{{2}} Scarlett

Schon als ich klein war, wusste ich, dass ich eines Tages Königin von England werden würde. Zumindest hatte mir das meine Mutter immer gesagt, bevor sie durch eine unbekannte Krankheit verstarb.

»Scarlett-« begann sie jedes Mal, als wüsste sie, was passieren würde. »-egal, was dein Vater sagt, du bist und bleibst die rechtmäßige Thronerbin des englischen Königreichs.«

Ach Mutter. Wenn du doch nur noch an meiner Seite sein könntest. Seitdem sie verstorben war, war ich alleine. Auf mich selbst gestellt. Ich gegen den Rest. So fühlte es sich an. Und leider verlief alles ganz anders und gar nicht, wie Mutter es sich gewünscht hätte.

Vater hatte selbstverständlich nicht akzeptiert, dass eine Frau den Thron besteigen sollte. Daher bereitete er auch von klein auf, meinen 2 Jahre jüngeren Bruder Wilhelm Tudor auf die Thronbesteigung vor.

»Er solle König werden.«

Das waren seine Worte gewesen. Das Parlament war zuerst dagegen, sie unterstützen die Rechtmäßigkeit der Thronfolge. Normalerweise war es nicht von Bedeutung, ob du eine Frau oder ein Mann warst. Das Einzige, dass Bedeutung hatte, war: »Die erstgeboren solle den Thron von England besteigen, wenn sie 21 Sommer alt wird. So war es schon immer«, hieße es vom Parlament und verurteilten somit meinen Vater für seine Sturheit.

Doch, nachdem einer nach dem anderen aus mysteriösen Gründen verschwand, änderten sich ihre Meinungen ungemein schnell.

Und nun saß ich hier, auf einem Schiff nach Frankreich, um dort einen alten und senilen König zu heiraten. Ich hörte, er wäre bereits über 70 Sommer alt und seine Söhne warteten wie Geier darauf, dass er endlich verstarb. Es würde Krieg herrschen, sobald das passierte. Denn wir kannten alle die Geschichten, wenn mehrere Nachkommen um den Thron kämpften. Es würde viel Blut vergossen werden, das Volk würde leiden und am Ende würde nur einer der Söhne auf dem Thron sitzen und herrschen.

Und ich solle mitten drinnen sein, wenn es begann? Nein, danke. Das hätte ich am liebsten gesagt, aber ich war feige und so kam eins zum anderen und ich war auf dieses Schiff ohne Widerworte gestiegen.

Frustriert und mit geballten Händen starrte ich mein Spiegelbild an. Wieso wollte so ein hässlicher alter Mann bitte noch heiraten?! Ich war doch gerade erst einmal 18 Sommer alt. Und wieso schickte mich Vater weg? Sah er mich wirklich als eine so große Gefahr an?

Ich biss mir hart auf die Lippe so, dass sie aufplatzte, und begann zu bluten.

Scarlett hatte mich meine Mutter genannt.
>die rothaarige< bedeutete der Name.

Ich hatte nämlich von meiner Urgroßmutter die roten Haare geerbt und eine Mischung aus Mutters und Urgroßmutters Augenfarbe. Rote lange wellige Haare und Augen, die innen blau waren und außen ins Lila übergingen. Meine Augenfarbe war schon immer etwas Besonderes gewesen, das waren die Worte meiner Urgroßmutter, bevor sie verstarb.

Automatisch, wenn ich an meine Mutter und meine Urgroßmutter zurückdachte, ergriff ich mein Amulett. Selbstverständlich, hatte ich meine Urgroßmutter nie persönlich kennenlernen dürfen. Doch Mutter hatte mir immer viel von ihr erzählt. Und das Amulett war ein Familienerbstück. Wenn man es öffnete, war ein Kompass darin versteckt.

Seltsam war auch, dass dieses Amulett von niemanden, außer mir geöffnet werden konnte. Wirklich von niemanden, ob nun mit Schwert oder Hammer. Es ging weder kaputt, noch öffnete es sich, außer, ich hatte es in der Hand. Ich verstand nicht, weshalb das so war, aber Mutter sagte mir immer: »Nur die Besitzerin des Erbstückes ist in der Lage es zu öffnen. Niemand sonst. Niemals. Du wirst es nutzen, wenn der Tag gekommen ist, an dem du deinem Schicksal entgegentreten wirst.«

Meinte sie etwa damit diesen alten französischen König?!

Na danke, Mutter. Darauf hätte ich wirklich verzichten können.

Ich nahm ein Stück dünnes Papier und legte es zwischen meine Lippen. Dadurch entstand ein Abdruck durch meine Lippen Farbe, die ich vorhin aufgetragen hatte und meinem Blut. Ich legte das Papier zurück auf das Holz und leckte über meine Lippen.

War das hier wirklich mein Schicksal?

Plötzlich klopfte es an der Tür. »Prinzessin? Kommt schnell hinaus! Piraten!«, hörte ich meine Zofe rufen.

Mit großen Augen starrte ich die Tür an. Ich erhob mich, lief zu den Fenstern, die meine Kabine erhellten, und sah hinaus. Piraten? Ich sah gar kein Schiff.

Wieder klopfte sie. »Wir müssen euch wegschaffen. Schnell!«

Ich schluckte hart. »Ich komme«, ließ ich sie wissen und ergriff meinen Umhang. Nachdem ich ihn über meine Schultern gelegt hatte, schnürte ich ihn vorne an meinem Hals zusammen und versteckte mein Haar unter der Kapuze. Das Amulett versteckte ich unter meinem Kleid und verließ die Kabine.

Piraten.

Die schlimmsten Verbrecher unserer Zeit. Ich hatte noch nie welche von Nahem gesehen und hatte auch noch nie mit einem gesprochen. Aber ich war schon auf unzähligen Hinrichtungen gewesen und immer wieder schockiert, wie verwest diese Menschen aussahen. Meistens hatten sie verfaulte Zähne, waren dreckig und kannten nicht einmal das Wort Hygiene. Ich verabscheute Piraten und wünschte mir, dass unsere Marine sie endlich allesamt auslöschen würde. Viele Menschen litten unter den Piraten. Sie waren alle Verbrecher, die den Tod verdienten. Ich würde mich auf keinen Fall von diesen Widerlingen berühren lassen.

»Wo sind sie?«, fragte ich meine Zofe und folgte ihr durch den in Holz umrundeten Flur.

Das Holz unter unseren Füßen knarrte und das Schiff schaukelte von rechts nach links und wieder zurück. Der Seegang war heute etwas stärker, hatte man mir heute Morgen mitgeteilt. Ich solle mir dennoch keine Sorge machen, wir würden wie geplant, in 5 Tagen, das französische Königreich erreichen. Das hatte mir der Kapitän erklärt gehabt.

»Folgt mir, Prinzessin«, antwortete meine Zofe nur und ging gar nicht auf meine Fragen ein.

In diesem Moment, hätte ich es schon verdächtig finden sollen, statt ihr blindlings zu folgen.

Hinaus aufs Deck und weiter an mehreren Soldaten vorbei, wurde meine Zofe immer schneller. Sie verbeugten sich, als sie mich sahen und begrüßten mich respektvoll. Ich nickte ihnen zu, war ihnen dankbar für ihre harte Arbeit.

Wir liefen einmal über das gesamte Schiff, bis wir eine Treppe, hoch zum Heck, liefen. Als wir endlich an der Brüstung ankamen, sah ich hinaus aufs Meer.

Kein Schiff.

Keine Piraten.

Es war etwas stürmisch. Dicke graue Wolken bedeckten den Himmel. Aber weit und breit keine Piraten.

Verwirrt drehte ich mich herum, aber bevor ich etwas sagen konnte, schubste mich meine Zofe von Bord. Kreischend fiel ich meterweit ins kalte Wasser.

Die Kleider, die heutzutage bei den Adligen modern waren, bestanden aus engen Corsagen und viel Stoff. Schwerer Stoff. Ich kämpfte mich zurück an die Oberfläche und hustete.

»Hilfe! Bitte, ich brauch Hilfe!«, rief ich verzweifelt und sah hinauf.

Meine Zofe und der Kapitän, der auf einmal neben ihr stand, sahen auf mich hinab. Doch.....

Keiner von ihnen machte den Anstand mir zu Hilfe zu eilen. Es war schwer, mich über Wasser zu halten. Die Stoffe des Kleides saugten sich in Sekunden voll und zogen mich regelrecht zurück in die Tiefe.

»Hilfe! Hallo! HILFE!«, schrie ich wieder. Aber das Schiff segelte weiter. Es ... hielt nicht an, drehte nicht um. Es segelte einfach weiter.

Ich schluckte Meerwasser und verzog das Gesicht. Es war zu salzig. Wieder hustete ich. Ich kämpfte und sah mich verzweifelt um. Mehrmals tauchte ich ab und musste mich mit all meiner Kraft immer wieder hoch an die Oberfläche kämpfen.

Es war kräftezehrend und ich fing langsam an zu zittern. Suchte ängstlich und verzweifelt eine Lösung. Ich wollte hier noch nicht sterben. Nicht in der dunklen Tiefe des Meeres. Das hatte ich nicht verdient.

»Mutter«, schluchzte ich und blinzelte, als mir die Tränen kamen. Das Schiff, es wurde immer kleiner.

Unsicher sah ich mich um und als ich mehrere Meter weiter ein paar kaputte Bretter im Wasser fand, nahm ich meine letzte Kraft und schwamm dorthin. Ich schluckte Wasser, hustete immer wieder und kämpfte mit den Gedanken, dass ich hier sterben würde.

Ganz allein.

Erst als ich eines der Bretter zu greifen bekam und mit meinem halben Körper drauf kletterte, legte ich meinen Kopf seitlich auf das Holz und sah heulend dem Schiff hinterher. Es sollte mich doch in die Hölle bringen. Doch stattdessen wurde ich zum Sterben zurückgelassen.

Meine Zofe..... wie konnte sie nur so etwas tun?

Ich hustete wieder Wasser.

Auch der Kapitän hatte es gesehen und nichts dagegen getan.

Es war Absicht.

Reine Absicht.

Ich schluchzte und schniefte.

Ängstlich hielt ich mich an dem feuchten Holz fest und fragte mich, ob das hier wirklich mein Schicksal war, Mutter?!

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