28 Der letzte Abend.

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Das durfte nicht wahr sein.

Ich würde den Idioten erschießen, der uns störte. Sophias süße Lippen, die sich an meiner Haut festgesaugt hatten, lösten sich und mir war, als würde ich aus dem Sog ihres anziehendes Parfüms erst wieder herausfinden müssen. Ihr Haar kitzelte mich und dann stöhnte ich sichtlich frustriert auf.

Ein Wachmann, der seine regelmäßigen Runden drehte, erledigte seine Pflicht und ich war kurz davor ihm die Zunge aus dem Mund zu reißen. Eher widerwillig schob ich Sophia von mir herunter und öffnete die Autotür, dann musste ich mich ausweisen und diesem Hampelmann beweisen, dass ich ein Recht darauf hatte hier zu sein.

Trotzdem war ich kurz davor seinen Schädel gegen die Motorhaube zu knallen. Kaum war der Blödmann weg, kroch Sophia hinter mir aus dem Auto und strich sich durch das leicht zerzauste Haar: „Sieht so aus, als wäre die Pause vorbei."

Sie spazierte an mir vorbei, zog sich ihren Mantel an und tat das, was sie am Besten konnte – so tun, als wäre überhaupt nichts vorgefallen. Mittlerweile kannte ich das Muster.

„Wann machen wir die Nächste?", fragte ich, als ich ihr leichtfüßig folgte. Wir betraten den Fahrstuhl und Sophia nahm einen kleinen Taschenspiegel zur Hand, um zu überprüfen, ob es irgendwelche Spuren gab, die ich an ihr hinterlassen hatte.

Sie bedachte mich mit einem musternden Blick. „Gar nicht, so weit ich weiß ziehst du morgen mit Harry los und ich bin sicher, deine Großmutter wird heute Abend nicht vorschnell gehen."

„Was nicht heißt, dass wir nicht später im Schlafzimmer ein bisschen Spaß haben könnten", warf ich ein. Sophia schien darüber nachzudenken, dann sprach sie sarkastisch: „Natürlich, mit zwei kleinen Kindern, die einen enorm empfindlichen Schlaf haben und meiner neugierigen Schwester nebenan. Alleine die Vorstellung, dass andere uns zuhören macht mich unglaublich an."

„Kein Grund gleich so pessimistisch zu werden", erwiderte ich trocken.

Leider kamen wir um einen enorm anstrengenden Abend nicht herum und meine Granny ging erst spät. Die nächsten zwei Tage waren durchgeplant und teils war ich wirklich erleichtert darüber, dass ich meinen letzten Abend in Freiheit mit Harry verbringen würde. Er lud mich auf ein Glas Scotch ins Avenue ein. Jenen Club, wo wir ausspannten und man erst Mitglied werden musste, um hereinzukommen.

Ich bot Fritz an, mich an diesem Abend zu begleiten und mir war, als könnte ich den Ausdruck von Erleichterung über seinem Gesicht huschen sehen. Seine erste Frage war jedoch: „Was zieht man dort denn an?"

„Jeans und was du gerade hast, mit mir kommst du sowieso überall rein", sprach ich und Sophia rollte mit den Augen: „Und trotzdem bist du so bescheiden geblieben."

Das quittierte ich mit einem Grinsen.

Meine Granny wollte am letzten Abend auf die zwei Plagen aufpassen. Sophia nahm ihre nervige Schwester mit zu ihrer letzten Party in Freiheit und schlussendlich würden wir uns erst am 31zigsten, sprich in über 16 Stunden wiedersehen. 

Das Boot, die Kleidung, die Gäste, um unzähliger Kram war sich schon gekümmert worden und ich machte mir absolut keinen Kopf drum. Und wenn schon, es wäre mir auch egal, wenn ich am Ende einen ganz anderen Anzug trug, oder wir das Essen ausfallen lassen konnten. Immerhin musste ich niemanden mit dieser Fake-Hochzeit etwas beweisen.

Ich zog also um halb neun Abends mit Fritz ins Avenue. Mein dusseliger Schwager in spe sah sich schon im Empfang um, als hätte er das Weiße Haus betreten. Wir gaben unsere Jacken ab und an der Garderobe fiel mir zum ersten Mal auf, dass der Lautstärkepegel höher als gewöhnlich war. Ich ahnte bereits, was Harry getan hatte, als mir schlussendlich die riesige, schwere Flügeltür aufgehalten wurde und mir silbriges Konfetti entgegen schlug.

Ganz, wie man es von einem Harold Styles erwartete, hatte er das Avenue in eine persönliche Partyhöhle verwandelt. Von überall hörte ich meinen Namen rufen, Gläser mit teuren Inhalten wurden gehoben und man klopfte mir auf die Schulter, als hätte ich gerade den Super Bowl gewonnen. Einer, der mir fast die Schulter brach, war fucking Dummy Andy. Gut Bekannte und vage bekannte Gesichter waren zu erkennen, denn das Licht wirkt seltsam herunter gedreht.

„Okay", sprach ich schließlich ziemlich laut. „Wo ist der Sünder, der euch alle hier hat antanzen lassen?"

Es dauerte nur ein paar Sekunden und Harry stellte sich auf das edle Sitzpolster eines Sessels und grinste mich so breit an, dass ich befürchtete, seine Mundwinkel könnten so stehenbleiben.

„Payno, mein Allerbester!", grölte er und ich erkannte, dass er schon die ersten Drinks intus hatte. In der Hand hielt er ein kleines Glas mit klarer Flüssigkeit. Tequila oder Wodka, eines von beiden. Es wurde ruhig und mein extravaganter Kumpel führte aus: „Im Leben hätte ich nicht damit gerechnet, dass ich dir je einen Junggesellenabschied ausrichten würde! Gerade dir, den gößten Womanizer von New York! Den Schrecken aller anständigen Väter! "

Er erntete heiteres Gelächter und meine Mundwinkel zuckten. Automatisch nahm ich ebenfalls ein Schnapsglas vom Tablett einer Kellnerin, mit nichts bekleidet, außer bunter großer Federn, die ihr am Körper klebten. Sie hatte etwas von Karneval aus Rio. Nun hob ich das Glas und trank die klare Flüssigkeit in einem Zug.

„Na, na, Kumpel, du wirst mir ja wohl keine kalten Füße kriegen", höhnte Harry auf meine Kosten und wieder hatte er die Lacher auf seiner Seite. Dann räusperte er sich gespielt seriös: „Lass die Puppen tanzen, bevor du nur noch die eine Puppe zum spielen hast und an alle anderen, vergesst nicht, was im Avenue passiert, dass bleibt im Avenue. Und jetzt, ein Hoch auf Payno!"

Damit startete die Party, denn die Musik wurde hochgedreht und zum ersten Mal sah ich, dass der Ort, an dem Männer normalerweise ganz altmodisch eine Zigarre und ihren Gin genossen, eine Lichtanlage vorweisen konnte. Eine Mischung aus Diskolicht und wechselnde gedämpfte Farbtöne gaben sich die Ehre und ließen die Feder-Tussis prompt verwirrend erotisch erscheinen.

Harry kam nun strahlend auf mich zu und rechte mir ein Glas mit Scotch. „Du hast doch nicht wirklich erwartet, dass wir hier heute Abend brav was trinken, oder?"

Ganz ehrlich? Mit irgendeinem Supergau hatte ich gerechnet, aber nicht, dass er diesen Schuppen mieten würde und in eine halbe Tabledance-Bar umdekorierte. Denn jetzt, wo ich mich umsehen konnte, da entdeckte ich wahrhaftig extra angebrachte Stangen und hier und da sogar ein Bunny.

„Sag bloß du hast Hugh Hefner ein paar Gespielinnen geklaut?"

Sichtlich amüsiert lachte Harry: „Nö, der alte Sack wird sich nicht beschweren."

Hinter mir drückte sich immer noch Fritz unsicher herum und schob sich die übergroße Brille zurück auf die Nase. Nebenbei erklärte mir Harry, dass ich den Abend bis in den frühen Morgen sicher arg beschäftigt sein würde. 

Immerhin konnte ich hier alles machen, das Schweigen der Eigentümer war gekauft, alle Anwesenden wollten nicht in Verruf geraten und die weiten Räume boten, was Man(n) sich nur wünschte. Billard, Poker, Alkohol, Lapdance, eine kleine Show würde mich erwarten und absolut keine Schandtat würde ein Nachspiel haben.

„S-Sind das Professionelle?", stotterte Fritz sichtlich überfahren von alldem, als eine dunkelhaarige Schönheit mit einem eindeutigen Angebot an ihm vorbei schritt.

„Klar!", dröhnte Harry unbeeindruckt. „Die Hässlichen unter uns wollen auch ihren Spaß und die Ladies verdienen sich hier ein ordentliches Taschengeld."

Darauf würde ich wetten.

Ich hatte noch nie eine Prostituierte gevögelt, einfach, weil ich es noch nie nötig gehabt hatte für Sex zu bezahlen und ich würde jetzt bestimmt nicht damit anfangen. Ganz egal, ob ein anderer für mich zahlte, oder nicht. Einen gefakten Orgasmus brauchte ich nicht.

„Harry, das ist mein baldiger Schwager, Fritz, dies ist mein Trauzeuge. Wenn du hier irgendwo Schwierigkeiten hast, er wird dir unter die Arme greifen", erklärte ich und machte so beide Männer bekannt. Höflich reichte Fritz Harry die Hand und dieser schüttelte sie heftig: „Kollege, du hast ja noch gar nichts zu trinken!"

Schwups, änderten wir das und Fritz kam in den Genuss von zwanzig Jahre alten Scotch.

„Ich nehme nicht an, dass Niall hier ist?", lieferte ich mich selbst aus und war dankbar, dass Harry nicht groß drauf herum ritt: „Nein, er will fit für morgen sein." 

Es erstaunte mich, dass er zu einer Fake-Hochzeit kam, aber er war mein zweiter Trauzeuge. Darüber hatte ich nie mit ihm reden müssen, es stand einfach fest. Besonders weil Harry von selbst die Trauzeugen-Scheiße in die Hand genommen hatte.

„Nun Fritz", sprach Harry meinen Schwager überschwänglich an. „Genieße die Nacht des Verbotenen. Lass dich ein bisschen gehen und erkunde dunkle Gebiete."

Ich sah schon an Fritz's panischer Miene, dass er diese Quasseltante Zoé nicht einmal mit schusssicherer Weste betrügen würde und ihm schien es zu schockieren das an diesem Ort überhaupt jemand seiner Frau fremdvögelte. Ich unterließ es ihm zu sagen, was in den oberen Stockwerken nun passierte. Die Traumatherapie wollte ich mir schenken.

„Kannst du irgendwelche Spiele, Roulette, Black Jack, Baccara oder Poker?", fragte ich, denn wenn er beschäftigt war, dann konnte er die Nase nicht in irgendwelche schmierigen Angelegenheiten stecken.

„Poker beherrsche ich", gab er zu und ich wandte mich an Harry: „Wie hoch muss der Einstieg sein?"

„Ich glaube um die erste Runde zu überstehen sollte man 15.000 Mäuse locker machen", gab Harry Auskunft. „Immerhin spielen hier ein paar Herrschaften mit, die ausgesorgt haben."

In der Tat, ich hatte den ehemaligen Senator aus Iowa schon gesehen und den Öl-Bonzen-Junior Ari Onassis. Beides waren gute Bekannte mit denen ich – oh Wunder – gut stand, obwohl sie mir egal waren.

„V-Vielleicht sollte ich mich einfach an die Bar setzten und etwas trinken", Fritz klang sichtlich erschlagen. So wie Niall, als wir ihn das erste Mal zu einer Poker-Runde mitgenommen hatten, bei denen um mehr, als ein paar Smarties gespielt wurde.

„Harry, sorge dafür, dass mein Porsche 918 gesetzt wird und Fritz mit dem Wert spielen kann. Das dürfte dann für ein paar Runden ausreichen", meinte ich leichthin, auch wenn ich wusste, dass Fritz die ganze Nacht beschäftigt sein würde, selbst wenn er so grottig spielte, wie ein Anfänger.

„Kein Problem", sprach Harry und wollte meinem Schwager in Spe mit sich ziehen, doch der wehrte sich: „Liam, das kann ich nicht machen! Der Porsche 918 ist mindestens 700.000 Dollar wert!"

768.000 und ein paar Zerquetschte, aber das brauchte Fritz nicht so genau zu wissen. „Umso mehr Grund hast du eine Poker-Face aufzusetzen", machte ich zusätzlich Druck. „Viel Spaß!"

Und den musste er gehabt haben, denn ich sah Fritz erst um fünf Uhr Morgens wieder.

Ich stürzte mich ins Getümmel, trank, rauchte und ließ mich sogar dazu hinreißen einen Joint zu drehen. Der Ort hier funktionierte wie Las Vegas. Alles was hier passierte, das blieb auch hier. Keine Chance für irgendeinen Aufpasser meines Vaters mich anzuschwärzen. Ein paar alte Mitschüler, die sich nun in Daddys vorgewärmten Sessel fallen ließen und nur darauf warteten, dass ihr alter Herr abdankte, stahlen mir meine Zeit. Allerdings sorgten sie auch für guten Konsum.

Im berauschten Zustand, gammelnd in einer Ecke, in bequemen Ledersessel, lenkte mich vor allem eines ab. Überall quollen pralle Brüste aus tiefen Dekolletees und gaben überhaupt keinen Spielraum mehr für Fantasien. Winzige Röcke umspannten kleine Ärsche und manch ein Kleid ließ mich fragen, ob besagte Tussi überhaupt etwas drunter trug.

Schöne Frauen, so weit das Auge reichte. Die Versuchung war groß und am Ende erlag ich ihr. Zur Rettung meiner Ehre, die sowieso nicht mehr viel Wert war, ich knickte nicht bei einer bezahlten Nutte ein. Wobei ich nicht sicher war, ob Courtney White so viele Stufen über den fragwürdigen Weibern stand.

Wir hatten uns nicht mehr gesehen, seit ich meinen Wagen im Hauptgeschäft von Dior geparkt hatte. Noch immer war sie äußerst attraktiv. Das schwarze Kleid lag eng an ihren Kurven und unter dem dünnen Stoff zeichneten sich ihre harten Brustwarzen wie überreife Kirschen ab, als sie mich aus dem belebten Saal drängte.

Ohne viele Worte miteinander zu verlieren, prallten wir aufeinander, als hätte es den Unfall nie gegeben. Sie schien einfach zu beschließen, dass sie mir vergab, dass sie wegen mir im Entzug festgesessen hatte und ihr Daddy ihr die Kreditkarten sperrte.

„Du hast dich kein Deut verändert", keuchte sie zwischen zwei heftigen Küssen. Sie schmeckte nach Rum und Lippenstift. Wir stolperten die Treppen hoch in die obere Etage, dort, wo das Avenue Hotel ähnliche Zimmer zur Verfügung stellte.

Ich griff in ihr blondes, weiches Haar, ihre übergroßen blauen Augen glänzten. 

„Du dich doch auch nicht", hielt ich ihr vor und Sekunden später hatten wir ein leeres Zimmer. Es büßte nichts von der gehobenen Klasse des Avenues ein. Das Bett war groß, der Raum stilvoll und sichtlich verwirrt registrierte ich, dass ich all diese Kleinigkeiten bemerkte. Früher wäre es mir scheiß egal gewesen, wo ich Courtney ficken konnte.

Nur zwei Lampen im Zimmer, je an der Tür, brannten und ich ließ mich auf das Bett schubsen. Sie setzte sich auf meine Hüfte und zog sich das dünne, schwarze Kleid über den Kopf. Es war, als würde sie sich wie eine Schlange häuten. Achtlos warf sie den Stoff beiseite. Sie trug kein Höschen und provokant strich sie sich durch das schimmernde Haar.

Meine rechte Hand glitt über ihren Oberkörper. Courtney war schon immer sehr attraktiv gewesen, weiblich, lange Beine, reife Brüste und makellose Haut, weiß wie Elfenbein. Die reinste Puppe, mit einem so ebenmäßig schönen Gesicht, dass es fast schon grausam war. Ich wusste wie heiß sie war, aber irgendwie machte sie mich nicht an.

„Erinnern wir dich mal daran, wie gut das Ganze zwischen uns immer lief", hauchte sie und kurz darauf spürte ich ihre flinken Finger, wie sie unter mein graues Shirt strichen. Sie beugte sich vor. „Wir hatten eine menge Spaß zusammen. Findest du nicht, das sollte trotz deines kleinen Möchte-gerne-Experiment hinsichtlich dieser seltsamen Ehe weiter laufen?"

Ich begriff sofort, was sie mir damit sagen wollte. Nämlich, dass für sie eine Ehefrau kein Problem darstellte und es für mich auch kein Hindernis sein sollte weiter Sex mit ihr zu haben. Normalerweise würde ich ihr da zustimmen, aber nach diesem Abend würde ich todsicher weiter diesen Paul und seine Crew am Arsch haben.

So geil, dass ich meinen Fond riskieren würde, war der Sex mit Courtney auch nicht. 

Ich wälzte sie herum, sie ging drauf ein und nach einigem wilden hin und her drückte ich sie auf den Bauch und strich mit den Fingern über ihre Wirbelsäule. Sie bekam eine Gänsehaut, meine Hand tauchte zwischen ihren Beinen ab und ich hörte sie stöhnen. Erregt presste sie sich meinen Fingern entgegen und ließ mich machen.

Ich sollte mich an den Geräuschen, die sie machte, aufgeilen, aber stattdessen war ich zum ersten Mal in meinem Leben von Sex gelangweilt. Es machte mich einfach nicht an. Eigentlich hätte ich ordentlich Druck verspüren müssen, denn ich hatte seit über zehn Wochen mit keiner Frau mehr gevögelt. Aber stattdessen tat sich bei mir überhaupt nichts. Ich wollte einfach nicht. Mir fehlte der Kick um in Stimmung zu kommen.

Eiskalt nahm ich meine Hand von Courtney und wischte sie am frischen Laken ab, dann kletterte ich aus dem Bett. Sichtlich verwirrt drehte sie sich um: „Was tust du?"

„Du langweilst mich", sprach ich monoton und schloss meinen offenen Hosengürtel. Dann strich ich mir mit der linken Hand durch die zerzausten Haare und musterte sie amüsiert: „Sie haben dich in der Klapse weich gekriegt. Auf so was stehe ich nicht." Ich schob die Schuld auf sie, obwohl sie eigentlich bei mir zu finden war. „Such dir nen' anderen Stecher."

„Liam! Du kannst nicht-"

Natürlich konnte ich sie einfach wie ein kaputtes Spielzeug zurücklassen. Ihre hysterische, wütende Stimme verfolgte mich bis auf dem Flur, dort ließ ich die Tür zufallen und verstand mich im ersten Moment selbst nicht. Ich ließ nie einen guten Fick aus, wenn ich ihn haben konnte. Wieso also jetzt?

Um mir nicht selbst den Abend zu verderben schob ich es darauf, dass Courtney zu vorhersehbar geworden war und etwas, was man zu oft gehabt hatte, verlor einfach seine Anziehung. Ich verließ das obere Stockwerk und vergnügte mich anders. Vielleicht etwas langweilig für einen Kerl, der eigentlich keinen Skandal ausließ, aber ich fand enorme Befriedigung darin genüsslich einen Joint nach dem Nächsten zu ziehen, mich mit Scotch abzufüllenn und Lapdances zu genießen.

Irgendwann landete Harry neben mir und wir checkten die engagierten Tänzerinnen ab. Er lag so tief im Polster neben mir auf dem Sofa, dass er genauso gut ein Schläfchen hätte machen können.

„Die da mit den Monster-Möpsen sieht aus wie Mrs Thune, unsere alte Literaturlehrerin", warf Harry schließlich ein und ich neigte den Kopf. Er hatte recht und ich musste grinsen: „Sie hatte arg einen an der Waffel, aber gegen ihre Titten lässt sich nichts sagen."

„Weißt du noch wie sie ausgetickt ist, als du deine Romeo und Juliet Interpretation von Shakespeare zum Besten gegeben hast?", warf Harry lachend ein und ich prustete fast in meinen Scotch: „Ey, der Typ hätte sich einfach nur ne' andere zum bumsen suchen müssen anstatt so einen Aufriss wegen einer schmalzigen Tussi zu machen."

Harry schüttelte amüsiert den Kopf: „Ich bin immer noch ganz überfahren davon, dass du diesen Scheiß tatsächlich gelesen hast."

„Wer sagt das?", fragte ich und dann sah er mich an: „Hast du nicht?"

„Spinnst du! Ich verplempre doch nicht meine Zeit damit, das Buch eines Toten zu lesen, nur weil irgendwelche Leute meinen, er wäre einer der bedeutendsten Dichter seit Homer", sprach ich abwehrend. „Eine von Elizas Hofdamen hat mir den Mist zusammengefasst, als ich dabei war sie ein bisschen zu-", ich machte eine eindeutige Handbewegung und Harry verstand: „Auf die Idee hätte ich auch mal kommen sollen."

„Ja, ein paar Hofdamen von Eliza waren echte Miststücke, aber auch sehr entgegenkommend für ein bisschen Aufmerksamkeit", brummte ich. 

So lange ich denken konnte hatte sich meine schöne Schwester mit einem Pulk an Mädchen umgeben, die alle versucht hatten etwas von ihrem Glanz abzubekommen. Aber keine konnte an Elizas Level heranreichen. Die Einzige, die es nie versucht hatte, war so ein kleines persisches Mäuschen namens Soraya Estefania. Ich hielt sie lange für Elizas beste Freundin, aber ob sie dies tatsächlich war, konnte ich im nachhinein nicht sagen.

Um halb sechs war es für mich Zeit das Avenue zu verlassen, denn um sechzehn Uhr des neuen Tages musste ich ausgeschlafen und gestriegelt zum Schlachtgang antreten. Ich verabschiedete mich von Harry auf später und erinnerte ihn daran pünktlich zu sein.

„Für wen hältst du mich?", empörte er sich und stürzte dabei fast mit dem Gesicht voran in eine Glasvitrine. „Außerdem habe ich gestern Mittag Niall meine Schlüsselkarte gegeben. Nur für den Fall der Fälle."

Die Erwähnung von Fall der Fälle sagte mir alles, was ich wissen musste. Nämlich das Harry sich selbst nicht sicher war, ob er es wirklich heile bis zur Hochzeit schaffte. Doch so wie ich Niall kannte würde er Harry selbst im Königreich Heckmeck finden, wenn dieser es wagen sollte sich selbst bei all den willigen Frauen zu verlieren.

Fritz erschien, er wirkte abgekämpft und müde, noch dazu roch er stark nach Alkohol und Zigarre. Meine Augenbrauen huschten in die Höhe, hatte er am Ende doch ein fremdes Höschen besucht?

„Du siehst aus, als hättest du in Westeros um den eisernen Thron gekämpft", entwich es mir und Fritz lächelte wackelig: „I-Ich habe deinen Porsche nicht verspielt, man sagte mir, sie überschreiben dir den Gewinn, ich meine, er gehört eh dir, denn dank deines Einsatzes konnte ich überhaupt spielen."

„Du hast die ganze Nacht gezockt?", fragte ich verdattert und er reichte Harry den Schuldschein. Mein Kumpel grinste: „Fritzchen, du solltest mal zum Pokern bei mir zu Hause in trauter Runde vorbei kommen. Es gibt da ein Boot, das ich unbedingt zurück gezockt kriegen will."

Sein scheiß Honey... wie konnte ich diese Peinlichkeit vergessen? Trotzdem empfand ich einen Funken Respekt für Weichei Fritz-Witz. Er hatte nette 61.000 Dollar plus gemacht und für jemanden, der nicht regelmäßig um solche Summen spielte, schien er nur zehn Jahre seines Lebens gealtert zu sein, vor lauter Anspannung.

Basil hatte den Wagen vorgefahren, der uns nun zurück ins Penthouse bringen würde. Ich sah, dass Fritz wirklich fertig war und kaum zurück in seine Spießerjacke fand. Letzten endlich verhedderte er sich in einer beschissenen Jacke und ich sah ihm genervt dabei zu, wie er sich wieder frei kämpfte.

Draußen war es eiskalt, doch trotzdem hielt ich auf dem Bürgersteig inne. Basil kletterte aus dem Mercedes und hielt Fritz-Witz die Tür auf, dieser stolperte fast mit der Nase voran. Ich dagegen sah in den dunklen Himmel und blickte auf die sanften Schneeflocken.

„Mr Payne?", machte Basil höflich auf sich aufmerksam und ich sprach mit rauer Stimme: „Fünf Minuten." Er nickte und ich zog eine Schachtel Zigaretten aus meiner Jackentasche. 

Im Verhältnis waren wirklich wenig Leute auf den Straßen unterwegs. Alle waren sie dick eingepackt, doch ich spürte die Kälte nicht einmal, als ich mir eine Zigarette anzündete. Tief atmete ich das Nikotin ein und wieder aus.

Es war der 31zigste Dezember und in einigen Stunden würde ich den nächsten Teil meines Deals einhalten. Mir war nicht zum heulen, allerdings auch nicht nach der nächsten Party. Meine Freiheit für Geld aufzugeben war mir nie als allzu großes Opfer erschienen, einfach, weil ich einer Ehe keiner Bedeutung bei gewinnen konnte.

Für die Öffentlichkeit war das anderes und genau dort würde irgendwann meine Probleme anfangen. Noch fiel es mir leicht jedem, selbst meinen Freunden, etwas vorzuspielen, aber irgendwann würde ich die Schnauze voll haben. Dafür kannte ich mich zu gut.

Ich warf die Zigarette halb ausgeraucht zu Boden und wandte mich dem Mercedes zu, als mein Blick auf ein hochgewachsenes Mädchen auf der gegenüberliegenden Straßenseite fiel. Oder sollte ich sagen, Frau?

Braunes, langes Haar lugte unter ihrer bunten Strickmütze hervor. Ein alberner Bommel thronte auf ihrem Kopf. Sie trug einen viel zu großen, hellgrauen Mantel und hielt einen heißen Kaffee to go in der Hand. Doch das, was wirklich meine Aufmerksamkeit auf sich zog, war die Art, wie sie ihren überlangen Schal gebunden hatte.

Wie eine kitschige Schleife.

Ich kannte nur einen einzigen Menschen, der die Angewohnheit hatte, seine Tücher, Schals und alles andere in Form einer Schleife zu binden. Regungslos starrte ich der jungen Frau ins Gesicht und bemerkte, dass sie in der anderen Hand eine Zeitung hielt und die Anzeigen zu studieren schien.

Mein Herz raste.

Eliza.

Das konnte nicht sein! Meine Schwester, wenn sie wirklich hier war, wenn es wirklich sie war, dann bedeutete dies, dass sie nie weit weg gewesen war.

Eine viel zu lange Sekunde  konnte ich mich nicht regen. Stattdessen riss ich die Augen auf und wollte ihr entgegen laufen. Ein Taxi fuhr an ihr vorbei und innerhalb eines Wimpernschlages war sie einfach wieder verschwunden.

So, als hätte ich sie mir eingebildet.

Zurück blieb ich im Schnee, mit dem Gefühl um ein bisschen Hoffnung betrogen worden zu sein. 

Ich hasste es augenblicklich. 


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