{{33}} Hawk
Schlafloser Falke
Ich lenzte eher auf dem Stuhl, als dass ich darauf saß. Moha hinter mir, Scarlett in Handschellen gekettet an meiner rechten Seite.
So warteten wir in dem einem Raum einer Schenke auf dem asiatischen Kontinent, auf Melissa.
»Müssen die Ketten sein?«, fragte mein Lieutenant und verzog die Lippen, als sie auf die Handgelenke ihrer ›Freundin‹, so wie sie sich nun nannten, starrte. Die beiden hatten sich in der Woche, die wir noch gesegelt waren, mehr als nur gut verstanden. Sie hatten gemeinsam gelacht und Moha hatte meiner Kleinen sogar das Kämpfen beigebracht. Ich schmunzelte. Sie hatte ihr das beigebracht und ich, ich hatte ihr die Kunst der Verführung weiter näher gebracht. Jede Nacht mindestens einmal.
»Sie hat es verdient«, erklärte ich Moha und zerrte an Scarletts Ketten, sodass sie etwas vor stolperte.
»Ich habe gar nichts getan«, murmelte sie und sah sich neugierig um. »Faszinierend, wie die Menschen hier aussehen.«
Erneut zog ich an den Ketten. Nun stolperte sie dichter an mich heran. Ich legte meine Stiefel auf die Tischplatte und fauchte: »Du hast in das Holz meines Bettpfostens geschnitzt. Moha hat recht, die Ketten wären nicht nötig, aber ich halte es bei deinem mutwilligen Vandalismus nur für gerechtfertigt.«
Sie sah mich verliebt an und lächelte leicht. »Du meinst, das süße T, Herz, S? Ja, das war ich.«
Moha machte großen Augen und verkniff sich nur gerade so ein Lachen.
Ich kniff die Lider zusammen. »Ich sehe schon, die Ketten bleiben wohl etwas länger an deinen Gelenken. Vielleicht«, knurrte ich gefährlich, »binde ich dir auch die Beine zusammen und befestige dich dann an das Bett, das du KAPUTTGEMACHT hast.«
Nun lachte Moha doch los und das so heftig, dass sie sich den Bauch hielt. »Ich denke, Kapitän, das würde der Prinzessin wohl noch gefallen.«
Aye, dachte ich. Mir auch.
Dennoch knurrte ich. »Und ihr fragte euch, warum ich Frauen nicht respektiere?« Ich sah Scarlett böse an und verzog genervt die Lippen, ehe ich bei ihrem immer noch verliebten Ausdruck meinen Nasenrücken zu massieren begann. »Poseidon steh mir bei. Ich hätte dich ersaufen lassen sollen. Beide Male.«
»Ich habe dein Bett nicht kaputtgemacht. Ich habe es verschönert«, meinte sie jetzt empört und sah zickig weg. »Du bist einfach nur ein unsympathischer Hornochse«, fügte die Hexe hinzu und sah Moha an. »Und du hör auf zu lachen. Das ist nicht lustig. Ihr seid so empathielos.«
Das brachte Moha nur noch lauter zum Lachen und mich dazu zu schnauben, wie der Ochse, als den sie mich beschimpfte.
Mein Lieutenant schmunzelte weiter, als sie sagte: »Nimm es ihm nicht übel, Hawk mag es nicht, wenn seine Sachen kaputtgehen. Da ist er etwas empfindlich. Mich hat er-« Sie stoppte sich bei meinem Blick.
Wollte sie ihr wirklich vor den Latz knallen, was sich mit ihr getan hatte, wenn sie rebelliert hatte? Nicht das ich es bereuen würde, doch Moha musste klar sein, dass ich Scarlett nicht als Galionsfigur an die Vorderseite meines Schiffs binden würde, so wie sie.
»Seid beide still! Ich kann das Weiber-Geschwätz nicht mehr hören! Ihr geht mir auf die Nerven«, brummte ich. »Und ihr wisst beide, wie wenig ich das leiden kann.«
»Aye, Kapitän. Das wissen wir wohl nur zu gut.«
Meine Kleine schmollte vor sich hin und erwiderte nichts mehr. Man sah ihr aber an, dass das Weib es nicht bereute und wieder tun würde. Wahrscheinlich plante sie schon, wo sie noch eine Klinge in Holz schlagen konnte.
Wenn ich nicht aufpasste und neben ihr schlief, würde sie mir eventuell etwas in die Haut ritzen. Zuzutrauen wäre es dem irrsinnigen Ding.
Die Augen verdrehend, zog ich meine Kapuze tiefer in mein Gesicht, genau dann, als Mel hereinspazierte.
Ich überließ es Moha, die Waffe zu ziehen, und sah nur zu der Tür, die hinter der hübschen, dunkelhaarigen Piraten geschlossen wurde.
Plötzlich befand ich mich in einem Raum mit drei Frauen, die alle schon meine Härte gespürt hatten. Zwei davon fanden es nur anfangs schrecklich, eine hatte von Anfang an Spaß mit mir.
Ich grinste. »Mel.«
»Hawk«, grüßte sie zurück und sah von mir zu Moha zu Scarlett. »Prinzessin. Wie ich sehe, hat dein Kapitän Spielzeug ausgepackt. Oder sollte ich sagen, dich darin eingepackt?« Sie lief auf uns zu, ihr eigener Mantel wehte hinter ihr her und bei mir angekommen, lächelte sie Scarlett an, bevor sie sich an den Lehnen meines Stuhls abstützte und mit ihrem Gesicht meinem näher kam.
Ihre Lippen trafen mich und ihre Zunge erforschte mich in gewohnter Manier.
Der Kuss war ... langweilig und fühlte sich falsch an. Dennoch ließ ich sie machen. Alles andere wäre auffällig. Sie griff mir in den Schritt und massierte meine Männlichkeit, die ungerührt darauf reagierte.
Mel löste sich von mir und schnurrte enttäuscht: »Hast du dich mit der kleinen Engländerin schon so ausgetobt, dass für mich nichts bleibt?«
Moha knurrte und das brachte Mel zum Lachen. »Oh, nimmst du dir deinen Lieutenant auch?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich nehme mir, wen ich will, wann ich will.«
Melissa wandte sich Scarlett zu und trat dicht vor sie. »Wer hätte geglaubt, dass eine gottesfürchtige Engländerin, ein Kind, dich so fordert?«
Sie packte Scarletts Wangen und legte auch die Lippen auf ihren Mund.
Meine Kleine stand wie eine Statur da und starrte die Piratin an. Sie hörte auf zu atmen und verzog das Gesicht, bevor sie ihren Kopf zur Seite drehte, um ihren Lippen zu entkommen. Ich wartete ab, bereit sie züchtigen zu müssen, doch sie blieb erstaunlicherweise still. Auch, wenn ihr Blick, der nun auf mir lag, deutlich sagte, dass der Kuss ihr missfiel.
Melissa schmunzelte und sah zu mir, ehe sie sich hinsetzte. »Ich sehe, die Hoheit ist für keinen Spaß zu haben. Wie schade. Weiß sie denn nicht wie viel Spaß ihr entgeht?«
Ich schmunzelte und zog Scarlett ruppig ganz zu mir. Ich sah von den Ketten in meiner Faust, die Glieder derer einzeln hinauf bis zu ihren gefesselten Händen. Dann weiter ihren, in die schwarze Corsage steckenden, Oberkörper zu den hochgedrückten Brüsten, den Hals entlang zu ihrem Gesichte. Mund, Nase und letztlich sah ich ihn in die Augen.
»Ich denke-«, raunte ich leise und konnte das Verlangen in meiner Stimme nicht zügeln. Ich wollt sie. Schon wieder. »Die Königliche Hoheit und ich, haben genug Spaß.«
Das Kichern, das Mel ausstieß, war gefährlich. »Aye, ich sehe es Hawk. Nur ... Vergewaltigung ist für ein zartes Blümchen kein Spaß. Und da ich davon ausgehe, dass sie die Beine nicht freiwill-« Sie bremste sich und als sie dann leise lachte, sah ich zu der Piratin. Sie sah von der Hexe zu mir und grinste. »Oh, Hawk. Wie interessant.«
Ich kniff die Augen zusammen und starrte sie an. Die Kapuze verdeckte halb meine Augen. »Nicht wahr? Eine kleine Prinzessin, die sich ihrem Kerkermeister freiwillig hingibt. Wie dumm und naiv sie ist.«
Wir sahen einander an und sie gab zurück: »Ich befürchte, sie ist von euch beiden nicht die, die naiv ist.«
Ich öffnete schon den Mund, griff zudem meinen versteckten Dolch, doch genau, als ich Mel den Bauch aufschlitzen wollte, ging die Tür erneut auf und ein Mann trat ein.
Recht klein. Dunkles, langes Haar, das an den Seiten schon graue und weiße Strähnen aufwies. Zerfetzte Kleidung die aus dem bunt bedruckten Seidenstoff genäht wurde, der für den asiatischen Kontinent so typisch war.
Karmai wurde von zwei Geisha begleitet, die in eng geschnürten, aus dicken Soff gebundenen Kimonos in kleinen Schritten hinter ihm her tippelten.
Er setzte sich, ohne uns zu grüßen, drapierte seine Gewänder um den Stuhl herum, lehnte sich zurück und betastete seine Schnurbartenden, die ihm bis an die Brust reichten.
Nachtschwarze Augen starrten direkt Scarlett an. »Sag mir, Mädchen, woher«, fing er an und der asiatische Dialekt würzte jedes weitere Wort, »weiß ich, dass du bist, wen die beiden mir versprechen besitzen zu dürfen?«
Sie sah den Piraten an und schluckte schwer. Kurz huschten ihre Augen auf mich und dann zu Melissa, bevor sie sich zurück zu Karmai legten. »Ich ... ich bin die Kronprinzessin, Scarlett Mary Tudor, meinen zweiten Namen kennen nicht mehr viele. Denn, als meine Mutter, Königin Mary Tudor, starb, verbannte mein Vater den Namen in alle Ewigkeit. Ein Gesetz wurde vom König erlassen, dass Neugeborene nicht mehr ›Mary‹ genannt werden dürfen. Ebenso darf dieser Name in seiner Nähe von niemanden mehr erwähnt werden«, gab sie eine sehr intime Information ihre Familie weiter. Ihr Blick wurde ernst. »Reicht das als Beweis, dass ich bin, wer ich bin?«
Mary.
Aye, Schicksal, wenn man bedachte, dass die Hexe, die mich verflucht hatte, Marie hieß.
Karmai schnaubte. »Keines Wegs. Habt ihr Papiere, die belegen«, er strich wieder über seinen Bart und die Geisha fächerten ihm aus ein nicht erkennbares Zeichen mit Bambusfächern Luft zu, »das Eure Worte auch wahr sind? Immerhin kann jeder von sich behaupten, er heiße ›Mary‹. Oder ist jemand der wenigen hier, denen bekannt ist, dass die Prinzessin den Namen trägt? Nein?«
»Du übertreibst, mein Liebster«, schnurrte Melissa, während mein Blick tödliche Ruhe ausstrahlte.
Mary. Die Widerspenstige. Aye, das passte.
»Ich will nur sichergehen, dass ich keinen Esel satt ein Pferd kaufe.«
Mel lachte leise und schüttelte den Kopf. »Wenn du nicht interessiert bist, werden wir mit der Thronerbin Englands weiter segeln. Du bist nicht der einzige Lord, der Interesse hat, ein Druckmittel gegen die Teebeutel lutschenden Dreckskerle zu haben.«
»Ist es verwerflich, einen Beweis zu wollen?«
»Ist Vertrauen unter zumindest uns Lordschaften der Piraterie Voraussetzung?«, konterte Melissa nun auch kühler.
Mary.
»Schneide sie, damit ich sehen kann, dass ihr Blut blau ist.«
Mel lachte schrill. »Wir alle bluten Rot, Karmai. Du, ich, unser gut aussehender Hawk. Selbst die Engländer und auch deine adligen Landsleute tun es.«
»Ich habe Mittel und Wege, zu prüfen, ob es blau fließt.« Er schlug auf den Tisch und seine Geisha zuckten zurück. Moha knurrte, doch der Pirat starrte Mel und mich in Grund und Boden. »Ich will ihr Blut sehen!«
Narren, allesamt.
Ehe jemand reagieren konnte, zückte ich ein Messer und zog an den Ketten. Ohne mich mehr als nötig aus meiner gelassenen Haltung zu bewegen, hob ich die Hand und schnitt Scarlett in den Arm. Sie zischte schmerzerfüllt, doch ich sah nur auf den langen, tiefen Schnitt über der Innenseite ihres Unterarmes und sah das Blut an, das aus der aufgeklappten Haut tropfte.
Ebenso schnell, tippelte eine Geisha her, packte harsch den Arm und lief rasch mit blutroter Handfläche zu ihrem Herrn. Ich sah ihr nach und dann zu, wie sie die Hand vor Karmai hielt und dieser den Kopf vorbeugte, die Zunge über seine fast verfaulten Zähne schob und Scarletts Blut ableckte. Er raunte leise, stöhne und seine Pupillen weiteten sich.
»Aye, sie ist die Prinzessin dieses verfluchten Königreiches.«
Ich ließ die Kette locker und ignorierte den Drang, zu Scarlett zu sehen. »Dann verhandeln wir jetzt den Preis?«, wollte ich stattdessen wissen und säuberte mein Messer am Tischrand, bevor ich es wegsteckte.
»Ich will sie kosten. Alles von ihr.«
Ich hob den Blick und sah den Piraten an. »Das kannst du, wenn ich meine Münzen habe.«
»Wir«, räusperte sich Mel und machte mit einem Dolch ihre Nägel sauber. Eine normale Geste, wenn man nicht wusste, dass dieser gleich in einem Kopf stecken würde.
»Was wollt ihr für sie?«
Ich lehnte mich zurück. »Zwei Truhen voll Goldmünzen. Zwei voller Silber.«
Karmai nickte sofort. »Aye. So sei es!«
Mel hob eine Braue. »So schnell? Das waren erstaunlich leichte Verhandlungen.«
»Ich bekomme für sie das Vierfache zurück, wenn ich sie an diese englischen Hunde zurück verkaufe.«
Die Gier, die in den Augen des alten Mannes aufloderte, erklärte mir, warum er so schnell zustimmte und nicht mal an die Frage dachte, warum wir sie nicht aus genau diesem Grund nicht ihrem Vater darboten.
Er wollte sie besitzen und brechen, bevor er sie zurückbrachte. Vielleicht mehr tot als lebendig.
»Zwei Truhen voller Gold, zwei voller Silber für das Mädchen mit dem toten Namen und dem blauen Blut.«
»Aye!«, bestätigte Mel und griff den Dolch, ungesehen von Karmai, um, der nur auf Scarlett starrte. Moha trat neben sie, griff die Ketten und tat so, als wolle sie, sie zu ihm bringen.
»Aye«, meinte nun auch ich und das war das Zeichen.
Mel sah mich kurz an und nickte.
Binnen einer Sekunde warf Melissa ihr erstes Messer. Es bohrte sich in die Augenhöhle der Geisha rechts von dem Piraten.
Dann, bevor der Schrei der anderen den Raum füllen konnte, donnerte das zweite Messer in den Hals der Frau mit dem typisch geschminkten Gesicht.
Karmai blinzelte genau einmal, öffnete den Mund, zog sein Schwert, doch ich war schneller. Ich sprang auf, erklomm den Tisch, rannte darüber und trat Karmai mitsamt Stuhl um. Es polterte, doch ich war schon über ihm und mein Säbel bohrte sich in seine Brust.
Er röchelte, wollte dennoch rufen, aber auch hier kam ich ihm zuvor. Ich beugte mich vor, eine Hand noch auf dem Griff meines Säbels und schnitt mit meinem Messer seine Kehle tief von rechts nach links auf. Blut sprenkelte mein Gesicht und tropfte zurück auf seines.
Mein Genosse riss die Augen auf und starb an seinem Blut ertrinkend, mit meiner Klinge in der Brust.
Ich ließ alles stecken und richtete mich auf. Langsam lief ich zu Moha und nahm Scarletts Ketten zurück in die Hand.
»Bravo, Hawk. Kaltblütig wie immer.«
»Ich nenne es effizient.« Mein Blick lag auf Scarlett.
Sie starrte auf den toten Piratenfürsten. Ich sah ihr an, dass sie erst begreifen musste, was gerade passiert war. Mit half offenem Mund und großen Augen sah sie hoch zu mir. Sie wollte offensichtlich zum Sprechen ansetzen, doch ihr Blick huschte zu Melissa und sie schloss die Lippen wieder.
Braves Mädchen, dachte ich und grinste. Sie tat einmal das, was man ihr sagte.
Ich wandte mich Mel zu. »Es läuft weiter, wie nach Plan. Meine Klingen bleiben hier, so wie deine. Dem Piratenkodex nach, wissen seine Leute also, dass wir Anspruch auf alles haben, wenn sie ihn finden. Sie werden sich nach Karakum aufmachen und auf uns warten, um uns als neue Piratenlords ihres Gebietes anzuerkennen.«
Mel nickte. »Und ist das passiert, segeln sie unter unserer Flagge und wir machen uns auf zu dem nächsten Mann, der fällt.«
Ich nickte. »Aye. Bandouk.«
Auch sie nickte wieder und bestätigte. »Bandouk.«
Sie lief auf mich zu und schmiegte sich an mich. »Der Tod weckt jedes Mal gelüste in mir, Hawk. Wie wäre es? Du und ich? Dein Lieutenant und die Prinzessin können mitmachen.«
»Oh, ich nähe mir lieber die Fotze zu, als sie von dir anfassen zu lassen, Mel.«
Die Piratin verzog bei Mohas Worten das Gesicht. »Das ist die Entscheidung deines Kapitäns, du pechschwarzes Weib.«
Sie knurrte Mel an, doch ich hob die Hand.
»Wie werden einen anderen Zeitpunkt anstreben, deine Lust zu stillen, Mel. Jetzt will ich meinen Köder in Sicherheit wissen. Wer weiß, was die heimischen Piraten wissen und welche Maßnahmen er ergriffen hat. Und das wird er wohl.«
Sie löste sich von mir und schmollte. »Du bist viel zu vorsichtig, Hawk. Aber gut, dann geh auf dein Schiff und segel.«
Ich kniff die Augen zusammen. »Und du?«
»Ich? Ich suche ein Bordell auf und tobe meine Lust aus. Ich hörte, die asiatischen Frauen wissen ihr eigenes Geschlecht zu schätzen.«
Sie wandte sich ab, ging und mich beschlich ein ungutes Gefühl.
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