29 Verkaufte Freiheit.
♕ ♛ ♕
❰ S O P H I A ❱
Ich würde Eleanor umbringen!
Daran führte kein Weg vorbei.
Entzückt hörte ich Zoé kreischen und selbst Taylor fiel dem Alkohol zum Opfer. Was begonnen hatte, wie ein gemütlicher Abend an dem wir uns 'Im Schatten der Leidenschaft' die Episoden 154-175 ansehen wollten, endete mit einem falschen Cop, der begann sich auszuziehen und nun seine prallen Pobacken auf meinem Schoß hin und her rieb.
Eleanor hatte aus ihrer kleinen Wohnung einen brutalen Hexenkessel gemacht. In peinlichen pinken Shirts, mit der weißen Aufschrift: Team Braut und in Jogginhose war ich davon ausgegangen, dass wir alle bei Eleanor blieben. Was wir auch taten – aber Eleanor holte die Party zu sich.
„Nein, bitte ich-", stotterte ich peinlich berührt, aber der Stripper war unbarmherzig. Ich musste Sahne lecken, Muskeln anfassen, wo ich nicht einmal wusste, dass dort welche existierten und Opfer grenzenloser Hemmungslosigkeit werden. Die schlimmste halbe Stunde meines Lebens.
Als ich wieder frei von Handschellen und überbräunten Kerl war, da brauchte ich erst einmal ein großes Glas Rotwein.
„Kommt noch einer?", wollte Zoé begeistert wissen und mit entgleisten die Gesichtszüge. Eleanor lachte nur laut: „Ich wollte, aber Sophia sieht nicht aus, als würde sie noch einen verkraften."
„Können wir nicht einfach gammeln?", ich warf mich in ihren geflickten und wackeligen Sessel. Auch wenn ich es nicht zugeben würde, so mochte ich Eleanors Wohnung total gerne. Die Möbel passten nicht unbedingt zusammen, doch dafür war jede kleine Ecke gemütlich. Sie hatte hohe Decken und ich mochte die Übersicht über jeden Quadratmeter. Im Wohnzimmer hatte sie den Couchtisch beiseite geschoben und nun erstreckten sich drei Matratzen zu meinen Füßen.
Taylor kuschelte sich in eine Decke und stopfte sich mit Popcorn voll: „Ach, Liam wird sicher heute Abend auch ordentlich die Puppen tanzen lassen. Wir fanden, dass du auch ein bisschen Spaß verdient hast."
„Den habe ich, wenn wir endlich 'Im Schatten der Leidenschaft' weiter gucken könnten, ich habe total den Faden verloren, seit ich nach Paris gegangen bin", schimpfte ich. Zoé rollte mit den Augen: „Tz, tz, tz, das kommt davon, wenn man nur noch seinen Job im Kopf hat. Ich frage mich immer noch, wie Liam dich so regelmäßig von deinem Schreibtisch wegbekommt."
Sie lag auf dem Bauch und plötzlich setzt sie sich mit einem diabolischen Lächeln auf: „Es ist der Sex, nicht wahr?"
„So sehr ich es auch genieße Geheimnisse mit dir zu teilen", nämlich so gar nicht. „Aber das geht dich nichts an."
„Wieso, ich habe dir auch alle Einzelheiten über Fritz und meine Aktivitäten erzählt!", empörte sie sich und ich konterte: „Ja, aber ich wollte absolut keine Einzelheit davon wissen. Du hast mich quasi gezwungen mir das alles anzuhören!"
Abgesehen von diesem Callboy war ich Eleanor wirklich dankbar, dass sie aus meiner offiziellen Party eher einen Mädchenabend machte. Wir lümmelten in unseren gleichen pinken Shirts herum, lästerten, verglichen Schauspieler und stopften uns mit Pizza und Süßigkeiten voll.
Der gute Wein ließ mich den Bammel vor dem morgigen Tag vergessen. Zumindest für ein paar Stunden. Ich verlor gegen Eleanor bei Twister und bekam mich vor lachen nicht mehr ein, als Taylor nur im samtgelben Slip einmal durch das Treppenhaus laufen musste. Wütend und hochrot schmollte sie eine ganze halbe Stunde, bis sie uns die Aufgabenstellung für ein verlorenes Wer-bin-ich-Spiel verzieh.
Irgendwann lagen wir alle angetrunken und müde auf den zusammengeschobenen Matratzen. Ich schlief ein, als ich Eleanor und Zoé darüber diskutieren hörte, wer in den alten Fluch der Karibikfilmen eine bessere Figur machte. Orlando Bloom oder Johnny Depp.
Ich träumte schließlich lauter wirres Zeug.
Das Boot geriet in einen Strudel, wir endeten wie Lost auf einer Insel, Geoff verspeiste meinen Vater vor lauter Hunger und am Ende verkündete uns ein Engel mit Pfeil und Bogen in der Hand mit einem Gesicht, wie das von dem kleinen Freddie, dass wir alle tot seien und jetzt ins Licht gehen durften.
Sichtlich gerädert wurde ich um halb acht wach und kämpfte mich aus Taylors Umarmung. Sie kuschelte sich im Schlaf an alles, was sie in die Finger kriegen konnte. Eleanor konnte mit freundschaftlicher Nähe dieser Art nicht umgehen und so kam es, dass ich seit der Schulzeit die Mauer war, wenn wir irgendwo in einem Bett schliefen.
Barfuß schlich ich in die Küche und fing möglichst leise an Kaffee zu kochen. Dann setzte ich mich mit einer heißen Tasse auf die Eckbank und sah aus dem Küchenfenster. Es schneite, die Welt da draußen war weiß und irgendwie tröstete mich das Wetter.
„Darling, wieso bist du schon wach? Du musst erst um zwölf Uhr zum Friseur", erschreckte mich die sanfte Stimme von Eleanor und sie goss sich ebenfalls eine Tasse Kaffee ein. Schweigend musterte ich sie dabei. Wenn ich daran dachte, wie lange ich sie jetzt schon kannte, dann begriff ich, wie schnell wir erwachsen und alt geworden waren.
Mit elf hatte mir Eleanor in der Schule beim Volleyball den Ball mitten ins Gesicht geschmettert. Ich ging wie ein nasser Sack zu Boden und sie, die neue Hoffnung am Volleyballhimmel unserer Schule, fühlte sich furchtbar. Blut war mir aus der Nase geschossen und ich hatte kaum noch geradeaus laufen können.
Geplagt von ihrem Gewissen leistete sie mir im Krankenzimmer so lange Gesellschaft, bis mein Vater Zeit fand mich abzuholen. Am nächsten Tag hatte ich ein hässliches Tape auf meiner Nase aber eine Freundin mehr, die mit mir ihre heißgeliebten Furchtgummis teilte.
„Wir haben lange kein Volleyball mehr gespielt", sprach ich und hörte Eleanor lachen, dann setzte sie sich zu mir auf die Eckbank: „Brauchst du eine neue Nase?"
„Aktuell nicht, ich bin noch ganz zufrieden", meinte ich und schmunzelte, dann wurde mein Gesichtsausdruck ernst. „Benimmst du dich heute?"
Eleanor neigte den Kopf: „Traust du mir wirklich zu, ich würde deine Hochzeit zum platzen bringen? Es streichelt mein Ego, dass du wahrhaftig glaubst, mir würde so etwas gelingen."
„Du findest immer Mittel und Wege", konterte ich und dann atmete Eleanor tief durch: „Okay... gut, ich werde die Hochzeit nicht sprengen und mich damit abfinden, dass du dich in den größten Playboy New Yorks verliebt hast."
„Ich bin nicht in Liam verliebt", sprach ich frei heraus und sorgte dafür, dass Eleanor die Tasse sinken ließ. Es tat unglaublich gut, dass laut und direkt zu sagen. Als hätte man eine Beichte hinter sich und so fuhr ich fort: „Und damit du nicht glaubst, ich würde ihn ausnehmen – Liam weiß das. Er hegt genauso wenig romantische Gefühle für mich, wie ich für ihn."
Meine beste Freundin drehte die Tasse in ihren Händen, dann sprach sie: „Habt ihr so was, wie einen Deal, oder Vertrag?"
Dafür, dass ich hier gerade eine Bombe hatte platzen lassen, reagierte extrem beherrscht. Denn eigentlich bestätigte ich ihren Verdacht, dass irgendetwas nicht stimmen würde ja nur. Trotzdem wusste ich nicht, was ich davon halten sollte, dass sie es so gelassen hinnahm.
„Ja, für fünf Jahre und ich wäre dir dankbar, wenn du das für dich behalten würdest", gab ich zu. Eleanor machte ein nachdenkliches Gesicht: „Will ich Einzelheiten wissen?"
„Nein."
„Schön", sprach sie mehr oder weniger feierlich. „Du kannst dir denken, dass ich das auf keinem Fall gut finde. Kein Deal der Welt ist es wert, dass man dafür einen Menschen heiratet. Ich nehme stark an, dass es etwas mit dem Henry & Payne Imperium zu tun hat, denn du hast einen gewaltigen Sprung auf der Karriereleiter nach oben gemacht."
Dazu sagte ich nichts und Eleanor fuhr fort: „Was machst du, wenn du in den nächsten acht Monaten auf den Mann deines Lebens triffst? Willst du ihm erklären, dass er noch vier Jahre auf dich warten muss, bevor du offiziell mit ihm eine ernste Beziehung eingehen kannst?"
„Du weißt so gut wie ich, dass das nicht passieren wird", erklärte ich ihr, denn ich gehörte nicht zu den Frauen, die sich Kopfüber verliebten. Dafür brauchte ich Zeit und am Ende entschied in der Regel mein Kopf, ob ich es zuließ.
Nun schwieg Eleanor und schließlich nickt sie: „Gut, du musst selbst wissen, was du tust. Ich werde niemanden etwas sagen und dir heute die rührselige Trauzeugin vorspielen, die du verdienst. Die fünf Jahre gehen auch herum und wenn dir dein Fake-Ehemann auf die Nüsse geht, dann kommst du bei mir unter, um ihn nicht sehen zu müssen."
Ich schmunzelte: „Wie kommst du darauf, dass ich mit Liam nicht zurecht kommen würde? Wir haben euch erfolgreich mit unserer Schauspielerei an der Nase herumgeführt."
„Menschenkenntnis", meinte sie freimütig. Unser Gespräch wurde unterbrochen, da Taylor gähnend in die Küche schlurfte und sich an Eleanors Kaffeetasse verging. Wir bestellten ein großzügiges Frühstück und ließen und ordentlich Zeit. Schließlich, nach zwei weiteren Folgen von 'Im Schatten der Leidenschaft' brachen wir zum Beautysalon auf, der extra für uns geöffnet hatte. In unsern Schlaffianzügen fielen wir nicht weiter auf und als ich in einem unachtsamen Moment meine Emails checken wollte, nahm mir Taylor jedes elektronisches Gerät ab.
„Liebes, heute wird nicht gearbeitet", teilte sie mir mit einem sanften Lächeln mit und ich versuchte mich zu entspannen. Meine Haare wurden gewaschen und während ich frisiert wurde, kümmerte man sich um meine Maniküre und schlussendlich um mein Make-up.
Es war purer Luxus sich um nichts selbst kümmern zu müssen und nur auf einem Drehstuhl hin und her geschoben zu werden. Meine Schwester schien ganz begeistert darüber und ließ sich sogar Schminktipps für ihre hellen Augen erklären. Taylor dagegen wirkte eher unsicher, während Eleanor so etwas ganz sicher schon über sich ergehen gelassen hatte. Denn sie wusste genau, was zu ihr passte.
Wir bekamen Champagner serviert, aßen belgische Pralinen und die Stimmung war wirklich gut. Dann hieß es schließlich für uns, dass wir von Basil abgeholt wurden, um zum Boot zu fahren. Der Hudson River lag verschneit vor uns, der Himmel war so grau, dass sich die eisige Farbe im Wasser widerspiegelte.
Ich staunte nicht schlecht, als ich die luxuriöse Yacht vor mir liegen sah. Chet, Liams Patenonkel besaß wirklich ein richtiges Schmuckstück und ich war dankbar, dass er es uns zur Verfügung stellte. Drei Stockwerke würden uns Raum geben für die Trauung, Ankleidezimmer, einen Speisesaal mit Platz für eine Band samt Sängerin und ich war berührt, dass Geoff es geschafft hatte Anita Baker zu engagieren. Denn sie war meine heimliche Adele.
Chet erwartete uns schon und begrüßte uns der Reihe nach mit einem herzlichen Kuss auf die Wange. Wie immer trug er einen auffällig geschnittene Kleidung, welche an das 18te Jahrhundert erinnerte und eher einem Smoking, statt eines Anzuges glich. „Schön, dass ihr schon da seid, ich habe zwei Räume ausrichten lassen. Sie sind im obersten Stock. Die Kleider wurden soeben geliefert und ein Kerl mit den Namen Tomlinson läuft hier herum."
Die Ankleideräume waren die Wucht. Das Dach war aus Glas und man sah in den bewölkten Himmel. Mehrere Sessel sorgten für Sitzgelegenheiten, ein edler Schminktisch war aufgebaut und zwei chinesische Trennwände, die als Ankleide fungierten.
„Oh mein Gott, sieh sich mal einer diese fantastischen Kleider an!", rief Eleanor begeistert, als sie ihr eigenes bordeauxfarbendes Kleid aus dem Kleidersack zog. Es war an sich schlicht, ärmellos und das Oberteil komplett aus Spitze, bis zum Bauch. Dort war ein breites Band angebracht, dass auf dem Rücken zu einer hübschen Schleife gebunden wurde. Der lange Rocksaum fiel in leichten Falten bis zum Boden.
Während meine Brautjungfern hinter der Trennwand in ihre Kleider schlüpften und sich vorher in die passende Unterwäsche quälten, klopfte Louis an der Tür und trat ein. Ich lümmelte auf einem weich, gepolsterten Stuhl und hob die Augenbrauen: „Donnerlittchen, du siehst ja nett aus."
Er trug einen blauen Anzug, der perfekt zu seinen Augen passte. Das chaotische Haar war elegant zurückgeföhnt und ich kniff ihm in die Wange: „Du hättest dich auch gleich rasieren können." Der Dreitagebart war immer noch vorhanden.
„Um deinem Kerl die Show stehlen? Nein danke", sprach er trocken wie eh und je. Zoé kam als erstes hinter der Trennwand hervor und Louis überzeugte sich, dass das Kleid wirklich perfekt saß und kümmerte sich dann um die kunstvolle Schleife auf ihrem Rücken.
Alle meine Brautjungfern trugen ihr Haar wellig, offen und auf einer Seite. Sie sahen einfach wundervoll aus und ich beobachtete amüsiert, wie Louis mit unbewegter Miene an Eleanors Kleid herum zupfte und sie die Augen verdrehte.
Dann war ich dran und kämpfte mich zuerst in den verflucht engen Body, den man unter dem Kleid trug und begann mir vorsichtig die hohen Strümpfe anzuziehen. Erst danach reichte Louis mir über die Trennwand achtsam das Kleid und ich hielt die Luft an.
In den Händen hielt ich aus weichen elfenbeinfarbenes Stoff ein Kleid ganz im Empire-Stil von Louis selbst entworfen und es hätte nicht perfekter sein können. Die langen, schmalen Ärmel waren aus derselben Spitze, wie das Oberteil meiner Brautjungfernkleider, nur dass sie eine zarte Durchsicht erlaubten.
Zum Oberkröper hin wurde die Spitze dichter und verlief zu einem gewagten und tiefen V-Ausschnitt. Es machte ein schönes, fast schon reizvolles Dekolleté. Eng lag das Kleid an meinem Körper bis über die Taille, erst da fiel der Stoff elegant und fließend bis zum Boden.
Louis schloss mir das Kleid am Rücken vorsichtig, da eine Reihe an winzigen Häkchen angebracht war. Erst dann schob Zoé den großen Spiegel in meine Richtung und ich schnappte unwillkürlich nach Luft. „Oh mein Gott."
Meine Schwester versuchte ein paar Tränen zu verdrücken, während Taylor sich schon vorsichtig die Augenwinkel abtupfte. Louis trat hinter mir hervor, das Lächeln auf seinen Lippen wirkte sichtlich zufrieden. „Es sieht ganz gut aus."
„Ganz gut?", echoten Eleanor und ich im Chor und brachen schließlich in Gelächter aus. Ich umarmte Louis herzlich: „Vielen dank! Es ist fantastisch und genau so, wie du es auf Papier skizziert hast. Hat es einen Namen?" Ich strich mit vorsichtigen Fingern über den teuren Stoff und Louis neigte den Kopf: „Wie wäre es mit mit ma puce?"
„Du überlegst lieber noch einmal gründlich", warf Eleanor sichtlich irritiert ein und dann warf sie Louis hinaus und schloss die Tür sorgfältig hinter sich: „So, jetzt wo wir unter uns sind wird es Zeit für ein kleines Ritual."
„Bitte nichts Peinliches!", bat ich, doch die Drei lächelten und dann machte Zoé den Anfang: „Nun ja, das Ritual sagt, dass du etwas Neues brauchst und dein Kleid von Louis ist neu und da dachte ich mir, dass ich dir etwas Altes besorge." Sie zog eine kleine Schachtel aus ihrer Handtasche hervor und wenig später sah ich auf einen Haarkamm mit funkelnden blauen und weißen Steinchen.
„Der ist von Mum und er wird dir sicher gut stehen", die Stimme meiner Schwester klang belegt und ich wusste, dass sie sich wünschte, unsere Mutter hätte unsere Hochzeiten miterlebt. Wobei, ich war mir sicher, dass Mum meine Scharade auf den ersten Blick durchschaut hätte. Sie hätte mir arg Schwierigkeiten bereitet.
„Lass mich den Kamm fest machen", sprach sie und wenig später steckte der Kamm in meinem welligen, seitlichen Haarknoten. Er passte perfekt dort hin.
Dann trat Taylor vor: „Von mir gibt es etwas Blaues." Sie öffnete ebenfalls eine kleine Schachtel und ihr Lächeln wirkte etwas beschämt. „Tut mir leid, die blauen Steine sind nicht echt, aber ich fand sie unglaublich hübsch und dachte... vielleicht..."
In diesem Moment griff ich nach Taylors Hände, denn ich verstand, dass es ihr peinlich war, dass sie nicht mit echten Saphire aufwarten konnte. Aber das war mir egal.
„Sie sind wirklich schön, ich danke dir", sprach ich gerührt und ließ mir dabei helfen die Ohrstecker zu tragen. Ich wandte mich an Eleanor: „Irgendwie habe ich Angst davor zu sehen, was du mir gibst."
Sie lachte laut und hell, nahm es allerdings nicht als Beleidigung auf. „Von mir bekommst du etwas Geliehenes, normalerweise hätte ich nach einem Armband gesucht, aber ich habe etwas Praktischeres."
Schuhe.
Und zwar nicht irgendwelche.
Die weißen Pumps hatte ich schon einmal getragen, sie waren elegant, schlicht und passten mir wie angegossen. Eleanor hatte sie mir geliehen, als ich das Vorstellungsgespräch bei Chanel gehabt hatte und egal wie sehr ich mit ihr verhandelte, sie schenkte mir die Pumps nie.
„Für heute sind sie deine, aber sobald du aus deinen kleinem Urlaub wieder kommst, da hole ich sie mir zurück", lächelte sie verschwörerisch.
Es klopfte erneut, als ich gerade in die Schuhe schlüpfte.
Leeann und Gwyneth schauten vorbei und brachten Mary und Emma mit. Die zwei Kleinen sahen in ihren zarten Blumenkleidchen absolut niedlich aus und stürzten sich in die Arme ihrer Mutter. Alle quasselte durcheinander und schließlich wollten sie mir noch einige Minuten zum durchatmen geben, bis mein Vater mich schließlich abholte.
Nach und nach verließen sie den Raum, nur Eleanor blieb zurück. Sie setzte sich zu mir auf einen der weichen Sessel. Gelassen schlug sie die Beine übereinander und hielt ein Glas Champagner in den Händen: „Und, kriegst du kalte Füße?"
„Nein", wehrte ich ab, aber gleichzeitig war ich mir auch nicht mehr sicher, denn jetzt wurde es ernst. Alle waren bereit, ich trug dieses wunderschöne Kleid und wenn ich meinen Kopf eiskalt durchsetzte, dann sicherte ich meine Zukunft ab.
Der Vertrag mit Geoff ging in die letzte Phase und ich war einen Schritt weiter. Fünf Jahre, sie würden herumgehen und zwar schneller, als es mir bewusst war. Das redete ich mir immer wieder ein.
Ich würde das schaffen.
„Du schaffst das", sprach Eleanor genau meine Gedanken aus. „Und wenn du raus aus diesem Was-auch-immer-Schlamassel willst, dann finden wir einen Weg."
Ich wusste ihre Worte zu schätzen und verzog die Lippen zu einem Lächeln: „Danke, aber zuerst will ich diesen Abend hier schaffen."
Als mein Vater kam, da huschte Eleanor nach draußen und ich nahm von meinem Dad den kleinen Blumenstrauß aus roten Rosen und vereinzelte Weißen entgegen. Mein Vater drückte mir einen Kuss auf die Stirn: „Und Kleines, fertig?"
Nein, aber stattdessen antwortete ich: „Ja."
Er musterte mich. „Du siehst wirklich toll aus, meine Kleine. Mich stört der Gedanke, dass ich dich jetzt auch noch einem anderen Mann übergebe."
„Ach Dad, es ist doch nur ein Ritual, ich werde trotzdem ab und an nach Hause kommen und dich besuchen", tröstete ich ihn und er schnaubte: „Ja, zweimal im Jahr. Amerika ist für die jungen Leute einfach reizvoller als das gute britische Empire."
„Jetzt wirst du aber altmodisch", witzelte ich und er hielt mir die Tür auf, damit ich das Ankleidezimmer verlassen konnte. Im ersten Stock fand die Trauung statt. Emma und Mary warfen ein paar Blütenblätter, allerdings stolperte Emma und schluckte tapfer ein paar Tränchen herunter.
Ich war wirklich froh, dass die Trauung nicht allzu kitschig war. Natürlich, der große Saal war festlich mit weißen Blumen geschmückt, das Licht war angenehm warm und man hatte einen herrlichen Ausblick auf den Hudson River und ich konnte nicht bestreiten, dass Liam in seinen dunkelgrauen Anzug mit der schwarzen Krawatte wirklich gut aussah. Klassisch, schlicht, aber durchaus passend zu meinem Kleid. Irgendeine leise Stimme sagte mir, dass Louis darauf geachtet hatte.
Einen Schritt von ihm entfernt standen Harry und Niall in hellgrauen Anzügen, während meine Brautjungfern auf der anderen Seite Platz gefunden hatten. Aus den Augenwinkel bemerkte ich rote Haare. Ed war also mit dabei diesen Tag auf Fotos festzuhalten.
Die Anzahl der Gäste war überschaubar. Liams Familie, meine Familie und je eine Hand voller Freunde. Louis stand neben Grace und Mr Dominico, ich wagte es nicht ihn anzusehen und stattdessen versuchte ich den schrecklichen Kloß in meinem Hals herunter zu schlucken.
Liam nahm meine Hand in seine, ich reichte den Blumenstrauß an Eleanor und schließlich wurde das Geschehen schrecklich bizarr und merkwürdig komisch. Zwischen uns stand der Standesbeamte und dann musste ich komischer Weise lachen und strich mit der freien Hand über Liams glatte Wange.
„Hat man dich überwältigt?", raunte ich sichtlich amüsiert und sowohl Harry als auch Niall brachen in lautes Gelächter aus. Sie platzten wie überfüllte Bonbontüten. Ihr Verhalten sagte mir alles was ich wissen musste. Freiwillig hätte Liam sich sicher nicht rasiert, dass er jetzt Wangen hatte, wie ein glatter Babypopo.
Nachdem sich die jungen Männer wieder beruhigt hatten, begann der Standesbeamte mit seinem eigentlichen Job. Sowohl Liam, als auch ich hatten uns bemüht es so wenig kitschig zu halten, wie nur möglich. Ringe waren bei uns nicht mit eingerechnet. Wir würden sie sowieso öffentlich kaum tragen und niemand in der High Society hielt sich an so etwas. Sobald die Presse das erste Hochzeitsfoto in die Finger bekamen, würde sich der Rest von selbst erledigen. Der Verlobungsring war ein Versprechen gewesen, Hochzeitsringe brauchten wir in Form der Verbundenheit nicht.
Trotzdem war ich froh, als die Formalitäten schließlich erledigt waren und ich den Gipfel der Heuchelei hinter mir hatte. Es war schwer glücklich aussuchen, wenn man innerlich das Verlangen hatte das Ganze für absurd zu erklären. Ich fragte mich, ob es Liam ähnlich ging, doch er ließ sich nichts anmerken. Das Lächeln auf seinen Lippen blieb merkwürdig fest, aber ich sah, dass es seine Augen nicht erreichte.
Das Essen an einer langen Tafel zog alles schrecklich in die Länge. Sowohl Harry, als auch Taylor hielten furchtbar rührselige Reden. („Payno, ich werde es vermissen mit dir um die Häuser zu ziehen, Sophia – ich will mit dir über geteiltes Sorgerecht verhandeln, wenn ihr im neuen Jahr zurück kommt!")
Damit lockerte Harry grandios die Stimmung auf. Taylor dagegen fing dreimal an und verdrückte nur mühsam Tränen. („Ich hoffe, du findest trotzdem ab und an ein paar Stunden Zeit, um mit deinen alten Freundinnen einen gemütlichen Abend zu verbringen. Vielleicht lieferst du deinen Gatten in der Zwischenzeit bei Harry ab, er wird sicher gut auf ihn aufpassen.")
Es war seltsam zu sehen, wie gut sich alle miteinander verstanden. Louis wurde von Joseph und Geoff in die Mangel genommen. Er kam kaum dazu in Ruhe zu essen. Eleanor unterhielt sich köstlich mit Harry, aber ich sah, dass es Taylor war, die Harry immer wieder einen verschüchterten Blick zuwarf. Das gefiel mir immer weniger.
Das Letzte, was ich brauchte war, dass Taylor sich Harold Styles ausguckte und wir eine lange Zeit des Herzschmerzes vor uns hatten. Denn wenn man sich die Fakten ansah, dann war Taylor nicht die Art Frau, denen Harry seine Aufmerksamkeit schenkte.
Niall und mein Schwager Fritz schienen sich gefunden zu haben, aber auch mein Vater klinkte sich immer wieder ins Gespräch ein. Rundum wirkten wir, wie eine glückliche Familie und man hätte nicht mehr daneben liegen können.
Das Essen war jedoch nicht das Ende dieser Scharade. Die Gesellschaft schlug danach den Weg in den zweiten Stock ein und sowohl die Band, als auch Anita Baker gab sich die Ehre. Dankbar umarmte ich Geoff und ich lauschte der wunderschönen Stimme. Liam seufzte neben mir schwer und ich wandte mich ihm zu: „Was ist?"
„Tanzen."
„War das eine Frage?"
Er ging nicht darauf ein, sondern erhob sich aus seinem Sessel und hielt mir die Hand hin. Sichtlich verwirrt nahm ich sie an und dann führte er mich zu der kleinen, improvisierte Tanzfläche, auf der sich bereits Fritz und Zoé, als auch Eleanor und Harry und Gwyneth und Chet eingefunden hatten. Niall hielt abseits Mary auf den Arm und drehte sich ab und an um sich selbst.
Es war das erste Mal, dass Liam und ich zusammen tanzten und es überraschte mich, dass er es wirklich gut konnte. Mittlerweile fühlte es sich nicht mehr komplett fremd an, wenn Liam mich festhielt. Ich hatte mich daran gewöhnt, wie es sich anfühlte, wie er roch und wie er sich verhielt, wenn wir uns in der Öffentlichkeit befanden.
Meine Hand lag auf seiner Schulter, während die andere in seine geschoben wurde. Obwohl der gesamte Abend kurios und heuchlerisch war, so fand ich diesen kurzen, kleinen Moment wirklich schön.
Anita Bakers Songs waren etwas arg romantisch und passten nicht auf die aktuelle Situation. Trotzdem genoss ich es, ihr wahrhaftig live zu zuhören. Sie klang umwerfend.
Der Hudson River war mittlerweile stockdunkel, man sah kaum noch etwas aus den Fenstern, außer ab und an Lichter, die dem Kapitän als Wegweiser diente.
„Wohin geht es eigentlich hier nach?", fragte ich und Liam nahm den Blick von der Band: „In die Hamptons. Mein Onkel hat uns zur Hochzeit ein Haus dort geschenkt."
„Wie bitte?", fast stolperte ich, doch Liam hielt mich vorausschauend fest: „Du musst erst mal das Limit für die längere Hochzeitsreise sehen, das meine Granny locker gemacht hat. Da ist ein Ferienhaus nichts gegen."
„Das ist trotzdem äußerst großzügig", sprach ich, doch mein 'Gatte' schien daran nichts Besonderes zu finden: „Wir sollten uns die Bruchbude erst einmal ansehen, bevor du meinen Onkel mit Dankesschreiben überhäufst."
Um halb zehn wurden wir endlich erlöst. Die Yacht ging vor Anker und vorher halfen meine Brautjungfern mir dabei mich noch einmal umzuziehen. Das unglaubliche Kleid wurde von Louis sicher verstaut und Eleanor reichte mir ein dunkles Kleid mit langen Ärmeln und Stiefeln. Zoé zog mir vorsichtig den Kamm aus den Haaren und die Ohrringe von Taylor packte ich in eine Tasche, die man mir ins Penthouse zurück liefern würde.
„Genießt euren Urlaub!", rief Harry uns nach, nachdem wir uns bei jedem verabschiedet hatten. Meine Familie kehrte nun zurück nach England. Zoé weinte gerührt, meine Nichten schliefen bereits und mein Vater umarmte mich noch einmal fest und ließ sich versprechen, dass ich ihn bald besuchte.
Dann schlüpfte ich in meinen Mantel und Liam und ich verschwanden für eine Woche. Ein Mietwagen, beladen mit unseren Sachen, stand bereit und Liam schwang sich in Jeans und Pullover hinter das Steuer.
Sofort wirkte er wieder mehr wie der Mann, den ich kannte. Der Anzug, die Rasur und das tadellose Verhalten hatten aus ihn einen völlig anderen Menschen gemacht. Im Auto schien er sich merklich zu entspannen.
Liam stellte das Navigationssystem an und dann wurde mir bewusst: Wir würden eine komplette Woche alleine sein. Die Möglichkeiten sich aus dem Weg zu gehen waren gering und plötzlich kam mir die Woche Urlaub nicht mehr wirklich wie Urlaub vor. Das Potenzial für Eskalation war prompt um 70 Prozent gestiegen.
Sicher lenkte Liam den geräumigen schwarzen Range Rover vom Parkplatz und leichter Schneefall setzte ein.
„Und, bereits Sweets?"
Nein, überhaupt nicht.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top