Kapitel 18
Das zweistöckige Haus der Blacks war komplett weiß angestrichen und besaß schwarze Dachziegel. Die Pfeiler der Veranda waren mit Schnitzereien verziert und auf der Veranda selbst stand eine Hollywoodschaukel mit beigen Polstern. Der Weg zum Haus war mit roten kleinen Pflastersteinen besetzt. Hin und wieder waren auch ein paar schwarze dazwischen eingearbeitet worden. Der Rasen vor dem Haus war ordentlich gemäht und rechts neben dem Haus stand eine riesige Trauerweide.
Staunend, weil ich mir das Elternhaus eines reichen Geschäftsführers größer und nicht so einladend vorgestellt hatte, ging ich den Weg entlang. Ich hatte mit einer Villa gerechnet oder einem prunkvollen Haus, aber das hier schien sehr familiär zu sein. Es war groß, keine Frage, aber dafür, dass hier die Eltern eines Millionärs lebten, wirkte es recht normal und das gefiel mir. Sehr sogar. Es wecke den Anschein, dass Adams Eltern nicht so abgehoben waren, wie 95 % der High Society.
Links vom Haus war eine Garage und ich sah einige Autos dort stehen. Auch Adams schwarzen SUV konnte ich ausmachen. Also war er wirklich hier. Ich schritt gerade die Stufen zur Veranda hoch, als die Tür aufgerissen wurde. Verdutzt blieb ich auf der Treppe stehen und blickte in die freudig strahlenden Augen von Doreen, die in der Tür stand. „Adam sagte, du kommst nicht."
„Ähm ja das war der Plan", entgegnete ich wenig einfallsreich und ging die letzten Schritte zur Tür. Doreen kam auf mich zu und umarmte mich. Sie trug ein rotes Kleid, dass ihr bis zu den Knien ging und locker um ihre Beine fiel. Darunter trug sie eine blickdichte schwarze Strumpfhose und rote Ballerinas. Mit ihr verglichen, war ich mehr als unpassend gekleidet, aber ich wollte heute eigentlich auch nicht bei Adams Familie vorbeischauen, sondern gemütlich zu Hause auf dem Sofa sitzen.
„Ehrlich gesagt gibt es ein Problem bei Blacktronic. Darum bin ich hier."
„Ohje. Etwas Ernstes?" Ich wog den Kopf hin und her. „Naja mal sehen."
„Komm rein, komm rein. Dann lernst du gleich alle kennen."
„Warte was? Wer ist alle?" Hatte Adam viel Verwandtschaft, denen ich mich jetzt stellen müsste? Das würde bedeuten viele neue Menschen, viel Blickkontakt und unheimlich nervige Vorstellungsrunden.
Doreen holte mich aus meinen Grübeleien. „Naja unsere Eltern, drei Freunde von Adam und Patrick sind da. Wir haben sonst keine große Verwandtschaft in der Nähe und Adams Freunde Liam, Mike und Hugh sind wie Brüder für mich."
„Also wirst du nicht von zwei, sondern fünf Männern bewacht", stellte ich schmunzelnd fest.
„In der Tat." Doreen rümpfte die Nase, als würde ihr das nicht gefallen, aber ich sah ihr an, dass genau das Gegenteil der Fall war.
Wir gingen durch einen Flur, an dem überall Fotos hingen, aber ich hatte nicht die Zeit mir alle anzusehen. Dann gingen wir an einer Treppe vorbei und traten in das Esszimmer. Ein großer dunkler, festlich geschmückter Tisch stand in der Mitte und reichte bis hin zum Erker. An dem Tisch saßen sechs Männer und unterhielten sich angeregt. Adam saß mit dem Rücken zu mir. Ihn hatte ich als erstes bemerkt, als ich in den Raum betreten hatte. Patrick saß ihm genau gegenüber. Die drei Freunde, von denen Doreen gesprochen hatte, saßen einer links von Adam und zwei neben Patrick.
Ein älterer Mann, dessen Haar schon größtenteils ergraut war, saß am Ende des langen Tischs. Das war eindeutig Doreens und Adams Vater. Seine blondgrauen Haare waren etwas länger. Er hatte dunkle Augen. Seine Nase war gerade und er hatte einen ausgeprägten Kiefer. Dies hatte Adam eindeutig von ihm geerbt.
Patrick hob den Blick und sah mich überrascht an. Er öffnete den Mund, aber Doreen schüttelte heftig den Kopf und legte ihren Zeigefinger auf ihre Lippen. Was wurde nun wieder gespielt? Mit einem teuflischen Grinsen schaute Patrick wieder zu Adam. Die beiden Männer neben Patrick hatten das Szenario auch gemerkt und versuchten ihr Grinsen zu unterdrücken.
„Also keine gute Idee bei denen Aktien zu kaufen", schloss der Mann neben Adam die Diskussion. Er hatte dunkelbraune dichte Haare und war sehr muskulös. Adam hatte schon breite Schultern, aber der Mann übertrumpfte Adam dennoch.
„Ja so ist die Arbeitswelt. Aber immerhin gibt es hübsche Angestellte, die einem den Tag versüßen", entgegnete Patrick. Na, da hat er ja echt galant das Thema gewechselt, dachte ich sarkastisch. Ich verdrehte die Augen. „Schon wieder?", fragte der Braunhaarige. „Hugh, man kann nicht oft genug über April reden", entgegnete Patrick kopfschüttelnd.
„Es kommt darauf an, wie die hübsche Frau denn aussieht. Ich bevorzuge ja..." Der Mann neben Patrick, welcher angefangen hatte zu sprechen, musterte mich „... eine schlanke Figur, aber auf keinen Fall dürr. Sie sollte Kurven haben. Dann schöne lange braune Haare und grüne oder blaue Augen." Adam richtete sich gerade auf und schien sich zu verspannen.
„Dann ist April dein Typ, Mike." Dieser grinste. Mike schien kleiner zu sein, als die anderen. Er war schlank, hatte dunkelblondes, langes Haar, das er im Nacken zu einem Zopf gebunden hatte und ein makelloses Gesicht. Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten, als er mich amüsiert ansah, aber immer darauf bedacht, sich vor Adam nichts anmerken zu lassen.
„Ich hätte auch nichts dagegen einzuwenden, wenn ich nicht schon mit der schönsten Frau verheiratet wäre", sagte der dritte Mann, wahrscheinlich Liam. Liam schien etwas korpulenter gebaut zu sein und hatte braune Augen und braune Haare. Er trug eine schwarze Brille, die er regelmäßig hochschob. Die Männer schienen alle ungefähr im gleichen Alter zu sein. Mein Blick ging zu Charles, der mich jetzt auch bemerkt hatte, aber Doreen schien ihm auch ein Zeichen gegeben zu haben, still zu sein.
„Wie kommt es, dass ihr andauernd davon redet, wie toll April ist?", hakte Adam genervt nach. Ich fragte mich, ob ich das als Seitenhieb gegen mich verstehen sollte und runzelte die Stirn „Weil sie toll ist, oder bist du da etwa anderer Meinung?", fragte Patrick.
„Sie ist..." Adam brach ab. Alle schauten ihn an und er schien zu überlegen. „...nett.", beendete er den Satz. Ich schloss die Augen und ließ den Kopf nach vorne kippen. Alle Männer, außer Hugh fielen in schallendes Gelächter. Als ich die Augen öffnete, merkte ich, dass Doreen weg war. Sie erzählte wohl gerade ihrer Mutter von dieser Szene hier. „Mehr fällt dir nicht ein?", fragte Liam kopfschüttelnd. „Was wollt ihr denn? Eine Liebesbekundung?"
„Hey nein, das hebst du dir bitte auf, wenn du ihr ins Gesicht siehst", lachte Mike und hob abwehrend die Hände. „Sie ist jetzt seit zwei Monaten dabei. Sie macht sich gut. Reicht das?"
„Nein", erwiderten Adams Vater, Mike, Liam und Patrick im Chor. Hugh, der neben Adam saß und mich auch noch nicht bemerkt hatte, schien seine Gefühle nicht so offen zur Schau zu stellen, wie die restlichen Männer am Tisch. Ich wusste, dass Adam schon sehr zurückhaltend Fremden gegenüber war, aber Hugh schien noch nicht mal im Beisein seiner Freunde sehr ausgelassen lachen zu können. Dennoch gefiel mir, wie die Männer miteinander umgingen und wie es aussah, war ich nicht die einzige, die es liebte, Adam hin und wieder ein wenig zu ärgern.
„Ich meine, wenn sie so toll aussieht, dann denkt man doch bestimmt täglich an heiße Stunden im Büro, oder nicht?", fragte Mike.
„Hey sag sowas lieber nicht. Mir hat er Schläge angedroht, wenn ich sie anfassen sollte", sagte Patrick und trank ein Schluck von seinem Bier.
„April ist so vieles", murmelte Adam irgendwann. Ich stutzte und auch die Männer im Raum schienen überrascht. Es wurde auf einmal sehr still. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie eine ältere Dame mir dunklen langen Haaren, hohen Wangenknochen und strahlend hellen Augen neben Doreen stand. Effi Black. Sie lächelte mich freundlich an, richtete ihren Blick dann auf Adam, als dieser weitersprach.
„April sieht so wenig in sich selbst. Sie weiß, dass sie ihre Arbeit gut macht, aber ich glaube, sie kennt ihren Wert als Mensch, als Person nicht. Sie schafft es sofort, alle in ihren Bann zu ziehen. Nicht mal Colleen und Anna trauen sich, sie richtig anzugehen, weil sie wissen, dass April sich wehren kann und unheimlich stark ist. Aber manchmal wirkt sie so verletzlich. In Momenten, in denen sie aus dem Fenster sieht und vor sich hinträumt, sieht man eine weiche Seite, die sie sonst nie zeigt." Adam seufzte.
„Da kenne ich noch jemanden", kommentierte Hugh trocken. Patrick und Mike warfen Hugh dann aber einen vielsagenden Blick zu, weshalb Hugh ein Brummen von sich gab.
„Sie ist unglaublich klug, lebendig und liebenswert. Und sie hat mich keine einzige Sekunde wie einen Millionär, sondern wie einen Menschen behandelt. Ihr scheint all das Geld egal zu sein, dass ich habe."
Mir stockte der Atem. Von dieser Offenheit war ich überwältigt. Sprachlos hätte es auch sehr gut getroffen. So zu hören, was Adam über mich dachte und er hatte mit seiner Einschätzung zu 100 % Recht. Bis hin zu der Tatsache, dass er mich mit dem Geld jagen könnte, wenn er mir etwas kaufen wollen würde. Plötzlich fühlte ich mich friedlich und von einer Wärme umgeben, die aus meinem Inneren zu kommen schien. Irgendwie paradox. Ein Lächeln konnte ich nicht unterdrücken.
Doch Adam war mindestens genauso wunderbar, wie er mich beschrieben hatte. Noch viel wunderbarer. Er schien auch mit all seinen kleinen Makeln, dem Kontrollwahn, der Überarbeitung und so weiter, einfach nur perfekt zu sein. Als er gestern gesagt hatte, dass ich psychische Schäden von Williams Attacke davongetragen hätte, hatte es mich so sehr verletzt, weil gerade er das gesagt hatte, weil ich unter keinen Umständen wollte, dass er mich so sah, als wäre ich zerbrechlich oder gar schon zerbrochen. Ich wollte, dass er die starke Frau in mir sah, von der er hier vor seiner Familie und Freunden sprach. Ich wollte nicht, dass er sich Sorgen machte, denn er hatte schon genug zu tun und ich konnte auf mich selber aufpassen. Dennoch erwärmten mich diese Worte vollkommen. Das Kribbeln in meinem Bauch war so stark, dass ich befürchtete, die Schmetterlinge würden da drin eine Party feiern. Ich lehnte mich an den Türrahmen.
„Das hast du aber sehr schön gesagt und ich glaube, das wurde auch mal Zeit.", sagte Patrick. Ein liebevolles Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und das überraschte mich, weil er sonst immer nur der Scherzvogel zu sein schien. Sicher war er auch schon ernst gewesen, aber ich hatte diesen liebevollen Gesichtsausdruck noch nie bei ihm gesehen.
„Schon mal daran gedacht, ihr das persönlich zu sagen?", fragte Mike grinsend.
„Nein." Adam schüttelte den Kopf. „Ich denke, das kommt nicht gut an."
„Es kam sogar sehr gut an", sagte ich, bevor ich überhaupt weiter drüber nachdachte. Adam wirbelte auf seinem Stuhl herum und starrte mich entgeistert an. „Was? Wie? Seit wann bist du denn hier?", fragte er völlig perplex. Hugh drehte sich ebenfalls um. Ich überlegte kurz und schaute an die Decke. Stuck verzierte die Ränder. Dann blickte ich wieder zu Adam. „Seit Hugh festgestellt hat, dass man keine Aktien von wem auch immer kaufen sollte", antwortete ich und schaute kurz zu Hugh. Dieser erwiderte meinen Blick mit verschlossener Miene. Adam schaute zu Patrick, der in sich hineinlachte. Mike und Liam schien es nicht anders zu gehen. Adams Vater schmunzelte ebenfalls. „Ihr habt da alle mit dringehangen." Sein Blick ging zu Doreen und seiner Mutter. „Genauso wie ihr zwei da drüben."
„Ich liebe dich Bruderherz, aber manchmal brauchst du einen Tritt in den Hintern, damit du sagst, was du wirklich denkst", flötete Doreen und warf ihm eine Kusshand zu.
„April?" Eine hohe Stimme lenkte mich von dem geschwisterlichen Geplänkel ab. Ich drehte mich um und Nick strahlte mich an. Er kam auf mich zu gerannt und ich hob ihn hoch. Irgendwie hatte ich den Kleinen vermisst. „Hallo kleiner Mann. Wie geht es dir?"
„Oh total toll. Onkel Adam hat mich mit seinem Handy spielen lassen."
„Ah!" Mir fiel wieder ein, warum ich hier war. Ich blickte zu Adam. „Carter hat vor anderthalb Stunden im Büro angerufen. Es gibt ein Problem." Adams Augen wurden zu Schlitzen. „Warum warst du im Büro? Solltest du Thanksgiving nicht mit deinem Nachbarn verbringen?" War ja klar, dass mein, mich überbehütender Chef lediglich auf den Teil der Aussage achtete. Wo hatte er denn den Geschäftsmann gelassen? Im Büro?
„Ich hatte mein Ladekabel vergessen und Mr. Smith ist in Sacramento. Können wir unter vier Augen reden? Es dauert auch nicht lange." Ich blickte bei dem letzten Satz zu Mrs. Black. „Sicher macht nur", sagte sie und verschwand im Nebenraum. Adam stand auf und nachdem ich Nick wieder abgesetzt hatte, gingen wir aus dem Raum. Er führte mich durch den Flur und ging auf eine Terrasse im hinteren Teil des Hauses. Von dort hatte man einen perfekten Überblick, über den Garten, der hinter dem Haus lag. Blumenbeete, ein kleiner Spielplatz für Nick und auch Beete, wo scheinbar Gemüse angebaut wurde, verteilten sich zwischen einzelnen Obstbäumen.
„Welches Problem?", fragte Adam, noch immer misstrauisch. Ich riss mich von dem Anblick los und drehte mich zu Adam. „Olsen Motors will Blacktronic überbieten."
„Will Carter, dass wir höher gehen?"
„Nein, das dachte ich auch erst, aber..." Ich zog die Verträge aus meiner Handtasche. „Mister Carter möchte, dass du den Vertrag so schnell wie möglich unterschreibst, weil sonst der Aufsichtsrat Probleme machen könnte. Er meinte, er möchte sein Werk dir und nicht jemand anderem anvertrauen. Das Problem ist, dass Carter bald im Flieger sitzt und währenddessen das Angebot von Olsen Motors eingereicht wird." Ich reichte ihm die Papiere. Adam überflog sie mit gerunzelter Stirn.
„Sind das die Originalverträge?", fragte er weiterhin die Papiere überfliegend. „Ich glaube. Ich habe unsere Kopien auch mitgenommen." Ich holte die restlichen Unterlagen heraus. „Wie immer perfekt vorbereitet", sagte Adam schmunzelnd. „Aber das zu vergleichen dauert eine Weile."
„Lass das doch Hugh übernehmen. Er ist immerhin Anwalt, wenn auch für Strafrecht", sagte Patrick, der durch die Glastür auf die Terrasse trat. Adam stieß die Luft aus. „April und ich helfen auch, dann kannst du mit Carter reden", redete Patrick weiter. „Er wäre für eine Videokonferenz bereit, aber er sitzt in 90 Minuten im Flieger. Also wenn, dann jetzt." Adam schaute mich eine Weile nachdenklich an. „Okay", sagte er schließlich. "Gehen wir es an."
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