21 Die Gala.
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❰ L I A M ❱
Anlässe und Ereignisse dieser Art waren einfach nicht meines. Ich fühlte mich in diesem Anzug, Frack, oder Pinguingedönse einfach nur verkleidet und fremd. So auch jetzt. Gut, der Anzug war im schlichten schwarz, aber in Jeans und Klamotten, die ich mir selbst aussuchte, war ich, ich selbst.
Meine Laune war sowieso nicht die Beste, denn der heutige Abend würde die Verlobung offiziell machen. Ich wusste das nun schon seit Wochen, doch heute erst fühlte es sich richtig real an.
Das Heisenberg Hotel lag etwas Abseits vom New Yorker Zentrum und erinnerte mit seiner Architektur eher an eine europäische Oper. Gewaltige Türbögen von zwei bis drei Meter, Wände mit bunten Fresken, Kronleuchter, die den Raum erhellten und Decken, so hoch, dass sie zwei Stockwerke einnahmen. Das Heisenberg Hotel glänzte mit europäischen Barock und stach damit gewaltig in seiner Aufmachung heraus.
New York ging mit der Moderne und gerade weil Henry & Payne ihre jährliche Gala nicht dem Hightech anpassten, war sie ein jedes Mal eine kleine Sensation. Ich konnte das nachvollziehen, doch trotzdem würde ich diesen Abend gerne Jahr für Jahr schwänzen.
Über 850 Gäste waren geladen, meine Grandma rundete gerne auf tausend auf und jeder warf sich in Schale. Auffallen war das Motto. Schwierig – das war meine Antwort darauf, denn das Hotel war groß. Vom Tanzsaal mit Orchester bis zu den Esssälen, runde Springbrunnen mit Skulpturen und gemütlicheren Ecken für Poker, Billard und anderen Schnickschnack.
Wäre es Sommer, dann könnte man sich zumindest noch nach draußen stehlen und im Irrgarten verschwinden. Jetzt müsste ich mich schon dafür abseilen Zigarren zu rauchen und selbst da würde ich meinen Vater noch in die Arme stolpern.
Ich lehnte über ein Gelände und ließ den Blick schweifen. In der Ankunftshalle tummelten sich allerhand Leute. Die meisten gaben ihre Jacken und Mäntel ab, andere begrüßten sich und nahmen das erste Glas Champagner entgegen.
Am Fuß der gewaltigen Treppe, die sich in der Mitte in je zwei Richtungen trennte, erkannte ich Harry in einem wild gemusterten Anzug mit seiner Begleitung. Gigi Hadid war eines der neusten Models, welche die Laufstege unsicher machten und Harrys heutiges Opfer. Er würde es sicher noch bereuen sich heute einen Klotz ans Bein gehangen zu haben.
Etwas weiter rechts von ihm erkannte ich Maliks Vater, zum Glück war die hässliche Fresse von seinem Sohn dort geblieben, wo sie hingehörte. Am Arsch der Welt.
Danielle tummelte sich draußen, das wusste ich.
Ein Meer von Fotografen harrte hinter der Absperrung des roten Teppich aus und lichtete alles mit Rang und Namen ab. Als ich mich dort vorbei gestohlen hatte, da war ich mir vorgekommen wie bei einer Oscar-Verleihung.
Ich wusste, dass Danielle unglaublich pissig auf mich war, denn ich hatte sie bislang seit Wochen mit knappen Rückrufen abgewimmelt. Zugegeben, die Versuchung war unglaublich groß. Ich hätte nie gedacht, dass Sex mir dermaßen fehlen würde. Es war, als hätte man mir einen Ausgleich genommen. Ich war immer noch wütend auf Sophia, nachdem, was sie abgezogen hatte. Zu meiner Wut hatte sich jedoch auch ein Vorhaben gesellt. Denn sie hatte mit Absicht, oder auch nicht, die Spiele quasi eröffnet.
Wenn sie Spielchen spielen wollte, dann nur zu. Nur würde sie dabei definitiv verlieren.
Meine Gesichtszüge verhärteten sich, als ich Paul Higgins sechs Meter von mir entfernt sah. Ganz, wie er es mir vorausgesagt hatte, wurde ich immer noch beschattet. Gut, dass ich den nächtlichen Ausflug zu Danielle nicht gewagt hatte. Sonst wäre ich jetzt sicherlich dran und oben drein mein Geld los.
„Leeyum, was stehst du hier so krumm herum?", vernahm ich die Stimme meiner Granny und hob den Kopf. Sie trat neben mich und obwohl sie aus meiner Sicht schon eine alte Frau war, sah sie gut aus in dem dunkelblauen schlichten Kleid. Ein Wunder, dass sie ihren Kopf noch gerade halten konnte, bei den schweren Klunkern, die sie am Ohr trug.
„Ich warte auf Sophia, sie kommt etwas verspätet", teilte ich gelangweilt mit und bemerkte, dass meine Granny mich abscannte. Tief seufzte ich: „Ganz locker, ich habe mich, wie du siehst, komplett an die Kleiderordnung gehalten."
„Oh, ich wollte nicht meckern, sondern nur anmerken, dass du wirklich attraktiv anzusehen bist, mein Junge", sie lächelte spitzbübisch. „Hoffentlich führst du nicht allzu viele Damen heute Abend in Versuchung."
„Da sei unbesorgt", brummte ich und ließ zu, dass sie an meinem Hemd herum zupfte. „Ich bin in offizieller Begleitung hier."
„Das hat dich sonst auch nicht groß abgehalten. Ich erinnere nur an das Sommerfest von Hugo und Jessica Erwin. Die haben ihre Tochter danach auf ein Schweizer Internat geschickt."
„Ich war achtzehn und du musst zugeben Violetta war ein reizendes Mädchen", ich sprach das Wort reizend betonend aus und Granny schnalzte mit der Zunge: „Und unschuldig, zumindest bis zu dem Moment, bevor du mit ihr fertig warst."
Schmunzelnd fragte ich mich, was aus Violetta Erwin geworden war, denn ich hatte sie danach nie wieder gesehen. „Heute kannst du dich entspannen. Du weißt doch, was es für ein Abend ist."
Meine Großmutter musterte mich noch einmal eingehend, dann atmete sie tief durch. „Ich hoffe, du weißt was du tust. Denn Liam, ich glaube nicht, dass Geoff es billigen wird, dass du die Verlobung vorschnell wieder löst."
„Die Hochzeit ist am 31ten Dezember, meinst du nicht, dass ich sieben Wochen mit der gleichen Meinung durchhalten werde?", mir war nach einer Zigarette, oder einen Joint, aber letztes hatte ich nicht dabei und erstes würde ich jetzt nicht rauchen können.
Während meine Granny weiter redete, hörte ich ihr nicht mehr zu. Stattdessen sah ich gelangweilt nach unten auf den Empfang und das sich die Leute nun leicht in den großen Saal schoben. Mein Blick streifte Grace.
Sie trug ein zartgelbes, verspieltes Kleid. Das lange Haar zu Löckchen gedreht und im ersten Moment sah meine Schwester nicht mehr aus, wie unschuldige siebzehn. Ich sah auf den Mann, dem sie schöne Augen machte, mit dem Hintergedanken ihn vielleicht bei Gelegenheit ein wenig einzuschüchtern, als sich meine Haltung versteifte.
Grace unterhielt sich mit Niall, der gerade seinen Mantel abgab. Ich hatte ihn nicht erkannt, da er nicht wie üblich einen seiner schlecht sitzenden Anzüge trug. Sah nach Armani aus. Was machte er hier? Ich hatte selbst gesehen, dass er für heute abgesagt hatte.
„Leeyum, ich glaube die jungen Damen dort versuchen deine Aufmerksamkeit zu erlangen", riss Granny mich aus meinen Überlegungen und ich folgte ihrer Geste. Am Fuß der Treppe standen Eleanor und Taylor, Sophias Freundinnen, und hörten sofort auf zu winken. Dann deuteten sie zum Eingang und ich verstand, was sie meinten.
„Granny, ich muss los, wir sehen uns später noch mal", sprach ich, gab ihr einen Kuss auf die Wange und eilte die Treppen herunter. Es war schwer sich in der trägen Menge zu bewegen. Jeder stand im Weg herum und grob zur Seite stoßen konnte ich diese aufgedonnerten Hühner nicht.
Ich erreichte die beiden Freundinnen, die sich ungewöhnlich gut ihrer Umgebung anpassten und grüßte sie kurz, dann rief Taylor gegen den Lärm: „Wir mussten etwas umdisponieren. Das ist meine Schuld und-"
Mehr hörte ich nicht, denn ich eilte bereits weiter. Mich interessierten diese banalen Frauensorgen nicht. In der Empfangshalle war es erschreckend voll, immer wieder rief jemand meinen Namen, aber ich hatte keine Zeit, denn an erster Stelle musste ich nun meiner beschissenen Pflicht nachkommen.
Sophia und ich waren schon nicht zusammen hier angekommen, also musste ich mich zumindest draußen bei der Presse mit ihr zeigen. Wenn wir auf den Pressefotos so aussahen, wie auf denen von Ed, dann konnten wir uns freuen.
Den gebuchten Fotografen bemerkte ich als ich nach draußen an die kühle Herbstluft trat. Er stand etwas abseits und zündete sich gerade eine Zigarette an. Leicht lächelte er freundlich nachdem sich unsere Blicke kreuzten.
Danielle kam mir entgegen und sie sah umwerfend aus in ihrem goldenen, hautengen Pailletten-Kleid und dem kurzen schwarzen Pelz. Dazu die wilde Lockenmähne und die stolze Haltung. Sie erinnerte mich unweigerlich an eine kämpferische Amazone. Im Normalfall hätte ich sie umwerfend scharf gefunden, aber ihr herausfordernde Blick, mit dem sie mich bedachte, trübte das Gefühl.
So, als wollte sie mir vor Augen führen, was ich mir entgehen ließ.
Ein neuer Wagen fuhr vor, die Journalisten riefen nach mir, ich sollte mich ihnen zuwenden. Doch sobald ich Basil aus dem Wagen eilen sah und einen Pagen, der die Wagentür öffnete, setzte ich mich in Bewegung und lief eilig über den roten Teppich.
„Meine Fresse bist du spät", sprach ich als ich Sophia die Hand reichte. Das Getöse hinter meinem Rücken wurde noch lauter und die Aufregung war förmlich zu spüren.
„Tut mir leid, aber es gab einen Zwischenfall", antwortete Sophia mir und dann sah ich, was sie meinte. Sie trat aus dem Auto und lächelte unsicher, bei so viel Andrang.
Ihr Kleid, es war ganz anders, als ich es beschrieben bekommen hatte.
Rot.
Die Schultern lagen frei, die Arme verschwanden bis knapp über den Ellenbogen in roter, zarter Spitze. Allgemein nahm die Spitze das Kleid ein, den Brustbereich, bis es sich eng an ihre Kurven schmiegte und erst dann glatt zu Boden floss. Ihr Körper wirkte wie eine menschliche Sanduhr, einladend, weiblich und provozierend. Dabei zeigte Sophia kaum Dekolleté.
Ihr Haar war elegant hochgesteckt und legte den Nacken frei. Als sie sich leicht wandte sah ich, dass ihr kompletter Rücken unbedeckt war und die eigentliche Provokation demonstrierte. Dabei war es das gesamte Bild, das mich unwillkürlich die Kiefer aufeinander pressen ließ.
Sie trug nicht viel Schmuck und trotzdem strahlte sie Luxus und Reichtum aus. Und obwohl der blaue Verlobungsring an ihrem Finger farblich absolut nicht zu ihrem Kleid passen sollte, tat er es dennoch, als sei jedes noch so kleine Detail perfekt darauf abgestimmt.
Ihre schmale Hand schob sich in meine und dann begriff ich, dass es nun wahrhaftig darum ging einer riesigen Meute ein perfektes Schauspiel zu bieten. Ich zog sie zu mir, strich mit den Daumen leicht über ihre dezent geschminkte Unterlippe und beugte mich zu ihr.
Für Umstehende mochte es aussehen, als würde ich sie jeden Moment küssen. Mein Trommelfeld platzte fast und ich sprach an Sophias Ohr gewandt: „Dein Ernst, rot?"
„Ich sagte doch, es gab einen Zwischenfall mit meinem anderen Kleid", antwortete sie nervös. Ich glaubte ihr kein Wort.
Wir schritten über den roten Teppich, ich achtete darauf, dass Sophia nicht stolperte und spielte den perfekten, dämlich verliebten Kerl, der offiziell seine Freundin mitbrachte und noch für den Schock des Abends sorgen würde.
Kurz mussten wir stehen bleiben und Seite an Seite posieren, dabei bemerkte ich, dass Sophia überhaupt nicht wusste, in welche Kamera sie schauen sollte und das Blitzlichtgewitter sie bald blind machte.
„Nicht direkt in die Linse gucken", raunte ich ihr zu und sah sie blinzeln. Um ihr die Möglichkeit zu geben ihre Augen wieder in den Griff zu kriegen, drehte ich uns, sodass wir eine Verschnaufpause bekamen. Ich verstand kaum die Fragen der Reporter, weil sie alle durcheinander brüllten. Selbst das Fernsehe ging mir auf den Zeiger, denn auch die Moderatoren kreischten dermaßen durcheinander, als würden wir uns auf einem verdammten Rockkonzert befinden.
Ich hatte nicht vor unnötig viel Zeit auf dem roten Teppich zu verbringen, aus den Augenwinkeln sah ich diesen Typen aus uns vorbei huschen, den ich schon einmal bei Sophia gesehen hatte. Dunkle zerzauste Haare und schlecht rasiert. Der Typ für den sie meinen Deal angenommen hatte.
„Lasst uns gehen", raunte ich mit einem falschen Lächeln und führte Sophia voran. Zusammen betraten wir die Eingangshalle und ich spürte die neugierigen Blicke, die uns nun bedachten. Es war kein Geheimnis, dass ich noch nie eine offizielle Begleitung zur Gala von Henry & Payne mitgebracht hatte.
Wir mussten keine Jacken abgeben und ich spürte, wie Sophia an meiner Hand staunend die Halle betrachtete. Dann hob sie die Hand und winkte. Grace stand nun an meinem alten Platz neben meiner Granny, Niall ebenso. Meine Schwester wirkte, als hätte sie Niall für den heutigen Abend als ihren Begleiter entthront.
„Er ist also doch gekommen", stellte Sophia mit einem Lächeln fest. Ich runzelte die Stirn: „Was?"
Sie nahm sich ein Glas mit Champagner von einem Tablett für den Empfang und sprach: „Heute Vormittag habe ich Niall einen Besuch abgestattet, es gab irgendein Missverständnis mit der Gästeliste."
Von wegen Missverständnis, dachte ich mir und hörte sie weiter reden: „Der blaue Anzug steht ihm fantastisch und wie es aussieht hat deine Schwester eine ziemliche Schwäche für ihn."
„So ein Blödsinn", meinte ich trocken und sah noch einmal mit unbewegter Miene nach oben. Er hatte hier nichts zu suchen und das wusste er auch. Grace hing dermaßen an Nialls Arm, dass man meinen könnte, sie wären als Paar gekommen. Er dagegen unterhielt sich angeregt mit meiner Grandma.
„Du hättest nicht zu ihm fahren sollen", sagte ich und führte Sophia langsam in den anderen Saal. Sie blickte mich an: „Wieso nicht? Er ist dein bester Freund und ich dachte, du möchtest ihn vielleicht dabei haben."
Angespannt schwieg ich und dachte daran, wie sich Niall und mein Weg voneinander getrennt hatte. Ich wollte nicht mehr an all das denken, was mit Niall zu tun hatte. So konnte ich am besten verdrängen, dass er mir fehlte und ich noch immer nicht richtig verstand, weshalb er so beschissen egoistisch und kleinlich war.
Der Abend verlief so vorhersehbar, wie ich es angenommen hatte. Ich stellte Sophia eine Menge Leute vor. Viele aus dem Aussichtsrat, Ehegattinnen, die zu oft beim Schönheitschirurgen gewesen waren und schließlich dröhnte mein Patenonkel von weitem meinen Namen.
Chet Rutherford war ein beliebter Autor der mit George R. R. Martin per 'du' war. Mit Vollbart und einem schillernden goldenen Anzug kaum er auf uns zu. In der rechten Hand hielt er eine Zigarre und an den Fingern trug er übertrieben dicke Ringe.
Chet war der beste Freund meines Vaters seit der High School. Es war mir ein Rätsel, wie mein konservativer Vater damit zurecht kam, dass Chet einen alternativen Lebensstil pflegte und das nicht nur, weil er seit Jahren öffentlich als homosexuell geoutet lebte.
„Lee, mein großer Junge, ich hätte nicht gedacht, dass sie dich irgendwann so klein kriegen und du tatsächlich freiwillig hier antanzt!", er umarmte mich überschwänglich und obwohl er dürr und groß wirkte, hatte er ordentlich Kraft in den Armen und hob mich ein paar Zentimeter vom Boden hoch. Als wäre ich immer noch fünf und keine fünfundzwanzig. Dann setzte er mich ab und sein Blick fiel auf Sophia.
Plötzlich war er wieder ganz amerikanischer Dandy.
„Oho, ich glaube wir kennen uns noch nicht, Miss...?", er reichte ihr die Hand und sie sprach: „Sophia Smith."
„Ich bin Chet, der Onkel, von dem Lee diese schlechte Angewohnheit hat, immer alles gleich haben zu wollen, statt geduldig drauf zu sparen." Er zuckte mit den Schultern. „Aber das kommt davon, wenn man Kinder zu sehr verwöhnt."
„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich je darum gebeten habe, dass du mich mit Geschenken zupflasterst", sprach ich trocken, denn das hatte Chet getan, als ich noch ein Kind gewesen war.
Er lächelte breit: „Du warst so klein und hässlich, da wollte ich dich irgendwie aufbauen. Neben deinen hübschen Schwestern hast du ausgesehen wie ein misslungener Gartenzwerg. Mein Mitgefühl für Hässlichkeit hat mich dir gegenüber eben weich gemacht."
Zugegeben, ich war als Kind wirklich klein gewesen, aber hässlich ganz sicher nicht. Statt weiter darauf herum zu reiten, sprach Chet ganz unverblümt an Sophia gewandt: „Was zahlt Lee dir, damit du ihn heute Abend seriös erscheinen lässt?"
Nun war es an Sophia breit zu lächeln und ich tat es ihr gleich. Dreist sagte ich: „Sie nimmt 5.000 Dollar die Stunde, kein Schnäppchen. Wenn du also willst, dass sie den Leuten vorgaukelt, du wärst ein Hetero-Typ, dann bist musst du ganz schön was locker machen."
„Ich zahle keine 5.000 Dollar, wenn ich nicht zumindest etwas zu Essen gekocht kriege!", warf Chet Nase rümpfend ein und Sophia lächelte sanft: „Damit kann ich nicht dienen, aber ich könnte gutes Essen bestellen."
Er schien ernsthaft darüber nachzudenken, dann drehte er die Zigarre weiter zwischen seinen Fingern: „Hm... ihr Escortmädchen seid auch nicht mehr das, was ihr einmal wart. Da könnte ich mir ja gleich eine Mätresse halten und käme damit noch günstiger weg."
„Zeiten ändern sich", meinte ich da nur und konnte mir kaum vorstellen, dass mein Patenonkel in seinem asiatisch geprägten Penthouse tatsächlich so etwas, wie eine Gesellschafterin aushielt. Er ließ nicht einmal gerne Gäste bei sich übernachten und wurde sichtlich unleidlich, wenn er auf Dauer zu viele Leute um sich herum hatte, die ihm vom schreiben abhielten.
„Dann sollen sich die Zeiten ohne mich ändern", schloss Chet energisch und hob die Zigarre: „Nun Miss Sophia, lassen Sie sich von Liams Hässlichkeit nicht täuschen, wenn er ein ordentliches Bad genommen hat, dann sieht er nicht mehr ganz so schrecklich aus. Außerdem kann man ja das Licht ausschalten."
„Was zum-!", bevor ich weiter sprechen konnte, hatte Chet mir auch schon auf die Schulter geklopft und verschwand um seine Zigarre in irgendeiner Ecke ruhig rauchen zu können. Sophia sah ihm verdattert nach: „Er ist... gewöhnungsbedürftig."
„Ja", ich erwähnte besser nicht, dass man ihn nicht unangemeldet besuchte, da man ihm sonst im kurzen Kimono über den Weg lief.
Im Essaal war es voll. Kellner mit Häppchen liefen herum, weitere Getränke wurden verteilt, bestellt und ausgeschenkt. Vier Bars versuchten den Gästen Herr zu werden und ich nahm Grace automatisch den Cocktail aus der Hand, als sie sich an mir vorbei stahl.
Wütend sah sie mich an, legte den Kopf in den Nacken und rauschte wortlos weiter. Hier waren eindeutig zu viele junge Männer, die bei einem beschwipsten Mädchen ihr Glück versuchen würden. Ich wusste das so genau, weil ich selbst dazu gehörte, wenn sie nicht meine Schwester wäre.
„Das darf nicht wahr sein", hörte ich Sophia neben mir und wandte mich ihr zu: „Was?"
Sie seufzte: „Entschuldige, ich muss kurz zu deinem Großvater." Ich sah ihr nach und beobachtete, wie sie zu meinem Gramps trat, der sich mit einer Gruppe Geschäftsleute seines Alters unterhielt, er lächelte und erklärte dann irgendetwas, was Sophia zum lachen brachte. Dann drehte sich Gramps herum und Sophia führte ihn an die Bar, wo der Typ saß, den ich schon öfters bei Sophia ausgemacht hatte.
Louis Tomlinson, oder so. Der 750.000 Dollar Goldjunge.
Er lehnte gelassen gegen die Theke und hielt ein Glas Scotch in den Händen und hatte die Menschen um sich herum beobachtet. Das er alleine abhing schien ihn nicht groß zu stören. Sophia stellte Gramps und Tomlinson einander vor und ich sah, dass Zweiter nicht einmal die Miene verzog, sondern betont ruhig blieb. Mein Gramps dagegen musterte ihn unverhohlen und sichtlich interessiert.
„Und wegen dieser Schlampe rufst du mich nicht zurück?", ertönte eine weibliche Stimme neben mir. Danielle war zu mir getreten und nippte an ihrem Champagner. Ich stütze mich mit den Ellenbogen auf einem der runden Stehtische ab, die sich zu den Sitztischen am Rand des Saals befanden. Umgeben von Kerzen, Kronleuchtern und anderen dekorativen Quatsch hätte man sich vorkommen können, wie bei einer Zeitreise. Vielleicht war das auch Sinn des Konzept. Es war mir aber auch egal.
„Amüsierst du dich gut?", fragte ich, ohne auf ihre Provokation einzugehen. Danielle schnaubte und musterte Sophia von Weitem sichtlich angeekelt: „Lass den Scheiß, Liam. Was ist dein Problem? Es hat prima funktioniert zwischen uns und du hast dich auch nie beschwert."
Das mochte sein, aber trotzdem hatte es mich abgefuckt, dass ich sie immer mit Geschenken hatte bei Laune halten müssen. Genauso, dass ich durchaus geblickt hatte, dass Danielle so viel mehr wollte, als nur mein Bettvergnügen zu sein.
„Fickt sie so gut, oder weshalb werde ich durch so eine graue Maus ersetzt?", sagte sie schnippisch. Sophia wirkte neben Danielle wirklich blass, aber heute Abend nicht. Sie bewegte sich nicht so aufreizend wie Danielle, nicht so verführerisch.
Sondern elegant und angepasst.
Doch das Kleid, welches Sophia heute trug, zog unweigerlich die Aufmerksamkeit vieler Leute auf sich. Ich sah es an der Art, wie die Menschen sich nach ihr umdrehten. Nicht unverhohlen, aber die Blicke blieben im ersten Moment trotzdem an ihr haften.
„Ich bin dir keine Erklärung schuldig", sprach ich und nahm mir ein Glas Scotch von einem vorbeilaufenden Kellner. Nun reckte Danielle das Kinn und ihre schönen Gesichtszüge wurden hart: „Tzz... ich gebe dir drei Wochen, wenn du dich dann nicht ausgetobt hast, lass dich nie wieder bei mir blicken." Sie bedachte mich mit einem herablassenden Blick. „Ich bin niemandes zweite Wahl, Liam, auch deine nicht."
Dann rauschte sie wie eine kampferprobte Königin ab und stieß dabei fast mit Harry zusammen. Mein Kumpel sprang ihr gerade noch rechtzeitig aus dem Weg. „Hoppla, da scheint aber jemand pissig auf dich zu sein."
Ich zuckte mit den Schultern: „Die kann sich hinten anstellen."
Harry grinste und gesellte sich zu mir. „Wie ich sehe ist Niall tatsächlich gekommen."
„Scheint so. Sophia hat ihm einen Besuch abgestattet", murmelte ich und trank meinen Scotch auf ex. Harry schmunzelte und schüttelte den Kopf: „Seid ihr immer noch geschiedene Leute?"
Die Antwort sparte ich mir, denn ich hatte Harry bereits gesagt, dass ich nicht wusste, was Nialls Problem war. Also wiederholte ich mich nur und zu meiner Überraschung sprach Harry: „Wenn ich es dir zeigen könnte, würdest du mir dann versprechen mir keine reinzuhauen?"
Nun musste ich grinsen: „Kommt drauf an."
Ob Harry es riskierte oder nicht, erfuhr ich an diesem Abend nicht mehr. Die Leute schoben sich schließlich um zehn Uhr alle in den großen Tanzsaal. Das Lichtverhältnis veränderte sich und die Musik sich ebenfalls. Das Orchester kündigte meinen Vater an, der wie jedes Jahr die geladenen Gäste begrüßte und ein paar trockene Aussagen zum Besten gab.
Ich stand auf eine der Stufen der geschwungenen Treppe und lehnte gegen das Gelände. Hinter mir stand Harry und kramte in seiner Anzugjacke nach Zigaretten. Mit halben Ohr hörte ich nur zu, denn ich kannte die Leier. Jedes Jahr in etwa dasselbe.
„- und deshalb möchte ich euch heute verkünden, dass wir noch ein weiteres Ereignis zu feiern haben", hörte ich meinem Vater sagen. Harry stieß mich in die Seite und prompt richtete ich mich auf. „Nämlich die Verlobung meines Sohnes Liam mit seiner reizenden Freundin Sophia Smith."
Die Menschenmenge wandte sich nun zu mir um und sahen mich verwirrt an. Ich vermied es auf Danielles Gesicht zu achten. Stattdessen bemerkte ich, wie mein Vater die Stirn runzelte: „Ich... Liam, wo ist deine Verlobte?"
„Sie ist ihm schon abgehauen", dröhnte mein Patenonkel von irgendwo und sorgte für amüsiertes Gelächter. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel. So lief das eben, wenn man sich nicht über den Ablauf des Abends informierte. Ich war selbst schuld, wenn ich nicht richtig zuhörte.
Trotzdem beugte ich mich gelassen über das Geländer und rief: „Gramps hat sie mir vor einer halben Stunde ausgespannt. Ich konnte das nicht verhindern."
Gelächter schallte mir entgegen. Da würde selbst mein Vater nicht die Schuld auf mich schieben können, denn ich war schließlich anwesend. Jemand drückte sich an der fülligen Dame vorbei, die zwei Stufen unter mir stand, dann streckte ich automatisch die Hand aus und erfasste die von Sophia und zog sie zu mir. Sie wirkte etwas aus der Puste und ich schlang meinen Arm um ihre Hüfte.
„Tut mir leid", rief sie peinlich berührt und sofort lagen sämtliche Augen auf ihr. Man musterte sie, studierte ihre Gesichtszüge und ich bemerkte, dass sie die Arme um meinen Oberkörper schlang. Für Außenstehende mussten wir wirken wie ein Paar.
Nun wurde Champagner an all die Gäste verteilt, die kein Glas in den Händen hielten und mein Vater sprach: „Ich bitte euch gemeinsam mit mir auf die Verlobung von Liam und Sophia anzustoßen."
Der Saal hob sein Glas und ich war mehr als froh, als der offizielle und formale Quatsch wahrhaftig abgeschlossen war. Die Rede meines Vaters endete wenig später und er kündigte drei Programmpunkte für den Abend an.
Nun war es also offiziell.
Kaum war er vom Podium gestiegen, da brach wirres Stimmgewirr aus, was nicht einmal vom Orchester übertönt werden konnte. Harry war der Erste, der sprach: „Ich gratuliere euch, auch wenn es ein bisschen flott geht."
Sophia antwortete darauf nicht, sondern lächelte nur. Ich dagegen würde mich kaum mit einem smarten Lächeln rauswinden können. Zum Glück wurde der Ansturm an Glückwünsche so groß, dass Harry es nicht schaffte bei uns zu bleiben. Sollte er sich außerdem besser seiner Begleitung widmen.
Ich schüttelte unzählige Hände, teils von Menschen, die ich überhaupt nicht kannte. Es war furchtbar anstrengend und dauerte sehr, sehr lange. Irgendwann verlor ich Sophia wieder aus den Augen. Wir wurden voneinander getrennt.
Im großen Saal begannen die Menschen zu tanzen, einige zum essen oder zum Poker aufzubrechen und nach über zwei Stunden schaffte ich es endlich zu verschnaufen.
Danielle hatte ich abrauschen gesehen, wahrscheinlich fühlte sie sich zutiefst gedemütigt und ich konnte es ihr nicht einmal verdenken. Gerade hielt sich das schlechte Gewissen ihr gegenüber jedoch arg in Grenzen.
Ich trank den zweiten und auch dritten Scotch, suchte den langen Raum mit den Poker- und Billardtischen auf und zockte eine Runde. Doch alles in einem langweilte ich mich tierisch.
Irgendjemand verkündete, dass die Tombola jeden Moment losgehen würde. Boote, Autos, Schmuck, alles für den guten Zweck. Entweder gab es eine Versteigerung, oder eine Tombola – jeder wollte sich in gutes Licht rücken und gab ein wenig Kleingeld ab.
Danach folgten schwebende Akrobaten, Feuerspucker und anderer Quatsch, der zwar den Gästen gefiel, mich jedoch nur gähnen ließ. Um ein Uhr kündigte sich der exklusive Magier Jan Rouven mit seiner gewaltigen Show an und während alle sich nun in den riesigen Saal drückten, um das Spektakel nicht zu verpassen, nahm ich mir eine Zigarre und verschwand nach draußen auf den gewaltigen Balkon.
Das Geländer, als alten Stein, war von Pflanzen umwachsen, die Luft kalt und die Nacht klar. Meine Schritte waren erschreckend Laut und kurz fröstelte ich. Links von mir versank der riesige Garten in Dunkelheit. Am Rand leuchteten schwach eine Reihe von alten englischen Laternen. Rechts fiel das Licht des Innere nach draußen.
„Wenn du abhauen willst, dann solltest du den Ausgang der Küche nehmen. Hier herunter zu klettern ist keine gute Idee", sprach ich und Sophia drehte sich nicht einmal um. Sie stütze sich mit den Armen auf das steinige Geländer ab und hatte in die Fern gesehen. Ich lehnte mich mit den Rücken gegen den Stein und musterte sie.
Ihre Miene wirkte wie eine Maske, die Außenbeleuchtung gab ihrer Haut die Farbe von Elfenbein und ließ das rote Kleid noch stärker wie ein Signal wirken. Unweigerlich kribbelte es mir in den Fingern. Obwohl sie kleiner war als ich, mochte ich die Rundungen, die sich unter dem Kleid abzeichneten.
In meinen Taschen suchte ich nach einem Feuerzeug, dann zündete ich die Zigarre an und nahm einen tiefen Zug. Sofort entspannte ich mich, auch wenn man es nicht mit einem guten, starken Joint vergleichen konnte.
Durch die gewaltigen Fenster konnte ich sehen, dass sich die Leute im inneren amüsierten. Es kam mir vor, als würden sie sich auf einem ganz anderen Kontinent befinden, obwohl nur eine Glasscheibe zwischen uns war.
Der kalte Wind fuhr durch meine Haare und noch immer hatte Sophia sich nicht bewegt, dann seufzte sie schließlich. Der Wind schien ihr nichts auszumachen. Ihr Gesicht wandte sich mir zu und dann schmunzelte sie: „Deine Fliege ist schief."
Sie machte einen halben Schritt auf mich zu und zupfte dann an dem schwarzen Stoff um meinem Hals. Doch noch bevor sie fertig war, griff ich nach ihrer rechten Hand.
Sie war eiskalt.
„Wieso hast du deine Familie nicht eingeladen?", fragte ich und Sophia ließ sich Zeit mit der Antwort, dann gestand sie: „Es reicht mir, wenn sie zur Hochzeit kommen."
Sie schien für eine Frau erschreckend nüchtern und rational. Würde ich es nicht für besser wissen, dann würde ich sie für einen kalten Fisch halten. Im Endeffekt zeigte mir das einmal mehr, dass ich über Sophia so gut wie nichts wusste.
Und mir wurde klar, wenn ich mir in Zukunft nicht die Kontrolle aus den Händen reißen lassen wollte, dann musste ich diesen Aspekt ändern.
Möglichst bald.
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