regen.
"Es war deine Idee, zum Spielplatz zu gehen."
"Bis heute mein bester Einfall."
"Du erinnerst dich noch, was da passiert ist?"
"Natürlich! Wie könnte ich das jemals vergessen?"
Du recktest dein zartes, auch im späten Herbst noch sommersprossenübersätes Gesicht dem Himmel entgegen und kichertest, als dich ein Regentropfen genau auf der Nasenspitze traf.
"Na komm, zieh doch mal diese Kapuze aus. Regen ist schöööön!"
Ich gab ein Grummeln von mir, schüttelte dann aber gespielt entnervt den Kopf und ließ mir von dir meinen einzigen Regenschutz vom Kopf zupfen.
Das war schon immer so gewesen. Ich konnte dir und deinen Bitten einfach nicht widerstehen.
Nun schüttelte ich den Kopf wie ein nasser Hund, sodass meine kinnlangen, glatten schwarzen Haare um meinen Kopf flogen und dich beinahe frontal ins Gesicht trafen.
"Obacht!" Du fingst erneut an zu lachen, und tatest dann etwas, was Funken durch meinen gesamten Körper jagte - du ließt deinen Koffer im Schutz der Bushaltestelle, an der wir gerade angekommen waren, einfach stehen und schnapptest dir meine Hand.
Kurz hieltest du inne, um mir forschend ins Gesicht zu sehen, wie um zu fragen ob das hier - was auch immer das war - in Ordnung war.
Die Röte, die mir sogleich ins Gesicht stieg, schien dir Antwort genug zu sein, und du zogst mich weiter.
Deine Hand war warm und weich, wenn auch etwas feucht aufgrund des ganzen Regens.
Ich wollte nie wieder loslassen.
Wo du hinwolltest, wurde mir spätestens dann klar, als du den Weg zu unserer alten Grundschule einschlugst.
"Spielplatz?" -"Yeah, wenn das für dich in Ordnung geht - ich war schon ewig nicht mehr da." - "Klar geht das in Ordnung. Ich nämlich auch nicht; niemals ohne dich."
Ich zog meine Hand aus deiner, da das Lächeln, was du mir schenktest, schon wieder ganz komische Dinge mit mir anstellte. Ein Schatten huschte über dein Gesicht, so schnell, dass ich mir nicht sicher war, ob ich ihn mir vielleicht nur vorgestellt hatte.
Aber gleich darauf grinstest du wieder:
"Die Rutsche!" Dein Tempo beschleunigte sich, sodass ich Schwierigkeiten bekam, mitzuhalten, dann stehen blieb und mich theatralisch keuchend auf meine Knie stützte.
"Nicht so schnell! Vergiss nicht, du hast eine alte Frau im Schlepptau, ich bin nicht mehr so flink wie in meinen jungen Jahren!"
Ohne dich umzudrehen, riefst du lachend zurück: "Krieg' dich zusammen, El, du bist nur zwei Jahre älter. Wobei, nicht mal. Ein Jahr und neun Monate."
Ich liebte, wie sich mein Spitzname aus deinem Mund anhörte.
An der Rutsche angekommen, zwängte ich mich hinter dir in die Plastikröhre - an der sich mittlerweile nur noch erahnen ließ, dass sie einmal rot gewesen war - und gab dir einen kräftigen Schubser.
Dann betete ich, dass die Rutsche - die nun mal für Grundschulkinder und nicht für dreizehn- und fünfzehnjährige Mädchen gemacht war - unser Gewicht aushalten würde, und ließ mich hinter dich fallen.
Trotz meines gebrüllten "Bahn frei!"s rutschte ich geradewegs in dich hinein- und schlang instinktiv die Arme um deinen Körper.
Ich erstarrte.
Bildete ich mir nur ein, dass du dich leicht nach hinten lehntest?
Stellte ich mir den leisen Seufzer, der über deine Lippen kam, nur vor?
Redete ich mir nur ein, dass dein Lachen für einen kurzen Moment stockte?
Überall, wo wir uns berührten, begann meine Haut heftig zu kribbeln.
Du standest abrupt auf und liefst zu der Korbschaukel hinüber.
Ich beschloss, das genaue Analysieren und Interpretieren dieses Moments auf später zu verschieben, und rannte dir hinterher.
Der blassblaue, geflochtene Korb schaukelte ein bisschen, als ich mich hineinfallen ließ.
Auch er war nicht für Mädchen in unserem Alter und von unserer Größe gemacht - es war eng, und ich konnte gar nicht anders, als mein Bein unter deins zu schieben und meinen Arm so zu platzieren, dass unsere Fingerspitzen nur Millimeter von einander entfernt waren.
Dein Blick fiel auf unsere Hände und wanderte dann über mein Gesicht, forschend, als stünde darin eine Antwort auf eine Frage, die nur du kanntest.
In einem plötzlichen Anfall von entweder Mut oder Torheit bewegte ich meine Hand ein Stückchen zur Seite und verschränkte unsere Finger.
Du erschauertest leicht.
"Ich glaube, mit mir ist irgendwas falsch."
In deiner Stimme schwang etwas mit, was ich nicht ganz einordnen konnte.
Ich öffnete den Mund, bereit, dir zu widersprechen und alles zu verneinen, aber dein Blick ließ mich verstummen. Schmerz. Hoffnung. Sehnsucht. Und etwas wie... Verlangen?
Du redetest weiter, und deine Stimme zitterte.
"Ein Junge wollte mich küssen. Er war nett, relativ hübsch, und wir verstanden uns gut, aber ich kam nie auf die Idee, dass er in mir mehr als eine Freundin sehen könnte.
Und als er sich dann nach vorne lehnte - ich habe nichts gefühlt. Gar nichts. Höchstens ein wenig Abscheu, oder Ekel."
Mein Herz schlug so laut, dass ich sicher war, man müsste es in einem Umkreis von sieben Kilometern noch hören.
"Ich wollte ihn nicht küssen. Ich wollte so etwas generell mit keinem Jungen haben."
Du blicktest mich verzweifelt an.
"Eine Freundin hat bei sich zuhause überall an den Wänden Poster von diesem einen Schauspieler hängen, den anscheinend jedes Mädchen in unserem Alter "hot" finden sollte.
Ich habe mit meinen Freundinnen über ihn geschwärmt, aber innerlich - ich habe nichts gefühlt. Keinen Funken Attraktion."
Mein Hals war trocken und meine Stimme genauso:
"Vielleicht... bist du Aromantisch? Oder Asexuell?"
Du lachtest verzweifelt.
"Nein - damit käme ich klar, das würde ich noch verstehen.
Aber das kann nicht sein."
Ich schluckte.
"Wieso?"
Deine Augen wanderten über mein Gesicht, bis hinunter zu meinen Lippen, wo sie verharrten.
"Weil ich mit dir alles fühle."
Und dann küsste ich dich.
Ich weiß nicht, wie ich den Mut aufbrachte; normalerweise warst du die waghalsige, risikobereitere von uns, aber es schien in der Situation das einzig Richtige zu sein - und du küsstest mich zurück.
Das, was ich empfand, wenn ich dich aus Versehen berührte, selbst die Gefühle, die mich durcheinandergebracht hatten, als du meine Hand genommen hattest - all das war vielleicht ein Windhauch im Vergleich zu dem Wirbelsturm, den dein Kuss tief in meinem Inneren auslöste.
Die Regentropfen, die mir eiskalt den Rücken hinunterrannten, waren mir egal.
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