{{34}} Scarlett
Immer noch in Ketten, lief ich vor Talay zurück zum Schiff.
Mir brannten so viele Worte auf meiner Zunge, die ich ihm am liebsten allesamt gegen den Kopf werfen würde, aber stattdessen, blieb ich still. Die Worte, dass er bei so einer Situation auch sterben könnte, hatte mir wirklich Angst gemacht. Also entschied mich, ruhig zu bleiben und abzuwarten. Denn sein Wohlergehen, war mir mehr wert, als Melissa zu zeigen, dass wir mehr füreinander waren, als nur Pirat und Gefangene. Zumindest für mich bedeutete er viel mehr. Also ließ ich diese Demütigung und Schmach über mich ergehen. Auch auf dem gesamten Weg zurück, sagte ich nichts.
Talay hatte mich vorher aufgeklärt, dass wir vorsichtig sein mussten. Aus jeder Ecke könnten Feinde lauern, die gesagte Dinge gegen uns verwenden könnten. Also blieb ich still.
Doch innerlich seufzte ich und war froh, als ich die Heaven schon von weiten sah. Der asiatische Kontinent war wirklich faszinierend und so anders, als England. Die Menschen sahen nicht nur anders aus, sie besaßen auch eine ganz andere Mentalität. Natürlich gab es auch hier Armut und Slums, aber die Frauen, die man Geishas nannte, waren wirklich wunderschön. Die Bemalung und die Kleider, es war so anders und doch besonders.
Ob ich jemals noch einmal diesen Kontinent bereisen werde? Ich wünschte es mir.
Daher betrat ich die Heaven auch mit einem kleinen Lächeln.
Doch als wir plötzlich abrupt stehen blieben, sah ich verwirrt zu Talay und Moha. »Was ist denn los?« fragte ich beide, da sie sich mit ernsten Mienen umsahen und ihre Hände bereits an ihren Waffen lagen. Ich dagegen verstand rein gar nichts.
»Wo sind die Männer?«, fragte Moha und sah sich um.
Talay selbst ließ seinen Blick schweifen. »Verlasst das Schiff. Sofort!«
Er zerrte an meinen Ketten, doch als wir uns herumdrehen, um die ›Heaven‹ zu verlassen, standen schon fünf englische Soldaten vor uns. Alle hatten sie ihre Schwerter auf uns gerichtet. Talay fluchte wirbelte uns herum, nur um dann zu sehen, dass unzählige Männer aus dem Bauch seines Schiffes an Deck strömten.
Meine Augen weiteten sich, als der Kommandant zwischen den Männern hervorkam.
Ich kannte ihn.
»Königliche Hoheit, Kronprinzessin Scarlett Tudor.« sprach er mich an und kniete für eine Sekunde auf einem Bein, neigte seinen Kopf und erhob sich wieder.
»Sir Davis.« flüsterte ich. Er war eine der höchsten Kommandanten der englischen Armee und unterstand dem direkten Befehl meines Onkels. Und weil das so war, stand er auf meiner Seite und nicht auf der Seite meines Vaters. Das bedeutete, er und alle die meinem Onkel treu ergeben waren, unterstützten meinen Thronanspruch.
Bevor ich noch etwas sagen konnte, nickte er den Männern hinter uns zu, diese gingen einen Schritt auf Talay zu, traten ihm brutal in die Kniekehlen so, dass seine Beine nachließen und er zu Boden ging. Als er auf den Knien stand, sahen wir uns für mehrere Sekunden direkt in die Augen, bevor Sir Davis die Ketten aus Talays Händen riss und mich an seine Seite zog. Auch Moha wurde kurz darauf zu Boden gezwungen. »Piratenfirst Hawk, nicht wahr?« fragte der Kommandant und sah ihn herablassend an.
Der Mann, der mein Herz gestohlen hatte, sah Sir Davis nur an und ließ sich die eisernen Schellen anlegen, die seine Arme hinter dem Rücken zusammenbanden. Seine Tunika spannte über seiner Brust, und der Stoff knarrte. Sein Blick huschte zu Moha, der dieselbe Behandlung zuteilwurde. Einer der Soldaten riss ihm die Kapuze vom Kopf und schlug Talay mit der Faust ins Gesicht, als er noch immer nicht antwortete. »Der Kommandant hat dir eine Frage gestellt, dreckiger Pirat.«
Talay lachte leise und spuckte Blut auf den Boden. »Vielleicht benutzt du eine andere Umschreibung als ›Dreckig‹.« Wieder spuckte er Blut. »Immerhin bin ich, wie mir scheint, der sauberste Mann an Deck, dem Geruch nach zu Urteilen.«
Die Faust traf ihn erneut und sein Kopf flog nach hinten. Aus seiner Nase sprinte Blut.
»Woher wusstet ihr, wo ihr mich findet?«
Jemand trat hinter Talay und flüsterte in sein Ohr: »Verzeih, Liebster. Die englische Marine hat mir ein Angebot gemacht. Dass ich leider nicht ausschlagen konnte.«
»Mel.«
Sie lacht und Moha fluchte. »Ich erspare dir die Frage, warum und erzähl dir einfach, dass die Engländer mir angeboten haben, all die bösen Piratenlords, die mir und dem Titel als Königin der See im Weg stehen, zu beseitigen. Und ich weiß, du hast mir das auch angeboten. Aber sind wir mal ehrlich, ein Schiff und ein durchaus starker Piratenlord, im Vergleich zu einer ganzen Flotte? ich musste nicht 1 Sekunde darüber nachdenken, dich zu hintergehen, mein Liebster.«
Ich wollte zu ihm, seine Wunden verarzten, aber ich wusste, dass ich das nicht konnte. Nicht so. Ich sah nach hinten und ließ die Ketten von einem Soldaten abnehmen, auch er verbeugte sich und endlich waren meine Hände frei.
Während ich zu Melissa sah, rieb ich mir meine aufgeschürften Handgelenke. Sie hatten ihn also verraten, sowie er es auch tun wollte. Das war also die Welt der Piraten. Niemanden konnte man anscheinend vertrauen. Eigentlich sollte es mir gleich sein, ob Talay verraten wurde oder nicht. Ob er stirbt oder nicht.
Doch.....
Er hatte mein Herz gestohlen.
»Sir Davis.« sagte ich daher, während ich Talay ansah.
»Ja, Prinzessin?«
Sie nannte ihn Liebster.
Sie.
Er gehörte an meiner Seite.
Wie konnte sie es wagen ihn liebster zu nennen, als seien sie Mann und Frau.
Ich ließ meine Hände sinken, nahm Haltung an und verschränkte meine Finger vor meinem Körper ineinander.
»Ihr habt dieser Piraten ein Angebot gemacht?«
Sir Davis nickte. »Ja, Prinzessin, um euch zu finden.«
Meine Augen huschten von Melissa zurück zu Talay, als ich weitersprach. »Nun, ihr habt mich jetzt gefunden und wir sind nicht verpflichtet uns an unser Wort gegenüber einem Piraten zu halten, nicht wahr?«
Oh, ich hatte viel gelernt, nicht nur in der Zeit, in der ich auf Talays Schiff war. Nein, auch auf der Insel und als ich in den Slums war und die Soldaten mich nicht erkannt hatten.
Ich sah Sir Davis an, der mir entgegenblickte und dann wieder nickte.
Dann sah er zu seinen Männern und befahl: »Tötet sie.«
Mein Blick ging zu Melissa, die mich geschockt ansah, doch bevor sie auch nur ein Wort sagen konnte, trat einer der Soldaten vor und schlitzte ihr die Kehle auf.
Sie fiel ebenfalls auf die Knie, hielt sich die tiefe Wunde, aber das Blut sprudelte nur so aus ihr heraus. Sie versuchte noch etwas zu sagen, aber kein Laut verließ ihre Lippen, bis sie mit geweiteten Augen, zu Seite umkippte und tot war.
So viel Blut.
Ich schluckte schwer und war immer noch kein Mensch, der gerne Leben nahm, aber sie hatte mir keine andere Wahl gelassen.
Meine Augen wanderten wieder auf Talay und ich beobachtete seine Reaktion.
Sein Mundwinkel zuckte und er formte still das Wort, als er meinen Blick erwiderte: »Pirat.«
Moha hingegen lachte lauthals los, bevor ein Soldat vortrat und ihr so hart in den Magen trat, dass sie würgte und nach vorn kippte. Da ihre Hände hinter dem Rücken verbunden waren, kippte sie nach vorn und landete mit dem Gesicht auf dem Boden. Sie stöhnte auf und Talay knurrte böse, doch auch ihn trat man in den Magen.
Er blieb aufrecht und sein Blick huschte zurück zu mir, ehe er fragte: »Also, wie wollt ihr mich töten, Herr Kommandant? Schlitzt ihr mich auf? Hängt ihr mich am Mast meines eigenen Schiffes? Schickt ihr mich über die Planke und verfüttert mich an die Haie? Oder«, er sah mich an, »lasst ihr mein Eigentum entscheiden, für das, was ich ihr angetan habe?«
Auch mein Mundwinkel bewegte sich und ich musste zugeben, ihn irgendwann genauso vor mir knien zu sehen, würde mir gefallen. Aber nicht heute und nicht jetzt.
»Ich werde dich sofort töten, elender Pirat! Wag es dich nicht die Kronprinzessin als dein Eigentum zu bezeichnen!« zischte Sir Davis und zog sein Schwert. Aber ich hielt ihn auf. »Ich möchte, dass dieser Mann von unserem obersten Gericht verurteilt wird.«
Alle sahen mich überrascht an.
»Aber Prinzessin, er ist ein Pirat und hat keine Verhandlung verdient.«
»Das ist richtig, Sir Davis.« stimmte ich ihm zu und sah meinen Gegenüber an. »Aber....« setzte ich wieder an und wusste zum ersten Mal genau, was ich zu tun hatte. Ich ging mehrere Schritte auf Talay zu. »Ich möchte ihm in die Augen sehen, wenn er zum Galgen läuft.« langsam beugte ich mich vor und nahm mein Amulett.
»Außerdem hat dieser Mann mich gerettet. Wäre er nicht gewesen, wäre ich jetzt ganz sicher auf dem Grund des Meeres.« Ich riss ihm etwas zu stark mein Amulett vom Hals und flüsterte so leise, dass nur er es hören konnte: »Mit einer Krone auf dem Kopf.«
Ich hoffte er verstand, dass ich auf seine schmutzige Fantasy hinwies und auch, dass ich ihn auf keinen Fall sterben lassen würde.
Der Piratenfürst grinste mich an. Sein Ausdruck eine Mischung aus Verlangen und Boshaftigkeit. »Glaub mir, kleine Prinzessin, Du wirst mir in die Augen sehen, wenn ich hängen werde. Und dieser Anblick wird dich für den Rest deines Lebens heimsuchen.«
Ich nahm Abstand und sah von ihm zu meinem Amulett. Als ich es öffnete, zitterte die Nadel wieder hin und her, bevor sie geradeaus zeigte und sich etwas runter neigte. Direkt auf Talay. Meinem Schicksal. Von meinem Kompass aufschauend, sagte ich an Sir Davis gewandt. »Das ist meine Entscheidung.«
Der Kommandant nickte. »Wie ihr wünscht, Prinzessin.« seufzte er, trat zurück und steckte sein Schwert wieder ein. Dann wandte er sich an seine Männer. »Bringt den Piratenfürsten und das Weib auf unser Schiff, wir kehren zurück nach England.«
Die Soldaten salutierten und riefen einheitlich: »Yes Sir!« bevor sie Talay und Mohas grob auf die Beine zogen. Mein Blick kreuzte noch einmal seinen und dann huschten meine Augen auf meinen Kompass, dessen Nadel ihm folgte.
»Hey Kleine«, rief er, als sie ihn weg schleiften. Weg von seinem Schiff. Ich sah ihn an, woraufhiner er mir respektlos einen Luftkuss zu warf. Dann schlugen die Soldaten ihm so hart gegen sie Schläfe, dass er das Bewusstsein verlor.
»Dreckiger Abschaum!«, meinte einer der Soldaten nur und spuckte dem bewusstlosen Talay, der nun schlaff in den Armen der Männer hing, ins Gesicht. Dann brachten sie ihn mit einer sich wehrenden Moha von Bord.
Mit hüpfenden Herzen sah ich ihm nach. Er war wahrlich ein Idiot.
Aber....er war mein Idiot.
Als der Kommandant an meine Seite trat und seine Jacke um meine Schultern legte, schloss ich mein Amulett und sah Sir Davis an. »Prinzessin, ich bin froh, dass es euch gut geht. Euer Onkel hat euch sehr vermisst.« Ich nickte und versuchte mein Herzschlag zu beruhigen. »Sagt mir, hat mein Vater verkündet, dass ich tot sei?« fragte ich und hängte mir meine Kette um den Hals. Er verneinte. »Nein, wieso fragt ihr?«
»Weil ich nicht ausversehen ins Meer gefallen bin. Es war Absicht, um meinen Bruder auf den Thron zu setzen.« erklärte ich mit ernstem Ausdruck.
Sir Davis nickte. »Euer Onkel hat so etwas bereits vermutet. Deswegen soll ich euch sagen, dass er hinter euch steht, sobald ihr euren Thron einfordert.«
Ein Lächeln bereitete sich auf meine Lippen aus. »Ich weiß.«
***
Wie lange war es her, dass ich in eines meiner Kleider steckte? Es fühlte sich gut an, wieder ich selbst zu sein. Zumindest außenherum. Im inneren würde ich wohl nie wieder dieselbe sein.
Eine Woche war nun vergangen seitdem Talay in eine Zelle gesteckt wurde und ich nachhause zurückkehrte. Vater tat selbstverständlich so, als hätte er von all dem nichts gewusst und genauso tat er so, als sei er überglücklich, dass ich gesund zurückgekehrt war. Doch ich kannte die Wahrheit. Selbst die Zofe, die mich über Bord geschmissen hatte, tat ahnungslos. Sie spielten ein Spiel und ich war mehr als bereit mitzuspielen. Ich konnte in den letzten Wochen an Talays Seite viel lernen. Wie gesagt, ich war nicht mehr dieselbe. Mein Blick ging auf meinen Finger, der nicht mehr vorhanden war und zeigte, dass ich sein Eigentum war.
Talay.
Meine Augen glitten zu dem Kompass, während ich an meinem Fenster in meinen Gemächern stand. Die Nadel zeigte nach Westen, dorthin, wo sich der Mann befand, der mein Herz gestohlen hatte. Ich konnte ihn noch nicht einmal sehen. Ich hatte viele Besprechungen zu führen, musste mich dem Volk zeigen und so tun, als wüsste ich nichts von den Intrigen. Zumindest hatte ich geschafft Talays Verhandlung auf später zu verschieben. Ich brauchte Zeit, denn ich würde ihn nicht sterben lassen.
Den Kompass schließend, wandte ich mich ab und machte mich auf den Weg zu meinem Schicksal.
Mit einem teuren Kleid, aus hellen Pastellfarben, einer goldenen Kette und einer Hochsteckfrisur mit einem goldenen Diadem auf dem Kopf, fand ich mich in dem Turm wieder, in dem die schlimmsten Verbrecher saßen und auf ihre Hinrichtungen warteten. Ich schaffte es irgendwie die Wachen zu überzeugen mich allein zu lassen und stand letzten Endes vor seiner Zelle.
»Talay«, hauchte ich seinen Namen.
Ich hatte ihn vermisst.
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