mensch war. Das erklärte auch, warum sie mir Adam einfach so überlassen hatte, als ich ihr am Telefon gesagt hatte, dass es ihm nicht gut ginge.
Kurze Zeit später verabschiedeten wir uns von den anderen. Patrick, Liam, Mike und Hugh fuhren ebenfalls alle nach Hause. Effi und Charles hatten mir gesagt, dass ich jederzeit wieder in ihrem Haus willkommen sei. Ich sollte einfach vorbeikommen.
Später im Auto fragte Adam mich: „Ich wollte vor den anderen nicht fragen, aber woher wusstest du, wo meine Eltern wohnen?"
„Timothy", antwortete ich kurz angebunden.
Adam stöhnte. „Gibt es auch was, dass der Junge nicht herausfindet? Wie?", fragte Adam.
„Er hat dein Handy geortet."
„Er hat was?" Adams Stimme war laut und hallte durch das Auto, als er zu mir herüberstarrte.
„Ich sagte, er muss mir helfen und, dass ich nur drei Stunden Zeit habe. Es tut mir leid, wenn ich da eine Grenze... nein, dass ich eine Grenze damit überschritten habe."
Adam schüttelte nur den Kopf. Er lenkte den Wagen einige Zeit stillschweigend durch den Verkehr.
„Es ist nicht schlimm April. Letzten Endes weiß ich doch, dass er es für die Firma getan hat und nicht aus persönlichem Interesse. Außerdem hätte ich auch einfach ans Handy gehen können, aber das hatte ja Nick."
„Das hättest du", stimmte ich lächelnd zu. Ich war jedoch froh, dass er mir die Aktion nicht übelnahm, denn ich hätte es voll und ganz verstanden. Adam schien doch sehr verständlich Menschen gegenüber zu sein, denen er vertraute. Er hatte mir gesagt, dass er mir vertraut. Beruflich und privat. Und ich war froh, dass er das tat. Andererseits, bedeutete dies, dass ich ihm auch mein Vertrauen für beide Bereiche schenken müsste? Beruflich war kein Thema, aber die private Seite war da schon eher das Problem.
„Es war ein schöner Abend", sagte er, als wir in meine Straße einbogen. „Ja, das war er wirklich. Besser als allein zu Hause zu sitzen."
„Warum hast du gesagt, dass du mit deinem Nachbarn feierst?"
Ich zuckte mit den Achseln. „Ich dachte, dass du mich nicht dabeihaben willst und da Patrick da war, wollte ich nicht, dass er auf dir rumhackt. Zumindest nicht deswegen." Adam parkte den Wagen vor der Eingangstür. Dann griff er nach meiner Hand. „Ich hatte nie etwas dagegen. Ich wollte mich nur nicht aufdrängen, nach... na ja unserer Konfrontation."
„Ich war ja letztlich doch dabei", sagte ich und griff nach der Türklinke. Adam verstärkte seinen Griff um meine Hand und ich blickte zu ihm auf. Er sah mir direkt in die Augen. Sie schimmerten hell und warm. „Vertrau mir", bat er flüsternd.
„Ich versuche es", entgegnete ich leise und senkte den Blick. Und ich versuchte es wirklich. Die Vorstellung Adam einen Freund, einen sehr guten Freund nennen zu können, erwärmte mein Herz. Der Gedanke, er könne noch viel mehr sein, ließ meinen Körper erzittern. Aber ich hatte Angst und diese Angst lähmte mich.
Adam hob meinen Kopf mit seinem Finger unter meinem Kinn wieder an. Dann legte er seine Hände um mein Gesicht und beugte sich nach vorne. Seine Lippen berührten ganz sachte meine Stirn. Von ganz allein fielen mir die Augen zu, während ich die liebevolle Geste genoss. Seine Lippen waren weich und warm. So, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Ich öffnete die Augen, als er sich wieder zurückzog. Adam hatte die Augen geschlossen. Mein ganzer Körper kribbelte wieder und mir wurde unglaublich warm. Ich hatte seine Lippen auf meiner Haut genossen und wenn ich ehrlich war, wollte ich sie nochmal spüren. Adam öffnete die Augen und lächelte mich liebevoll an. In seinen Augen lag ein noch stärkeres Glänzen. „Ich kann warten."
Ich atmete zitternd die Luft ein und Adams Lächeln wurde verschmitzt und wissend. Dann ließ er die Arme sinken und gab mein Gesicht frei. Er hatte meine Reaktion auf ihn bemerkt. Voll und ganz und sie schien ihm zu gefallen.
„Bis Montag", sagte ich den Kopf gesenkt und stieg hastig aus den Wagen.
Mein Herz hatte sich auch eine Stunde später nicht wieder beruhigt, als ich in meinem Bett lag und die Zimmerdecke anstarrte. Das Einzige, was ich vor meinen Augen hatte, war das Bild, wie Adam mich in den Armen hielt und auf die Stirn küsste. Irgendwann wurden meine Lider schwer und mit genau diesem Bild und mit einem Lächeln auf den Lippen, schlief ich ein.
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