2 Die Wahl.

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❰   L I A M 





Der beschissene Mittwoch kam schneller, als es mir lieb war. Niall hatte sich bis dahin immer noch nicht gemeldet und ich verlor mit meinem besten Freund langsam die Geduld. Mir war danach, wieder durch die Clubs zu ziehen. Das Problem war jedoch, dass ich es kaum aus meinem Loft heraus schaffte, ohne das ich zwei Männer vom FBI hinter mir hatte, die auf mich achteten.

Harry lachte mich aus, als ich am Montag im B13 auftauchte und Bäume dabei hatte, die unnatürlichen Schatten warfen. („Folgen dir die Saftsäcke auch aufs Klo?") 

Leider ja. Sie blieben direkt vor der Kabine stehen und schienen darauf zu warten, dass ich im Klo eine Bombe baute. Der Drang, einem von ihnen die Faust ins Gesicht zu rammen, war unglaublich groß und sie machten auch nicht die Fliege, als ich sie anfuhr mich endlich in Ruhe zu lassen.

Niemand widersetzte sich Geoff Payne. Eine Regel, die auch die FBI-Fritzen achteten. Öffnete ich morgens die Haustür, waren sie das Erste, was ich sah. Kam ich Abends nach Hause, waren sie meine Begleitung. Es kotze mich dermaßen an, dass ich versuchte die Überwachung einstellen zu lassen, aber keine Chance.

Heute würde ich endlich mit meinem Vater reden können, auch wenn mir der Rest grauste. Wenn ich meinen Vater anrief, dann landete ich entweder auf seiner Mailbox, oder hatte seine Sekretärin an der Strippe und so hirnlos eine Frau anzuschreien, die überhaupt keine Ahnung hatte, war ich dann schließlich doch noch nicht.

Basil spielte den anderen Babysitter und ich kam mir vor wie ein minderjähriges Jüngelchen, ohne Führerschein. Wie zur Schulzeit und selbst die Zeit war geiler gewesen, weil Harry und ich zum ersten Mal in den Genuss kamen Regeln zu brechen. Erwachsen konnte man leider nicht mehr in den Spind eines Idioten pinkeln. Aus machen Dingen wuchs man raus.

Gelangweilt lümmelte ich also auf der Rückbank der Limousine und hörte Musik. Hin und wieder öffnete ich den Chat an Niall, doch nachdem ich mehrmals gezögert hatte, schloss ich ihn wieder, ohne auch nur ein Wort geschrieben zu haben. Ich hatte diesen Scheiß nicht angefangen. Niall war derjenige, der sich dämlich verhielt.

Basil lenkte die Limousine außerhalb von New York, die Landschaft wurde langweiliger und eintöniger. Es war eine lange Fahrt aus der Stadt und nach fast einer Stunde passierten wir endlich das Tor, dass das Manor meines Vaters ankündigte. Rechts und links von der Straße erstreckten sich hohe und bunte Herbstbäume.

Nach einer weiteren halben Stunde hielt das Auto und ich knurrte: „Ich kriege die Tür auch alleine auf." Wie zum Beweis schlüpfte ich nach draußen und sah gerade noch, wie Basil heran eilte. Er lernte es nie, da könnte ich ihm die Tür gegen den Kopf treten. 

Ohne weiter auf ihn zu achten, schritt ich zwischen den Säulen hindurch und betrat das imposante, im alten englischen Stil gehaltene Anwesen. Es war ein Mausoleum und würde sich für historische Filme besser eignen, als es zu bewohnen. Ein jeder wusste das, nur meine Familie schaltete auf stur. Statt ein doppeltes Penthouse in New York  zu kaufen, pochten sie auf ihre Privatsphäre. Meiner Meinung nach wollten sie hier nur nicht fort, weil sich gigantische Feste an diesem Ort spielend organisieren ließen.

An der großen Flügeltür musste ich einen Pin eingeben, damit sich zumindest eine Türseite öffnete. Mochte sein, dass das Gemäuer alt aussah, dennoch war es mit der neusten Technik ausgestattet. Drinnen erwartete mich Wärme und ein dicker roter Teppich, der meine Schritte in den hohen Mauern verschluckte.

Automatisch ging das Licht durch einen Bewegungsmelder an. Es dauerte etwas, doch nachdem ich Jerry, einem der drei Butler, meine Jacke gegeben hatte, betrat ich das Sonnenzimmer und sah meine jüngste Schwester Grace in einem Sessel lümmeln. Die Beine auf den Couchtisch gelegt, trug sie immer noch die Uniform der St. Marys Privatschule. Ich hatte die beknackte Uniform so schnell wie möglich ausgezogen, doch Grace trug noch immer den rot karierten Rock, der ihr über die Knie reichte und die spießige weiße Bluse mit dem Schulwappen. Die dämliche Krawatte fehlte, ebenso der langweilige Blazer.

„Kriegst du kein Taschengeld mehr, oder warum hängst du in diesem Kartoffelsack ab?", begrüßte ich sie und ganz, wie es bei gelangweilten und pubertierenden 17 jährigen üblich war, schenkte sie mir einen angeödeten Blick, der sich nun von ihrem Handy löste. Normalerweise liebte Grace es Klamotten online zu bestellen und sich anzuziehen, wie ein bunter Hund.

„Was willst du denn hier", sprach sie abfällig und spielte mit ihren braunen Haaren, indem sie eine leicht gewellte Haarsträhne zwischen ihren Fingern zwirbelte.

Grace war nicht so schön wie meine ältere Schwester Eliza, aber das waren allgemein nur sehr, sehr wenig Frauen. Ich warf mich auf die lange Couch neben Grace und betrachtete sie: „Was hast du gemacht, in deinen letzten Englischtest ein A- geschrieben, oder was?" 

Sonst wäre Grace niemals freiwillig hier. Sie war eine kleine Besserwisserin und Streberin, die mir ständig unter die Nase rieb, dass ich angeblich zur Wahlzeit nicht einmal wusste, wohin ich das Kreuzchen machen sollte.

Die Wahrheit war, mir gingen Wahlen jeder Art am Arsch vorbei.

Meine Schwester neigte leicht den Kopf und rümpfte die Nase, die überzogen war mit kleinen Sommersprossen: „Was weißt du schon über Englischtest, es wundert mich, dass du überhaupt lesen kannst. So oft, wie du die Schule geschwänzt hast."

„Du verwechselst mich mit einen Idioten, Gracie", erwiderte ich nur und sie hob beide Augenbrauen, scannte mich ab, dann murmelte sie: „Übrigens, der Arzt, der dich nach deinem Unfall untersucht hat, hat er dir bestätigt das du noch Kinder zeugen kannst?"

Worauf wollte sie denn damit hinaus?

Grace schnalzte mit der Zunge: „Also ja. Dann ist die Gefahr, dass du dich fortpflanzt, noch nicht gebannt. Die Welt muss weiter in Angst und Schrecken leben."

Meine Fresse hatte sie ein vorlautes Mundwerk bekommen. Langsam konnte ich stolz auf sie sein. Ich warf ihr ein Kissen an den Kopf und wollte ihr gerade einen Spruch reindrücken, als ich eine helle, viel zu überschwängliche Stimme vernahm.

„Liam Schätzchen!"

Mir wurde übel und Grace schenkte mir übertrieben kitschig einen Luftkuss. Eine Hand legte sich vertraut auf meine Schulter und dann spazierte meine Stiefmutter an mir vorbei. 

Leeann war aus meiner Sicht eine alte Frau, aber mit ihren vierzig Jahren noch ganz akzeptable anzusehen. Ihr blondes Haar war zu einem lockeren Knoten hochgesteckt und sie trug ein weißes Etuikleid. Sie war die perfekte Vorzeigeehefrau, engagiert für soziale Projekte, gebildet, klassisch und absolut nervig.

„Schön, dass du es geschafft hast. Wir haben so lange nicht mehr alle zusammen zu Abend gegessen", sprach sie mit einem sanften Lächeln.Innerlich gab ich mir einen Kopfschuss: „Ja... ich hätte eine doppelte Wurzelbehandlung vorgezogen."

Sie tat, als hätte sie mich nicht gehört, lächelte weiter und nickte mit den Kopf zum Esszimmer: „Komm, erzähl wie es dir nach den Unfall ergangen ist. Du hast uns einen fürchterlichen Schreck eingejagt. Zum Glück ist es noch einmal glimpflich ausgegangen."

Schwerfällig erhob ich mich, mein Knie schmerzte und Grace packte ihr Handy weg. Der Tisch im Esszimmer war bereits gedeckt und so übertrieben, als würden wir Thanksgiving feiern. Die hohen Fenster gaben den Blick auf den eigenen Park frei, scheinbar hatten meine Eltern den Gärtner gewechselt, denn mehrere Baustellen waren zu sehen.

Leeann orderte Wein an und Grace verzog das Gesicht, als sie die Apfelshorle sah. Kaum hatte ich mich gesetzt, sprach meine Stiefmutter: „Einfach eine furchtbare Vorstellung, wie dieser Unfall passiert ist."

„Pff", schnaubte Grace. „Die Schlampe hat ihm einen geblasen, nur deshalb hatte er den Unfall."

Aus meiner kleinen Schwester wurde eine Bitch. Da war man drei Monate nicht da und sie entwickelte sich prächtig. „Ich bin stolz auf dich", sagte ich zu ihr, als sie sich mir gegenüber nieder ließ. Sie lächelte zufrieden.

„Was man von dir nicht behaupten kann", hörte ich die raue Stimme meines Vaters. Ich drehte mich um und sah, wie er in schnellen Schritten auf seinen Platz am Tischende zu steuerte. Er sah aus, als käme er gerade von einer Runde Golf. „Grace, so lange du deine Füße unter meinen Tisch setzt, will ich nicht mehr das du solche Wörter in den Mund nimmst. Und jetzt lasst uns essen."

Die Sache beim Essen mit meiner Familie war, dass Leeann Konversation betrieb, jeder von uns einsilbig antwortete und sowohl Grace, als auch ich mir wünschten, endlich abhauen zu dürfen. Doch so ein Familienessen zog sich fürchterlich. 

Zuerst gab es die Vorspeise, wir quälten uns durch den Hauptgang und als es endlich die Nachspeise gab, wünschte ich mich mit solch einer Macht wieder ins Herz von New York, dass es doch irgendeinen verdammten Gott geben musste, der das zuließ. Doch es gab keinen verfluchten Gott und wie immer war auf niemanden Verlass.

Mit halben Ohr hörte ich Leeann zu und gedanklich dachte ich an all die Joints, die ich in der Zwischenzeit mit Harry hätte rauchen können. Leeann erzählte von den Wohltätigkeitsprojekten, an denen sie mitwirkte – es interessierte mich nicht. Schließlich erfuhr ich, dass sie Mütter irgendwelcher Klassenkameraden getroffen hatte und was diese nun trieben. Ich erinnerte mich an keinen einzigen von ihnen. Also konnten sie nichts Besonderes gewesen sein.

Nachdem endlich der letzte Rest Blueberry Lemon Cheesecake von den Tellern gekratzt war, wähnte ich mich schon auf dem Weg zurück in die Stadt, als mein Vater sprach: „Jonathan, sagen Sie dem Koch, es war vorzüglich." Mit der Servierte tupfte er sich den Mund ab und der erste Butler begann den Tisch abzuräumen.

„Wünschen Sie noch etwas, Sir?"

„Nein", wehrte mein Vater ab und sah mich an: „Liam, ich würde dich bitten, mich in den Wintergarten zu begleiten." Dann erhob er sich. Es stellte sich überhaupt nicht die Frage, ob ich wollte oder nicht, denn wenn Geoff Payne etwas verlangte, dann befolgte man es. Der einzige, der ruppig dagegen sprach, war mein Großvater. Doch der befand sich in den Hamptons und ersparte sich diese Scharade.

„Kriege ich dein Loft, wenn du draufgehst?", rief Grace mir hinterher und ich zeigte ihr den Mittelfinger. „Ich werte das als ja!"

Der Wintergarten, ein großer Raum, komplett aus Glas, vollgestopft mit exotischen Pflanzen, altmodischen, aber aufpolierten Sitzgelegenheiten und hohen Lampen hatte mit den eigentlichen Wintergarten des Durchschnittsbürgers nichts mehr zu tun.

Mein Vater ließ sich elegant auf seinem Stammplatz, einem dunkelbraunen Ledersessel nieder und nahm sich eine Zigarre aus einer hölzernen Schachtel. Mir bot er keine an, dass tat er nie. Ich wartete darauf, dass er anfing zu toben, zu brüllen. So, wie er es meistens tat, wenn wir uns alleine an einem Ort befanden.

Allerdings sollte heute alles anders sein.

„Also, was gibt es, Vater?", sprach ich und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie angespannt ich war. Wir waren nicht die typischen besten Kumpels. Eher im Gegenteil. So lange ich denken konnte, war ich für ihn eine 'Sache' um die er sich kümmern musste, seit er sich von meiner richtigen Mutter scheiden ließ. Er schickte mich auf teure Privatschulen, holte mich aus der Arrestzelle, engagierte fähige Anwälte und kümmerte sich darum, dass es mir an nichts fehlte.

Doch im Endeffekt fehlte es mir an allem.

Mein Vater zog an seiner Zigarre und musterte mich. Wie immer hielt ich seinem Blick nicht stand, denn ich mochte es nicht, wenn man mir mit Herablassung begegnete. Und in den Augen meines Vaters war ich nie gut genug, egal was ich tat. Also konnte ich es auch gleich sein lassen.

„Miss Amelia hat mir ausgerichtet, dass du darum bittest, dass dein Führerschein wieder freigeschaltet wird", begann er und ich nickte: „Ja. Basil ist ganz cool, aber ich bin in der Lage selbst Auto zu fahren."

„Das habe ich gesehen", antwortete mein Vater trocken und schlug die Beine übereinander. Die Meisten fanden meine Aktion witzig, doch bei meinem Gegenüber zeigte sich keinerlei Regung. Ich konnte nie sagen, was er dachte, da seine Miene hinter sieben Siegeln verschlossen war.

Wir schwiegen und ich ließ den Blick schweifen. Musterte die exotischen Pflanzen und trommelte mit den Fingern auf der Lehne des Sessels herum.

Schlussendlich neigte mein Vater den Kopf: „Liam, so geht das nicht weiter. Ich bin es leid."

Er war es jedes Mal leid.

„Du bist jetzt fünfundzwanzig und es ist Zeit für dich erwachsen zu werden. Ich kann dich nicht immer aus jeden Schlamassel rausholen. Das wird nun aufhören", erklärte er mir ruhig und ließ die Zigarre sinken.

Ich starrte ihn verwirrt an. Mein Vater nickte mit dem Kinn Richtung Tisch, der direkt vor uns stand. Zum ersten mal bemerkte ich die schwarze Mappe, die darauf lag. „Ich werde dir einen Deal vorschlagen und es ist dir überlassen, welche Entscheidung du triffst."

Völlig vor den Kopf gestoßen blinzelte ich und sah wie mein Vater sich vorbeugte und die Akte in die Hand nahm. Er hob sie leicht hoch: „Hier drin befindet sich ein Vertrag. Lies ihn dir durch und finde heraus, ob du ihn erfüllen kannst."

Ich nahm die Mappe entgegen. „Und was, wenn nicht?" Was sollte das überhaupt! Ein Vertrag, wie lächerlich.

Jonathan, der erste Butler betrat den Wintergarten und servierte meinem Vater einen Scotch und verneigte er sich knapp. Dann zog er wieder ab. Ich hatte die Mappe in der Zeit geöffnet und meine Augen weiteten sich, als ich die ersten Zeilen las. 

„Willst du mich verarschen?", fuhr ich meinen Vater an und musste laut auflachen. „Ist das deine Art Witze zu machen? Wenn ja, dann-"

„Nein, Liam, ich meine es absolut ernst", nahm mir mein Vater direkt den Wind aus den Segeln und mir blieb das Lachen im Hals stecken. Jegliche Belustigung verschwand auf einen Schlag und ich sah mit an, wie mein Vater erneut an seiner Zigarre zog und dann an seinem Scotch nippte. Genüsslich ließ er sich den Tropfen auf der Zunge zergehen und ich warf die Mappe vor seine Füße.

„Vergiss es! So ein Bullshit mache ich nicht!"

Statt sich drängen zu lassen, ließ sich mein Vater Zeit und dann huschte ein kaltes Lächeln über seine Lippen. „Gut, ich habe dir die Wahl gelassen. Demnach werde ich dir deine Treuhandfonds sperren. Das ist die andere Alternative."

Er wollte mir den Geldhahn zudrehen?

„Du wirst anfangen müssen zu arbeiten, wenn du deinen hohen Lebensstandart halten willst, Liam", prophezeite er mir. „Das wird schwierig, wenn man davon ausgeht, dass du nur einen mittelmäßigen Schulabschluss hast und dein Ruf nicht gerade der Beste ist. Vielleicht eignest du dich ja als Hot-Dog-Verkäufer." Er trieb ein unlustiges Spiel mit mir, ein Spaß, der auf meine Kosten ging.

In diesem Moment bekam ich eine Kostprobe davon, wie mein Vater in der Regel verhandelte, wenn es ums Geschäft ging. So und nicht anders fühlte ich mich gerade, als wenn ich nur ein weiterer Handel war, der abgeschlossen werden musste.

„Lasst uns mal überlegen, was könntest du sonst noch tun?", er hatte tatsächlich die Dreistigkeit nachdenklich die Stirn zu runzeln: „Du könntest kellnern, deine reichen Freunde bedienen, oder Spüldienst in der Küche schieben. Wenn du vernünftig bist, und wir wissen beide, dass bist du nicht, dann würdest du dich für eine Form der Ausbildung entscheiden. Nur weiter mit deinen verwöhnten Bonzen-Freunden um die Häuser zu ziehen, ist dann natürlich nicht möglich." Er schien das zu genießen. „Ade, dein Loft, schnelle Autos und Adiós all die Frauen, die bei dir ein und ausgehen."

Wütend sprang ich auf und ballte die Hände zu Fäusten. „Das kannst du nicht machen!", zischte ich aufgebracht und versuchte ruhig zu werden. „Du hast nicht die Befugnis-"

„Wenn du dich selbst um deine Finanzen kümmern würdest, dann wüsstest du durchaus, dass ich die Befugnis habe, dir deine Treuhandfonds zu sperren!", unterbrach er mich schneidend und lächelte mich täuschend freundlich an. „Setzt dich wieder hin."

Ich regte mich nicht.

Die Stimme meines Vaters wurde lauter und eindringlicher: „Ich sagte, du sollst dich hinsetzten!"

Automatisch leistete ich seinen Worten Folge, auch wenn sich alles in  mir sträubte. „Das ist Erpressung", entwich es mir und mein Vater nickte gemächlich: „Mag sein, aber es ist das Einzige, was bei dir noch Wirkung zu zeigen scheint."

Er seufzte tief und ich fragte mich, ob jede seiner Gesten geschauspielert waren. „Ich habe mich die letzten Jahre genug mit dir herum geärgert, Liam. Es geht nicht nur um deinen Autounfall, sondern um all deine Eskapaden." 

Mit gleichgültiger Miene sah er mich an, dann erzählte er: „Ich habe mir vor ein paar Tagen deine Akte erneut angesehen und es ist wirklich unglaublich viel zusammen gekommen. Drogenmissbrauch in der High School, nur so als Beispiel und wie es aussieht bist du im vergangenen Jahr ebenfalls wieder dabei erwischt worden, wie du illegale Substanzen zu dir genommen hast."

Er begann damit einige Sünden aufzuzählen. Die Betrugsversuche bei Prüfungen, dann mehrere Prügeleien, bei der mehr als nur ein paar Nasen gebrochen waren. Schließlich erinnerte er an eine heftige Party, die wir bei Carter Bell gefeiert hatten. Nur das dieser damals nichts davon wusste und die Polizei eine riesige Facebook-Party auflösen musste.

Harry und ich hatten die Nacht im Knast verbracht. Daran hatten wir uns schnell gewöhnt, denn Springbreak feierten wir ebenfalls ziemlich heftig. In Panama City hatten wir ein Auto mit einem Baseballschläger zerlegt. Einfach so, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, wem das Auto eigentlich gehörte. 

Der Springbreak in Mexiko artete ein Jahr später aus, weil sexueller Freizügigkeit in der Öffentlichkeit nicht gerne gesehen wurde. Zugegeben Harry und ich waren nicht schnell genug gewesen, unsere Hosen wieder zu schließen.

Beide male hatte Niall uns auf Kaution rausbekommen. Ich wusste mittlerweile, dass mein Vater ihm das Geld zukommen gelassen hatte, aber im Endeffekt war Niall für uns der Retter gewesen.

„Du bist von Yale geflogen, da du erneut bei Prüfungen beim betrügen aufgefallen bist, nicht zu vergessen die nette kleine Affäre, die du mit der Tochter des Dekans hattest. Das hat nicht unbedingt zu deiner Beliebtheit vor Ort beigetragen", schloss mein Vater und mir wurde klar, dass er von mehr Delikten wusste, als ich vielleicht auch nur ahnte.

„Die Presse liebt mich", wies ich ihn darauf hin und ihm entwich ein trockenes, gespielte Lachen: „Ja, du sorgst für genug Schlagzeilen, sodass sämtliche Tratschblätter regelmäßig gefüllt sind. Kein Mensch wird das reizende Foto vergessen, als du in Unterwäsche einen dieser schmutzigen Clubs verlassen hast, um zu deinem Auto zu kommen."

Ich zuckte mit den Schultern: „Immerhin trug ich Calvin Klein." 

Statt das witzig zu finden, verzog mein Vater keine Miene. Die Stimmung blieb angespannt und er sprach: „Das hat ein Ende, Liam. Du scherst dich einen Dreck um den Familienruf, deinen Namen und meine Geduld hat ihr Limit erreicht." Er stellte das Scotch-Glas ab und hob die Mappe auf, um sie mir unter die Nase zu halten. „An deiner Stelle würde ich mir den Vertrag gründlich durchlesen und dann entscheiden, was du tun willst."

Ruppig riss ich ihm die Mappe aus der Hand und sprach: „Du verkaufst mich!"

Zum ersten Mal an diesem Abend wirkte mein Vater ehrlich belustigt, denn er lachte: „Herr Gott, Liam, du tust gerade so, als wärst du eine zwölfjährige Jungfrau. Es ist nur eine Ehe mit ein paar Auflagen, die ich dir vorschlage. Du hast bis nächsten Montag Zeit es dir zu überlegen."

Ich hasste das Wort Ehe, denn es klang immer nach dem Ende der Freiheit und mein Vater wusste das. Wütend stand ich auf und verließen den Wintergarten. 

Eines stand fest. Noch nie war mir eine Pistole auf die Brust gesetzt worden. Nicht in meiner Kindheit, nicht in meiner Jugend, nicht als ich vor dem Gericht stand und die Worte des Richters über mich ergehen ließ. 

Doch jetzt in diesem Moment fühlte es sich genau so an, wobei ich der Forderung meines Vaters eine Pistole definitiv bevorzugen würde. Denn die Erfüllung seiner Worte würde mir mein Leben nehmen. Zumindest jenes, welches ich bisher gewohnt war.

Ohne Leeann und Grace auf Wiedersehen zu sagen, wollte ich das Anwesen verlassen. Meine Finger gruben sich fest in die Mappe und ich schnappte mir meine Jacke. Draußen glaubte ich wieder tief durchatmen zu können, aber das war nicht der Fall. Basil schien eine halbe Ewigkeit zu brauchen, damit der Wagen vorfuhr. Gleichzeitig fiel mir ein, dass ich meinen darum hätte bitten sollen, mir die Wanzen von den Füßen zu nehmen.

Wobei mit bitten kam ich bestimmt nicht mehr weit. Meine Form des Bittens war sowieso nicht wirklich nett. Ich beschränkte mich auf vulgäre Flüche. Die gesamte Fahrt über versuchte ich die übermächtige Wut in meinem Bauch zu unterdrücken. Erst als ich wieder in meinem Loft ankam, die Tür heftig hinter mir zuschlug und den Vertrag auf die Theke im Wohnzimmer warf, da platzte ich.

Ohne nachzudenken fegte ich den Esszimmertisch leer und raufte mir dann die Haare. „So eine verdammte Scheiße!" Ich sah auf den Boxsack, der mitten in meinem Wohnzimmer hing und schlug zu. 

Der Arzt hatte gesagt, ich sollte mit der körperlichen Betätigung noch warten, aber ich konnte nicht anders. Immer wieder dreschte ich auf den Sack ein, spürte den Schmerz in meinen Fingern kaum und versuchte der Aggression Herr zu werden.

Nichts war zu hören, außer meinem keuchenden Atem und meine Schläge, die gegen das feste Leder prallten. Erst als ich erschöpft eine Pause machen musste, hielt ich inne. Schweiß lief mir am Körper herunter und ich versuchte ruhig zu Atem. Ohne mich um irgendetwas zu scheren begann ich mich auszuziehen und trat in mein großzügiges Bad.

Das heiße Wasser der Dusche entspannte mich, meine Muskeln lockerten sich, doch meinen Kopf pustete das Wasser trotzdem nicht frei. Ich hatte den hartnäckigen Drang nach einem Joint, doch die Tatsache, dass ich kein Gras hier hatte und nicht die geringste Lust verspürte, mich nur deshalb noch mal mit Aufpasser nach draußen zu wagen, ließ die Wut wieder brodeln. Ich sollte mir wirklich die Nummer von Harrys neuen Dealer geben lassen.

Als ich aus der Dusche trat, fiel mein Blick auf all die Blessuren, die vom Unfall noch übrig waren. Sie brauchten dieses mal schrecklich lange, um vernünftig zu heilen. Mit den Fingerkuppen strich ich über die bläulichen Schatten meines Hüftknochens und bemerkte erst da, dass ich meine Aggression besser im Zaun behalten sollte. Meine Hände würden es mir morgen nicht danken.

Doch ich konnte nicht anders. Um all die Wut, Aggression und all die überflüssige Energie abzuarbeiten ging ich regelmäßig boxen und jetzt war ich seit sechs Wochen nicht mehr beim Training gewesen. Jemanden meine Faust ins Gesicht zu rammen, dieses Verlangen ließ sich nur schwer unterdrücken. Ich musste mich kontinuierlich abregen, damit ich nicht mit jedem dritten einen provokativen Streit anfing.

Müde griff ich nach meiner Jogginhose, nahm in der Küche eine Flasche Bier aus meinem Kühlschrank und ging zurück ins Wohnzimmer. Dort sah ich auf diesen verfickten Vertrag. 

Ich würde nicht drum herumkommen, denn mein Vater schien seine Drohung verdammt ernst zu meinen. Ihm war zu zutrauen, dass er mir am Dienstag den Fond entzog, wenn ich mich bis Montag nicht entschieden hatte.

Ich nahm einen kräftigen Schluck von meinem Bier und dann schlug ich die Mappe auf. Wenn ich schon nicht wirklich eine Wahl hatte, dann wollte ich bis ins kleinste Detail wissen, auf was ich mich da einließ. Denn mein Vater spielte nicht mit doppelten Boden und ich wollte ihm nicht gänzlich in die Falle tappen.

Ich wollte sehen, wie meine Hinrichtung aussah. 

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