Kapitel 26
Scarlett
Ich hörte das Meer Rauschen. Spürte das Salzwasser an meinem Körper und die Sonne erhitzte meine Haut. Ich verzog das Gesicht, drehte meinen Kopf und öffnete stöhnend meine Augen. Sofort kniff ich sie wieder zusammen und schaffte es meinen Arm zu heben, um meine Augen vor der Sonne zu schützen. Meine Lippen waren aufgerissen und trocken, mein Mund war ebenfalls trocken und ein salziger Geschmack lag auf meiner Zunge. Ich öffnete meine Lippen, aber brachte kein Ton heraus.
Ich war vom Schiff gefallen. Eine Welle hatte mich erwischt und dann....landete ich im Meer. Danach war alles schwarz, an mehr erinnerte ich mich einfach nicht. Schwerfällig drehte ich mich zur Seite und stemmte mich hoch. Ich blinzelte mehrfach den Sand aus meinen Augen und sah mich um.
Sand. Meer.
Ich ließ meinen Blick umherwandern.
Noch mehr Sand und noch mehr Meer.
Das Wasser brach und befeuchtete meine Beine.
Ich lebte. Aber wie....wie habe ich das überlebt? Ungläubig fuhr ich mir durch meine noch feuchten und sandigen Haare. Plötzlich sog ich scharf die Luft in meine Lungen, als ich mehrere Meter weiter jemanden im Sand liegen sah. So schnell wie es mir möglich war, erhob ich mich und eilte auf die Person zu. Erleichtert, dass ich nicht allein war, wurde ich schneller und stolperte regelrecht auf ihn zu. Auf meine Knie landend starrte ich Talay an. Es war wirklich Talay!
»Hey...« stieß ich mit gebrochener Stimme aus und erfasste jede Ecke seines Körpers. Zu aller erst legte ich meinen Kopf auf seine Brust und als ich seinen Herzschlag hörte, fing ich sofort an zu weinen. »Du lebst.« stellte ich fest und nahm sein Gesicht in meine Hände. Ich klopfte ihm gegen die Wange. »Talay? Wach auf....hey...hörst du mich?« fragte ich verzweifelt und hob den Blick, um mich umzusehen, aber anscheinend waren wir ganz allein auf dieser Insel. Ich sah wieder auf ihn hinab. Er war ebenfalls nass und sandig. War er auch von seinem Schiff gefallen? Nein....er ist doch niemals....
Ich presste meine Lippen zusammen, beugte mich runter und legte sie auf seine trockenen Lippen.
»Du...Du wirst wieder gesund....das...das verspreche ich dir.« flüsterte ich und strich ihm sein feuchtes Haar aus dem Gesicht.
Ich war so froh, dass er lebte und das er an meiner Seite war.
»Ich hasse dich, hörst du mich?« fragte ich und schniefte.
»Nein....eigentlich mag ich dich. Ich...Ich habe schon längst mein dummes Herz an dir verloren.« gestand ich ihm, ohne dass er es hörte.
****************
Ich hatte es mit viel Mühe und Gefluche geschafft, Talay etwas vom Wasser wegzuziehen. Nun lag er unter einer Palme und ich lief auf dieser verlassenen kleinen Insel herum. Ich suchte Wasser und eine Pflanze, die Prellungen heilen sollte. Zumindest hatte ich das mal in einem Buch gelesen. Ich wischte mir mit meinem Handrücken über die schweißnasse Stirn und stemmte meine Hände in die Hüfte, als ich mich weiter umsah. Einen kleinen Überblick konnte ich mir schon über die Insel machen. Außen herum bestand die Insel aus wunderschönem weißem Sand. Aber so mehr man ins Innere ging, war ein Art Dschungel mit vielen Bäumen und Pflanzen zu finden. Und als ich immer tiefer ins Innere eindrang, erblickte ich irgendwann eine Holzhütte. Mit großen Augen lief ich auf die Hütte zu. »Hallo? Ist jemand da?« fragte ich vorsichtig und klopfte an der Tür. Doch als diese mit einem lauten Knarren aufging, hielt ich inne. Es war nicht abgeschlossen. Langsam betrat ich die Hütte und schaute. Überall hingen Spinnweben und Käfer liefen umher. Die Hütte war verlassen, aber anscheinend hatte hier irgendwann mal jemand gelebt. Ich sah mich weiter um, versuchte etwas zu finden, dass wir gebrauchen konnten und als ich nach einer langen Suche wirklich mehrere Fässer voll mit Wasser und Rum fand, fragte ich mich wirklich, ob der Heilige Herr über uns wachte. Ich fand noch eine Öllampe und nahm, neben zwei Holzbecher und einem kleinen Fass Wasser, auch die Öllampe mit zurück zu Talay. Es war sehr schwer zu tragen, aber ich biss die Zähne zusammen und war froh, als ich alles neben ihm ablegen konnte. Ich säuberte die Becher und füllte sie mit Wasser. Erst nahm ich einen langen Schluck und dann setzte ich mich an Talays Kopf und versuchte auch ihm etwas Wasser zuzuführen.
Neben dem Wasser, fand ich auch Stunden später die Pflanze, die ich suchte. Ich zupfte die Blätter ab und legte sie mir in den Mund. Während ich kaute und daraus eine Paste zu machen, suchte ich Holz. Ich hatte keine Ahnung, wie ich ein Feuer machen sollte, aber vielleicht bekam ich es ja trotzdem hin.
Es vergingen weitere Stunden in denen ich die Paste auf seine Prellung verteilte und mit einem Stück Stoff von meinem Kleid verband und versuchte ein Feuer zu machen. Die Sonne war schon fast am Horizont verschwunden, als Ich einen frustrierten Laut ausstieß.
Ein Stöhnen ertönte hinter mir und sofort drehte ich mich herum, nahm die Öllampe und lief zu ihm. »Talay?« fragte ich und setzte mich neben ihn hin.
Wieder stöhne er und hustete trocken. Dabei riss seine trockene Lippe ein und blutete, während er leise und kratzig einen Fluch ausstieß. »Ich ... nehme zurück, was ich gesagt habe. Von heute an, renne ich dir hinterher, wenn du abhaust und kämpfe mit jeder Waffe gegen dich, wenn du mich angreifen willst. Aber ...«, wieder stöhnte er und blinzelte Salz und Sand aus seinen Augen, »landest du noch einmal im Meer, weil du springst, fällst oder von mir aus geschubst wirst ... dann ... überlasse ich dich Poseidons Gnade. Soll er sich doch um ... dein Leben kümmern. Ich ...«, sein Mundwinkel zuckte, »für meinen Teil bin einmal zu nass geworden.«
Wie konnte er gleich, wenn er wach wurde, solche Worte sagen? Ich schüttelte mit einem leichten schmunzeln den Kopf, nahm etwas Wasser und reinigte sein Gesicht von dem Salz und dem Sand. Danach wischte ich ihm das Blut von den Lippen und hob seinen Kopf an, damit er etwas trinken konnte. »Du bist also wirklich mir nachgesprungen, um mich zu retten?« fragte ich leise. Die Tatsache, dass er das getan hatte, weil ich eben seine Hexe war und sein Fluch lösen konnte, ließ ich aus.
»Ich würde gerne sagen, ich sei gestolpert und gefallen, doch das wäre unglaub-«, er richtete sich schwerfällig auf, »-würdig. Ich bin viel zu geschickt. Also, aye, ich bin gesprungen.«
Auch, wenn er mir nur aus egoistischen Gründen nachgesprungen war, konnte ich nicht leugnen, dass es mich freute. »Trink etwas.« sagte ich nur und hielt ihm wieder den Becher hin.
Talay nahm mir den Becher ab und als unsere Finger, trocken und salzverkrustet, sich streiften, sah er mich an. »Geht es dir gut, kleine Hexe?«
Er nahm einen Schluck und dann noch einen, ehe er mir den Becher hin hob.
Ich nahm den Becher zurück und nickte. »Ja, soweit schon. Nur-« ich nickte auf das ganze Holz, dass ich gesammelt hatte. »-mir ist unerklärlich, wie man ein Feuer ohne Streichhölzer machen soll.« verzweifelt sah ich wieder Talay an.
Er grinste kopfschüttelnd. »Wer würde das auch von einer Prinzessin erwarten. Ich brauche zwei trockene Hölzer und etwas trockenes Geäst oder Gras, dass ich als Zunder nehmen kann.«
Stöhnend versuchte er sich zu erheben, schrie jedoch mit zusammengebissenen Zähnen auf, als er den verletzten Fuß belastete. »Scheiße!«
»Bleib sitzen, ich werde dir alles holen.« sagte ich schnell und zeigte auf seinen Fuß. »Ich glaube, der ist verstaucht. Ich habe schon eine Paste ausheilenden Pflanzen auf die Verletzung gelegt, aber du musst dich wirklich schonen.« erklärte ich schnell und mit einem besorgten Blick. Ich beugte mich vor und kontrollierte, ob der Stoff um sein Fußgelenk noch festsaß.
Talay beobachtete mich. »Wieso tust du das?«
Ich lehnte mich zurück und sah ihn an.
Weil ich dich mag.
Nein. Das konnte ich unmöglich sagen. Er würde meine Gefühle vermutlich gegen mich verwenden. Also überlegte ich und antwortete: »Weil ich dich noch brauche.«
Ich hoffe, ich klang überzeugend.
Er hob eine Braue. »DU brauchst MICH? Wofür?«
Ich spielte an meinen Haarsträhnen herum. »Naja, um....um von der Insel herunterzukommen. Also...bilde dir bloß nichts ein. Es ist nicht so, dass ich dich mögen würde, oder so.« Ich sah überall hin, nur nicht zu ihm. Als er bewusstlos war, hatte ich ihm ja regelrecht meine Gefühle offenbart. Ein Glück hatte er davon nichts mitbekommen.
»Aye«, lachte der Mistkerl nun und grinste dann schief. »Das Trinkwasser, woher hast du es?«
Mit einem stolzen Lächeln, zeigte ich in den Dschungel. »Ich habe eine Hütte gefunden und da waren einige Fässer Wasser und Rum. Ich habe sie noch nicht komplett durchsucht, weil ich mich erst einmal um dein Wohlergehen kümmern wollte und....« Ich schloss meine Lippen und räusperte mich. »....ich meine, ja, von der Hütte im Dschungel habe ich das Wasser.« fuhr ich etwas zurückhaltender fort.
»Jemand hat es gut mit uns gemeint«, sagte Talay, rutschte zurück und stützte sich im Sitzen an die Palme. Die Sonne versank gerade gänzlich am Horizont. »Wir landen auf Tannauk. Und das zusammen, unverletzt, mit einer Hütte voll Rum, den im Übrigen, jeder Pirat dem Wasser vorgezogen hätte.« Er sah mich vielsagend an und sein Lächeln wurde verschlagen, winkelte ein Bein an und lehnte mit dem Arm darauf.
Ich nickte. »Ja, wir hatten wirklich großes Glück.« stimmte ich zu, bekreuzigte mich und sprach gedanklich ein kleines Gebet. Dann sah ich wieder Talay an, wie er so dasaß. Trotz Verletzung sah er wirklich gut aus. Ich rieb mir den Kopf. Ich hatte ihm ja sogar indirekt angeboten der Mann an meiner Seite zu werden und somit König von England, wenn ich denn irgendwann die Krone tragen sollte. Ich wusste wirklich nicht, was ich mir dabei gedacht hatte, aber zum leid Gott, hatte ich es wirklich ernst gemeint. Auch, wenn ich die Gewalt, die er mir schon entgegenbrachte, nicht vergessen konnte. »Du sagst mir also, dass du lieber ein Schluck Rum gehabt hättest, als ein Schluck Wasser?« fragte ich und sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
»Mit voller Überzeugung und aus meiner tiefschwarzen Seele., aye. Aber jetzt, sollten wir ein Feuer machen.«
Ich musste bei seiner Wortgewandtheit schmunzeln, aber nickte und erhob mich. Ich suchte alles zusammen, was er benötigte und bemerkte dabei immer wieder seinen stechenden Blick auf mir.
Ich versuchte es zu ignorieren, aber manchmal sah ich zurück und unsere Blicke kreuzte sich. Wieso sah er mich so an? Hatte ich etwas falsch gemacht? War es der Rum?
Ich wandte mich wieder dem sammeln zu und kehrte zurück. »Ich habe alles gesammelt, was du brauchst.« erklärte ich und legte ihm alles so hin, dass er sich selbst nicht weiterbewegen musste. Dann hockte ich mich neben ihm hin und sah ihm zu.
Talay sah mich seitlich an und nahm die Sachen. »Sieh hin, kleine Hexe. Ein Feuer machen zu können, kann einem gegebenenfalls das Leben retten.« Mit dem Zunder machte er ein Häufchen und türmte dann die Hölzer aufeinander. Er nahm die zwei Holzer und legte einen horizontal ab und den anderen vertikal oben auf. Mit beiden Händen rieb er das Holz schnell zwischen den Fingern und nach wenigen Minuten, qualmte es und eine kleine Glut zeigte sich. Talay legte den Zunder darauf, pustete sacht, sodass eine Flamme entsprang und legte den nun brennenden Zunder in die Holzer. Wenige Luftstöße mehr und ein Lagerfeuer knisterte neben uns.
»Morgen versuchst du es«, sagte er und lehnte sich zurück. Er trank noch einen ordentlichen Schluck und sagte dann: »Diese Insel, ist ein altes Piratenversteck. Deswegen die Hütte.«
»Ein Piratenversteck? Deswegen nanntest du die Insel Tannauk? Warst du schon öfter hier?« fragte ich und sah ins Feuer. Wie er die Flamme entstehen ließ, sah nicht schwer aus, aber ob ich das auch hinbekommen würde?
Er bejahte. »Wir nutzen viele solcher kleinen Inseln als Lagerstätte. Für Notfälle oder als versteck.«
»Also helft ihr euch gegenseitig?« fragte ich verwundert.
Wieder bestätigte der Piratenlord und sah mich dann an. »Verwundert dich das?«
Ich sah ihn ebenfalls an. »Ja, natürlich. Ich dachte ihr Piraten würdet niemals zusammenarbeiten. Ihr seid doch......Verbrecher.«
»Aye«, schmunzelte er. »Die schlimmsten, wie dir wohl selbst klar sein dürfte. Aber genau deshalb halten wir unter gewissen Vorbausetzungen zusammen.«
Ich sah auf seine Lippen, die noch etwas trocken waren und leckte mir dabei selbst über meine ebenso trockenen Lippen. »Und du möchtest von all diesen Piraten der König sein?« lenkte ich das Thema um und sah ihm weiter auf seine Lippen. Erst als es kühler wurde, erzitterte ich leicht und zog meine Beine an meinen Körper.
»Natürlich.« Talay sah mich an. »Komm zu mir.«
Ich nickte und rutschte zu ihm. »Und Melissa deine Königin.« sagte ich leise und sah wieder traurig aus. »Ihr werdet bestimmt gut zusammen aussehen.«
Er zog mich an sich, sodass ich zwischen seinen Beinen saß. Dann lachte er. »Sie wird tot sein, bevor sie sich eine Königin nennen kann, meine kleine Hexe.«
Mit großen Augen sah ich ins Feuer.
Was?!
»Du willst sie betrügen? Wieso?«
Talay lachte an mein Ohr und drückte seine Nase an meinen Hals, bevor er antwortete, atmete er tief ein. »Weil sie sonst mich tötet. Deshalb. Und-«, setzte er an, »Weil ich kein Mensch bin, der gerne teilt. Weder Gold noch Macht und auch sonst nichts anderes. Was ich will, will ich für mich alleine haben.«
Die Stelle, die er berührte, begann zu kribbeln. »Und was willst du noch, neben Gold und Macht?«
Wieso stellte ich ihm diese Frage? Was erhoffte ich mir denn bitte zu hören?
»Alles«, grinste er an meiner Haut, wohl wissend, dass ich es fühlte. »Oder willst du etwas Bestimmtes hören?«
Ja.
»Nein.« antwortete ich und belog mich damit selbst.
Der Piratenlord gähnte und drückte die trockenen Lippen dann an meine Haut. »Nichts anderes habe ich von dir erwartet, kleine Hexe.«
Was meinte er damit?
»Du solltest schlafen.« sagte ich, statt zu fragen.
Egal was ich mir vielleicht zu wünschen vermochte, es würde nicht in Erfüllung gehen. Nicht mit ihm. Ich sagte danach nichts mehr und reagierte auch nicht auf seine Lippen, die er auf meine Haut drückte. Ich sah einzig und allein auf dieses Feuer vor mir.
Zum Glück war auch ich müde, ich wollte mich nämlich nicht weiter mit meinen Gedanken befassen.
Und als ich meine Augen schloss, schlief ich im Sitzen, zwischen seinen Beinen, ein.
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