5.

Mein Magen dreht sich um. Meine Augen fühlen sich trocken an, auch wenn sie geschlossen sind. Ich fühle mich wie eine lebende Leiche. Ein Zombie. Eigentlich sollte ich auch tot sein.

Was zum Teufel hat sich Gott dabei gedacht, als er mich am Leben ließ? Denkt er etwa, ich würde mich darüber freuen? Darüber freuen alleine zu sein? Darüber freuen ein versautes Leben zu führen? Ich kann mir nicht einmal mehr vorstellen in die Schule zu gehen. Warum auch? Alle werden mich bemitleiden und betätscheln. Doch dabei wissen sie nicht, dass das Letzte sein würde, was ich brauche. Daran erinnert zu werden, dass meine Eltern gestorben sind.

Mein Leben ist ruiniert.

An der Tür klopft es. Ich antworte nicht. Wie denn auch? Ich habe weder Lust, noch nicht wirklich die Kraft dazu. Doch hätte ich genug Kraft, würde ich schreien 'Bleibt draußen! Lasst mich alle in Ruhe!'.

Das alles ist die Schuld von dieser behinderten Wissenschaftler.. Universitäten.. ach, wegen der ganzen Gesellschaft! Wären sie nicht gewesen, wären die Testpersonen nicht ausgebrochen. Wären die Testpersonen nicht ausgebrochen, hätten sie nicht vandaliert. Hätten die Testpersonen nicht vandaliert, wären sie nicht erschossen worden. Wären sie nicht erschossen worden, hätten sich die Leute nicht aufgeregt und wir hätten nicht nach Vancouver fliegen müssen und wären auch nicht abgestürtzt.

Wo bin ich eigentlich? Wir hatten ja drei Stunden Flug hinter uns. Wir waren ja lang nicht mehr Zuhause.

Die Tür geht auf und ich vernehme schleifende Schritte. ,,Hey Saphira..", wispert die Person. Die Stimme kenne ich doch! ,,Ich bins, Sarah.", sagt sie Person, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Sarah? Meine Cousine? Och nee.. Sie ist die Letzte, die ich jetzt um mich haben möchte, kann sich gleich wieder verdünnisieren.

Doch Sarah sagt nichts mehr. Steht bestimmt einfach nur rum und starrt in die Luft. Okay. Was sagt man schon zu seiner Cousine, wenn diese grad mit dem Flugzeug abgestürtzt ist. Ach ja, ganz vergessen, vor einem Monat abgestürtzt ist.

,,Ich weiß nicht ob du das jetzt hören möchtest aber" nein, meine liebe Cousine. Egal was du jetzt sagst, ich möchte es nicht hören, ,,die ersten Bomben fliegen." Wie bitte?! Bomben? Warum denn bitte Bomben?

Als ob sie mal wieder meine Gedanken gelesen hätte, redet sie weiter: ,,Wegen dem Heilmittel. Das hast du bestimmt auch schon mitbekommen. Es sollen Ausreden von der Regierung gekommen sein. Und dann auch ziemlich dämliche, denn auf jedem Kontinent.. naja, Land, wurden andere Ausreden gebracht. Das ist schon ziemlich unglaubwürdig, meinst du nicht? Jedenfalls wird es immer gefährlicher. In einer Nachbarstadt von hier, soll schon eine Bombe gefallen sein. Wärst du nicht verletzt, könnten wir alle gehen. Nur ist die Frage: wohin? Überall ist dieser beschissene Krieg. Meine Eltern munkeln, dass das zum 3. Weltkrieg ausarten kann. Wie soll das weitergehen, Saphira?"

Stille erfüllt den Raum. Ich bilde mir sogar ein, eine Uhr ticken zu hören, damit hier wenigstens irgendein Geräusch den Raum erfüllt.

Ich muss jetzt einfach mit Sarah reden. Mit aller meiner derzeitigen Leistungsfähigkeit versuche ich meine Augen zu öffnen. Auch wenn das bedeutet, dass sie mir absterben könnten, unter dieser massiven Helligkeit. Auch wenn das etwas unrealistisch ist, aber so fühlt sich das an.

Möglichst vorsichtig öffne ich meine Augen, und wie ich befürchtet hatte; Das Licht scheint mir direkt in das Auge, dass ich das Verlangen habe, es gleich wieder zu zudrücken. Mir entfährt ein schmerzvolles Stöhnen, ehe ich einen Druck auf meiner Schulter spüre. ,,Ist alles in Ordnung?", fragt Sarah aufgebracht.

Ich nicke zur Bestätigung und versuche wiedermals meine Augen zu öffnen. Doch diesmal mit mehr Erfolg. Es braucht zwar etwas, bis mein Auge sich vollständig an das Licht gewöhnt hat, aber es war es wert.

Mit meinen Augen versuche ich mich möglichst gut umzusehen, ohne wirklich Körpermuskeln einsetzen zu müssen, da ich ganz genau weiß, dass diese viel zu taub für mich sind.

,,Soll ich einen Arzt holen?" Sarah sieht ziemlich unsicher aus und sieht mich an, als ob ich ein Alien wäre. So schlimm kann ich doch nicht aussehen! Obwohl.. nach einem Flugzeugabsturtz?

,,Nein.. Sehe ich so schlimm aus?" Ich versuche wirklich, eine feste Stimme hinzubekommen, doch dies scheitert kläglich. Meine Stimme hört sich an, als hätte ich noch nie ein Wort gsprochen und wüsste nicht wie es geht. Als würde aus meinem Hals nur heiße Luft entfliehen.

,,Ehm.. nein?", sie hört sich unsicher an. Sie lügt. ,,Du hast gezögert!", knurre ich. Naja. Knurren kann man das nicht nennen. Wie gesagt. Als würde nur heiße Luft entfliehen.

Sarah betrachtet den Boden, als gäbe es nichts Interessanteres, ehe sie aufsteht und aus dem Zimmer verschwindet. Ist das ihr Ernst? Ich mochte sie noch nie. Und das hat sich immer noch nicht geändert.

Doch ehe ich es mich versehe, kommt sie wieder herein gestürmt, mit einem Handspiegel in der Hand und hält ihn mir vors Gesicht.

Geschockt halte ich die Luft an. Mein halbes Gesicht ist umhüllt mit Bandagen, und den Teil des Gesichtes, den ich noch sehe, sieht trocken und.. kaputt aus. Natürlich hätte ich nicht gedacht, dass ich eine Supermodelfigur nach dem Absturtz hätte. Aber das es so schlimm ist.

,,Das ist nicht alles, Saphira. Du hast deinen Körper noch nicht gesehen. Du hast am Knie und am Bauch eine Narbe, und es sind nicht einmal kleine Narben. Dafür ist die am Bauch nicht sehr auffällig. Ich meine.. man sieht und fühlt sie, aber auf dem ersten Blick sieht man sie nicht. Also Saphira, keine kurzen Kleider und Röcke mehr!", sie versucht den letzten Teil humorvoll rüber zubringen, was jedoch kläglich scheitert.

Sie schweigt, während ich weiterhin sprachlos in den Spiegel schaue, den Sarah mir vor die Nase hält. ,,Nein, Sarah. Mein Körper ist nicht das Einzige was ruiniert ist. Etwas viel Schlimmeres ist ruiniert: mein Leben."


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top

Tags: