Kapitel 8


Scarlett

Meine Hand bewegte sich auf und ab, während ich das Deck zu Ende schrubbte. Immer wieder tropften einzelne Salzige Tränen auf den Boden und färbten diesen dunkel. Mir tat mein ganzer Unterleib weh. Das war schlimmer gewesen, als meinen kleinen Finger zu verlieren. Ich wünschte, er hätte mir alle Finger abgehakt, statt mich auf diese Weise zu demütigen. Schluchzend setzte ich mich vom vierer stand auf und sah hoch in den Sternenhimmel. Ein paar dicke Wolken flogen über uns hinweg. Einzelne Laternen hingen hier und dort, um das Schiff nicht im Dunkeln zu lassen. Nachdem ich aus Hawks Zimmer ging, bin ich zu Moha. Ich hatte mich bei ihr versucht zusammenzureißen. Sie wusste genau, was er getan hatte. Und sie hatte keine aufbauenden Worte für mich, ich wollte aber auch keine. Ich nahm die komische Medizin, die anscheinend verhinderte, dass ich am Ende ein Kind in mir tragen würde und dann ging ich an die Arbeit. Nun waren Stunden vergangen, in denen ich weiter schrubbte. Die meisten schliefen bereits und es war schon fast morgens. Nur einzelne waren wach und hielten anscheinend wache. Ich schloss meine Augen und atmete tief ein. Als mir mein Unterleib wieder schmerzte, verzog ich das Gesicht und begann weiter zu schrubben.

*************

Als ich endlich fertig wurde, ging bereits die Sonne auf und erhellte in schönen Farben den Himmel. Ich hatte wirklich die gesamte Nacht gebraucht. Ich wischte mir mit meinem Handrücken über die Stirn und sah mich um. Ich hatte das überraschenderweise wirklich gut hinbekommen. Mit schmerzen beugte ich mich vor und nahm den Eimer, schüttete das Wasser ins Meer und lief unters Deck. Ich wollte mir etwas zu essen holen, aber es war nichts mehr da. Der Schiffskoch war auch nicht da, er schlief anscheinend noch. Unsicher suchte ich nach etwas Brauchbarem, aber wie es aussah, wurde meine Portion bereits aufgegessen. Ich war müde und hungrig und mir tat alles weh. Seufzend, verließ ich die Küche, lief an ein paar schlafende Männer vorbei und ging in meine Zelle. Ich rollte mich zusammen und fing wieder an zu weinen. Ich war nicht mehr unberührt. Niemand von den Adligen würde mich jetzt noch wollen. Jetzt war ich wahrlich nichts mehr wert. Ich war eine Hure, keine Prinzessin mehr. Einfach nur eine Hure. Ich presste die Lippen zusammen, damit ich keinen mit meinem Geheule störte und schlief ohne Decke, auf dem Boden in der Ecke irgendwann ein.

Ein Eimer Wasser holte mich aus dem kurzen Schlaf, den ich nur hatte und ich sah erschrocken auf.

»Guten Morgen, Eure Hoheit«, meinte dieser Scheusal neutral und stellte den Eimer weg. »Ich hoffe, die Nacht war angenehm?«

Ich wischte mir das Wasser aus dem Gesicht und hustete. Augenreibend blinzelte ich und sah wieder hinauf. »Du....« nuschelte ich nur und wandte mein Blick ab. Er hatte mich benutzt. Mir meine Unschuld genommen und schien es auch noch zu genießen. Immer wenn ich ihn ab jetzt ansah, erinnerte ich mich an die Schmerzen. Apropo schmerzen.....Ich hatte wirklich Hunger...wie viele Tage war es nun her, dass ich gegessen hatte? 4...nein, ich glaube schon 5 Tage. »Ich .....Habe das Deck geputzt....« sagte ich nur, weil ich ihn kaum ansehen konnte. Er wusste natürlich nicht, dass ich die ganze Nacht dafür gebraucht hatte, während er wie ein Baby schlief. Widerling!

Er schloss die Tür auf und warf mir neue Kleidung, wie einen Lappen und Seife hin. »Ich weiß, ich habe es beobachtet, kleine Hexe. Und obwohl es eher schlecht als recht gemacht wurde, will ich mal nicht so sein. Du kannst es heute besser machen.« Grinsend nickte er auf die Sachen. »Los. Mach dich fertig. Es gibt Arbeit zu erledigen.«

Nun sah ich ihn doch an. Er hatte mich beobachtet?

Wieso hat er nicht geschlafen?

Meine Augen wanderten zu den Sachen, der Seife und den Lappen hin. Als ich ihn wieder ansah, könnte ich kotzten. Genauso hatte er gestern ebenfalls gegrinst. Dieser ekelhafte.....

Am liebsten würde ich ihm sagen, er solle die Arbeit selbst machen und mich in Ruhe lassen. Aber ich hatte Angst und hoffte, dass ich zumindest danach etwas Essen bekam. Aber vielleicht log er mich auch die ganze Zeit nur an und er hatte nie vor mir essen zu geben. Ich nahm die Sachen an mich und stand mit einem schmerzverzerrten Gesicht auf. Dann sah ich ihn abwartend an, wollte er mir etwa zusehen oder was?

»Worauf wartest du?«, fragte er und sah mir in die Augen.

Ich zog die Brauen zusammen. »Das du gehst«, antwortete ich sichtlich verwirrt.

Dieser ekelhafte Kerl grinste breiter und hob eine Braue, während er sich einen nicht existenten Fussel von der Schulter schnippte. »Ich möchte sicherstellen, dass du dich anständig wäschst. Immerhin hast du das erst zweimal alleine gemacht.«

Ich drückte die Sachen fester an mich und schluckte. Er machte sich über mich lustig. Hatte es nicht gereicht, was er mir gestern angetan hatte? Dann seine dumme Lüge, ich dürfte essen, wenn ich meine Arbeit tat. Ich hasse ihn. Meine Unterlippe zitterte, aber ich sagte nichts mehr. Für Scham war hier kein Platz, das hatte Moha mir gesagt.

Ich legte alle Sachen auf den Boden ab und holte mir einen Eimer Wasser. Ich zögerte, mehrere Sekunden zögerte ich, doch was hatte ich für eine Wahl? Er war viel größer als ich, stärker, breiter und.....meine Augen sahen zu ihm hoch.....er war nun einmal ein Mann und damit in allem besser als ich, als eine Frau. Ich zog mir die Sachen aus, erst die Hose dann die Tunika. Danach hockte ich mich vor den Eimer und tunkte den Lappen ins lauwarme Wasser. Ich befeuchtete meine Haut, fuhr mit dem Lappen überall entlang, auch zwischen meine Beine. Ich lief noch etwas Saft von ihm .....diesem ekelhaften.....es lief aus mir heraus und als ich zu ihm aufsah, und sein dummes grinsen sah, wäre ich am liebsten auf ihn losgegangen.

Er dagegen ließ seinen Blick über mich wandern, und ein kleiner Schatten legte sich um seine Augen, bevor er sagte: »Bevor du mit deiner Arbeit loslegst, soll Moha mit dir zum Schiffsarzt. So zerrupft und voller Blutergüsse bist du ja kaum zu gebrauchen.« Er zog eine Bürste aus der Manteltasche und ebenfalls einen Tiegel mit meiner Mischung Zahnputzmittel. Er beugte sich zu mir und stellte es hin. »Sie wartet an Deck auf dich.«

Ein Stück überrascht sah ich ihn an. Aber das legte sich schnell wieder. »Deine Worte kannst du für dich behalten. Das alles hast du mir angetan. Also tue nicht so und verschwinde endlich.« erwiderte ich wütend. Es reichte mir langsam. Ja, ich hatte Angst, bei der heiligen Mutter Maria, ich zitterte am ganzen Leib. Aber seine dumme Aussage, nein, ich würde bestimmt nicht bei seinem Spiel mitspielen. Er hatte mich so zugerichtet. Ich wandte mich ab und drehte ihm den Rücken zu.

Dieser Teufel stand auf und trat mich mit dem Fuß, nicht hart, aber stark genug, dass ich umkippte, in die von Mohas Dolch verletzte Seite.

»Versuch doch erneut, mir auf MEINEM Schiff Befehle zu erteilen, kleine Hexe. Das nächste Mal trete ich fester zu.« Er sah auf meinen nackten Körper herab. Der Blick wieder gefährlich neutral. »Ich weiß, dass ich das getan habe. Und ich weiß, dass ich noch weit mehr tun werde, bis dein freches Mundwerk endlich seinen Dienst aufgibt. Dennoch will ich, dass du deine Arbeit gut machst, also lasse dich flicken, was ich beschädigt habe.« Er starrte mich verheißungsvoll an. »Immer und immer wieder.«

Ich stemmte mich mit meinen Händen auf, drehte meinen Kopf und sah ihn mit Tränen in den Augen an. Ich öffnete meine Lippen um etwas zu sagen, doch schloss ich sie wieder und sah dann auf den Boden. Mit meinem Arm wischte ich mir über die Augen und unterdrückte ein schluchzen.

Ich hasse diesen Mann.

Stumm weinend, begann ich meinen Körper zu waschen, putzte mir die Zähne und versuchte meine zerzausten Haare in Griff zu bekommen. Als ich wieder angezogen war, wartete ich darauf, dass er mich vorbeiließ. Ich sah ihn nicht an, sondern nur auf den Boden. Meine Tränen hatten aufgehört zu laufen und ich ballte nur meine Hände zu Fäusten. Ich war verletzt, wütend und wollte einfach nur weg. Nein, ich würde verschwinden. Sobald das Schiff irgendwo anlegte, verschwinde ich. Das schwöre ich.

Hawk kreuzte die Arme vor der Brust und sah auf mich herab. Den Kopf schief gelegt, starrte er mich länger als nötig an, ehe er sagte: »Du könntest wohl ziemlich hübsch sein, wen du nicht so verschrammt und verheult wärst. Fast perfekt«, raunte er. »Ohne Narben, blaue Flecke, mit allen Fingern, wärst du sicher eine Schönheit. Warum würde der König dich also an den alten Thimotheé verschachern? Will er Frankreich und England zu einem Reich vereinen? Wärst du dann die Königin beider mächtigen Länder?«

Ich hasse ihn.

»Ich weiß, wie ich aussehe.« log ich. Denn eigentlich hatte ich keine Ahnung, wie ich aktuell aussah. Auf diesem Schiff hatte ich noch kein einziges Mal in den Spiegel geschaut. Aber womöglich hatte er recht. Ich war mal schön, jetzt war ich ein nichts. Traurig wagte ich mich zu ihm hochzusehen. Seine verschiedenen Augenfarben irritierten mich etwas, doch er sah vermutlich für die meisten Frauen ansehnlich aus. Er war groß, breit gebaut und hatte schöne braune Haare. Sein kantiges Gesicht, seine Lippen und Nase....sie waren auch nicht schlecht. Ja, er wäre gutaussehend, wenn ich ihn nicht so sehr verabscheuen würde.

»Ich....würde dir gerne eine Gegenfrage stellen.« traute ich mich zu sprechen und beobachtete ihn genau. »Würdest du eine Frau als Herrscherin dieses Landes akzeptieren? Und-« setzte ich weiter an. »-mir ist bewusst, dass ein Pirat sich nicht darum schert. Aber, wenn du ein normaler Bürger wärst und nicht dieser Ekel.... « Ich stoppte mich, bevor ich ihn weiter beleidigen konnte und räusperte mich. »Wenn du ein normaler Bürger wärst, würdest du mich als Königin akzeptieren?«

Wieso fragte ich ihn das überhaupt? Er würde mir doch sowieso keine richtige Antwort darauf geben. Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Vergiss es einfach.« murmelte ich.

Das war dumm von mir.

Der Teufel packte mich auf einmal am Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. »Ich lebe nur nach den Gesetzen der Piraterie und der See. Es ist mir egal, wessen Arsch auf dem Thron sitzt. Es ist mir egal, welcher alte Sack dich letztlich nimmt, um dir einen Erben in den Bauch zu setzen. Ich akzeptiere nur MICH als Herrscher dieses Schiffes. Aber um dich deinem Kapitän besser verstehen zu lassen«, sein Griff wurde fester, »nein, eine Frau über mir, würde ich niemals akzeptieren. Ihr seid nur dazu da, bestiegen zu werden und Haus und Hof instand zu halten. Es ist kein Verlass auf Frauen. Huren, das seid ihr. Bösartige, Wesen, die nur ihr eigenes Wohl im Sinn haben und die deshalb sicher nicht meinen Respekt oder meine Achtung verdienen. Es gibt keine Frau, der ich in jeder Hinsicht vertraue. Nun, außer Moha und Marina. Doch um dieses Privileg zu erlangen, haben sie sich unzählige Mal bewiesen. Du hingegen ... jemand wie du, verwöhnt und dem echten Leben so fern wie der Mond der Sonne, hat keinen Respekt verdient.«

Mit großen Augen sah ich ihn an. Wieso wusste ich es....

Ob wohl viele aus dem Volk so dachten?

Aber ich fragte mich trotzdem, auch, wenn es mir egal sein konnte, was ihm widerfahren war, dass er solch ein Hass gegen Frauen hatte.

Aber da ich es von meinem Vater ähnlich gewohnt war, nickte ich. »Ich werde niemals Königin werden. Also brauch ich mich wohl nicht beweisen.« erwiderte ich emotionslos. Obwohl es in mir chaotisch aussah. Wieso mussten sich Frauen immer beweisen? Männer durften schon seit Anbeginn sein wie sie wollten. Wieso durften wir dieses Privileg nicht haben?

Bei diesen Gedanken, sammelten sich doch wieder Tränen in meinen Augen.

Wäre ich doch nur als Mann geboren worden, dann wäre ich niemals auf dieses Schiff gegangen und ich wäre niemals hier gelandet.

Hawk legte den Kopf schief, mein Gesicht noch in seinem Griff gefangen. »Du weinst lästig oft, huh?«

»Du gibst mir ja auch keine Gründe um zu lachen.« konterte ich komischerweise ziemlich gelassen.

»Du hast hier auch keinen Grund zum Lachen. Aber seine Schwäche so offen zu zeigen, könnte meine Männer nur anspornen, dich noch weniger als so schon zu akzeptieren, kleine Hexe. Eine Frau an Bord eines Schiffes, bringt Unglück. Eine Hexe noch dazu ... nun, ich rate dir einfach, nicht am Rand des Schiffes zu laufen, wenn jemand in deiner Nähe ist. Ich möchte dich kein zweites Mal aus dem Wasser angeln müssen.«

Er ließ mich los und machte einen Schritt zur Seite. »Geh zu Moha, dann zum Arzt und dann komm zum Hauptdeck. Es müssen an die dreihundert Fische ausgenommen werden.«

»Wie wär's, wenn du mich gar nicht mehr aus dem Wasser angelst.« schlug ich vor und wischte mir über die Augen. Wieso gab er mir Tipps? Es war doch egal, Ob ich verhungerte oder einfach im Meer ertrinken würde. Ich verstand ihn nicht. Doch ich würde auch nicht weiter nachfragen. Wenn es so weiter ging, würde ich wohl bald durch das hungern sterben. Noch paar Tage und ich komme hoffentlich in den Himmel. Die heilige Mutter Maria wird mich mit offenen Armen empfangen. Ich bekreuzigte mich wieder und flüsterte: »Bitte verzeihe mir meine Sünden.« Ich ging an ihm vorbei und lief zu Moha.

Nachdem ich anständig verarztet wurde und ich auf dem Hauptdeck landete, begann ich zu arbeiten.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top