36 Plan B.

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 S O P H I A  ❱





Kaum war ich vierundzwanzig Stunden lang in New York, schon wollte ich zurück in die Hamptons. Denn das Erste, was Eleanor mir morgens um kurz nach Sieben in der Hauptfiliale von Henry & Payne mitteilte war: „Wir haben ein Problem."

Ich hatte nicht einmal meinen ersten Kaffee getrunken, war immer noch unendlich müde und bemerkte zum dritten Mal, dass meine Haare heute einfach nicht so wollten wie ich und löste wieder unzählige Haarnadeln aus meinem, eigentlich eleganten, Knoten.

„Gib mir erst einmal Koffein, dann bin ich bereit für alle Hiobbotschaften dieser Welt", sprach ich. Taylor war noch nicht da, also gab es auch noch keinen Kaffee. Sie brachte morgens immer einen von Starbucks mit und die super Maschine, die im Vorzimmer stand, wollte ich nun wirklich nicht bedienen.

Eleanor ließ sich vor meinem Schreibtisch in dem bequemen Sessel nieder und legte die Füße drauf ab. Sie war noch immer Undercover im Unternehmen unterwegs und versorgte mich ab und an mit kleinen Insidern. Doch bislang hatte sie mir nie wirklich etwas gravierendes vorgelegt.

„Und Darling, wie war dein kleiner Urlaub so?", sie musterte mich sichtlich interessiert und ich erinnerte mich wieder daran, dass Eleanor Bescheid wusste, was das ganze Fake-Getue anging.

„Das Haus in den Hamptons ist ein Traum, vielleicht sollten Taylor, du und ich für ein längeres Wochenende einmal hinfahren", sprach ich und zupfte an meinem Etuikleid herum, nur um festzustellen, dass meine Strumpfhose eine Laufmasche hatte. Heute war definitiv nicht mein Tag und er hatte nicht einmal richtig angefangen.

Mir fehlte das Geräusch des Meeres, der Geruch von leckerem Frühstück und irgendwie auch die Gesellschaft am Morgen. Das Liam lieber ausschlief, das konnte ich ihm nicht verdenken.

„Und, warst du mit ihm im Bett?", fragte Eleanor ganz direkt. Daraufhin antwortete ich nicht und sie neigte leicht den Kopf: „War es zumindest gut?"

Natürlich war es gut. Zu gut mochte man meinen. Hier in New York würden wir das nicht so fix wiederholen, dafür hatte uns der Alltag zu sehr. Wenn ich Abends tot ins Bett fiel war Liam auf Achse.

„Irgendwie habe ich mir das schon gedacht", redete meine beste Freundin weiter. „Irgendwann musstest du ihm nachgeben und er wirkt auf mich nicht wie der Typ, der nicht bekommt, was er eigentlich haben will. Dir sollte allerdings klar sein, dass du nun zu der Hälfte New Yorks gehörst, mit der er geschlafen hat."

„Und wenn schon", gab ich zu. „Das war es wert."

Auf Eleanors Lippen zeichnete sich ein Lächeln ab: „Wirklich?"

„Hm... ja, ich denke schon", nickte ich langsam. „Ich... habe es wohl mehr vermisst mich auf so etwas einzulassen, als ich geglaubt habe."

Meine beste Freundin schien merkwürdig zufrieden. „Finde ich gut, also das es zwischen Liam und dir nicht trocken geblieben ist, denn für ein bisschen Spaß scheint dein Mann genau der Richtige zu sein."

„Schätze ich auch", meinte ich und fügte in Gedanken hinzu, dass er sich jetzt keinen Spaß mehr Außerhalb suchen durfte. Irgendwie musste das für Liam schon hart sein. Immerhin war er jemand, der sich nie von irgendetwas einengen gelassen hatte. Blieb zu hoffen, dass er sich damit arrangierte.

„Taylor hat sich übrigens um eure Hochzeitsgeschenke gekümmert", wechselte Eleanor nur das Thema und ich nickte: „Ja, ich habe es gesehen. Alles ist ordentlich in der Küche gestapelt, aber meine Motivation, sie alle auszupacken, hielt sich gestern in Grenzen." Ich hoffte, dass Liam das machte, aber das konnte ich wohl vergessen.

„Warten wir jetzt, bis Taylor uns um acht Uhr den Kaffee bringt, bevor du mir erklärst, was für ein Problem wir haben?", nahm ich das eigentliche Thema wieder auf. Eleanor nahm die Füße vom Schreibtisch und wühlte in ihrer Tasche herum. Dort nahm sie einen kleinen Notizblock heraus und ich wusste, dass sie dort ihre Recherchen festhielt. Quasi wie ein Profi-Ermittler.

Ohne vorher zu klopfen glitt nun die Tür zum Büro auf und ein trat ein völlig übermüdeter Louis. Er sah aus, als hätte er sich nach dem Aufstehen nicht einmal gekämmt. Die Schatten unter seinen Augen waren enorm und ich bekam Angst.

„Bereit für das jüngste Gericht?", fragte Eleanor, während Louis sich aus seinem Wintermantel schälte und ich sah, dass er zwei Flecken auf seinem Pullover hatte.

„Wie schlimm ist es?"

„Kommt auf die Perspektive an", sprach Louis rau und ich erkannte, dass er stark erkältet und übermüdet war. Ich war doch nur ein paar Tage weg gewesen, konnte innerhalb dieser Zeitspanne echt alles einbrechen?

Er setzte sich in den anderen Sessel neben Eleanor und zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche. Laut schnäuzte er sich und ich runzelte die Stirn: „Louis, vielleicht solltest du besser ins Bett gehen, so wie du dich anhörst." Eleanor rutschte bereits von ihm weg und würdigte ihn keines Blickes.

„Ich haue ab, sobald wir das hier geklärt haben. Wurde auch Zeit, dass du wieder kommst", röchelte er und ich lächelte ihn liebevoll an, weil das seine Art war mir zu sagen, dass er mich vermisst hatte.

„Also?", warf ich in die Runde.

Louis atmete tief durch. „Wir haben kein Model für die Eröffnung der Kollektion."

Verwirrt runzelte ich die Stirn und Eleanor führte aus: „Eigentlich gingen wir davon aus, dass wir Danielle Peazer kriegen, aber sie weigert sich für unseren Teil der Kollektion zu laufen."

Das verstand ich nicht, schließlich war es doch eine große Ehre als erstes Model den Laufsteg beschreiten zu dürfen. „Weshalb?"

„Sie ist nicht gut auf dich zu sprechen", gab Eleanor zu und meine Augenbrauen huschten in die Höhe: „Wieso, ich kenne sie doch nicht einmal."

„Miss Peazer hatte eine nette kleine Liaison mit deinem Ehemann", knallte Louis zwischen zwei Taschentüchern heraus. „Und wie es aussieht nimmt sie es dir sehr übel, dass du ihre Wege durchkreuzt hast, als sie die nächste Mrs Payne werden wollte."

Im ersten Moment sagte ich gar nichts. Schweigend sah ich meine beiden Komplizen an, dann sprach ich: „Das ist doch wohl ein Scherz."

„Nein", bekräftigte Eleanor. „Beide hatten eine nette, heiße Affäre und sie hatte scheinbar ernsthafte Absichten."

Ich konnte das einfach nicht glauben und vor meinen Augen sah ich Danielle Peazer. Wunderschön, attraktiv und auf ihre Weise außergewöhnlich. Sie hatte für zahlreiche Kampagnen gemodelt und ja, ich wusste, dass Liam und sie sich kannten, aber ich hatte sie für einen weiteren Schatten in seinem Bekanntenkreis gehalten.

Unwirsch wedelte Louis mit der Hand herum: „Das sollte dich nun wirklich nicht überraschen. Laut dem L✕ Ladies Magazin stand er in den Top Ten der New Yorker Junggesellen, bevor du auf der Bildfläche aufgetaucht bist."

In diesem Moment musste ich in lautes Gelächter ausbrechen. Das durfte alles nicht wahr sein!

„Das ist nicht wirklich lustig", fand Eleanor. „In fünf Tagen muss ein neues Gesicht gefunden sein. Wir brauchen jemand, der eure Kollektion präsentiert und an dem sich die Leute erinnern. Jemand, der frischen Wind reinbringt, Größe hat und – Sophia hör endlich auf zu lachen!"

Nur mit Mühe und Not schaffte ich es wieder eine ernste Miene zu machen, auch wenn meine Mundwinkel immer wieder zuckten. „Tut mir leid, Ellie. Es ist nur so... dämlich, ich meine, Liam hat wahrscheinlich mit 90 Prozent der It-Girls und Models geschlafen die hier so herum laufen. Und die anderen 10 Prozent waren ihm egal, weil sie entweder dick oder hässlich sind."

Nun schnaubte Eleanor: „Was ein echtes Problem ist! Die Zeit ist knapp und in Paris reißen sich die Designer schon um die begehrten Gesichter. Peazer war Plan A!"

Für Eleanor schien das wahrhaftig ein Desaster zu sein. Louis dagegen wirkte irgendwie erschreckend ruhig, wenn man davon absah, dass er seit ein paar Minuten nach einem Hustenbonbon kramte.

„Und was schlagt ihr nun vor?", wollte ich wissen. Eleanor ließ sich gefrustet zurück in den Sessel sinken, während Louis absolut gechillt sprach: „Was schon, Plan B."

„Ich sag's nur ungern, Tomlinson, aber wir haben keinen Plan B. Das macht die Sache so heikel", belehrte Eleanor ihn zynisch.

Von ihrem bissigen Tonfall ließ Louis sich wie üblich nicht beeindrucken: „Wieso entdecken wir nicht einfach ein neues und frisches Gesicht?"

„Hm", machte ich. „Dann sollten wir sofort bei sämtlichen Modelagenturen anrufen und nach deren Mappen und Karteien verlangen."

„Dann an die Arbeit und-"

„Nein, so meinte ich das nicht", unterbrach Louis uns. „Wir hätten eigentlich jemanden, der sich dafür ziemlich gut eigen würde. Zumindest mit etwas Nachhilfe."

Ich sah Eleanor an und sprach: „Louis, Ellie ist zu klein, so hübsch-"

„Nicht Meckerzicke", wehrte er ab und neben ihm war meine beste Freundin drauf und dran ihm die Meinung zu sagen, doch dann fiel bei ihr der Groschen und sie wandte sich mir zu: „Wir haben Taylor."

Zuerst blinzelte ich und das Bild meiner schüchternen und liebenswürdigen Freundin erschien vor meinem Auge. Sie war sanft, unauffällig und zog sich wirklich sehr altbacken an. Jeden Morgen fand sich ein Kaffeefleck auf ihrer Bluse wieder, ihr Haar war oft glanzlos, weil sie sich nicht richtig drum kümmerte und würde sie nicht mein Vorzimmer schmeißen, würde ich sie für unfähig halten. „Sie ist doch bestimmt 175 Zentimeter groß", überlegte ich.

„Natürlich müssten wir sie zuerst in fähige Hände geben, ihr beibringen, wie man richtig läuft, wie man posiert und sich präsentiert. Aber das kann man alles lernen", fasste Eleanor zusammen. „Jedoch gibt es auch da ein Problem."

Ich ahnte es. Denn... Taylor musste 'ja' sagen und sie war nicht unbedingt der Typ, der sich ins Rampenlicht drängte. Sie fühlte sich im Schatten sehr wohl. Weder zur Schulzeit noch später war sie diejenige, die Blicke auf sich ziehen wollte.

„Versuchen wir sie zu überreden", schloss ich und dann hieß es bis acht Uhr warten.

Taylor kam, wie zu erwarten, überpünktlich an. Sie brachte Kaffee mit, hielt ein bisschen Smalltalk und strahlte mich schließlich an: „Ich hoffe dein Urlaub mit Liam war toll?"

„Ja, sehr", nickte ich und bemerkte, dass Louis wieder laut schnupfte. „Tay, hol dir bitte mal deinen Schreibtischstuhl hier rein."

Verdutzt tat sie das und fragte: „Gibt es Probleme? Soll ich irgendetwas verändern, passt dir die Planung nicht mehr, wie ich sie führe?"

„Nichts von alldem stört mich", beruhigte ich sie und als Taylor sich hinsetzte, da bemerkte ich, dass Louis sie prüfend musterte und sichtlich zufrieden wirkte. Für mich hieß das ihr reinen Wein einzuschenken. „Tay, was hältst du davon, dass neue Werbegesicht von Louis' und meiner Kollektion zu sein?"

Sie kicherte mädchenhaft und schien das Ganze witzig zu finden: „Ich? Na du hast heute aber gute Laune."

„Nein, Sophia meint das ernst", erklärte Louis mit Nachdruck. Eleanor machte eine einladende Geste: „Sie sprechen davon, dass sie deine Arbeitsbezeichnung komplett ändert. Du sollst die Kollektion anführen, mit deinem Gesicht werben, öffentliche Auftritte absolvieren."

„Du wärst die neue Kendall Jenner", pflichtete Louis ihr bei und ich konnte die komplette Verwirrung an Taylors Miene sehen. Sie musterte uns, dann lächelte sie sanft: „So nett das von euch auch ist, aber ich bin weit davon entfernt qualifiziert für so etwas Wichtiges zu sein."

„Du bist groß, hübsch, unbekannt und mit ein bisschen Nachhilfe würdest du das hinkriegen", bekräftigte Eleanor und sah sie aufmunternd an. Doch das schien sie nicht zu überzeugen. Ihre Abwehrhaltung blieb: „Nein danke, ich bin zufrieden wie es ist. Ich will gar nicht in diese Glamourwelt und mich der Aufmerksamkeit aussetzten."

Das klang durch und durch nach Taylor. Sie war schon als Teenager nicht besonders scharf darauf gewesen ein Teil der Stars und Sternchen zu sein. Ihr Leben würde sich komplett ändern. Schlag auf Schlag.

Eleanor holte gerade Luft, um Taylor weiter überreden zu können, als Louis ihr zuvor kam: „Würdet ihr uns mal kurz fünf Minuten geben?"

Verblüfft blickte ich ihn an. Eleanor wollte sich dagegen stellen, aber bevor sie laut werden konnte, lenkte ich ein: „Gehen wir einen Kaffee trinken. Draußen steht doch welcher, oder?"

„Ja, ich habe auch Donuts mitgebracht", sprach Taylor und leise schloss ich die Tür hinter mir. Wütend stampfte Eleanor auf den Schreibtisch zu und sah auf die drei Becher, dann öffnete sie die Donutschachtel: „Glaubt dieser Blödmann wirklich, dass er sie eher überzeugen kann, als wir?"

„Nun ja, vielleicht hat er bessere Argumente", meinte ich und nahm mir einen Donut mit Puddingfüllung. „Ich vertraue Louis da. Außerdem ist es ja nicht so, als würden wir von Taylor verlangen, dass sie uns unser Mittagessen besorgt. Ihr ganzes Leben könnte sich verändern, wenn die Kampagne mit ihr hohe Wellen schlägt."

„Wenn!", wiederholte Eleanor. „Das Wort ist Wenn! Und glaub mir, sie hat das Zeug dafür. Ich habe mich schon oft gefragt, warum sie nie in dieser Richtung etwas aus sich machte."

„Manche stehen nicht so auf Oberflächlichkeiten und das ist doch okay. Uns hat es doch nie gestört, wenn Taylor in der Buchhandlung fest hing, statt sich mit uns durch Klamottenläden zu graben."

Eleanor brummte etwas und setzte sich auf den Schreibtisch, dann nahm sie einen großen Schluck Kaffee. Stumm warteten wir uns schließlich , nach über fünfzehn Minuten öffnete Louis die Tür. Seine Miene war gleichgültig und er zog sich seine Winterjacke erneut an: „Sie macht es."

Jubelnd huschten Eleanor und ich an ihm vorbei und umarmten Taylor dankbar. Die schien noch immer nicht sehr überzeugt. Als unser Jubel abgeflaut, ließ Louis verlauten: „Meckerzicke, zieh mit deiner Freundin durch die Salons. Morgen werden wir die Klamotten anpassen. Sophia, frag nach einem Model-Coach, an ihrer Haltung müsst ihr ein paar Dinge verbessern." Er zog eine Schachtel Zigaretten aus der Jackentasche und ich sah ihn mahnend an: „Findest du, dass es eine gute Idee ist, deinen angeschlagenen Körper mit Nikotin vollzupumpen?"

„Das sind meine Vitamine", er wandte sich ab. „Bis morgen und gerne geschehen."

„Also machen wir uns einen tollen Tag!", flötete Eleanor begeistert. „Friseur, Kosmetikerin, ein bisschen Shoppen und -", in diesem Moment ging Eleanors Handy los und sie entfernte sich ein paar Meter.

Ich strahlte Taylor an: „Ich habe volles Vertrauen in dich!"

„Toll, das macht mir sehr viel Mut", seufzte Taylor immer noch unsicher. Eleanor drehte sich kurz darauf um: „Ich muss leider passen, ein Notfall, Geoff braucht meine Hilfe. Ich kümmere mich nebenbei um diesen Model-Coach und einer neuen Sekretärin. Irgendjemand wird die Stellung halten müssen. Die Anrufe lasse ich für heute auf mein Telefon umschalten."

„Sicher, dass du all das schaffst?", zweifelte ich, doch meine beste Freundin verschwand mit einem breiten Grinsen. Wahrscheinlich hatte sie sich daran gewöhnt, dass ihr Alltag keine 24 Stunden lang gleich verlief.

Nun drehte ich mich zu Taylor um und lächelte: „Dann lass uns losgehen. Ich bin sicher, dass New Yorks Kosmetiker uns mit Kusshand am Morgen empfangen." Wir nahmen, so wie ich auch die meiste Zeit über, den Hinterausgang. Kurz telefonierte ich, dann fuhr eine gemietete Limousine vor und ich erklärte Taylor: „Lior Malka nimmt sich Zeit. Sie machen in einer halben Stunde auf."

Im Auto fragte ich: „Was hat Louis dir eigentlich gesagt, dass du dich dafür entschieden hast, ja zu sagen?"

„Er ließ mich wissen, dass ich jeder Zeit aussteigen könnte und wenn die Kampagne keinen Erfolg haben würde, dann wäre das nicht meine Schuld. Ich will euch keine Probleme machen, denn sind wir ehrlich Soph, ich passe nicht wirklich in das typische Konzept von Henry & Payne."

Daraufhin musste ich lachen: „Im Vergleich zu Eliza Payne, Marion Cotillard und Rosamund Pike fühlt sich jeder dem nicht gewachsen."

„Ich soll Danielle Peazer, da werden die Leute doch sicher Unnglaubliches erwarten", mutmaßte Taylor überfordert und mir wurde klar, dass Louis sie zwar zu einem 'Ja' überredet hatte, aber die Zweifel blieben.

Lior Malka war ein Luxussalon. Als ich nach New York kam, hatte mir Geoff einen Nachmittag dort spendiert. Nämlich genau vor meinem ersten Treffen mit Liam. Der Salon war überschaubar, aber sehr gemütlich. Ein großes, schwarzes Chesterfield-Sofa stand mitten im Raum, eine Oldschool-Kasse am Eingang und die Prdukte waren im Vintage-Look gehalten. Sobald man den Lior Malka Salon betrat, hatte man das Gefühl eine Zeitreise in die 50er-Jahre gemacht zu haben.

Im Gegensatz zur Einrichtung waren die Schnitte und Farben jedoch hochmodern.

Sobald wir im Inneren waren, kam eine weißblonde Frau auf uns zu und stellte sich als Miss Lou Teasdale vor. Bei einem Cappuccino besprachen wir, was unser Anliegen war und sie hörte uns genau zu, dabei fragte sie Taylor: „Gibt es gewisse Wünsche, Miss Swift?"

Sie wurde rot und gestand: „Ist es möglich meine Haarfarbe zu behalten und... die Länge nicht allzu drastisch zu verändern?"

„Natürlich", lächelte Miss Teasdale aufmunternd und dann gab ich meine Freundin in ihre fähigen Hände. Während Taylor Gesichtspeeling, Nagelpflege und jeglichen Service genoss, saß ich auf dem schwarzes Chesterfield-Sofa und ging Emails durch. Nebenbei telefonierte ich und schließlich leistete ich Taylor Gesellschaft, als sie mit ihrer Haarkur warten musste.

„Was immer passiert Tay, irgendeiner von Louis, Eleanor oder mir wird immer bei dir sein. Wir werden darauf achten, dass du keine Schwierigkeiten bekommst und wenn dir all der Rummel nicht gefällt, dann beenden wir alles", sprach ich ruhig und reichte ihr eine neue Tasse Cappuccino. „Vertraglich werden wir die Zusammenarbeit trotzdem festhalten müssen."

„Mit Ausstiegsklausel", fasste Taylor auf und ich nickte: „Außerdem wirst du pro forma eine Agentur brauchen. Möglichst eine unabhängig. Ich bin sicher, dass Eleanor schon eine rausgesucht hat."

„Sie ist erschreckend schwer auf Zack", und dann lächelte Taylor zum ersten Mal ohne, dass sie unsicher wirkte: „Und nun, Sophia, erzähl mir, wie sind die Hamptons?"

Ich lenkte sie in der folgenden halben Stunde ab, beschrieb das wunderbare Haus, den eisigen Strand, die Muscheln, aber auch das Badezimmer mit der unglaublichen Sicht auf das Wasser. Lediglich bei der Erwähnung des Jacuzzis auf der Veranda, versuchte ich nicht rot zu werden. Danach beschrieb ich das Abendessen bei April Brooks.

„Wenn es wärmer wird können Eleanor, du und ich ja ein längeres Wochenende dort machen", schlug ich vor, aber eigentlich wollte ich früher dorthin. Das Haus hatte etwas von einer kleinen Oase und schon nach zwei Tagen New York und seinem schnellen Tempo, sehnte ich mich danach.

„Wie ist Colin Sweeting so?", fragte Taylor neugierig und ich gestand: „Erschreckend charmant, er wirkt nett und höflich."

„Glaubst du, dass er seine Frau ermordet hat?", wollte sie von mir wissen und ich zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung. Er ist freigesprochen worden und das ist alles, was zählt."

„Aha", Taylor nickte, dann verzogen sich ihre Lippen zu einem breiten, schelmischen Grinsen: „Und, wann gibt es bei dir Nachwuchs?"

„Ha, ha, sehr witzig. Jetzt klingst du schon wie Gwyneth. Ich will keine Kinder. Dafür fehlt mir eindeutig die Zeit und ich wäre eindeutig keine gute Mutter", antwortete ich und nippte an meinem Cappuccino. Ich wollte wirklich keine. Natürlich liebte ich meine süßen Nichten sehr, aber eigene Kinder war ein ganz anderes Kaliber.

Man sollte seine ganze Liebe und Zuneigung ihnen widmen, auf sie acht geben, sie durchs Leben führen und sie voller Verantwortung vor allem Bösen dieser Welt schützen. Ich würde das kaum tun können. Schließlich konnte ich nicht mal mich selbst schützen.

„Miss Swift, darf ich mich nun ihren Haaren widmen?", Miss Teasdale näherte sich uns und dann sah ich dabei zu, wie Kosmetiker und eine klasse Frisörin aus meiner Freundin die ersten Schritte einleiteten, um aus Taylor ein Model machten. Das Taylor sowieso schon hübsch war – auf einer anderen Weise als Eleanor – machte es nicht allzu schwierig. Taylor hatte nichts Ungewöhnliches an sich, nichts außer Schlichtheit und ein äußerst klassisches Gesicht.

Und das war ihre Stärke.

Louis hatte das wahrscheinlich mal wieder vor mir gesehen.

Am Ende konnte ich nicht anders, als darüber staunen, was ordentliche Gesichtspflege, ein leicht anderer Haarschnitt und ein bisschen Make-up alles so anstellen konnte. Bei Taylor fingen wir beide an ihren Schrank aufzuräumen. Denn wenn sie Henry & Payne vertreten wollte, dann musste sie sich auch der Mode entsprechend kleiden.

Eine von ihren drei Katzen strich unaufhörlich um meine Beine herum, während Taylor mich leicht verzweifelt ansah, als ich ihre Lieblingskleider aussortierte. „Wir gehen in den nächsten zwei Tagen shoppen, vielleicht übernimmt das auch Eleanor und ich verspreche dir, du hast dann wieder eine volle Garderobe."

Es wurde ein langer Tag, denn statt die Klamotten wegzuschmeißen, bunkerten wir sie unter ihrem Bett. Sichtlich erledigt und wieder mit einer Liste voller Anrufe auf dem Handy, machte ich mich weit nach acht Uhr Abends auf dem Heimweg.

Dunkel lag das Penthouse vor mir und noch dazu ausgestorben. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und ich machte das Licht an. Liam schien nicht da zu sein. Ich schlüpfte aus meinen Schuhen, hing meinen Mantel auf und schleppte mich in die unbenutzte Küche. Ein Blick in den Kühlschrank ließ mich glauben, dass ich alleine wohnte.

Es war wie immer. Nichts schien sich geändert zu haben. 

Und irgendwie enttäuschte mich das.

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