{{16}} Scarlett

Ich lag auf dem Boden, die Decke um meinen Körper und mein Kopf auf dem Kissen. Ich hatte Moha und somit auch dem Zelleneingang den Rücken zugedreht. Die Zelle war von mir abgeschlossen und egal was Moha sagte, ich antwortete ihr nicht. Wie eine kleine Kugel hatte ich mich schon zusammengerollt und verzog immer wieder das Gesicht, als lautes Gestöhne und Gelache zu mir durchdrang.

Anscheinend hatten alle oben an Deck Spaß.

Mein Ausdruck wurde traurig, als ich an Hawk dachte. Auch er würde Spaß haben. Mit einer anderen Frau. Einer Frau, die bestimmt wunderschön und stark war. Sowie Moha. Ich dagegen war so schwach und....das einzige besondere war wohl mein Blut.

Mit zusammengepressten Lippen starrte ich weiter die Holzwand an. Draußen wurde sogar gesungen. Wie gern würde ich ebenfalls schauen was da passierte. Ich war neugierig und wollte....ich wollte auch Spaß haben.

Ich verstand meine Gedanken und Gefühle nicht mehr, denn als ich vorhin oben mit Hawk zusammen in der Hängematte gelegen hatte, war es schön gewesen.

Doch er hatte recht. Meine Hand wanderte zu meinem Bauch, auf dem ein großer blauer Fleck prangte. Er hatte mich geschlagen und würde es wieder tun. Er nutzte mich aus, um Schiffe meines Landes zu locken und die Menschen, die ich beschützen sollte, zu töten. Immer und immer und immer wieder. Hatte ich nach all dem überhaupt noch das Recht Königin zu werden?

Gerade jetzt glaubte ich nicht einmal mehr, dass ich lebend zurückkehren würde.

Was wohl Vater und Willi gerade taten? Ich liebte meinen kleinen Bruder, aber ich konnte noch nicht einschätzen, ob er vielleicht doch selbst König werden wollte.

Ich rieb mir die Augen und kuschelte mich mehr in die Decke.

Aber als ich auf einmal mehrere Stimmen und Gelächter hörte, setzte ich mich auf und sah mehrere Männer mit Frauen in den Armen. Einige redeten, einige küssten sich und einer hatte die Frau schon auf dem Arm und sie ihre Beine um seine Hüfte. Sie taumelten, waren betrunken und als Moha sie mehrmals auffordern musste zu gehen, weil sie nicht hörten oder Späße trieben, war sie gezwungen, die Männer mit den Weiblichen Gästen weg von der Zelle zu schieben.

Meine Augen wurden groß und ich lächelte, als ich den Moment nutzte, die Zelle öffnete und mit der Decke, die ich über meinen Kopf legte und vorne zuhielt, abhaute. Ich schlich mich durch die Gänge, versuchte niemanden zu nahe zu kommen und als ich endlich auf dem Deck ankam, weiteten sich wieder meine Augen.

Viele waren nackt, sie....sie taten es miteinander. Bei der heiligen Mutter Maria. Ich bekreuzigte mich geschockt, weil ich so etwas noch nie in meinem Leben gesehen hatte.

Ich schlich an mehreren Leuten vorbei und sah sie an, wie sie tranken, lachten, sich küssten, sich berührten und dann stöhnten, als es richtig los ging.

Ich hielt mir die Hand halb vor die Augen. Ich hatte eindeutig zu viele Schlangen gesehen. Was daran faszinierend war, war dass sie echt unterschiedlich groß und dick sein konnten. Ich dachte immer die würden alle gleich aussehen.

Neugierig ging ich weiter und kam bei Hawks Kajüte an. Mir war klar, dass ich nicht einfach zu ihm rein durfte, weil diese Frau da war. Also ging ich weiter, holte mir eine Holzkiste, die da zufälligerweise stand und stellte mich darauf, um durch das einzige Bullauge zu sehen, dass in seine Kajüte zeigte.

Doch mein Lächeln verschwand, als ich sah, was er tat.

Das war also die Frau, diese Melissa?

Er nahm sie und die anderen beiden Frauen auch.

Meine Hand legte sich auf meinen Brustkorb. Ein Schmerz stich mir durchs Herz. Ich blinzelte überrascht, als ich Tränen spürte. Es....Verletzte mich ihn so zu sehen. Er....hatte Spaß mit anderen Frauen. Mit Frauen, die viel Erfahrener und hübscher waren als ich.

Als sie alle vor Lust stöhnten, stieg ich von der Kiste und wandte mich ab. Ich konnte mir das nicht weiter ansehen. Er hatte recht, ich war für ihn nichts Besonderes. Und ich sollte so nicht fühlen.

Ich wischte mir über die Augen, aber mehr Tränen rollten über die Wangen. Und als ich dann auch noch angerempelt wurde von ein paar Frauen, fiel ich zu Boden. Ich sah ihnen nach, doch sie beachtete mich gar nicht.

Ich war ein nichts.

Mit zitternder Unterlippe, lief ich weiter und wieder runter unters Deck. Ich schniefte und wischte mir mit der Decke über meine feuchten Augen.

Als ich an jemanden stieß und schon wieder auf den Boden fiel, sah ich auf und mein Herz blieb stehen. Einer der Piraten, ich glaube, er hieß Kenny, sah auf mich hinab. Er grinste schief, hatte ein glitzern in den Augen und stank nach Rum.

»E...Entschuldige...« stotterte ich.

»Die kleine Hexe, mal endlich unbewacht. Wo ist den Moha?« fragte er lallend und sah sich um.

»I...ich ....sie ist hier....irgendwo...« erwiderte ich ängstlich.

Sein Blick fiel wieder auf mich, dann auf meine Beine. Er leckte sich begierig über die Lippen. »Wieso diese Huren ficken, wenn ich auch eine Prinzessin haben kann.«  er beugte sich runter, packte mich am Arm und zog mich in die nächste Ecke. Er drückte mich brutal an die Wand, weshalb mir die Luft aus den Lungen gedrückt wurde. Dann begannen seine widerlichen Finger an mein Bein entlang zu wandern und in meine Hose zu stecken. Gleichzeitig küsste er mein Hals.

Als er meine Mitte berührte, knurrte er und biss mir in den Hals. »Wieso bist du nicht feucht, Miststück?« fragte er und sein Atem streifte meine Haut. Ich war wie erstarrt, konnte mich weder bewegen noch antworten. Ich hatte Angst. Wollte nicht von so einem Mann angefasst werden.

Ich hatte aufgehört zu atmen, ich starrte einfach ins nichts. Ich musste schreien, nach Moha rufen, aber ich konnte nicht.

»Hat dir niemand beigebracht, dass man Frauen immer erst fragt, bevor man sie anfasst, du stinkende Ratte?« hörte ich plötzlich Mohas Stimme und meine Augen fanden sie durch das wenige Licht der Gaslampen. Sie legte Kenny drohend ihre Hand auf die Schulter.

Ich war so erleichtert, dass ich endlich Atmen konnte.

Kenny wankte etwas und drehte seinen Kopf zu ihr. »Halts Maul, Moha. Der Kapitän-« begann er genervt und bekam Schluckauf. »-hat keinen Anspruch auf die kleine, also lass mich mein Spaß. Ich wollt schon immer mal zwischen die Beine einer Prinzessin kriechen.« lachte er auf einmal und kesselte mich weiter zwischen Wand und ihm selbst ein.

Ich wimmerte ängstlich und sah Hilfesuchende Moha an.
Nein, ich wollte das nicht.
Auf keinen Fall.

»Mag sein, du dreckige Ratte, dass dein Kapitän NOCH keinen Anspruch erhoben hat. Aber willst du riskieren, dass du wie der Smutje endest, weil er es sich anders überlegt und du deinen widerlichen Saft in ihr verspritzt hast?« Sie trat näher an ihn und zog ihren Dolch. Dabei verzog sie wegen ihrer Stichwunde das Gesicht. »Denk nach, Kenny. Er holt die kleine Landratte jede Nacht zu sich. Jede. Was macht er wohl, wenn er deinen Schwanz in ihr findet?«

Was meinten die beiden mit Anspruch? Ich verstand es nicht ganz. Und auch nicht, wieso Hawk wütend werden sollte, weil mich jemand anderes hatte? Ich war doch nichts Besonderes für ihn. Nun war ich wieder traurig und Bilder, wie er diese Frauen nahm, tauchten in meinem Kopf auf.

Erst als mich Kenny plötzlich hochhob und meine Beine um seine Hüfte legte, schrie ich erschrocken auf. »Verpiss dich Moha.« brummte er, küsste mich direkt auf den Mund, weshalb ich nur mit aufgerissenen Augen ihn anstarrte und meine Lippen keinen Millimeter bewegte. »Ich bin betrunken und will jetzt ficken. Interessiert mich gerade einen Scheiß, ob der Kapitän damit einverstanden ist oder nicht.« mit diesen Worten wandte er sich wieder mir zu und begann mit einer Hand seine Hose aufzumachen.

Nun taute ich doch endlich auf und begann zu zappeln. »Lass mich runter...Moha bitte...Ich will das nicht!« schrie ich und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, aber er war viel stärker als ich.

Nein. Nein. Nein!

Moha fluchte und schlug mit dem Griff ihres Dolches hart und gezielt auf seine Schläfe. Kenny fiel mit einem Stöhnen um, verlor das Bewusstsein und krachte mit mir auf dem Arm auf den Boden.

Die dunkelhäutige Schönheit seufzte, bot mir die Hand an und meinte: »Der Witz daran ist, Kenny kann von allen hier noch am besten mit seinem Schwanz umgehen. Aber ich denke, dir reicht wohl fürs Erste der des Kapitäns.«

Ich sah von Moha zu Kenny und zurück, dann nahm ich ihre Hand und umarmte sie. »Danke, Moha, tut mir leid, dass ich abgehauen bin.« sagte ich ängstlich. Dann schüttelte ich den Kopf und sah wieder runter zu Kenny. »Ich hasse ihn.« sagte ich und meinte Hawk damit.

Sie umarmte mich zurück, zischte aber, weil ihre Seite schmerzte. »Kenny ist ganz okay, wenn er nicht voll wie ein Tavernen Besitzer ist.«
Sie ließ von mir ab und schlug verspielt gegen meine Stirn. »Und ja, zum Abhauen, war heute ein denkbar schlechter Moment.«

Ich sah zu ihr hinauf, rieb mir die Stirn und nickte. »Entschuldige, ich war neugierig....aber-« Ich sah traurig zur Seite. »-es wäre besser gewesen, ich wäre einfach in der Zelle geblieben.« Ich ließ mein Blick über Moha wandern und hielt an ihrer Seite an. »Hast du dich verletzt?«

»Aye, das wäre es, Prinzessin. Aber nun ist es zu spät und ich brauche dringend einen Krug Rum.« Moha nickte Richtung Deck und lief los. Dabei sah sie zu, dass ich dich an ihrer Seite blieb. »Der Kapitän hat einen Scherz nicht ganz so lustig gefunden wie ich. Also wurde ich wohl eher verletzt.« Sie sah mich an. »Er dachte wohl, er müsse mir mal wieder zeige, wer hier das Sagen hat.«

Ich folgte ihr. »Hawk hat dir das angetan? Wie schrecklich.« Ich sah von Moha nach vorne. »Er ist wirklich ein Arschgesicht.« sagte ich zum ersten Mal eine Beleidigung und pustete die Wangen auf.

Ich will auch trinken. Mir die Bilder wegtrinken, das wäre gut.

Ein echtes Lachen entkam Moha. »Na, Na, Prinzessin. Du bist wohl schon zu lange unter Gesindel wie uns, wenn dein Mundwerk so zu funktionieren beginnt.« Sie kicherte. »Aber ich muss dir widersprechen. Hawk ist ... leider schrecklich gutaussehend. Selbst mit den Narben und dem Zeichen des Fluchs und nur 9 Fingern. Ich meine, sein Körper! Poseidon selbst würde vor Neid verblassen. Oder?«

Ich sah wieder zu ihr hoch und spürte die Röte im Gesicht. Nun....sie hatte schon recht. Hawk sah wirklich.....ganz okay aus. Dachte ich etwas zickig.

Ich spielte mit meinen Haaren und sah schmollend auf den Boden. »Ich find ihn hässlich.« log ich und sah sie deswegen auch nicht an. Ich war schlecht im Lügen, wirklich schlecht. Aber ich würde nicht zugeben, dass er mir gefiel, weil das einfach Irrsinn war. Er hatte mir so viel Schlimmes angetan und daher war das nicht normal, dass ich ihn gut fand, oder eifersüchtig war. Nein, nein. Er war ein schlechter und widerlicher Mensch und ich sollte hier verschwinden, sobald mir die Chance geboten wird.

Mein Blick huschte wieder zu Moha. Na gut, ich musste zugeben, dass ich sie vermissen würde. Aber nur sie! Nicht Hawk! Auf keinen Fall!

Wissentlich grinste sie. »Ja, vielleicht hast du recht. Er ist schon eine hässliche Ratte.«

An Deck angekommen, hatte sich das wilde Treiben etwas gelegt und viele lagen volltrunken herum, würfelten oder redeten einfach nur. Moha nahm zwei verlassene Becher, schüttete den alten Inhalt aus und füllte die verbellten Dinger mit hochprozentigem Rum. Einen gab sie mir und hob ihren zum Anstoßen hoch. »Auf den baldigen Aufbruch der Gäste.«

Ich sah auf meinen Becher, den ich mit beiden Händen hielt und dann zu Moha. Ich hob ihn hoch und stieß mit ihr an. »Ja.« sagte ich nur und trank einen Schluck. Sofort verzog ich das Gesicht. »Ist ja widerlich.« meinte ich geschockt und sah angeekelt in den Becher.

Das Zeug brannte in meinem Hals und schmeckt gar nicht. Wieso tranken die Leute das? Ich nahm noch einen Schluck. »Schmeckt dir das etwa, Moha?« fragte ich und sah sie an.

»Nein, aber es ist besser als nichts. Was trinkt ihr denn bei Hofe so, Prinzessin?«

Ich überlegte. »Wein, grundsätzlich Wein. Ja.« antwortete ich und presste die Lippen zusammen, als ich zu einer anderen Frage ansetzte: »Tust....du es....noch mit ihm...mit Hawk?« Ich schluckte verlegen, aber ich musste es wissen. »A..Also...j...jetzt...i..ich meine seit i...ich...ich...tust du es noch mit ihm?« stotterte ich total unbeholfen und wollte mir nichts anmerken lassen.

Moha nahm einen Schluck und sah mich über den Becher hinweg an. Es dauerte lange, bis sie antwortete. »Nein.« Wieder nahm sie einen Schluck und warf den Becher dann weg. »Du fängst an, Hawk zu mögen.«

»Was? Nein, ich mag ihn nicht. Wirklich nicht.« versuchte ich überzeugend zu klingen. Doch als sie mich so eindringlich ansah, wisch ich ihrem Blick aus und trank mein Becher leer. Doch ich konnte die Erleichterung nicht verstecken. Aber auch nicht die enttäuscht die einherging, als ich wieder an diese Frauen in seiner Kajüte zurückdachte.

»Sei einfach vorsichtig, Scarlett«, sprach der Leutnant mich mit meinem Namen an. »Sein Herz an einen Piraten, seinen Peiniger selbst zu verlieren, ist schmerzhaft und endet oft tödlich. Hawk kann charmant sein, aber für ihn bist du eine Karte, die er ausspielen kann, wenn er sie braucht. Vergiss das nicht, denn so schön sich die Geschichte von dem bösen Piraten, der sich in eine Prinzessin verliebt auch anhört, so schrecklich ist die Realität dazu.«

Ich sah wieder zu Moha und nickte. »Ich...weiß.« stimmte ich ihr traurig zu.

Gott, ich wusste das doch. Nein, eigentlich war ich schon ziemlich naive. Oder konnte man das auch dumm nennen? Vermutlich. Ich versuchte zu lächeln. »Danke für deine Fürsorge. Ich...Ich werde es mir merken.« meinte ich und sah dann nachdenklich in die Dunkelheit.

Ich war nur eine Karte, nur eine Gefangene, nur zum Zweck hier. Das sollte ich mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, während ich meinen Plan umsetzte und bald dieses Schiff verlassen würde.
Ich musste zurück nachhause. Ich musste mit eigenen Augen sehen, ob mein Vater mich wirklich los werden wollte, um meinen Bruder auf den Thron zu setzen.

Ein Pirat und eine Prinzessin passten nicht zusammen. Und ich bedeutete ihm sowieso nichts. Immerhin verbrachte er die Nacht mit anderen Frauen.

Wieder dieses stechen in meiner Brust.

Ich hasse ihn.

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