13
Reese
„Wo ist sie?" Meine Frage richtet sich an Miles. Er ist nicht umsonst unser kühler Kopf. Miles hat seine Augen überall könnte man meinen.
Während ich meine Kleidung gewechselt habe und das Board in mein Auto gebracht habe, muss sie verschwunden sein. Nur wieso hat sie nichts gesagt, war die Situation vorhin vielleicht doch eine Spur zu krass?
Er gibt einen leisen triumphalen Laut von sich und nickt in Richtung der grünen Rampe.
Mia ist unschwer zu erkennen, mit den platinblonden Haaren sticht sie heraus. Dazu kommt noch ihr pinkes Top.
Ich seufze still und frage mich ernsthaft, was eigentlich passiert ist.
Plötzlich knufft Kevin Miles in die Seite. „Alter, er meint nicht Mia."
Die Szene ähnelt dieser einen aus Grey's Anatomy. Derek fragt Richard „wo SIE ist", Addison rennt auf ihn zu und Adele meint nur zu Richard „Das ist nicht die Sie, die er meinte". Chrissy hat mich früher gezwungen die Serie mit ihr zu schauen. Damals fand ich es grässlich... heute... vermutlich immer noch.
„Oh..."
Ehrlich gesagt bin ich erstaunt von Kevin. Dass er kapiert hat, wen ich meinte und Miles nicht...
Meine Gedanken hängen allerdings noch viel zu sehr bei dem, was vorhin alles passiert ist. Es war ein Ansturm auf mein Inneres. Erst dieses nagende Gefühl, das ich nicht erklären konnte, als Kaylee und Andrew gesprochen haben. Vielleicht hat es mir nicht gepasst, weil sie auf Noah aufzupassen hatte, doch Kevin war bei ihm... eine andere Erklärung hätte ich nicht.
Dann ihr Blick zu mir, das Daumenhoch der beiden... der gelungene 900. Unzählige Menschen, die die Rampe gestürmt haben. Alle waren sie darunter. Miles, Kevin, Mia, Bekannte vom Skaterpark, Kaylee, Noah... wobei das mit Abstand – nach dem 900 – das Beste war. Noah zu sehen... und zu wissen, dass er mich dabei beobachtet hat, wie ich etwas so unglaublich Garstiges bezwungen habe wie diesen Trick.
Und natürlich der Moment mit Kaylee... ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Sie hat mich mit diesem Leuchten betrachtet, diesen Spruch von sich gegeben. Keine Glückwünsche, keine Umarmung. Sie war einfach da, hat mir den Raum gegeben und Noah und... ich weiß es nicht...
Irgendwas an ihrer Art bringt mich zur Weißglut, zum Lachen und macht mich süchtig danach – nach ihr.
Kann man süchtig nach einem Menschen sein? Kann ICH süchtig nach einem Menschen sein?
Eigentlich kann ich sie doch gar nicht wirklich leiden?
Kaylee ist eingebildet, sarkastischer als jeder Zyniker und hat diese Stimmungsschwankungen wie eine Schwangere... wir keifen uns in einer Tour an. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir mehr als drei normale Sätze miteinander getauscht haben. Bis auf den Matheunterricht damals... aber wir haben selbst zu dieser Zeit kaum miteinander gesprochen und jetzt?
Jetzt fühlt es sich an, als würden wir nicht mehr loskommen. Alles wegen einer verdammten Nacht? Das kann nicht sein. Das muss sich in meinem Kopf abspielen.
Es macht mich wahnsinnig, es nicht genau zu wissen. Dinge müssen Sinn ergeben, sie müssen einfach. Alles hat doch einen Sinn.
„Da drüben, bei der Wiese. Sie spielen Football."
Meine Augen hätten verbunden sein können, selbst dann hätte ich dieses Bild vor mir gehabt. Kaylee vorne, Noah als Quarterback und Ballverteiler und Andrew dicht vor ihm. Ich traue mich wetten, dass sein Fokus nicht darauf liegt Noah zu schützen, sondern auf Kaylee Hintern.
Allein wie er beim letzten Mal mit ihr geflirtet hat... und Kaylee...
Mein Kiefer spannt sich reflexartig bei diesem Anblick an, doch mein Gesicht hüllt sich in eine Leere.
„Du bist ziemlich fixiert auf sie in letzter Zeit."
Miles... nicht schon wieder.
„Sie ist mit Noah hier. Soll ich meinen Bruder ignorieren?"
Beide Jungs stöhnen neben mir synchron und ich spüre die bohrenden Blicke. „Mann, wie du vorhin einfach weggerannt bist, um zu 'Noah' zu flüchten. Ich weiß ja nicht, Mia fand das jedenfalls gar nicht cool."
„Und ich glaube jeder um euch hat es gemerkt, dass ein Zentimeter zwischen euch gefehlt hat und keiner hätte mehr vorhersagen können, was als nächstes passiert."
„Seid ihr beide eigentlich übergeschnappt? Nur weil ich..." Ich halte inne. Noah wirft den Ball und wird dabei fast abgeräumt. Jackson hat den anderen gerade noch so beiseite getakelt. Andrew... Andrew beobachtet die Flugbahn.
Gut, eventuell stand er doch nicht so dicht vor Noah und hatte keine Chance ihn zu beschützen.
Ich bete nur, dass die Jungs meinen Bruder nicht dermaßen hart umrennen. Er ist fünf und keine fünfzehn und vielleicht halb so groß wie die meisten dort.
„Weil?"
Rasch schüttle ich meinen Kopf, sehe noch, dass Kaylee ihn fängt und prompt einen Check kassiert. Sie rutscht über den Rasen ins imaginäre Aus.
„Weil es verdammt anstrengend war diesen Stunt zu machen und alle über mich hergefallen sind."
„Als Dean Miller zu dir kam hast du aber anders reagiert."
„Dean Miller ist auch nicht alle."
„Dean Miller ist aber auch nicht Kaylee."
„Könnt ihr das vielleicht einfach abstellen? Wir haben..." Ich senke meine Stimme, es muss nicht jeder hier wissen, was passiert ist. „... einmal miteinander gevögelt und das wars. Sie versteht sich halt mit Noah super und er mag sie offenbar sehr gerne... ich habe meinen Vorteil an dieser Geschichte. Warum sollte ich es nicht zulassen?"
„Ja, Reese. Warum solltest du es nicht zulassen? Vielleicht weil da drüben ein Mädchen steht, deine FREUNDIN, und auf dich wartet?"
„Sie steht auch morgen noch da, solange ich hier bin."
Mir ist selbst bewusst, wie arschig diese Aussage gerade klang, aber ich habe keine Zeit mich dafür schlecht zu fühlen. Ich fühle mich nicht mal schlecht dafür. Das ist ja das Problem...
Ich fühle es nicht.
Dieser zweite Versuch... es war einfach naiv und albern zu glauben, da könnte noch was werden. Gut möglich, dass ich mich auch von Kevin und Miles habe beeinflussen lassen.
Die Blicke der Beiden sind Antwort genug. Eine Antwort, die ich nicht gebraucht hätte... Miles legt seine Hand auf meine Schulter und mustert mich ausgiebig. Kevin hingegen seufzt nur lautstark. „Mia ist ein Mensch, Reese. Ein Mensch, der dich liebt und auch, wenn du sie nicht liebst, heißt das nicht, dass dir das scheißegal sein kann. Mach Schluss, mach was du für richtig hältst, aber wenn du nicht Schluss machst, dann werde diesen verdammten Blick los, mit dem du Kaylee betrachtest."
„Die hängt sowieso an Drews Lippen. Der hat sie." Der Kommentar dreht mir den Magen um.
Kaylee ist mir wichtig geworden, irgendwie – auf eine eigene Art und Weise. Und Andrew... er ist nicht für seine Beziehungen und sanfte Seite bekannt. Er ist ein Weiberheld, der besser flirten kann als Barney Stinson.
Ich will nicht, dass er ihr weh tut.
Und ich will das Mia nicht weiter antun... oder?
„Kommt ihr mit rüber? Die brauchen bestimmt noch Unterstützung." Mit einem Nicken zum „Football-Feld" wechsle ich das Thema subtil und hoffe still, dass sie es auch nicht mehr ansprechen werden – zumindest heute.
Zögerlich stimmen die Zwei zu.
Gemütlich schlendern wir über den Platz. Es sind unglaublich viele Menschen hier. Vorhin ist mir das nicht so extrem aufgefallen, doch das lag womöglich an der Aufregung vor dem Stunt. Meine Nerven waren blank, bis ich...
Kevin boxt mir in den Arm, weil wir bei der Wiese angekommen sind. „Welches Team?" Ich zucke mit den Schultern und wechsle einen Blick mit Miles. Dieser tut es mir gleich und grinst unschuldig. Zu gerne würde ich manchmal in seinen Kopf blicken können. Es wurmt mich unglaublich was darin vorgeht.
„Reese!" Noahs Ruf reißt mich heraus.
Während er auf mich zu stürmt, den Ball fest unter dem Arm, studiere ich das Geschehen hinter ihm eingehend. Die gesamte Runde beobachtet uns und schmunzelt. Acht Mann pro Team – naja, sieben und Kaylee.
Mit großen Augen strahlt er mich an. „Spielt ihr mit?" Ich will gerade antworten, da plappert er schon wieder weiter: „Aber es können nur noch zwei mitmachen, weil wir sonst ungerade sind. Also du und Kevin oder Miles."
„Ich pausiere gern.", lacht Miles mit erhobenen Händen und trottet prompt an den Rand zu den „Zuschauern".
Miles ist nicht der größte Team-Sport-Mensch. Nicht so wie Andrew, oder auch ich – obwohl das gelogen ist. Ich spiele vielleicht Basketball in der Schule, aber es hat seine Gründe, warum ich meine Energie nicht darin investiere, sondern in mein Board. Das hier ist mein Leben. Es ist meine Kontrolle und nicht die, einer ganzen Horde Menschen.
Daher verstehe ich Noahs Ballspiel-Wahn nicht. Für mich ist das nichts, nicht wirklich.
„Wird das heute noch was oder gebt ihr schon auf?" Kaylees Stimme tönt über den Platz, wofür sie einiges an Gelächter erntet und Andrews Augenzwinkern.
Meine Hände jucken reflexartig und ballen sich leicht zu Fäusten. Sobald mir das bewusst wird, öffne ich sie wieder. Das ist kein gesundes Verhalten.
Drew und ich sind Kumpels. Ich mag ihn nicht sonderlich, aber wir kommen klar, ich sollte nicht derartig reagieren.
Er wird sie verletzten – summt eine leise Stimme in meinem Kopf.
„Ihr könnt zusammen sein, ich nominiere Kay für mein Team."
Noch ein Grund mehr, warum ich meine Fäuste ballen möchte.
Kann er nicht einmal seine Klappe halten?
Einmal?
Ich lenke Noah in die Richtung der Spielfeldmitte. Zugegeben, es ist nicht wirklich ein Spielfeld. Die „Zuschauer" umsäumen ein Rechteck und alte Straßenkegel stecken die Goal-Line ab. Sie müssen die alten Dinger aus dem Schuppen geholt haben. Ein Wunder, dass sie noch nicht gestohlen wurden. Das Ding verdient den Namen Schuppen nicht, eher Wrack oder Baracke, aber nicht Schuppen.
„Ist das okay für dich, Noah?" Kaylee kniet sich auf Noahs Augenhöhe. Jetzt kann ich die Grasflecken auf ihrem Shirt und der Hose erkennen. Es scheint sie nicht im Geringsten zu kümmern. Im Gegenteil, ihr gesamter Körper ist von Grashalmen übersäht und hier und da klebt ein wenig Erde an der Haut.
Noah nickt langsam, während er zwischen ihr und Andrew seinen Blick gleiten lässt, ehe er sich zu mir dreht. „Ich bin der Quaterback. Die anderen wissen das schon."
„Du bist unser Quaterback?" Kevin kann sich sein Verblüffen nicht verkneifen und ich werfe ihm einen scharfen Blick zu woraufhin er sich gespielt ehrfürchtig auf die Brust schlägt. „Dann können wir ja nur gewinnen." Dieser Schlachtruf klingt tatsächlich überzeugend, sodass ich grinsen muss.
Mein Bruder lässt den Ball in seinen Händen tanzen.
Dann nicke ich Kaylee und Andrew zu. „Wir sind bereit, oder?" Ein Blick in die Runde hinter mir und alle wippen zustimmend mit ihren Köpfen. Den Großteil kenne ich sogar. Da sind Dan und Raymond, Jason, Griff...
Na, das kann was werden...
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Football-Time - kennt ihr euch aus? Könnt ihr was damit anfangen? Oder wollt ihr hier noch einen kleinen Crashkurs, um das nächste Kapitel ein bisschen besser umreißen zu können?
XX Ane
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