{{29}} Hawk
Schlafloser Falke
Sie hatte ihren Rausch ausgeschlafen und ich mir meinen weiter gesteigert.
Nachdem wir uns geküsst hatten, infolge ihres Geständnisses, sie hätte ihr Herz an mich verloren, MICH Hawk, einer der brutalsten und gefürchtetsten Piratenlords, Herrscher eines der sieben Weltmeere, war sie volltrunken in den Sand gekippt und schlief seither.
Tatsächlich hatte ich die Gelegenheit, wenn sie schlief, ursprünglich nutzen wollen, um auch zu schlafen, doch ich konnte nicht. Innerlich war ich seit den Worten unruhig und aufgewühlt. Äußerlich mochte ich wie immer die Ruhe selbst sein, aber ...
›ich ... hab mein Herz an dich verloren ... Talay.‹
Bei Poseidon!
Dieses Gestotter jedes Mal!
Es machte mich verrückt, dass sie keinen klaren Satz herausbringen konnte.
Verrückt!
Mein Blick schweifte zu ihr.
Scarlett Tudor, Kronprinzessin Englands, Erbin der Krone und zukünftige Königin. Sie hatte sich doch tatsächlich in mich verliebt. Obwohl ich ihr nicht einen Anlass gegeben hatte.
Nicht einen Verdammten!
Und ... ihr Vater hatte sie über Bord werfen lassen, nachdem er ihr vorgelogen hatte, er wolle sie an den französischen König vermahlen, um das Reich zu vergrößern, von dem er nie wollte, das sie es regierte.
Er würde sterben.
Ich würde ihm den Kopf abschlagen, nachdem ich ihn lebendig gehäutet hatte.
Scarlett sah so zerbrechlich aus. Die Augen geschlossen, die Atmung ruhig, die Arme und Beine zierlich und dünn und die Haut Adel-weiß und dank mir von einigen Narben verunziert und jetzt gerade, mit einem dünnen Schweißfilm bedeckt.
Ich sah auf ihren fehlenden Finger, der sie als mein Eigentum markierte. Zumindest unter uns Piraten. Dann sah ich auf meine Hand und die Stelle, wo auch ein kleiner Finger sein sollte und mich zu Vaters früherem Eigentum und Crewmitglied zeichnete.
Mein Blick schweifte zum Meer, dass nicht unweit Wellen sacht und langsam über den weißen Sand schob.
Vor und zurück.
Vor und zurück.
Ein bis zwei Tage, dann sollte die ›Heaven‹ am Horizont auftauchen.
Wieder sah ich zu meiner Hexe und ein kleiner Teil von mir, war noch immer wütend.
Die Tatsache, dass der beschissene Kompass nur auf mich zeigte, war zum Kotzen. Wahrlich.
Was brachte mir das Teil, wenn letztlich auch sie ihn nicht bedienen konnte?
Meine Finger hoben sich und ich versuchte automatisch, das Amulett zu öffnen. Nichts. So leichthin wie meine Hexe, es öffnen konnte unmöglicher, war es für mich.
Was bedeutete das für mich, wenn wir zwar den Kompass hatten, die verdammte Hexe, die mich verflucht hatte, aber dennoch nicht finden konnten?
Ich schnaubte und ließ das Amulett zurückfallen. Es schwang an meiner nun nackten, braun gebrannten Brust hin und her. Meine Tunika hatte ich an die Palme gebunden, um Scarlett noch mehr Schatten zu spenden.
Wieder sah ich sie an.
Sie hatte sich also verliebt. Nun, das konnte ich wohl nicht ändern. Wollte ich es denn?
Ja. Nein.
Ich war ihr zweimal in die Fänge der See gefolgt. Einmal mit dem Wissen, das uns nichts geschah, doch als ich ihr im Sturm nachgesprungen war ...
Mir war klar, dass sie eigentlich verloren war. Mir war auch klar gewesen, dass ich in den tosenden, gnadenlosen Wellen ebenfalls den Tod gefunden hätte. Dennoch war ich gesprungen.
Also, was sagte das aus?
Was fühlte ich für sie?
Fühlte ich überhaupt etwas, das mehr als Interesse und Spaß war?
Mochte ich sie weit mehr, als ich es mir vielleicht eingestand?
Diese ... Frau!
Man hatte mir beigebracht, dass sie einen verrieten. Egal, wie, es geschah. Huren, allesamt, laut meines Vaters. Und bis dahin, hatte er recht behalten. Bis ich die Kleine auf dem Brett treiben sah, war außer Moha, die sich mit Blut, Schweiß und Schlägen meinen Respekt und mein Vertrauen verdient hatte, jede Frau nichts weiter als eine Bettgenossin. Jemand, der mein Verlangen und meiner Lust zu Diensten war. Manchmal gegen den Austausch von Münzen, manchmal freiwillig und mit Versprechungen, die nie gehalten wurden.
Doch sie ... Was war an ihr anders? Sie war naiv, kindlich und kaum aus den Fängern ihrer Amme entkommen und machte mich schon dermaßen verrückt und brachte mich durcheinander.
Herrgott!
Ich schüttelte den Kopf und senkte den Blick auf den Sand zu meinen Füßen. Dann stand ich auf und streckte mich. Ich lief zum Meer und begann, mir den Schweiß vom Körper zu waschen. – Was nutzlos war, denn er rann mir bereits wieder über den Körper, sobald die Sonne meine Haut binnen Sekunden trocknete.
Was würde ich für ein Stück Seife geben.
Seufzend gab ich es auf und machte mich daran, ein paar weitere Kokosnüsse zu sammeln und sie zu dem Lager zu bringen.
Als ich dort ankam und die Nüsse ablegte, öffneten sich die Augen der Prinzessin gerade schwerfällig.
»Wie ich sagte, habe ich ohne Mühe das kleine Trinkspiel gewonnen«, meinte ich locker und sah sie an, ohne den Kopf zu bewegen. Dann sah ich auf den Himmel und die Sonne, die langsam aber sicher dem Horizont näher kam. Ein paar Stunden würde es jedoch noch hell sein.
Sie rieb sich die Augen, gähnte und sah dann mich an. Scarlett musterte mich mehrere Sekunden bis....
Ihre Augen groß wurden und sie sich erinnerte. Ruckartig setzte ich sich auf, drehte sich herum, damit ich ihr Gesicht nicht sehen konnte. »Ich....es...also...das...« stotterte sie unbeholfen und schüchtern.
»Mhm«, brummte ich nur. »Willst du mir jetzt sagen, dass du verlegen bist, weil du mir gestanden hast, was du fühlst?«
Ich sah sie an und machte mich daran, die Nüsse zu öffnen.
Sie spielte an ihren Haaren herum, wie sie es immer tat, wenn sie nervös war. Doch gleichzeitig drehte die Hexe sich herum und sah mich direkt an, als sie mutig sagte: »N...Nein. Ich stehe dazu. Ich...Ich mag dich.«
»Mögen«, wiederhole ich und schnaubte abfällig. »Ist es das, was man im englischen Königshaus mit dem verschenken des Herzens gleichsetzt? Mögen?« Wieder schnaubte ich und leckte mir die Lippen. Ich nahm einen Becher, füllte Trinkwasser ein und hielt ihn Scarlett hin. »Ziemlich unzulänglich, hm?«
Sie nahm den Becher entgegen und trank ihn zur Hälfte leer. Dann sah sie auf das Wasser zwischen ihren Händen. »Talay-« begann sie wieder, ihre stimme ruhig, aber ernst. Den Blick hebend, sah sie mir direkt in die Augen. »Ich habe mich in dich verliebt. Aber-« Ihre Haltung versteifte sich. »-mir ist sehr wohl bewusst, dass du diese ... Gefühle nicht erwiderst. Ich akzeptiere das und werde dich deswegen auch nicht weiter belästigen. Nur ...bitte....«, unsicher kniff sie die Augen zusammen. »Schlag mich nicht mehr. Es ist nicht gerade angenehm, wenn der Mann, den man liebt, einen so behandelt.«
Der Mann, den man liebt ...
Bitte schlag mich nicht mehr ...
Mein Kiefer spannte sich an. »Warum? Warum hast du Gefühle für mich?«
Das war alles, was ich fragen konnte. Denn, bei Poseidon, ich begriff nicht, wie sie sich in mich verlieben konnte. Es was so sinnfrei wie die Sonne bei Nacht!
»So richtig begonnen hat es, glaube ich ... bei Marina, als wir uns so intensiv geküsst hatten. Dann der Moment, als die Nadel des Kompasses auf dich zeigte und mir klar wurde, was das hieß und zu aller letzt ... der Moment, als du mir hinterher gesprungen bist, obwohl es bei dem Sturm aussichtslos war.«
Sie seufzte und hob die Hand, an der ein Finger fehlte. »Ein Teil von mir, kann dir das alles nicht sofort verzeihen, aber gegen mein Herz, kann ich eben auch nichts tun.«
Nun sah ich weg und starrte auf den Punkt, an dem das Wasser ans Ufer schwappte. »Wie soll das deiner Meinung nach ablaufen?«, fragte ich rau. »Ich, der Piratenlord, bald König der Freibeuter, und die Königin von England? Es ist eine romantische Vorstellung, zugegeben. Aber eben nur das«, setzte nun ich meine Ausführung an. »Eine Fantasie. Eine Geschichte, die man Kindern erzählt. Ein Märchen. Nicht echt. Egal, was du fühlst, egal was ich-« Ich stoppte.
Ich wollte sie aus irgendeinem Grund nicht belügen, demnach sagte ich nichts, was meine Gefühle betraf. Ich war mir unsicher. War zu verwirrt. »Du wirst bei mir bleiben. Mindestens noch so lange, bis wir diese vermaledeite Hexe gefunden haben und dann ...« Ich spannte den Kiefer an. »Wenn ich in Verhandlungen mit den anderen Piraten trete und du vor dem Hinterhalt dabei sein musst, werde ich dich gegebenenfalls schlagen müssen. Keiner, und damit meine ich niemand, darf wissen, was du für mich sein könntest.«
Denn wenn man mitbekäme, dass sie mir wertvoll war, würde sie benutzt werden, um mich zu kontrollieren. Sie wäre in höchster Gefahr und wenn ich sie davor schützen konnte, indem ich sie züchtigte und Hass und Gleichgültigkeit vorspielte, würde es so sein.
»Möglich, dass ich weit Schlimmeres Mache, als die Hand gegen dich zu erheben.«
Sie stellte den Becher weg und stand auf. »Ich habe mir nichts Derartiges vorgestellt zwischen uns. Wenn wir ehrlich sind, werde ich wohl niemals Königin von England werden. Wie lange wird das Volk wohl glauben, ich sei in Frankreich, bis mein Vater eine Lüge verbreiten wird, ich sei im Meer ertrunken? Das einzige, dessen ich beiwohnen werde, ist meine eigene Beerdigung.«
Sie wandte sich ab und setzte an zu gehen. »Wenigstens bist du ebenfalls ehrlich und sagst mir ins Gesicht, dass du mich schlagen und noch Schlimmeres tun wirst. Vielleicht..... Hast du Glück und meine Gefühle werden, nachdem du dein Ziel erreicht hast, wieder verschwunden sein.«
»Denk nach«, sagte ich nur und sah weiter auf das Meer. Ich macht mir nicht die Mühe, ihr nachzulaufen. Scarlett würde ohnehin spätestens, wenn sie Sonne versank, wieder genau hier landen. »Du wirst auf dem Thron sitzen. Selbst wenn dein Vater verbreiten sollte, du seist im Meer ertrunken.«
Wütend drehte sie sich herum. »Von wo willst du das denn wissen?! Verschone mich mit deinen Worten, die Hoffnung schenken sollen. Darauf kann ich verzichten. Kümmere dich um dich selbst und tue, was du tun musst«, fuhr sie mich an, ballte die Hände zu Fäusten und fügte hinzu: »Ich hasse dich, du nerviger Pirat und jetzt entschuldige mich, ich muss mich erleichtern!«
Sie stampfte davon und ich schüttelte den Kopf.
»So jung, so naiv und ein Meister darin, mir den letzten, verdammten Nerv zu rauben«, nuschelte ich und mein Mundwinkel zuckte. Sie erkannte ihren Denkfehler nicht und war so darauf versteift, dass sie niemals die Krone auf dem Kopf haben würde, dass sie das Offensichtliche nicht sah. Selbst wenn der Grund, warum sie es eben doch werden würde, im Sand vor ihre saß.
Ich wartete und als sie wieder kam, noch immer gereizt musste ich schmunzeln. »Also, meine kleine, vertrauensselige Prinzessin«, grinste ich nun. »Soll ich dir erklären, was an deiner Aussage, du würdest nicht herrschen, falsch ist, oder willst du selbst darauf kommen?«
Sie nahm den Becher, aber statt zu trinken, wusch sie sich mit dem Wasser die Hände und dann das Gesicht. Einzelne Tropfen rollten ihren Hals hinab in ihr Dekolleté und verschwand zwischen ihren, von der Korsage zusammengepressten, Brüsten. »Gut, sag es mir, denn ich komme nicht drauf.«
Ich hob den Blick wieder. »Vorher würde ich gerne klarstellen, dass ich dich bezüglich des Faktes, dass du mich auf die Knie zwingen kannst, mit dieser zwar ausbaufähigen, aber für den Anfang guten Mundarbeit, nicht gelogen habe.« Ich sah ihr ernst entgegen. Mein Blick wieder hungrig. »Bietest du mir diesen Dienst an, kannst du verlangen, dass ich knie, und ich werde es mit Freuden machen.«
Dann sah ich weg und meinte locker: »Du gehst fälschlicherweise davon aus, dass die Worte deines Vaters und eine verbreitete Lüge ausreichen, um deinen Anspruch zu schmälern. Der König kann sagen, dass du ertrunken bist, sooft er will. Er kann es der ganzen Welt erklären, doch sobald ich mit dir vor dem Königshaus stehe und du unversehrt die Schwelle übertrittst, wird die Krone auf deinem Haupt ruhen. Denn unter meiner Aufsicht wirst du sicher nicht sterben.«
Ich schloss die Augen und ließ die Sonne mein Gesicht erhitzen. »Was denkst du, wie das Volk reagieren wird, wenn sie erfahren, was er getan hat? Was denkst du, hinter wem werden sie stehen? Einem Lügner und Tochtermörder, oder einer Prinzessin die Monate in der Gefangenschaft eines Pritatenlords überlebt und als überlebende Heldin zurückgekehrt ist, und das Land, das sie liebt, nicht im Stich zu lassen und ihr Recht zu fordern?«
Sie hob eine Braue. Während ich wegsah, ging sie auf mich zu und blieb vor mir stehen. »Dich knien zu sehen, würde mir eine überaus große Freude bereiten«, hauchte sie und sah auf mich hinab. Mit Augen, die vor Erregung glitzerten. »Versuchst du mir gerade zu verstehen zu geben, dass du-« Sie trat noch einen Schritt näher, legte die Hand auf meine nackte Schulter und setzte sich rittlings auf meinen Schoß. »-so etwas für mich tun würdest? Du würdest dafür sorgen, dass ich Königin werde?« Ihre Hände wanderten an meinem Hals hinab auf meine ebenso nackte verschwitzte Brust und sie kam mit dem Gesicht näher. »Würdest du mich auch als deine Königin anerkennen, Talay?«
Ihr Gesicht schwebte nun über meinen Lippen und ich sah mir ihre an, bevor ich die Konturen ihrer lilafarbenen Iriden musterte. Je näher sie mir kam und je öfter ich dieses Farbenspiel beobachtete, desto mehr Details fielen mir auf. Zum Beispiel, dass das Lila in kleinen schlierenartigen Mustern in das Blau überging und das winzige Tupfen Purpur dieses sprenkelten und wunderschön musterten.
Atemberaubend schön und doch das Zeichen, dass sie nicht ganz Mensch war. Nicht ganz ohne Magie. Selbst wenn sie sie niemals ausüben können sollte.
»Ich sagte dir bereits«, setzte ich an, völlig gefangen in den Augen dieser kleinen, nervigen Pestbeule, die mein Herz flattern ließ, »Dass es mich nicht schert, wer auf dem Thron sitzt. Ich akzeptiere nur die See als meinen Herrscher. Einzig die Wellen eines Sturms können über mich gebieten. Herrsche du über dein Land, deine Berge, deine Felder und die Menschen, die all das bevölkern. Mir-«, sagte ich und beugte mich nun auch näher, »gehören die Ozeane. Doch-«, fügte ich leiser hinzu, »hätte ich nichts dagegen, wenn du einzig und allein eine Krone auf dem Kopf trägste, während du mich reitest und auf mich herabsiehst.«
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