18 Fotozone.

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❰  S O P H I A  ❱




Und ich sage dir, er ist das Geld nicht wert!", schimpfte Eleanor in meinem Büro. Hinter ihr hörte ich Louis brummen: „Du kannst aufhören von mir zu reden, als wäre ich nicht da."

„Er ist unsozial, inkompetent und arrogant!", fauchte sie mich an, als könnte ich etwas dafür, dass Louis wahrhaftig nicht gerade der Typ für soziale Kontakte war und es ignorierte, dass er arrogant auf seine Mitmenschen wirkte. In einem irrte sich Eleanor jedoch und ich korrigierte: „Louis ist nicht inkompetent."

Sie starrte mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. „Das ist alles, was du zu ihm sagst?"

„Wieso sagst du mir nicht ins Gesicht, was du von mir hältst?", sprach Louis und reichte mir an Eleanor vorbei eine Mappe. Das er immer noch so ruhig blieb erstaunte mich, aber vielleicht war es ihm auch einfach egal. 

Trotzdem wurde ich den Verdacht nicht los, dass zwischen ihnen irgendetwas vorgefallen war. Sie kannten sich erst eine Woche und schon hörte ich Beschwerden, obwohl sie sich nur selten über den Weg laufen dürften.

Ich seufzte tief und sah auf die fertigen Entwürfe. Zehn Stück hatten Louis und ich schon fertig und bevor ich für heute das Büro verließ, wollte ich sie noch schnell Geoff vorbei bringen. Immerhin hatte er schon angekündigt, dass er heute anwesend sei, aber den Rest der Woche nicht mehr.

„Wie wäre es, wenn ihr einen Kaffee miteinander trinken geht und dabei beschließt euch auf einer neutralen Ebene zu begegnen?", schlug ich vor und Eleanor schnaubte so laut, dass ich sie verwirrt anblinzelte.

„Mit dem da? Auf gar keinem Fall, kein Interesse!"

Louis tat das einzig Richtige, er ignorierte meine meckernde Freundin weiter und rollte nur die Augen, dann schnappte er sich seine Tasche und sprach: „Also dann, sag mir morgen was Big Boss meint. Ich muss los."

Oh bitte nimm mich mit – wollte ich rufen, denn die Art, wie Eleanor die Arme vor der Brust verschränkte, ließ nichts Gutes erahnen. Kaum war Louis weg, da bekam ich auch schon eine geballte Ladung ihres Missmuts ab. Er würde die Leute von der Arbeit ablenken, Chaos im Lager verursachen und seine Unfreundlichkeit sei ja wohl die Höhe!

Egal was ich sagen würde, es schien, als hätte Eleanor so oder so schon ihr Urteil über Louis gefällt. „Hör zu, Ellie, dann halte dich einfach von Louis fern. Ende der Geschichte. Das kann doch nicht so schwer sein", meinte ich und schnappte mir meinen Mantel. In meinem Kalender standen mehrere Termine, die ich mit Liam wahrnehmen musste.

Wir sollten uns in der Öffentlichkeit zeigen und zum Fotografen für die offiziellen Verlobungsbilder, die in drei Wochen raus kommen sollten. Innerlich war mir nicht wohl dabei, denn seit der Übernachtung war ich Liam feige aus dem Weg gegangen und hatte ihn auch selbst nicht viel gesehen. Selbst die Rückfahrt war seltsam schweigend verlaufen.

Welcher Teufel hatte mich da geritten, auf Liams bescheuerten Vorschlag einzugehen? Ich ärgerte mich weniger darüber, dass ich ihn geküsst hatte, als darüber, dass es mir gefallen hatte. Er hatte eine bestimmte, drängende und äußerst dominante Art zu küssen. Ich war so überrumpelt und eingenommen worden, dass ich nicht einmal auf die Idee gekommen war mich überhaupt in irgendeiner Form zu wehren.

Das 'Stopp' war mir eher automatisch herausgerutscht.

„Ich sage dir, dieser Louis Tomlinson wird nur ärger machen!", schimpfte Eleanor hinter mir und ich sah Taylor im Vorzimmer an. Meine blonde Freundin machte eine unwirsche Handbewegung, ganz nach dem Motto, dass sie dazu nichts sagen würde. Wahrscheinlich hatte Eleanor auch schon bei Taylor über Louis hergezogen.

Ich drehte mich zu ihr um: „Wir reden morgen darüber, okay?" Sichtlich verstimmt verschränkte Ellie die Arme vor der Brust und statt ihre Antwort abzuwarten sah ich zu, dass ich verschwand. Zuerst würde ich die Mappe in Geoffs Büro bringen und beeilte mich. Liam würde wahrscheinlich wieder draußen warten. Ohne Hindernisse kam ich bis zu Geoffs Büro, klopfte und wurde hereingebeten.

Mein zukünftiger Schwiegervater lag halb in seinem Schreibtischstuhl und tippte auf seinem iPad herum. Müde Augen blickten mich hinter der Stahlbrille an: „Sophia, bitte sag mir, dass du etwas ganz Tolles für mich hast!"

„Die ersten Entwürfe", warf ich ein und wedelte mit der Mappe, dann reichte ich sie Geoff über den Schreibtisch. „Wenn etwas nicht in Ordnung ist, dann teile es Louis oder mir bitte mit."

Sichtlich interessiert öffnete er sofort die Unterlagen und ich wollte mich zur Tür wenden, als Geoff sprach: „Nur die Ruhe, Liam ist noch nicht da. Er wollte Grace von der Schule abholen und hier hin kutschieren und ich höre noch kein Gezetter."

Just in diesem Moment ertönte eine Mädchenstimme, die energisch verkündete: „Wir sollten das Bild noch einmal machen!" Ich hatte die Tür zum Vorzimmer einen Spalt breit aufgelassen, da Miss Amelia nicht da war und weil ich eigentlich schnell wieder hatte gehen wollen.

„Ich werde jetzt nicht noch einmal das ganze Theater von vorne machen, nur weil du deinen eigenen Anblick ätzend findest", ertönte eine genervte männliche Stimme und Geoff seufzte gespielt erschöpft: „Wenn man vom Teufel spricht."

Ohne anzuklopfen stieß Liam die Tür zum Büro auf und rollte just in diesem Moment mit den Augen. Hinter ihm stiefelte Grace her, sie trug die unglaublich süße Schuluniform der Privatschule St. James und hatte im Haar einen passenden Haarreifen. „Aber ich schiele auf dem Foto! Du hast zwölftausend Follower auf Instagram! Die müssen mich nun echt nicht so sehen! Die glauben ja noch, ich habe einen Gesichtsschaden!"

„Den hast du auch so", setzte Liam sie ungerührt darüber in Kenntnis und tippte auf seinem Handy herum. Plötzlich kreischte Grace auf: „Nein! Lösche es! Lösche es!" Sie sprang Liam ungehemmt auf den Rücken, doch davon ließ er sich nicht beeindrucken: „Online. Pech würde ich sagen."

„Dad!", rief Grace und Geoff seufzte erneut: „Grace, bitte, so schlimm kann es gar nicht sein."

„Ich sehe fett aus!", klagte sie ihm sein Leid und Liam war nicht gerade hilfreich, indem er einwarf: „Tja, abnehmen kann ich da nur sagen."

Ich konnte Grace ansehen, dass sie sich am liebsten wie eine Fünfjährige auf ihn gestürzt hätte. Das letzte bisschen Würde hielt sie davon ab und sie reckte arrogant das Kinn. „Du bist ein Arsch!" Darüber schien Liam nicht gerade traurig zu sein. Mit unbewegter Miene musterte er Geoff, dann sah er mich an: „Können wir los?"

„Ja, natürlich", sprach ich und verabschiedete mich. Grace rief mir noch hinterher: „Lass dich bloß nicht von ihm fotografieren, Sophia! Er nimmt nur die bescheuerten Fotos auf denen er selbst toll drauf aussieht."

Laut schlug Liam hinter mir die Tür zum Büro zu, doch statt etwas dazu zu sagen, schwieg er. Im Fahrstuhl fragte ich: „Und, wo soll es hingehen?" Ich warf einen letzten Blick auf mein Handy, denn ich hatte meinem Vater, als auch meiner Schwester am Vorabend erst erklärt, dass ich verlobt war.

Beide waren aus sämtlichen Wolken gestürzt. Zoé hatte mir mehrmals vorgehalten, ich würde sie verarschen. Dann war sie in lautes Gekreische verfallen. 

(„Liam James Payne? Diesen ultra reichen Typen aus New York, der irgendwann dieses Imperium von Henry & Payne erben wird? Oh mein Gott, Sophia! Das ist ein ganz dicker Fisch!")

Mein Vater war da weniger laut geworden, er hatte erst einmal ganz lange geschwiegen. So, als würde er darüber nachdenken, wie gerade ich auf die Idee kam in die oberen zehntausend einheiraten zu wollen. Sicher hatte er auch überlegt, wie Liam und ich uns überhaupt begegnet waren und wie viel Schuld Geoff an dieser Begegnung hatte. 

(„Du musst wissen, was du tust.") 

Das war alles, was er dazu gesagt hatte. Zur Verlobung würde meine Familie nicht anreisen, zur Hochzeit hatten sie jedoch fest zugesagt.

„Wir müssen zu Sheeran & Partner, er macht angeblich die besten Fotos", brummte Liam und vergrub die Hände in den Jackentaschen. Es sollte ein Vorgespräch werden und ich war gespannt drauf. Während der Fahrt durch die Stadt schwieg Liam beharrlich, aber anhand seines Fahrstils bemerkte ich, dass er sichtlich gereizt war.

Seine Laune besserte sich auch nicht, als wir Sheeran & Partner betraten. Das Fotostudio war im obersten Stock eines Wolkenkratzers und wir wurden am Empfang direkt noch ein halbes Stockwerk höher geschickt. Das Dach des Fotostudios war aus Glas und zeigte den eisblauen Himmel New Yorks. Es gab mehrere Ecken für ein Shooting, große Belichtungslampen und Scheinwerfer, Kameras und eine elegante Sitzecke.

Ein Mann mit feuerroten Haaren, hellen Augen und bunten Tattoos begrüßte uns. Er trug ein Shirt mit einem Kunstdruck von Frida Kahlo. „Miss Smith, Mr Payne, es freut mich sehr, dass Ihre Wahl auf mich gefallen ist, ich bin Mr Sheeran, aber sagen Sie Ed zu mir."

Verblüfft schüttelte ich seine Hand und sein warmes Lächeln steckte mich prompt an. Nur Liam verzog keine Miene.

„Möchten Sie etwas trinken, was kann ich Ihnen anbieten?", empfing er uns wie einen guter Gastgeber. Liam murmelte etwas von Espresso und ich bat um einen Cappuccino. Kurz darauf stellte eine Sekretärin die Tassen vor uns in der Sitzecke ab. 

Liam und ich saßen nebeneinander auf der weißen Couch und ich hatte ständig den Blick schweifen gelassen. Zu interessant fand ich das Atelier und wünschte, dass Louis und ich auch so einen Raum hätten haben können. Nur zum zeichnen und ausprobieren. Vielleicht sollte ich im neuen Jahr einmal mit Geoff darüber sprechen.

„Was haben Sie sich bezüglich ihrer Verlobungs- und Hochzeitsbilder vorgestellt? Gibt es irgendwelche Wünsche für das Verlobungsbild, soll ich Farben, oder etwas bestimmtes berücksichtigen?", fragte Ed freundlich.

Ich schwieg. Liam ebenso.

Ed musterte uns, dann lächelte er eine Spur breiter: „Nun ja, wir könnten auch erst ein paar Dinge ausprobieren. Ganz klassisch, oder Stück für Stück schauen, in welche Richtung die Fotos später gehen sollen."

Mir erschlich sich langsam, dass sowohl die Verlobung, als auch die Hochzeit so schrecklich nahe rutschten und der Schein perfekt gewahrt werden musste. Ich räusperte mich schließlich und legte eine Hand auf Liams Knie, zum Glück reagierte er anständig und umfasste meine Hand, dann sprach ich: „Also... na ja, es ist so, all die Vorbereitungen erdrücken Liam und mich etwas, wir wissen überhaupt nicht mehr, wo uns der Kopf steht." Ich lachte leicht gekünstelt und überfordert. „Vielleicht könnten wir uns nach Ihnen richten?"

Ed sah mich studierend an, dann nickte er: „Ich schlage vor, wir machen heute einfach ein paar Probeaufnahmen und je nachdem, wie sie werden besprechen wir uns. Machen eventuell einen zweiten Termin aus und finden das richtige Motiv schon."

Einverstanden damit erhoben Liam und ich uns schließlich. Wir zogen unsere Jacken aus und ließen uns von Ed sagen, was wir zu tun hatten. Er probierte wahrhaftig die klassischen Motive mit uns aus. Liam und ich sollten uns umarmen, in mehreren Positionen. Das Shooting begann und obwohl ich mir wirklich alle Mühe gab, blieb es krampfhaft. Das Lächeln auf meinen Lippen brachte ich nur zwingend zustande.

Mittlerweile sollte ich dran gewöhnt sein, aber noch immer war es erschreckend seltsam eine Scharade aufzuführen. Ed ließ nach einer halben Stunde die Kamera sinken und runzelte die Stirn, dann sprach er: „Ohne Ihnen zu nahe zu treten, Miss Smith, aber Sie sehen auf allen Bildern merkwürdig kühl aus und sie Mr Payne, mögen Sie es nicht fotografiert zu werden? Dabei sollte man doch annehmen, dass Sie das mittlerweile gewöhnt sein sollten."

„Was stimmt nicht?", fragte Liam gleichgültig und Edward erklärte: „Kompositionen und alles stimmt, aber Sie scheinen sich nicht besonders wohl zu fühlen."

Nun drehte ich den Kopf und tatsächlich, Liams Mundwinkel wirkten angespannt. Wir ließen einander los und dann schlug Ed vor: „Wie wäre es, wenn ich Sie zu Hause besuche, in einer gewohnten Umgebung. Dort bewegen sich die Meisten gleich ganz anders und Sie können sich Gedanken darüber machen, in welche Richtung das Verlobungsfoto für die Öffentlichkeit gehen soll."

Das klang nach der Idee des Tages, doch ich bezweifelte, dass Liam und ich uns im Penthouse sehr viel geschickter anstellen würden. Zum Glück musste das Bild erst nach der jährlichen Gala von Henry & Payne raus. Uns blieb also noch etwas Zeit. Trotzdem war ich erleichtert, als wir das Atelier in freundlicher Begleitung verließen, zusammen mit einem neuen Termin.

Obwohl mir Ed wirklich sehr sympathisch war, so nahm mir Liam mit seiner fröstelnden Art direkt wieder das Wohlgefühl. Automatisch griff er nach meiner Hand, verschränkte unsere Finger miteinander und sprach: „Mittagessen ist angesagt."

„Wo soll es hingehen?", fragte ich und er erklärte: „Ich habe im Astoria Hotel reserviert." Draußen empfing uns zu unserer Überraschung eine Hand voller Fotografen. Wenn wir auf den öffentlichen Schnappschüssen genauso aussahen, wie auf den professionellen von Ed, dann konnten wir uns warm anziehen.

Sofort beschleunigte Liam seine Schritte und ich versuchte mitzukommen. Es war wie eine Jagt und die Tatsache, dass Liam sich damit schon seit Jahren herumschlug, machte es nicht gerade beneidenswert. „Wo geht es heute hin?" - „Ein Lächeln für die InTouch?" - „Wie lange geht das schon?" - „Hier, hierher!"

Beinahe wäre ich gestolpert, denn einer der überschwänglichen Fotografen rempelte mich an. Liam fing den Sturz jedoch gekonnt auf und legte dann den Arm um meine Schulter, um mich energischer mitziehen zu können. Es ging alles so schnell und ruppig, dass ich erst wieder durchatmen konnte, als wir ins Foyer zum Astoria Hotel vorstießen. Ein Page hatte uns die Tür aufgehalten und ich atmete sichtlich erleichtert aus, dann strich ich mir durch das zerzauste Haar.

„Himmel, ist das immer so?", entwich es mir und Liam sah zum Eingang: „Ja. Du solltest in nächster Zeit besser in Begleitung nach draußen gehen."

„Du meinst, bis sich der Rummel gelegt hat?", was für ein Aufstand. Nun verzogen sich Liams Lippen zu einem arroganten Lächeln: „Hör auf zu träumen. Es wird sich nicht legen, Sweets, es wird nur noch schlimmer werden."

„N-Noch schlimmer?", entwich es mir und er zuckte mit den Schultern: „Das waren nur fünf Stück. Wenn wir später raus wollen, dann sind es sicher schon zwölf und mehr."

„Wie wirst du dem Herr?", wollte ich wissen, als ich Liam ins Innere des Restaurants folgte. Wir gaben unsere Jacken ab und ließen uns an einen Tisch für zwei führen, dann reichte man uns bereits die Karten und fragte nach unseren Getränken. Erst als der Kellner weg war, da antwortete Liam mir: „Ich bin schnell. Manchmal habe ich auch Basil dabei, oder jemand anderen. Ausarten tut es nur, wenn Harry und ich uns Mittags irgendwo blicken lassen."

Mehr sagte er dazu nicht und langsam bekam ich eine Vorstellung davon, wie es war, immer den Hinterausgang nehmen zu müssen. Als gäbe es nicht genug echte Prominente, auf die man seine Aufmerksamkeit richten könnte.

Während des Essens blieb Liam merkwürdig schweigsam. Er ging auf nichts ein, egal, welche Gesprächsthemen ich anschnitt, noch nicht einmal, als ich Zweideutigkeiten fallen ließ. Stattdessen ließ er den Blick durch das elegante Restaurant gleiten, sah auf die langweilige Aussicht, die zum Hotelpark rausging und blieb seltsam einsilbig.

Normalerweise hätte ich es genossen, wenn er mich einmal nicht mit seiner Unverschämtheit quälte, aber jetzt wünschte ich fast, er würde es tun, nur damit die gewohnte Routine wieder da wäre. Nachdem ich aufgegessen hatte, schickte Liam einen extra Pagen los, der sein Auto direkt vor dem Hotel parkte, damit wir nicht erneut davon stürmen mussten. Ich nutze die Wartezeit und lehnte mich zurück: „Was ist los mit dir?"

„Nichts", antwortete er viel zu schnell und gewohnt gleichgültig. Ich hob eine Augenbraue: „Sicher, deshalb schweigst du dich ja auch aus und scheinst deine üblichen Müll runter zu schlucken."

Liams Blick traf meinen, er wirkte genervt: „Lass es gut sein."

„Was ist passiert, dass dir die Worte fehlen? Hat dir jemand den Schock deines Lebens verpasst? Wobei, bei deinem promiskuitiven Lebensstil hätte ich nicht darauf gesetzt, dass so etwas überhaupt möglich ist." Es war ziemlich fies, aber das war er im Normalfall auch. Ich dürfte da schon fast kuschelig vorgehen.

Liam sagte nichts, denn der Page kehrte zu uns zurück und überreichte ihm den Autoschlüssel. Das Trinkgeld dürfte üppig ausfallen. Auch im Auto hielt ich drauf und sprach: „Wer hätte gedacht, dass dir etwas auf die Laune schlagen könnte. Ich dachte immer, du wärst zu abgebrüht dafür."

Es war wirklich nicht nett, aber irgendwo brachte es mir Genugtuung für all die dämlichen Sprüche, die ich mir hatte anhören müssen. Wir hatten unsere heutige Pflicht getan und als wir zurück zum Penthouse fuhren und dort die Eingangshalle durchquerten, da konnte ich es mir nicht verkneifen. Kurz bevor wir den Fahrstuhl betraten, da sprach ich: „Es muss schwer sein sich nicht mit Drogen ablenken zu können."

„Lass es sein", sprach Liam mahnend, doch davon ließ ich mich nicht einschüchtern: „Oder ist es der Matratzen-Sport, der dich sonst irgendwie im Gleichgewicht hielt?"

In diesem Moment drückte Liam den Knopf dafür, dass der Fahrstuhl an Ort und Stelle anhielt. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass es so etwas, außer den Notfallsschalter, gab. „Sophia, ich meine es ernst, du sollst es sein lassen!"

„Hast du Probleme damit, wenn es nicht so läuft, wie du dir das denkst?", entwich es mir, ohne das ich seine Drohung ernst meinte. „So ist das Erwachsenenleben nun einmal. Man kriegt nicht immer, was man haben will." Ich sah, dass Liam die Hände zu Fäusten ballte. 

Ein Signal, was mich dazu hätte verleiten sollen besser den Mund zu halten. Aber ich tat es nicht. „Ich meine, was kann schon passiert sein, außer, dass du ein paar Schatten hast, die sich zu sehr für dich interessieren, als für ihr eigenes Leben?" Als ich es ausgesprochen hatte, da war mir, als hätte jemand das Licht in meinem Kopf angeknipst. „Ach, so ist das. Der sich für dich interessieren sollte, tut es nicht? Na das muss mächtig an deinem übergroßen Ego kratzen."

In diesem Augenblick passierten mehrere Dinge gleichzeitig.

Liam löste sich so ruckhaft aus seiner Starre, dass ich es nicht kommen sah. Seine Faust schoss in meine Richtung und in diesem Moment raste ein unterdrücktes und widerliches Gefühl von Ohnmacht durch meinen Körper. Ich hörte die psychopathische Stimme meines Exfreundes.

»Alles was du tust, tust du weil ich es will! Wegen mir! Für niemand sonst! Hörst du, Sophia, einzig wegen mir!«

Ich schmeckte den metallischen Geschmack von Blut auf meiner Zunge, spürte unerträgliche Schmerzen im ganzen Körper und eine Welle von Hilflosigkeit überrollte mich. Hände, die mich am Boden hielten, mir Schmerzen bereiteten. Hände, die Dinge mit mir machten, die ich nicht wollte. Die nur dazu da waren mich zu unterdrücken und mich erniedrigen.

Innerhalb von einem Herzschlag war mir, als würde ich wieder auf kalten Fließen liegen, meinen Kiefer nicht mehr spüren, mich überhaupt nicht mehr regen und beten, es möge alles vorbei sein. Irgendjemand würde mich erlösen. 

Angst, panische Angst jagte durch jede Vene meines Körpers. Schweiß brach mir aus allen Poren. Die Kontrolle über meinen eigenen Körper entglitt mir - wurde mir förmlich entrissen.

Ich sah nicht Liam vor mir. Er verschwand vor meinen Augen. Stattdessen wurde ich konfrontiert mit meiner größten Furcht. Ich sah David.

Und in diesem Augenblick tat ich das, was ich die letzten drei Jahre krampfhaft unterdrückt hatte.

Ich schrie. 


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