Kapitel 10
Dr. Peter schaute sich meine Verletzungen am Hals und am Handgelenk an. Außerdem schien der Schlag ins Gesicht, den ich William verpasst hatte, meinen Knöcheln nicht gutgetan zu haben. Es dauerte eine geschlagene halbe Stunde, bis Dr. Peter mir mitteilte, dass er die Wunden versorgt hatte.
„Sie müssen nicht ins Krankenhaus, sollten aber darauf achten, dass Sie die Wunde am Hals sauber du trocken halten. Eine Narbe sollte eigentlich nicht zurückbleiben", schloss er. Dr. Peter war ein sehr ruhiger Mensch. Grauweißes Haar, ein Schnurrbart und eine Brille kennzeichneten den schätzungsweise 65 Jahre alten Mann.
Wir hatten nur das Nötigste geredet und er hatte größtenteils seine Arbeit schweigend aber mit Bedacht erledigt. Dr. Peter hatte ein sehr gutes Gespür für seine Patienten, wie es mir schien, denn er hatte prompt gemerkt, wenn mir etwas weh tat. Die Ruhe zwischen uns störte mich nicht. Es war eine angenehme Stille, in der ich über das eben Geschehene nachdenken konnte. Was wohl jetzt mit William passieren würde?
Ich stand auf und wir gingen aus dem Büro. Patrick stand an meinen Schreibtisch gelehnt und starrte mit finsterer Miene auf den Boden, als wäre dieser der Ursprung allen Übels. Als er uns hörte, hob er den Blick, welcher unweigerlich zu meinem Hals wanderte. Ich legte meine Hand auf das große weiße Pflaster.
„Wie geht es dir?", fragte er, während Dr. Peter und ich zu ihm herübergingen. „Ist soweit alles in Ordnung." Patrick schnaubte. „Alles in Ordnung? Das Arschloch hätte dir die Halsschlagader aufschlitzen können." Ich zuckte unter seinen harschen, wütenden Worten zusammen.
„Die Wunden sind nicht so schlimm, wie sie ausgesehen haben", versuchte ich ihn zu beschwichtigen. Das brachte mir nur ein erneutes Schnauben ein. „Dr. Peter? Sagen Sie es ihm", flehte ich.
Dr. Peter sah mich kurz zweifelnd an, da er wahrscheinlich an seine Schweigepflicht als Arzt dachte, aber da ich ihn direkt darum bat, nickte der Mann neben mir und wandte sich an Patrick. „Mister Rickson. Miss Youngs Verletzungen werden bald verheilen, ohne dass Narben oder Ähnliches zurückbleiben werden." Patrick schien das zu beschwichtigen, denn er nickte und wirkte auf einmal weniger einschüchternd.
„Wo ist-" Ich brach ab. Adam? Mister Black? Was sagte ich denn jetzt nur?
„Adam ist im Securityraum", antwortete Patrick, und fügte nach einer Pause hinzu: „Bei William."
„Ich will zu ihm", sagte ich mit fester Stimme und schaute Patrick in die Augen. „April...", begann er. „Patrick ich will zu ihm!", sagte ich fordernder. Resigniert hob Patrick die Schultern. „Komm. Er ist in der zweiten Etage." Im Fahrstuhl drückte Patrick die zweite Etage und wir fuhren herunter. Als wir in der Etage der Security ankamen, sagte Dr. Peter: „Ich verabschiede mich an dieser Stelle."
„Danke, dass Sie gekommen sind", antwortete ich ihm.
„Das ist mein Job, Miss Young", sagte er und schenkte mir ein kleines Lächeln.
Wir stiegen aus und auch Patrick verabschiedete sich mit einem kurzen Händeschütteln von Dr. Peter. Danach gingen wir einen Gang entlang und Patrick blieb vor einer schwarzen Tür stehen. Er klopfte an und ging herein. Ich folgte ihm.
Zuerst war ich verwirrt. In dem Raum waren weder Adam noch ein William, aber dafür saßen zwei Männer von Schränken und starrten Richtung Wand. Ich folgte ihrem Blick und sah, dass sie durch einen Einwegspiegel sahen. Wir konnten alles in dem Nebenraum verfolgen, aber uns konnte man von dort aus nicht sehen. Das war auch gut so, denn in dem Nebenraum saß William zusammen mit Adam und einem weiteren, breit gebauten Security Mann. Innerlich war ich froh, dass diese Männer auf unserer Seite standen. Andernfalls würden sie mir mehr als nur Respekt einflößen. Ich konnte Williams Gesicht sehen, aber Adams leider nicht, da er mit dem Rücken zu mir saß.
„Mister Rickson.", grüßte einer der beiden Männer ihn.
„Was haben wir verpasst?", fragte Patrick.
„Ein stummes Blickduell", antwortete der andere Mann schnaubend. Die drei Security Männer, sahen alle fast gleich aus. Glatze, extrem breite Schultern und muskelbepackte Körper. Sie trugen alle einen schwarzen Anzug, schwarzes Hemd und welch Überraschung eine schwarze Krawatte.
„Sie haben sich nur angestarrt?", fragte ich verwirrt. Eine halbe Stunde lang?
„Ja, aber Mister Black ist auch erst seit ein paar Minuten in dem Raum. Vorher konnten wir ihn nicht da rein lassen, ohne sicher zu sein, dass wir heute nicht doch noch einen Leichenwagen rufen müssen." Ich starrte ihn entgeistert an, aber keiner der Männer sah meinen Blick. Sie konzentrierten sich alle auf das Geschehen im Nebenraum.
„A- Mister Black war wütend? Ist etwas mit seinem Neffen oder Schwester passiert?" Nick? Doreen? Oh nein bitte nicht!
„Nein Miss, alles in Ordnung. Miss Black hat ihren Sohn mitgenommen, ohne dass er etwas mitbekommen hat. Wenn einem von beiden etwas passiert wäre, dann..." Er schmunzelte. „hätten wir Mister Black gar nicht mehr im Zaum halten können. Es hat schon gereicht, dass er Sie angefasst hat."
Er war wütend, zornig und in Tobsucht verfallen, weil William mich verletzt hatte? Okay, William war nicht wirklich Adams bester Freund, aber er hatte doch nur mich angefallen. Niemanden, der Adam wichtig war. Ich war verwirrt. Die halbe Stunde in Adams Büro hatte rein gar nichts gebracht. Ich konnte immer noch nicht von eins bis drei zählen. Adams Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
„Ich fasse mich kurz, sonst vergesse ich mich doch noch. Wenn du dich noch ein einziges Mal Doreen oder Niklas nähern solltest, dann schwöre ich dir, bei allem was ich besitze, wirst du den nächsten Tag hinter schwedischen Gardinen verbringen. Bekomm deine Alkoholprobleme in den Griff. Sonst wirst du deinen Sohn nie wiedersehen. Nie. Wieder."
„Er ist mein Sohn, du kannst rein gar nichts dagegen tun, dass ich ihn sehen kann." William funkelte Adam böse an. Er hatte ein geschwollenes Auge. Das war mein Schlag, dachte ich leicht triumphierend.
„Du weißt genau, dass ich genug gegen dich in der Hand habe, um dich ins Gefängnis zu bringen, aber ich will nicht, dass Nick einen Vater hat, der im Gefängnis versauert. Aber solltest du dich mir widersetzten, dann sehe ich mich gezwungen, einiges über dich, was selbst Doreen nicht weiß, offen zu legen."
Adams ganzer Körper war angespannt. Er trug kein Jackett und man konnte deutlich jeden einzelnen Muskel unter seinem grauen Hemd arbeiten sehen. Er war noch immer kurz davor über den Tisch zu springen und William hier und jetzt zusammen zu schlagen.
„Und zu guter Letzt", sagte Adam. „Gnade dir Gott, dass Aprils Verletzungen nicht so ernst sind, wie sie es schienen. Sollte sie auch nur eine winzige Narbe davontragen, dann wirst du das bitter bereuen und du landest nicht hinter Gittern, sondern im nächsten Sarg. Habe ich mich klar ausgedrückt?"
„Warum stresst du so wegen einer kleinen Angestellten? Sie ist doch auch nur ein Flittchen, das-" Weiter kam William nicht, denn Adam sprang schon mit einem lauten, wütenden Schrei auf und wollte sich auf William stürzen. Glücklicherweise war der Security Mann schnell genug, um Adam zurückzuhalten.
„Mister Black. Das will er doch nur. Damit handeln Sie sich nur Probleme ein", redete er beruhigend auf ihn ein, während er versuche Adam festzuhalten. William schaute Adam nur übermütig an. „Was denn, ist die etwas so gut im Bett?", höhnte er weiter.
Adam versuchte sich aus dem festen Griff des Security Mannes zu befreien. Vergeblich. Aber er zerrte weiter. Gott sei Dank, hatte dieser Security Mann mehr als genug Muskeln, um Adam festzuhalten. Adam war gut trainiert, aber selbst er hatte gegen den Mann keine Chance.
Ich zögerte einen Augenblick und trat dann an die Glasscheibe. Ich hob die Hand und klopfte an die Scheibe, so wie ich sonst immer an Adams Bürotür klopfte. Adams Kopf schoss ruckartig zu mir herum und suchte die Spiegeloberfläche ab. Er konnte mich nicht sehen, aber wusste, dass ich da war. „April", formten seine Lippen lautlos meinen Namen. Ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.
„Geheime Klopfzeichen?", fragte Patrick sichtlich amüsiert hinter mir.
„Er hat William nicht mehr im Visier. Ich will nicht, dass Adam Probleme meinetwegen bekommt."
„Adam?", fragte Patrick. „Wann habe ich das denn verpasst?"
Ich erschrak, als mir klar wurde, dass ich meinen Boss gerade mit seinem Vornamen betitelt hatte. Ich gab mir mental eine Kopfnuss. Super gemacht April. Ihn jetzt wieder Mister Black vor Patrick zu nennen, würde mir nur einen Spruch einbringen.
Die Tür ging auf und ich erschrak. Ich sah durch den Einwegspiegel. Im Raum vor mir saß nur noch William. Mein Blick ging zurück zu der Tür, durch die Adam auf mich zu kam. Ohne Zögern griff er nach meiner Hand und zog mich sanft zu sich. Mit der anderen Hand strich er ganz zärtlich über das Pflaster an meinem Hals.
„Was sagt Dr. Peter?"
„Dass William morgen nicht unter der Erde liegen wird", antwortete ich lächelnd. Adam runzelte die Stirn. Dann blitze etwas in seinen Augen auf und er verstand meine Worte.
„Und ich dachte, ich könnte mich endlich seiner entledigen. Es hat nur immer der passende Grund gefehlt." Mein Lächeln fiel in sich zusammen. Ich wich einen Schritt zurück und Adam ließ mich los. Er wollte etwas sagen, schien jetzt aber die anderen im Raum zu bemerken.
„William soll verschwinden", sagte Adam an seine Mitarbeiter gewandt. „Was?", fragte ich erschrocken. Er würde das doch nicht wirklich tun, oder?
„April, damit meint er, dass William das Gebäude verlassen soll", beantwortete Patrick meine Frage, die mir wohl ins Gesicht geschrieben stand. Mein Körper entspannte sich vor Erleichterung. Die zwei Männer von der Security nickten Adam kurz zu und verließen den Raum.
„Mach das nicht", sagte ich leise. „Was?" Adam war sichtlich verwirrt. „Mach nie sowas, wie du es ihm angedroht hast. Das macht dich nur kaputt." Meine Stimme war weiterhin leise und ich schaute auf den Boden, die Arme um mich selbst geschlungen. Adam trat auf mich zu und umfasste leicht meine Oberarme. Ich hob den Blick. „April." Seine Stimme war leise und sanft.
„Ich verspreche es", sagte er mit Nachdruck trotz der geringen Lautstärke. Ich lächelte ihn dankbar an. Und es entstand eine seltsame Stille, aus der uns Patrick riss. „Ich habe April schon gefragt, aber sie hat mir nicht geantwortet. Wann kam es denn bitte zu 'Adam'?" fragte Patrick. Adam schaute ihn verwirrt an, hielt mich aber immer noch fest. „Was? Ich verstehe nicht."
„Sie sprach von dir nicht als Mister Black, sondern Adam. Wann ist das passiert?"
Meine Güte war er neugierig. Das ging mir gerade ziemlich gegen den Strich. Wie würde Adam darauf reagieren? Manchmal verfluchte ich Patrick und seine direkte offene Art doch irgendwie. Adam lächelte sanft und schaute von Patrick wieder zu mir. „Es gibt Momente, da ist ein Mister Black nicht mehr angebracht", sagte er nur. Patrick stöhnte. „Das hat meine Neugierde so gar nicht gestillt."
„Na, dann bin ich ja beruhigt", sagte ich sarkastisch an Patrick gewandt.
„Sie nennt dich auch beim Vornamen, warum also mich nicht?", fragte Adam, ohne seinen Blick von mir zu nehmen. Er musterte mein Gesicht, Hals, meine Handgelenke und Hände. „Sie nennt mich Patrick, seit ich von Sex auf-"
„Halt einfach die Klappe, Pat.", unterbrach ihn Adam. Patrick lachte nur und verließ kopfschüttelnd den Raum. Jetzt waren Adam und ich allein.
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