Kapitel 15
Nachdem Adam bezahlt hatte und wir in sein Auto gestiegen waren, fuhr er mich nach Hause. Die Fahrt über schwiegen wir größtenteils und lauschten der Musik im Radio. Als wir vor meinem Haus ankamen, schnallte ich mich ab und schaute Adam an. Ich hatte ihn die Fahrt über aus dem Augenwinkel hin und wieder beobachtet, aber nie den Kopf in seine Richtung gedreht. Er schien vollkommen entspannt gewesen zu sein. So hatte ich ihn nur selten gesehen.
„Danke für das Essen und nach Hause bringen", sagte ich lächelnd.
„Kein Problem. Ich muss mich bedanken. Hättest du mich heute Mittag nicht zusammengefaltet, weiß ich nicht, wo ich jetzt sein würde."
„Pass einfach nur ein wenig auf dich auf. Spann Tim mit ein, der kennt sich sehr gut bei dem Projekt aus. Du kannst ja trotzdem die Kontrolle behalten, aber er macht das echt gut."
Adam nickte. „Ja, ich werde morgen mal mit ihm reden."
Ich öffnete die Autotür. „Dann bis morgen", sagte ich und stieg aus. Ich drehte mich um und schaute noch einmal ins Auto zu Adam. „Schlaf noch ein bisschen. Du kannst es gebrauchen."
„Mach ich. Versprochen", beteuerte er.
„Gut." Ich winkte und schloss die Tür. Danach ging ich zur Haustür, die, als ich noch zwei Meter entfernt war, plötzlich aufging. „Mister Smith. Was machen Sie denn so spät noch hier draußen?", fragte ich ehrlich überrascht. „Ihr Chef hält sie lange wach", sagte er mit zusammengekniffenen Augen. Den Blick hatte er auf den SUV gerichtet. Verdutzt sah ich meinen Nachbarn kurz an, bis ich antworten konnte. „Ja, heute war es etwas anstrengend."
„Er hatte doch nichts mit Ihrer Verletzung zu tun?", fragte Mister Smith und richtete seinen besorgten Blick auf mich. Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, nein. Er hat sofort einen Arzt gerufen, als er meine Verletzungen gesehen hat und mich beruhigt", versicherte ich ihm. Es war schon süß, wie sich der ältere Herr um mich kümmern wollte. Nun, wir kannten uns jetzt auch schon ein paar Jahre. Hinter mir schlug eine Autotür zur und ich fuhr herum. Adam kam mit wachsamen Blick auf uns zu.
„April, alles in Ordnung?" Adam blickte mich durchdringend an. Machte er sich Sorgen? Wegen Mister Smith? „Ja, mein Nachbar hat sich nur ein paar Gedanken gemacht, wo ich den bleibe."
„Sehr aufmerksam", stellte Adam fest und nickte Mister Smith zu. „Mister Smith, das ist mein Boss Adam Black. Adam, das ist Mister Smith", stellte ich die beiden kurz vor, damit keine peinliche Stille eintrat. Die Augen von Mister Smith wurden groß.
„Sie arbeiten für Blacktronic?", stieß er überrascht hervor.
„Sie kennen Blacktronic?", fragte ich genauso überrascht.
„Aus der Zeitung", antwortete Mister Smith.
„April ist meine persönliche Assistentin", erklärte Adam. „Sie arbeitet jetzt fast zwei Monate für mich."
„Dann ist der Unfall bei Ihnen auf Arbeit passiert.", schlussfolgerte Mister Smith. Für sein Alter hatte dieser Mann einen scharfen Versand. „Welcher Unfall?", fragte Adam plötzlich bedrohlich. War er sauer, weil ich es meinem Nachbarn erzählt hatte? „April wurde mit einem Messer bedroht."
Adams Schulter sackten nach unten. „Ja, das passierte leider keine zehn Meter von mir entfernt, aber ich habe es zu spät mitbekommen, um eingreifen zu können." Er stellte sich schräg hinter mich und strich mit der Fingerspitze über die Stelle, an der William mich verletzt hatte. Ein wohliger Schauer durchlief meinem Körper und ich musste mich zusammenreißen, um mich nicht seiner Hand entgegenzuneigen.
„Es wird nicht nochmal passieren", versicherte Adam leise, sodass nur ich es hören konnte. Ich schluckte schwer und ging die Stufen zur Tür hinauf. Abstand war jetzt das Beste. „Lassen Sie uns hereingehen. Es ist schon spät."
„Ja mein Kind, kommen Sie." Mister Smith schaute Adam noch einmal an und verabschiedete sich mit einem. „Auf Wiedersehen." Dann verschwand er im Haus. „Ich werde gut bewacht", lachte ich.
„Das ist nicht verkehrt", sagte Adam und ging zu seinem Auto. Ich winkte ihm noch einmal und ging dann auch ins Haus. Ich brachte Mister Smith in seine Wohnung und ging dann in meine. Nach einer Dusche fiel ich tot müde ins Bett und schlief gleich darauf ein. Ich musste in knapp sechs Stunden wieder auf Arbeit sein.
Am nächsten Morgen machte ich mir einen Kaffee. Ich war so gerädert und musste unbedingt wach werden. Also musste der Kaffee her. Es war fast ein Wunder, dass ich es pünktlich um sieben ins Büro geschafft hatte. Heute sollte um zehn Uhr das Meeting für das IT-Projekt stattfinden. In der obersten Etage angekommen, ging ich zu meinem Schreibtisch und stellte meine Handtasche ab.
„Mit wem warst du so spät noch essen?", hörte ich Patricks Stimme aus Adams Büro. Mich verwunderte es, dass Patrick so früh schon im Büro war. Dann ging mir seine Frage noch einmal durch den Kopf. Er war wirklich die Neugierde in Person! Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf, ging zu Adams Büro und blieb im Türrahmen stehen.
„Patrick, bitte."
„Sag mir nicht du hattest doch wieder ein One-Night-Stand?", hakte Patrick weiter nach. Er saß in einem Sessel, die Füße überkreuzt auf Adams Schreibtisch liegend und musterte Adam. Adam stand an der Fensterfront und schaute auf die Straße unter sich.
„Nein", knurrte er.
„Ah, aber du hättest gern?"
„Nein.", grollte Adam jetzt schon. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und man sah, wie angespannt er war.
In mir zog sich etwas zusammen. Aber es war gut so. So sollte es sein. Er sollte nichts von mir wollen. Davon mal abgesehen, war es bei mir ganze sechs Jahre her, dass ich einen Mann an mich herangelassen hatte. Patrick hatte mich entdeckt und schaute zu mir, fragte aber weiter an Adam: „Bist du dir da sicher?" Ein teuflisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Ich verstand Patricks Spiel sofort.
„Ja Patrick, da bin ich mir sicher." Adam drehte sich mit einem Ruck um, hielt aber sofort inne, als er mich im Türrahmen stehen sah.
„Ich glaube, Adam träumt nachts nicht von dir und seinem Schreibtisch so wie ich von dir und meinem", sagte Patrick kopfschüttelnd.
„Was?", fragte ich verwirrt. Er träumte? Was? War das ein Scherz? Patrick lachte laut, als er Adam und mich erstarrt dastehen sah. „Oh man ihr beide seid mein persönliches Unterhaltungsprogramm des Jahres. Ich freue mich schon auf die nächste Vorstellung von euch beiden. Wo wart ihr denn essen?"
„Bei dem 24 Stunden Chinesen", sagte ich und überging somit gezielt den Kommentar mit dem Unterhaltungsprogramm.
„Ah, der 3 Blocks weiter? Der ist echt gut", sagte Patrick nickend.
„Du solltest Damen nicht so spät ausführen", schalt Patrick Adam im Scherz. Adam ließ sich auf seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch fallen und blicke seinen Freund an. „Keine Sorge nur ihr Nachbar hat mich am Ende ausgequetscht. Der Inquisition ihrer Eltern konnte ich aus dem Weg gehen." Patrick zog scharf die Luft ein und ich versteifte mich.
Ich wollte ganz weit weg. Ich wusste, dass es irgendwann zur Sprache kommen würde, aber ich hatte gehofft, dass es nicht so früh zum Thema werden würde. Es würde Fragen geben und ich wollte keine Fragen. Ich mochte ja noch nicht mal die offizielle Variante, dass November sich auch selbst umgebracht hatte.
„Fettnäpfchen mein Freund. Großes Fettnäpfchen", murmelte Patrick leicht kopfschüttelnd. Er warf mir einen entschuldigenden Blick zu. Patrick hatte Adam also nichts erzählt. Das hatte ich mir fast gedacht. Dafür war es zu privat und auch wenn Adam und ich schon mehr miteinander zu tun hatten, als ein Chef mit seiner Assistentin normalerweise, hieß das nicht, dass Patrick gleich all meine Geheimnisse ausplaudern musste. Dafür war ich ihm dankbar
„Was?" Adam schien verwirrt und blickte zwischen mir Patrick hin und her. Ich seufzte und ließ ich in den anderen Sessel neben Patrick plumpsen.
„Meine Eltern sind tot", sagte ich und schaute an Adam vorbei aus dem Fenster. Adam riss die Augen auf. Kurz danach stöhnte er laut auf, verschränkte die Arme auf der Schreibtischplatte und ließ den Kopf auf seine Arme sinken. Nach ein paar Sekunden schaute er zu mir auf.
„Verzeih, ich wusste es nicht", bedauerte er seine Worte. „Schon okay. Ich habe es nie erwähnt." Ich winkte ab. Adam richtete dich wieder auf. „Aber du wusstest es?", fragte Adam an Patrick gewandt und runzelte die Stirn. „Ja, es kam kurz bei ihrem Vorstellungsgespräch zur Sprache", antwortete Patrick und blickte mich an. „Ich hatte das Fettnäpfchen auch schon auf meine persönliche Art und Weise." Ich lachte. „Jungs jetzt kommt mal runter. Das ist schon so lange her..." Meine Stimme verlor sich. „Wie lange?", fragte Adam sacht.
„Sechs Jahre. Ich war zu der Zeit auf dem College. Habe dann aber erst einmal drei Semester ausgesetzt." Adam nickte.
„Ich, das also... wie... nein also." stammelte Adam hilflos herum. Ich sah ihm an, dass er mehr wissen wollte, aber auf der anderen Seite mir nicht nahetreten wollte. „Selbstmord." Adam und Patrick rissen die Augen auf. Ich zuckte nur mit den Schultern. „Warst du danach allein? Hattest-"
„Es gab keinen aus meiner Familie mehr, nein", unterbrach ich Adam, weil ich die Frage nach Geschwistern unterbinden wollte. Es reichte, wenn sie wussten, dass ich allein auf dieser Welt seit sechs Jahren lebte und meine Eltern freiwillig den Tod gewählt hatten. Ich wollte nicht noch mehr Sorge, Mitleid und sonst was in ihren Augen sehen, als ich es jetzt schon sah.
„Verdammt April, wenn ich jetzt so darüber nachdenke und du erwähnt hast, auch keine wirklich tiefe Freundschaften zu haben..." Patrick brach ab. „Ist das jetzt meine Inquisition?", fragte ich. Ich versuchte es mit einem Lächeln, aber es wollte mir nicht ganz gelingen.
„Nein, natürlich nicht", räumte Adam ein.
„Also." Ich schlug mit den flachen Händen auf meine Oberschenkel und stand auf. Adam und Patrick taten es mir nach. „Tee? Kaffee?", fragte ich an die beiden Männer gewandt.
Beide nickten nur stumm und ich verließ den Raum. Kurz danach kam ich wieder herein und stellte Kaffee und Tee auf den Schreibtisch. Patrick und Adam schwiegen. Also konnte ich davon ausgehen, dass ich noch immer Gesprächsthema war. Ganz im Sinne: Thema kommt, Thema Ende.
„Um zehn ist das Meeting für das IT-Projekt", erinnerte ich Adam. Dieser nickte.
„Ich habe Timothy zu halb zehn zu mir bestellt. Ich werde mit ihm über das Projekt und die Leitung sprechen", antwortete Adam und trank einen Schluck Pfefferminztee.
„Du gibst die Leitung für das Projekt ab?", fragte Patrick erstaunt.
„Ja, Timothy macht es sehr gut und hat schon mehr als einmal bewiesen, was er kann. Außerdem stimmt auch die Zusammenarbeit zwischen ihm und April."
„April, ich weiß nicht wie du das machst, aber bitte, bitte höre nie damit auf", sagte Patrick und zwinkerte in meine Richtung.
„Ähm. Okay?", sagte ich nur stirnrunzelnd und kümmerte mich um meine Arbeit. Keine Ahnung, was genau ich gemacht hatte, aber ich ging einfach davon aus, dass es gut war.
Kurz vor zehn verließen Adam und Timothy das Büro. Ich stand auf, um die beiden zu dem Meeting zu begleiten. Timothy kam auf mich zugestürzt und drückte mich an sich. Dann löste er sich von mir und gab mir einen Schmatzer auf die linkte und dann rechte Wange. „April du bist die Beste", jubelte er überschwänglich. Ihm schien sein neues Aufgabengebiet zu gefallen. Völlig überfordert von Tims überschwänglichen Reaktion, lächelte ich ihn einfach nur an. Adam räusperte sich neben uns. Timothy ließ mich los und trat einen Schritt zurück.
„Eine Bedingung nur noch."
„Alles Sir.", versicherte Timothy an Adam gewandt.
Adam runzelte die Stirn, als überlege er, wie er seine Worte wählen sollte. „Keine Küsse mehr für meine Assistentin", sagte er dann schlicht und ging voraus zu den Aufzügen. Verdutzt schauten Tim und ich ihm hinterher, bis er rief. „Ja natürlich, Sir." Dann eilte er ihm nach. Lächelnd und kopfschüttelnd folgte ich den beiden.
Das Meeting dauerte über zwei Stunden, aber alle unterschrieben am Ende den Vertrag und versicherten Blacktronic ihre Unterstützung und Zusammenarbeit. Die meisten Fragen hatte Timothy beantwortet. Ging es um die Finanzierung, antwortete Adam. Ich führte Protokoll. Nachdem alle anderen den Raum verlassen hatten, fing ich an, die Gläser und Flaschen auf einen Rollwagen zu stellen. Tim kam mir zur Hilfe.
„Das ist unglaublich. Dieses Projekt ist für Blacktronic enorm wichtig und ich darf es leiten. Ich weiß immer noch nicht, ob ich träume oder nicht." Ohne zu zögern, kniff ich Timothy in den Unterarm. „Au", schrie er auf.
„April du sollst nicht immer unsere Mitarbeiter quälen." Patrick stand in der Glastür und grinste.
„Okay, okay ich träume nicht", sagte Tim schmollend und rieb dich seinen Unterarm. „Mister Black will Sie sprechen Timothy."
Dieser nickte und beide verließen den Meetingraum. Ich räumte alles auf und ging dann auch wieder nach oben. Nun stand nur noch der Unternehmensaufkauf von einer bekannten Einkaufskette der Westküste an. Dazu würde es am Dienstag die abschließende Videokonferenz geben. Langsam aber sicher hatte ich mich komplett in mein Arbeitsumfeld eingelebt und es gefiel mir ungemein mit Adam, Timothy und Patrick zusammen zu arbeiten. Ich hoffe inständig, dass sich das nicht mehr ändern würde.
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