Kapitel 25
Hawk
Wir segelten seit drei Tagen in östliche Richtung. Genauso lange hatte mich die kleine Prinzessin, so wie ich es zuließ, ignoriert.
Heute Morgen war Mel aufgebrochen, um an Land zu gehen und ihre Vorräte aufzufrischen. Wir hatten noch Vorräte für gut eine Woche und müssten demnach noch nicht ankern.
Ich schwang meine Säbel im Kreis und vollführte meine Manöver, was Klaus, einen Bootsjungen ordentlich zum Schwitzen brachte. Die Sonne prasselte auf uns, doch am Horizont braute sich ein Sturm zusammen. Dicke Wolken türmten sich und säumten die gesamte Sichtgrenze.
Mein Oberkörper glänzte wegen des Schweißfilms, der auch mich befeuchtete.
»Hast du genug?«
»Aye, Kapitän.« Der an mehreren Stellen blutenden Junge nickte und zog sich zurück.
Moha, die mit Scarlett angelaufen kam, schnaubte. »Genug mit den kleinen Fischen gespielt?«
Ich grinste. »Willst du eine Runde wagen?«
Mein Blick huschte zu meiner Hexe, die in diesem lockeren, hellbraunen Kleid und der einen Korsage, die sich hatte, ziemlich gut aussah. Das Piratsein stand ihr. Ich steckte die Säbel in die Planken und zog mein Kopftuch enger, während ich sie ansah. »Oder soll ich der Prinzessin zeigen, was mein Schwert kann?«
Die Männer an Deck lachten amüsiert, während sie ihre Arbeiten erledigten.
Sie sah mich nicht an. »Kein Interesse, mich lächerlich zu machen.«
Die Gleichgültigkeit in ihrer Stimme schmälerte mein Grinsen.
Moha hingegen lächelte. »Dann wollen wir mal, hm, Kapitän?«
Ich sah die Kleine an, während Moha den Wassereimer direkt vor Scarlett abstellte, dann ihre Dolche zog, und zu mir schlenderte. Nun weckten wir das Interesse der gesamten Mannschaft und ich sah Münzen, die in einen Hut geworfen wurde. Sie wetteten, die dreckigen Ratten.
Kopfschüttelnd zog sich meine Säbel und erbeugte mich spöttisch. »Es ist lange her, Lieutenant.«
Moha schnaubte nur und die goldenen Muster auf ihrem kahlen Kopf, die ihr barbarisch mit echtem Gold in Schnitte gegossen wurde, glänzten im Licht. »Ja, ich möchte dich nicht zu oft blamieren, Kapitän.«
Meine Mannschaft lachte und so auch ich.
Als sie vor mir stand, verloren wir keine Zeit uns stürzten uns in einen guten Übungskampf mit scharfen Klingen.
Regeln gab es keine, außer dass die Wunden nicht tödlich, oder zu tief sein durften.
Moha war eine herausragende Kämpferin. Dank meiner Übungsstunden und ihrem Willen in allem die Beste zu sein. Nur hatte sie gegen mich keine Chance. Es war nicht leicht, aber einen Kampf mit ihr würde ich immer gewinnen.
Wir wirbelten umher und hieben und stachen aufeinander ein. Was am Ende zur Folge hatte, dass sie mindestens neun Wunden hatte und ich drei recht tiefe schnitte am Arm, Bauch und dem Rücken hatte.
Wir beendeten den Kampf und sie verfluchte mich. »Du bist ein elender Angeber«, brummte sie und stiefelte beleidigt weg.
Lachend sah ich die Münzen die Besitzer wechseln und lief dann zu Scarlett, nur um vor ihr stehenzubleiben. »Kümmere dich um meine Wunden, kleine Hexe.« Ohne auf ihre Antwort zu warten, lief ich auf das Vorderdeck und stellte mich an die Reling.
Der Wind zerrte an den Enden meines Kopftuchs und an den paar Strähnen, die herauslugten. Aye, ein Sturm zog auf. Ich roch es im Wind und sah es in den Wellen.
Scarlet holte von irgendwoher Alkohol, Verbände und Tücher für meine Wunden. Danach lief sie auf mich zu und blieb vor mir stehen. Sie stellte alles auf dem Boden ab und begann den Alkohol auf eines der Tücher zu kippen, bevor sie meinen Arm nahm und die Wunde abtupfte.
Ihre zusammengebundenen Haare wehten umher und landeten immer wieder in ihrem Gesicht.
Emotionslos und still tat sie, was ich ihr befohlen hatte.
Ich beobachtete sie eine Weile und als sie die Wunde an meinem Bauch verarztete, hob ich eine Hand und sammelte das Haar, das ihr ins Gesicht peitschte, und hielte es fest. »Denkst du, nicht mit mir zu sprechen, wäre eine Strafe?«
Denn, wenn ja ... hatte sie leider recht. Ich hasste, dass es so war, aber ich vermisste ihre Stimme. Das leichte Zittern darin und das gelegentliche brennen. Alles fehlte mir.
»Mir ist es einerlei, ob es für dich eine Strafe ist oder nicht«, antwortete sie und hob den Blick, um dann zu sagen: »Dreh dich um, ich muss an deinen Rücken.«
Ich grinste und sagte, während ich mich herumdrehte: »Sieh an, sie redet.«
Sie tupfte auch über diese Wunde und reinigte sie. Ich ignorierte das Brennen und biss die Zähne zusammen. »Ja, ein Gegenstand ... verzeih, ich meine natürlich ein Werkzeug, kann auch reden.«
Sie beugte sich runter, um die Verbände zu holen, doch als sie sich wieder aufrichtete, wandte ich mich ihr schon wieder zu.
»Das ist es, was dich schweigen lässt?« Sie war so, weil sie noch immer wegen der Sache mit Mel schmollte? Ich schnalzte mit der Zunge. »Du bist viel zu weich für ein Leben auf See, meine Kleine.«
»Ich bin nicht deine Kleine. Und ja, dass und die Tatsache, dass du mich brutal vor ihr geschlagen hast. Du-«, setzte sie an und fing an den Verband um meinen Bauch und Rücken zu wickeln, »-bist in meinen Augen ein Nichts. Ein Mann, der Frauen schlägt und der mich schlägt.« Sie band den Verband am Rücken fest zu und drehte mich so herum, dass ich ihr wieder in die Augen sehen musste. »Dann werd mich doch los.« Meine Hexe nickte aufs Meer. »Oder soll ich selbst springen und dir diese Aufgabe abnehmen?«
Ich beugte mich vor. »Tu dir keinen Zwang an. Wir wissen, dass du nicht den Mumm dazu hast.« Ich kam näher. »Ich entschuldige mich nicht dafür, was ich getan habe, Scarlett«, flüsterte ich ihren Namen genussvoll. »Irgendwann, wenn du deinen Verstand benutzt und nicht dein Herz die Kontrolle übernehmen lässt, wirst du verstehen, warum ich so handle. Nichts und niemand«, setzte ich unerklärlicherweise zu einer Erklärung an, »darf mir etwas bedeuten. Das gefährdet nicht nur mich, sondern eben auch, wen oder was auch immer mein Interesse hat.«
Sie sah mir entgegen, spannte mich sich aber sichtlich an, als ich noch näher kam.
»Dann werde ich dir heute zum ersten Mal etwas beweisen«, stieß sie aus und ich sah die eintretende Nervosität. Aber bevor ich reagieren konnte, kletterte sie auf die Reling und atmete tief ein. »Dann lass mich hier und jetzt ertrinken, wenn ich dir nichts bedeute.«
Sie sah mich an und ... sprang ins verdammte Wasser.
Ich blinzelte, sah ihr nach und lachte dann. »Verrücktes Weibsbild«, schmunzelte ich und sprang ebenfalls ins Wasser. Mit einem beherzten Kopfsprung landete ich im Meer und packte meine Hexe, bevor die Druckwelle der vorbei sausenden ›Heaven‹ uns im Wasser umherwirbelte. Ich öffnete die Augen, ignorierte das Brennen des Salzwassers und grinste Scarlett an, die erschrocken in meinen Armen strampelte. Luftblasen kamen aus ihrem Mund, doch ich hob die Hand und schüttelte den Kopf. Dann deutete ich nach oben und schwamm mit ihr im Arm hoch. Die Oberfläche durchbrechend, holten wir beide tief Luft.
Sei sah mich an.
»Und?!«, fragte sie und hielt sich an mir fest, weil der Wellengang so stark war. »Habe ich immer noch ... keinen Mumm?«
Ich hörte die Männer an Bord rufen und reges Treiben, als sie ein Beiboot in Wasser ließen. Moha sah uns kopfschüttelnd an und grinste dann.
Ich sah jedoch nur Scarlett an und zog sie schwimmend an mich. Meine Lippen fanden ihre und meine Zunge leckte das Salz sowohl von diesen, als auch den aus ihrer Mundhöhle.
»Ich sagte dir, meine kleine Hexe«, raunte ich an ihre Lippen, »dass ich dir folgen werde, wenn du springst.«
Sie legte die Hände auf meine Schultern. »Ja, das sagtest du. Aber auch nur, weil ich die Lösung deines Problems bin. Mehr nicht.«
»Willst du denn mehr, Prinzessin Tudor?«, fragte ich und erinnerte sie mit dieser Anrede daran, aus, welch verschiedenen Seiten wir waren. »Thronerbin von England, was würde dein Land wohl sagen, wenn sie wüssten, dass du im Begriff bist«, eine Welle erfasste uns und wir gingen kurz zusammen unter, bevor wir wieder auftauchten, »dein Herz an einen der sieben Piratenlords zu verlieren?«
Sie brauchte deutlich länger, um zu antworten, als sie sollte. Dann jedoch sagte sie: »Ich will rein gar nichts von dir. Aber lass mir dir eines sagen, Talay.« Sie stieß sich von mir weg. »Würde ich mein Herz an dir verlieren wollen, dann wäre ich deine Königin und nicht sie. Gleichzeitig aber wärst du nicht mehr nur der König der sieben Meere.«
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und schwamm Richtung Boot.
Ich wusste nicht, ob ich lachen sollte, oder nicht, denn indirekt bot sie mir die Krone als Herrscher England an. Ich schwamm ihr nach und lauschte dem fernen Donner, der den unvermeidlichen Sturm ankündigte.
***
Ich war so Müde, wie schon lange nicht mehr. Und das sollte doch schon etwas heißen für einen Mann, der fast ein Jahrzehnt kein Auge zugemacht hatte.
Der Regen prasselte auf unsere Köpfe und jeder Tropfen fühlte sich an, wie ein Stein.
»Die Segel!«, brüllte ich und versuchte, verbissen meine Mannschaft an ihre Aufgaben zu erinnern. Es war leichtes Chaos ausgebrochen und ich musste zugeben, einen Sturm wie diesen hatte ich schon lange nicht mehr miterlebt. »Holt sie ein, bevor sie Reißen ihr Ratten! Finde ich nach diesem Zyklon nur ein Loch darin, lasse ich euch alle Kielholen!«
»Aye!«, riefen sie und wuselten umher.
Ich hielt ein Tau straff und meine Muskeln brannten schon vor Schmerzen. Immer wieder musste ich das Gleichgewicht halten, weil die Wellen die ›Heaven‹ im Griff hatten und herumwarfen, als sei sie ein Spielzeugboot.
Calypso war verärgert. Eindeutig. Ich grinste, denn die Göttin der See würde mich nicht bezwingen. »Vergiss es, Fischweib!«, brüllte ich über den Sturm hinweg. »Nicht heute! Nichte so!«
»Ist es schlau«, schrei Moha mir zu, »Die Göttin zu verärgern? Du solltest lieber Gebete an sie richten!«
Ich lachte, wankte aber wieder und ließ aus Versehen das Tau locker. Es rutschte durch meine Hände und verbrannte die Flächen, doch ich griff es fester und biss die Zähne zusammen.
»Ich besteige diese nasse Schlampe, wenn sie mich holen kommt!«
Moha lachte mit mir und fluchte dann, als ein Mann neben ihr von einer Weller erfasst wurde, sich nicht rechtzeitig halten konnte und davon gespült wurde. »Scheiße! Das war der neue Smutje!«
Ich lachte. »Wir holen uns in Singapur einen Neuen!«
»Wenn wir jemals dort ankommen!«
Ich nickte. »Aye!«
Mein Blut kochte und Adrenalin hielt mich konzentriert und wachsam. Und dennoch blieb ein Teil von mir so unendlich erschöpft. So müde. Es war eine verrückte Mischung.
Ich band das Tau fest und half dann Moha, ihres anzubinden. Dabei hielt ich sie zweimal fest, damit die einkrachenden Wellen nicht auch sie wegspülten.
»Wo ist sie?!«, fragte ich schreiend über den Sturm hinweg und sah einen Weiteren meiner Männer über Bord gehen. Verdammt!
»Ich hoffe doch, unter Deck!«
Und wie ich das hoffte. Sie hier in diesem Sturm, das bräuchte ich gerade noch.
»Vorsicht!«, rief Moha und zog mir die Beine weg, sodass ich auf dem Arsch landete. Sie auf mir. Eine der Querstreben des Hauptmastes hatte sich gelöst und uns beinahe erwischt.
Ich packte sie, als eine Welle uns erfasst und über das Deck schwemmte. Gerade so, konnte ich ein Tau fassen und uns vor dem nassen Grab retten.
Wir schafften es, aufzustehen und ohne ein Wort, machten wir uns wieder daran, der Crew zu helfen. Ich lief zum Steuermann, der mit dem Rad kämpfte, und half dort. Dann band ich Taue, hielt mich fest, half bei den Segeln, hielt mich fest und schöpfte Wasser. Bei Poseidon wollte es den nie aufhören? Hatte Calypso wirklich vor uns schwer so zuzusetzen?
Und weil das nicht reichte, sah ich, in einer kleinen Verschnaufpause dann auch noch die Hexe an Deck. Selbst nass, war ihr Haar wie ein Leuchtfeuer in der stürmischen Dunkelheit.
Ich rannte auf sie zu und packte sie am Arm. »Sofort unter Deck! Es ist viel zu gefährlich hier oben!«
»Soll ich nicht helfen?«, schrie sie zurück und hielt sich an mir fest.
Der Regen peitschte uns ins Gesicht und ihr langes Haar lag klitschnass über den schmalen Schultern. Das Kleid war ebenfalls durchnässt und lag so eng an ihrem Körper, wie meine Kleidung an mir klebte.
»Indem du stirbst?!«, brüllte ich zurück und zog sie am mich an eine Welle uns erfasste. Wir taumelten ein paar Schritte, doch ich hatte es im Griff.
Ein seltsames Gefühl erfasste mich und nachdem ich mehrmals geblinzelt hatte, erkannte ich, dass es Sorge war. Ich sorgte mich um sie. Und das nicht nur, weil sie die Einzige war, die den verdammten Kompass, von dem wir immer noch nicht herausgefunden hatten, wie er funktionierte, benutzen konnte.
Ich sorgte mich um ihretwillen.
Verdammt!
»Geh!«
»Dann komm mit unter Deck, damit dir nichts passiert«, erwiderte sie, blieb, wo sie war, und sah mich fast flehend an.
Ich grinste. »Ich bin der Kapitän, Kleine! Ich bin der Letzte, der unter Deck etwas zu suchen hat! Zudem-«, setzte ich an und musste, obwohl wir uns so nahe waren, brüllen, »könnte man glatt denken, du sorgst dich um mich.«
»Was?!«, schrie sie und obwohl sie dann noch sagte: »Bild dir nichts ein, ich hasse dich«, hielt sie sich stärker an mir fest.
Auch ihr Blick sagte das Gegenteil.
Ich hörte Moha noch schreien, als uns die Welle von hinten erfasste. Ich fiel vorn über und musste Scarlett loslassen. Schreiend rutschte sie übers Deck und nackte, kalt Panik erfasste mich, als sie weiter und immer weiter Richtung Reling schlitterte. Meine Männer hielt sie nicht auf, egal, wie laut ich brüllte, also rappelte ich mich auf. Doch auf den Knien stehend, erfasste mich eine neue Flut und riss mich nieder. Als ich es schaffte, schwer atmend Luft zu holen, und den Blick schweifen ließ ...
Sie war weg.
Nein!
Ich stand auf, knickte wegen eines unerwarteten Wankens um, schrie vor Schmerzen, doch kümmerte mich nicht um das binnen Sekunden anschwellenden Gelenk.
Ich erreichte die Reling und starrte in die Wellen. Wellen, die sie bereits verschluckt hatten. Wellen, die sie umbringen würden, noch bevor sie überhaupt den Meeresgrund erreichen konnte.
Ich hörte Moha brüllen. Meinen und Scarletts Namen.
Ich sah weiter in die Wellen und traf eine Entscheidung, die ich wohl mit dem Leben zahlen würde.
Aber ich hatte ihr gesagt, dass ich ihr folgen würde, sagte ihr, wenn sie sprang, spränge ich auch. Und so ließ ich mich, heute zum zweiten Mal, in die Fluten fallen, um meine Hexe zu retten.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top