15 Familie Payne.
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❰ S O P H I A ❱
Sichtlich nervös schritt ich in meinem Büro auf und ab – an einem Sonntag. Taylor würde die Krise kriegen, wenn sie mich nun hier sehen würde, aber zu Hause hatte ich es nicht ausgehalten. Ich musste den Vertrag mit Louis einfach unter Dach und Fach bringen.
„Du bist definitiv der Workaholic von uns", hörte ich Louis' Stimme, während ich dabei war mir den Haarknoten zu befestigen.
„So warst du auch einmal", hielt ich ihm vor. „Und jetzt unterschreibe endlich, damit du ganz und gar-"
„Dir gehöre?", warf er trocken ein und schüttelte den Kopf, dann beugte er sich über meinen Schreibtisch und begann seine Unterschrift auf die Unterlagen zu setzten. „Du solltest dir einen Ausgleich suchen, wirklich Sophia. Sonntags im Büro, wer bist du denn?"
„Ein Workaholic, ganz wie du es gesagt hast", sprach ich und suchte nach meinen rauchgrauen Pumps, die zu meinem dunkelgrünen Kleid. Das Essen bei der Familie Payne stand an und ich wollte auf jeden Fall einen guten Eindruck hinterlassen.
Immerhin würde ich Joseph und Gwyneth Payne, Liams Großeltern kennen lernen. Seine Stiefmutter, Leeann, machte mir nicht so viele Sorgen. Ihr gegenüber musste ich nicht lügen. Denn sie wusste Bescheid, dass Geoff an ALS erkrankt war. Lediglich die dumme, verknallte Tussi musste ich spielen.
„Du lernst heute die Familie deines Freundes kennen, oder?", fragte Louis und legte die unterschriebenen Papiere zur Seite. Ich nickte: „Ja und ich möchte einen guten Eindruck machen."
„Dann lass die Haare offen", riet er mir. „Damit siehst du weniger nach knallharter und fähiger Geschäftsfrau aus."
Unsicher zog ich die Haarnadeln wieder heraus und Louis musterte mich: „Man könnte meinen, du lernst das erste Mal jemandes Eltern kennen."
„Unsinn", hielt ich dagegen. „Sie machen mich nur etwas nervös. Ich meine, ich lerne Joseph und Gwyneth Payne kennen! Hast du die beiden mal in der Presse gesehen?"
„Oh ja", gab er zu. „Mrs Payne kleidet sich ausgezeichnet und Mr Payne hatte einen ungewöhnlichen Stil in seinen Entwürfen. Aber auch der Vater deines Freundes hat Ideen, das will ich nicht sagen. Aber der Name Payne wurde erst durch Joseph Payne groß gemacht."
„Und Easton Henry", setzte ich hinzu. Schade das ich diesen nie kennen lernen würde, da er vor fünf Jahren verstorben war. Nun strich ich mir durch die langen Haare und suchte nach meinem Lippenstift. Vielleicht sollte ich doch noch einmal alles überprüfen und-
„Okay, wie ich sehe hast du dich komplett im Griff", höhnte Louis und reichte mir meinen Mantel. „Jetzt machst du dich locker. Genieße das Essen und sei so charmant wie immer."
Nun sah ich ihn regungslos an und Louis kniff mir in die Wange: „Komm schon, ma puce, du hast englischen Charme und nicht alle Amerikaner sind immun dagegen."
„Toller Zuspruch, Louis, wirklich", murmelte ich und ließ mir in den Mantel helfen, dann verließen wir das Büro und er meinte: „Ich gebe dir ein Jahr, dann will ich auch ein Büro wie deines."
„Du kannst es jetzt schon haben, ich will nur ab und an da drin zeichnen", erklärte ich ihm, wir schlenderten zum Fahrstuhl und Louis ließ mir den Vortritt. Er schüttelte den Kopf: „Du solltest vielleicht doch einen Crash-Kurs zum Boss absolvieren."
„Du hast gesagt, du willst nicht unter mir arbeiten, sondern auf den selben Level", hielt ich ihm vor. „Ist ja auch egal, wir müssen die Kollektion im Frühjahr schaffen. 18 Modelle und wenn wir die haben, dann können wir uns umsehen, ob wir Nachwuchs fördern und unser Team erweitern." Etwas, was wir sowieso zwingend machen mussten. „Montag möchte ich mit dir über mein erstes Konzept sprechen und Ideen austauschen."
„Gut, dann sollte ich einen freien Kopf mitbringen", sprach Louis und ich schmunzelte, denn ich war sicher, dass wir voller Tatendrang arbeiten würden. Der Fahrstuhl erreichte das Foyer und draußen empfing uns ein kalter Wind.
„Bis Montag", sagte Louis und ich verabschiedete ihn, dann sah ich ihm einen Augenblick lang nach. Ich war so glücklich, dass wir endlich miteinander arbeiten würden, dass nichts und niemand mir den Tag nehmen konnte.
Selbst nicht, als ich Liam sah, wie er auf der anderen Straßenseite gegen seinen schwarzen Bugatti lehnen. Er rauchte und ich bemerkte, dass er Louis nachsah. Lieber Gott, bitte erspare mir nun einen dummen Kommentar was Louis betraf. Lass mich bitte irren, was nun in Liams dämlichen Schädel wieder vor sich ging.
Statt mich zu grüßen, hielt er mir wortlos die Wagentür auf und ich stieg ein. Dann schnallte ich mich an und während ich Liam das Steuer blind überließ. Statt mich über die frauenverachtende Musik zu beschweren, die aus den Boxen dröhnte, packte ich schlicht mein iPad aus und besah mir eingescannte Skizzen an, die ich bislang gemacht hatte. Sie waren noch unfertig und mir fehlte das gewisse Etwas. Vielleicht fiel mir noch etwas ein bevor ich sie Louis zeigte.
Eine ganze Weile sagten wir überhaupt nichts. Ich ignorierte Liam so, wie er es bei mir tat. So lange, bis wir den New Yorker Hauptverkehr hinter uns hatten. Dann durchbrach er unserer Schweigen. „Für diesen Hampelmann hast du die 750.000 Mücken gebraucht?"
Ich antwortete nicht, das alles war nur eine Provokation und ich sollte recht behaupten.
„Er muss dich gut ficken, wenn du gleichzeitig auf einen Deal wie meinen eingehst."
Nun seufzte ich tief und blickte von meinem iPad auf. „Man muss nicht immer mit jemanden schlafen um irgendetwas zu bekommen. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass ich im Gegensatz zu dir wirklich aufrichtig bin?"
„Schwierig", äußerte er und ich drehte mich leicht im Autositz, dann wies ich ihn darauf hin: „Du kannst nicht zugeben, dass du dich geirrt hast, nicht wahr? Deine Theorie, ich würde mit deinem Vater ein Verhältnis haben, geht nicht auf, also kopierst du sie auf Louis. Einen alten Freund von mir, der mit mir zusammen arbeiten wird."
„Wenn du das sagst", erwiderte er und ich wechselte das Thema: „Wie viel wissen deine Großeltern?"
„Genauso viel wie meine Schwester Grace", begann er und ich erfuhr, dass Liam seinen Teil der Pflicht getan hatte. Demnach wussten Joseph und Gwyneth Payne, dass er sich angeblich verlobt hatte. „Wenn sie fragen, wie alles abgelaufen ist, dann erzähl bitte rührselig, dass ich im Central Park vor dir auf die Knie gegangen bin. Spontan, ich hatte das nicht geplant und das hast du mir auch angemerkt."
Großartig, dann klang es ja fast so, als wäre er einfach nicht mehr Herr seines Verstandes gewesen und nun saß er in der Falle. Das mit der Falle stimmte zumindest. „Soll ich erwähnen, dass du gestottert hast?"
„Nein, mach aus mir keine Memme."
Großartig.
„Sonst noch etwas?", hakte ich nach. Liam legte den Kopf schief und dabei bemerkte er, dass er wirklich extrem lässig gekleidet war. Durfte ich mich linken lassen und annehmen, dass dieses Mittagessen keine anstrengende Angelegenheit wurde?
Als wir nach längerer Fahrt Henry Castle erreichten, da staunte ich nicht schlecht, denn das gesamte Gelände war riesengroß und das Anwesen imposant. Es schüchterte mich sofort ein und verstärkte den Eindruck von Geld und Einfluss nur noch mehr. Ich war mir sicher, es war nicht die einzige Immobilie, die Geoff besaß.
„Dann wollen wir mal", sprach Liam und reichte einem Butler den Autoschlüssel. Ich hatte noch nie in meinem Leben einen echten Butler gesehen und als Liam nach meiner Hand griff, unsere Finger sich miteinander verschränkten, da vernahm ich so etwas wie: „Showdown."
Sichtlich nervöser, als beim Essen mit dem Bürgermeister folgte ich Liam ins Anwesen und die ersten zehn Minuten war ich nur damit beschäftigt zu staunen. Die Halle war enorm, der Einrichtungsstil äußerst geschmackvoll und die Technik hochwertig. Bewegungsmelder ließen das Licht in den Räumen angehen und jede noch so kleine Dekoration rundete den gegebenen Raum ab.
„Hör auf zu starren", raunte Liam mir zu. „Du bist doch nicht zum ersten Mal an solch einem-"
„Oh mein Gott, ist dass das originale Bild Seerosenteich von Monet?", hauchte ich und konnte meinen Blick nicht von dem Bild nehmen. „Das ist mindestens 80,5 Millionen Dollar wert."
„Kann sein", murmelte Liam desinteressiert, was mir verriet, dass er sich einen feuchten Käse für Kunst erwärmen konnte.
„Ich dachte, dass es verliehen ist", redete ich unnötigerweise weiter und zuckte fast erschrocken zusammen, als eine weibliche, kühle stimme sprach: „Im Normalfall ist es das auch, aber zusammen mit Wiese mit Blumen unter Gewitterhimmel von van Gogh wird es in Januar erneut an eine Galerie verliehen."
Eine elegante Dame trat zu uns und ich erkannte sofort Leeann, Geoffs zweite Frau. Kühle blaue Augen musterten mich und schienen meine Erscheinung genau zu studieren. Sie hatte noch kein einziges direktes Wort an mich gerichtet, aber ich wusste jetzt schon, dass Leeann nicht meine beste Freundin werden würde. Ich sah zu, wie sie Liam höflich begrüßte und dann auf mich zu trat: „Sophia, richtig?"
Ihre Frage war geheuchelt, denn sie wusste ganz genau, wer ich war. Anders, als allen anderen, hatte Geoff ihr die Wahrheit erzählt, deshalb verwunderte mich ihre Kälte nicht. „Ja, es freut mich sehr, Mrs Payne."
„Die Freude ist ganz auf meiner Seite", heuchelte sie vorbildlich, dann sprach sie: „Nun kommt, die anderen warten im Sonnenzimmer auf euch."
Sonnenzimmer... war das ein anderes Wort für Salon? Lächelnd folgte ich Liam, auch wenn ich mich mit jedem weiteren Schritt verdammt fehl am Platz fühlte. In hohen Gesellschaften konnte ich mich einigermaßen bewegen, aber das hier war etwas vollkommen anderes. Allen voran, weil ich mein inneres Groupie unterdrücken musste, als ich Joseph und Gwyneth Payne gegenüber trat. Nur Yves Saint Laurent hätte mich mehr begeistern können.
Gelächter war zu hören, dann eine warme, tadelnde Stimme. „Gracie-Mäuschen, wieso flechtest du dein wunderbares Haar nicht zurück, es würde niedlich bei dir aussehen."
„Granny, niemand will in meinem Alter niedlich sein!", empörte sich eine Mädchenstimme und kurz darauf verlangte die warme Stimme: „Jupp, jetzt sag doch auch einmal etwas! Das Kind würde reizend mit einer Flechtfrisur aussehen, vielleicht einmal um-"
„Du hast Gracie gehört, Gwen, sie will kein Kind mehr sein", brummte eine dunkle Stimme leicht genervt.
„Danke Gramps!"
Liam zog mich ins Sonnenzimmer und dann stand ich Joseph und Gwyneth Payne gegenüber. Erster hatte die Erscheinung eines Don Corleones. Nur die Lesebrille täuschte darüber hinweg. Obwohl er in einem viel zu großen Ledersessel saß, wirkte er noch immer imposant. Er blätterte in einer Footballzeitschrift und schien die neuen Spieler mit ihren Fähigkeiten zu studieren. Für uns hatte er einen strengen Blick übrig und sprach: „Leeyum, hast du verlernt eine Uhr zu lesen? Du bist zwanzig Minuten zu spät."
Wie nett.
Doch Liam ließ sich davon nicht angreifen, zu meiner Überraschung lächelte er: „Zwanzig Minuten mehr, die du dafür nutzen konntest, um festzustellen, ob der neue Quarterback der New York Giants etwas taugt."
„Gar nichts taugt der!", polterte Joseph Payne empört los, dabei wedelte er mit der Footballzeitschrift hin und her. „Die hätten diesen hässlichen Krüppel der Jacksonville Jaguars verpflichten sollen, aber nein-"
„Gramps!", rügte ihn ein junges Teenagermädchen, Gracie, wie ich annahm. „Calvin Adams ist doch kein hässlicher Krüppel!"
„Er wird einer sein, wenn die Giants mit ihm fertig sind!", schimpfte Joseph Payne weiter. Grace rollte mit den Augen und verkündete: „Du solltest aufhören Football zu verfolgen, sonst kriegst du noch nen' Herzstillstand. Dann bäng ist es aus mit dir!"
„Blödsinn!", äußerte sich Joseph Payne. „Ich werde am Pokertisch erschossen, oder kriege ein Messer zwischen die Rippen, wenn man versucht mich auszurauben."
„Du erstickst eher an deiner eigenen Wut", meinte Gwyneth Payne seufzend und stand auf. Mit einem Lächeln trat sie auf uns zu und ich musterte atemlos ihre Erscheinung. Das graue Haar war elegant frisiert, sie trug ein dunkelblaues Kleid, das ihre Augen betonte und drückte Liam einen Kuss auf die Wange, dann nahm sie ihn in den Arm: „Mein Lieblingsenkel, lass dich ansehen."
„Granny, du hast nur einen", wies er sie darauf hin, doch zu meiner Überraschung ließ Liam zu, dass seine Großmutter an seinem Shirt zupfte: „Du musst dringend neu eingekleidet werden, Leeyum, denn das T-Shirt hat seine besten Zeiten auch bald hinter sich."
„Das habe ich erst diese Woche gekauft", erklärte Liam geduldig und Gwyneth Payne schnippte mit dem Finger. Dann fiel ihr Blick auf mich und auch wenn ihr Lächeln warm blieb, so entging mir nicht, dass auch sie mich abscannte. „Und das ist-"
„Sophia", warf Liam ein und schauspielerte wirklich hervorragend. „Meine Freundin und Verlobte."
„Was du nicht sagst", gab Gwyneth Auskunft und reichte mir die Hand: „Schön dich kennen zu lernen, ich darf doch 'du' sagen, Sophia? Wir haben schon viel von dir gehört." Es war nicht wirklich eine Frage, denn in ihrer Stimme war der Hinweis zu keinen Widerworten.
„Natürlich", antwortete ich und musste mich nicht einmal zwingen zu strahlen. Kurz darauf zog Grace jedoch die Aufmerksamkeit an sich: „Hast du dir das gut überlegt, Sophia? Mein Bruder ist ein Volltrottel, ein zu großes Kind, auf das man vierundzwanzig Stunden aufpassen muss."
Damit traf sie den Nagel auf den Kopf und ich musste grinsen bei der Aussage: „Nun ja, er ist auf dem Weg zur Besserung."
„Wohl war", stimmte Joseph mir zu. „Ich habe seit Wochen keine Klage mehr von Gwen über einen Skandal über dich gehört, Leeyum."
„Ich klage doch nicht, Jupp", wollte Gwyneth sich streng herausreden, doch Joseph machte eine unwirsche Handbewegung: „Und ob! Du meintest, irgendwann würden wir seinen Schniedel auf einem dieser Käseblätter sehen."
Die Großeltern waren verblüffend auf dem Laufenden, was Liam betraf. Doch das täuschte nicht darüber hinweg, dass auch ihnen der Ruf der Familie nicht vollkommen egal war.
„Danke, können wir das Thema nun wechseln?", mischte Liam sich ein und eine weitere Stimme sprach: „Ich bitte drum, wir wollen uns schließlich nicht den Appetit verderben lassen."
Geoff trat zu uns, um seine Beine strich ein großer, dunkler Labrador. Ich versuchte mich nicht einschüchtern zu lassen, denn der Hund lief nun geradewegs auf mich zu, bellte und beschnupperte mich.
„Archie, aus!", sprach Geoff bestimmt und der Hund kehrte zu ihm zurück. Dann wies er einen Butler an sich um den Hund zu kümmern. Nun, da alle anwesend waren betraten wir das Esszimmer. Ich nahm gegenüber von Grace Platz und dies war mein Glück. Denn die Siebzehnjährige war überraschend aufgeschlossen und unterhielt mich sehr mit ihrem losen Mundwerk. „Also Sophia, bist du dir wirklich sicher, oder hast du den miserablen Antrag von Liam nur angenommen, weil du Mitleid hattest?"
„Ein Bisschen", sagte ich und sofort spürte ich, dass Liam sich neben mir leicht versteifte. „Ich meine, er war wirklich jämmerlich, aber der eigentliche Grund, warum ich ja gesagt habe, ist ein anderer."
Grace musterte mich gespannt und ignorierte die Butler, die dabei waren das Essen aufzutragen: „Und welchen?"
Es war der größte Unsinn, den ich von mir gab, doch auf gewisser Weise machte es mir auch unglaublichen Spaß: „Er hat-"
„Sweets", unterbrach Liam mich dreist. „Meine Schwester ist siebzehn, wir müssen hier jugendfrei bleiben."
Ich runzelte sofort die Stirn. Was dachte er denn, was ich hier erzählen wollte? „Meinst du nicht, dass deine Schwester ein Anrecht auf die Wahrheit hat?"
„Nein, weil Gracie alles was sie finden kann früher oder später gegen einen verwendet", erklärte er mir und sofort schimpfte seine Schwester: „Das ist gar nicht wahr!"
Sie klangen, wie meine Schwester Zoé und ich im Alter von dreizehn. Wir hatten uns ebenfalls keinen Meter geschenkt, aber wenn es darum ging, den jeweils anderen zu verteidigen, dann wuchs an der Stelle kein Gras mehr.
Mir fiel jedoch auf, dass Leeann und Gwyneth nicht ein Wort miteinander wechselten. Sie schienen hartnäckig aneinander vorbei zu reden und sich gegenseitig zu ignorieren. Genauso wie es Liam und Geoff taten. Joseph dagegen war ein interessierter Mann. Er wollte wissen an welchen Universitäten ich studiert hatte, wie meine Arbeit bei Chanel gewesen war und dann, als wir den Hauptgang hinter uns hatten, da sprach er: „Stimmt es, dass du Louis Tomlinson verpflichtet hast?"
„Ja", gab ich zu und wieder spürte ich die unglaubliche Vorfreude. „Ich kenne ihn noch aus der Zeit von Chanel und er ist-"
„Ein kleines Genie, ich weiß", unterbrach er mich und dann schmunzelte er. „Bei Adidas und Nike war er falsch aufgehoben. Ich hätte auch versucht ihn zu holen, aber ich bin damals am Aufsichtsrat gescheitert. Die Mehrheit wollte Keith Ellison."
„Er macht gute Arbeit, das kannst du nicht leugnen", warf Geoff ein. Mir sagte der Name Keith Ellison etwas, er griff Geoff unter die Arme und war häufig für die Details verantwortlich.
Joseph faltete seine Serviette zusammen und das Dessert wurde serviert: „Das sage ich auch nicht. Allgemein finde ich Tomlinson eine gute Wahl, da ist es egal, was er gekostet hat. Sophia, ich würde mich freuen, wenn du mir eure ersten Entwürfe zeigen würdest. Nur, wenn es in Ordnung für euch wäre."
„Natürlich", mir wurde bewusst, dass man so ein wenig Kontrolle ausüben wollte und eine Übersicht darüber behalten wollte, was meine Arbeit betraf. Es war in Ordnung, denn ich konnte das sogar irgendwie verstehen.
Das Schokoladen-Soufflé war wirklich köstlich, doch ich konnte es nicht richtig genießen, denn immer wieder bemerkte ich, wie Gwyneth mich musterte. Sie sagte jedoch keinen einzigen Ton zu mir.
Später, nach dem Essen zerstreute sich die Lage etwas.
Joseph und Liam verzogen sich in das angrenzende Wohnzimmer, um sich eine Football-Reportage anzusehen. Grace und Geoff diskutierten im Sonnenzimmer über ein paar neue Klamottenläden, die Grace gerne einmal besuchen wollte. („Gracie, die Qualität ist fehlerhaft!" - „Du verstehst das nicht, für alte Leute ist das eben nichts." - „Ich muss doch sehr bitten!")
Mit einem Glas Wein in der Hand lauschte ich Vater und Tochter und sah erstaunt auf, als Gwyneth neben mir stand und sprach: „Sophia, wie ich gehört habe, magst du den Monet im Eingang? Komm, ich zeige dir weitere Bilder, die sich zur Zeit hier befinden."
„Gerne", antwortete ich und folgte ihr. Sie führte mich in einen kleineren Salon und da ich auf den ersten Blick keine Leinwände entdecken konnte, wusste ich, dass es nur ein Vorwand gewesen war, mich aus dem Sonnenzimmer zu locken.
Gwyneth wies mich an, auf der dunkelgrünen Couch platz zu nehmen. Auch sie hielt ein Glas Rotwein in den Händen und nahm mir gegenüber den Platz und schlug die Beine übereinander. Das warme Lächeln auf ihren Lippen verschwand.
„Ich muss zugeben, als Liam anrief und aus heiterem Himmel davon berichtete, dass er sich verlobt hätte, da war ich von Grund auf skeptisch", begann sie und musterte mich prüfend. „Ehrlich gesagt habe ich es für eine Impulsentscheidung gehalten, aber nun, wo du dabei bist ein fester Bestandteil von Henry & Payne zu werden, muss ich meine Vermutung überdenken."
„Es passierte wirklich alles sehr schnell und ich habe auch nicht damit gerechnet, dass er mich so bald fragen würde", spielte ich weiter eine Rolle, so wie man es von mir verlangte. Eine Augenbraue huschte Gwyneth in die Höhe, dann fragte sie: „Bist du in anderen Umständen?"
Verblüfft blinzelte ich: „N-Nein, natürlich nicht!"
„Nun ja", sagte sie. „Es wäre zumindest eine passende Erklärung für Liams untypisches Verhalten."
Nun musste ich wahrhaftig auflachen und verschluckte mich fast an meinem Wein. „Entschuldigung, aber ja, ich kann verstehen, dass man Liam nicht zutraut, dass er so handeln würde." Ich kannte Liam nicht gut, aber alles, was ich bislang erlebt hatte, unterstrich dieses Denken nur. „Gleichzeitig sähe es ihm allerdings auch nicht ähnlich mich heiraten zu wollen, wenn er mich geschwängert hätte, nicht wahr?"
Zum ersten Mal erschien mir das Lächeln auf Gwyneths Lippen aufrichtig, was mich betraf. Sie neigte leicht den Kopf: „So tragisch das auch ist, er wäre nicht der Typ dafür, der einen solch konservativen Lösungsweg einschlagen würde. Und trotzdem hast du seinen Antrag angenommen. Das verstehe ich nicht ganz, Sophia."
„Wie bitte?", warf ich ein und Gwyneth stellte ihr Glas Wein ab, dann faltete sie ihre Hände im Schoss und lehnte sich zurück: „Ich kenne meinen Enkel, Sophia. Ich weiß, dass er verantwortungslos ist, auf Ansehen und Ruf nicht viel gibt und das geliebte Zielobjekt der Öffentlichkeit ist. Außerdem feiert er zu viel, wechselt die Frauen wie den Wochentag und umgibt sich mit vergnügungssüchtigen Menschen. Du passt da nicht rein."
„Und das wird auf den ersten Blick ersichtlich?", schmunzelte ich und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich innerlich furchtbar nervös war. Gwyneth sah mich unverhohlen an: „Halte mich nicht für dumm, Sophia. Natürlich habe ich dich überprüfen lassen, als Liam mir zum ersten Mal von dir erzählte. Du bist eine intelligente Frau, fleißig, talentiert und sicherlich keine schlechte Partie. Aber um neben Liam zu bestehen fehlen dir gewisse Eigenschaften."
Ich wurde vorsichtig und fragte: „Welche?"
„Die High Society kann grausam sein, dort zählt der Schein und ich bin nicht sicher, ob die oberflächliche Welt etwas für ein normales Mädchen aus der Mittelschicht ist. Ich will nicht sagen, dass du hässlich bist, aber mithalten, mit all den It-Girls, die sich dort die Klinke in die Hand geben, kannst du auch nicht." Sie sprach es so nüchtern aus, dass mir bewusst wurde, dass sie darüber sorgfältig nachgedacht hatte. „Dein einziger Vorteil ist die Tatsache, dass du in der Lage wärst für Henry & Payne zu arbeiten."
Unter dem Strich; ich war nicht die Sorte Frau, mit der sich Liam sonst umgab und das wusste ich auch. Gwyneth schien das ebenfalls zu wissen, denn sie sprach: „Irgendwie ist das alles sehr seltsam, nicht wahr?"
"Vielleicht", sagte ich möglichst ruhig. „Ich bekomme das Gefühl, dass man mir unterstellt, dass ich Liam gezwungen hätte, zu alldem, was er getan hat. Ich muss darauf hinweisen, dass er mich gefragt hat und nicht anders herum. Vielleicht sollte er Rede und Antwort stehen und nicht ich."
Das Ganze glich langsam einen regelrechten Verhör.
„Spielst du meinem Enkel irgendwelche Gefühle vor?", hakte Gwyneth direkt nach. Ich erhob mich nun, langsam wurde mir das eine Spur zu forsch: „Nein, ich bin ehrlich zu ihm." Zumindest log ich weder Gwyneth an, noch Liam, oder irgendwem anderen. „Wäre es in Ordnung weitere Fragen später zu beantworten?"
„Natürlich."
Nun ging ich zurück ins Sonnenzimmer und bemerkte, dass Geoff sofort aufsah, während Liam im großen Türbogen stand, hinter ihm der riesige Fernseher lief und er musterte mich prüfend. Dann entdeckte er Gwyneth hinter mir und sprach: „Und Granny, bist du fertig damit Sophia auf Herz und Niere zu prüfen?"
Dieser Bastard! Er hatte gewusst, dass dies passieren würde und es nicht für nötig gehalten mir einen Hinweis zu geben. Wirklich überaus freundlich.
„Rede doch keinen Unsinn", log Gwyneth aalglatt. „Ich war nur neugierig über Sophias Arbeit bei Chanel. Das ist alles."
Daraufhin sagte Liam überhaupt nichts, Geoff erhob sich dafür jedoch: „Nun denn, also bin ich jetzt mit meinem Verhör dran. Sophia, macht es dir etwas aus, mich auf einen Spaziergang zu begleiten? Archie braucht Auslauf."
Es war ein Angebot aus dieser Truppe heraus zu kommen und wenig später zog ich meinen Mantel an und wartete auf Geoff. Er piff nach Archie, setzte sich einen Hut auf und griff nach seinem Stock. Noch schwang er ihn gekonnt hin und her. Als er meinen Blick bemerkte, da brummte er: „Leeann ist es lieber, ich habe einen dabei. Für den Fall das eines meiner Beine nachgibt. Als wenn ein Stock dabei helfen würde."
Überschwänglich sprang Archie zwischen uns herum und kaum öffnete ein Butler die schwere Haustür, da schoss der Hund nach draußen. Kühle Luft strich mir über das Gesicht.
„Wir haben einen großen Garten, lasst uns diesen Weg hier nehmen", sprach Geoff und folgte Archie, der die Route schon zu kennen schien. „Ich entschuldige mich für meine Mutter, sie hat die Angewohnheit nach ihrem eigenen Kopf zu handeln und ist etwas empfindlich, was Liam angeht."
„Ist schon in Ordnung. Sie hat mich nur etwas eingeschüchtert und mir zu verstehen gegeben, dass ich zu hässlich für Liam sei", sagte ich und vergrub die Hände in den Taschen meines grauen Mantels.
Geoff seufzte: „Lege ihre Worte nicht auf die Goldwaage, so hat sie es sicher nicht gemeint."
„Oh, sie hat mir ziemlich gut zu verstehen gegeben, dass ich hässlich bin, im Vergleich zu den Frauen, mit denen sich Liam sonst umgibt und damit hat sie sogar recht", meinte ich. Wir spazierten an hohen Bäumen entlang.
Der Herbst hatte Einzug erhalten und bunte Blätter lagen zu unseren Füßen. Passend zum Anwesen der Paynes besah ich nun einen enormen Garten, der eher einem Park glich. Archie tobte sich aus und ich vermutete, dass der Hund bald ein ständiger Begleiter von Geoff werden würde.
„Ich denke, du hast dich gut geschlagen. Allen voran, dass Liam den angeblichen Antrag von sich aus gemacht hat, das dürfte für dich sprechen. Wir werden abwarten und wenn meine Mutter in dieser Hinsicht weitere Schwierigkeiten macht, dann werden wir uns eine Lösung einfallen lassen", erklärte Geoff mir. Er klang optimistisch. „Und nun, ich gratuliere, Tomlinson ist ein dicker Fisch. Gut gemacht."
Der Spaziergang tat mir gut. Ich kam dazu tief durchzuatmen und konnte der Beobachtung entgegen. Zumindest für eine gute Stunde. Wir gingen an einem See vorbei, wanderten gelassen ein Stück Wald ab und bei einem Pavillon brauchte Geoff eine kleine Pause. Ich vermied es ihn nach seiner Krankheit zu fragen, denn ich war mir sicher, dass er dann auch abblocken würde.
Es war immer sehr angenehm in Geoffs Nähe, er begann mir zu erzählen, dass Archie eigentlich Archimedes hieß und der Name auf Liams Mist gewachsen war. Dann redeten wir über den großen Garten, wie wunderschön er im Frühjahr war, dass er Eliza früher immer ewig gesucht hatte, wenn sie sich versteckte. Ich hörte am Klang der Stimme, dass Geoff seine älteste Tochter sehr vermisste.
Ab und an kam Archie mit einem Stock im Mund zu uns, als wir im Pavillon auf einer Bank saßen. Ich erbarmte mich und tat Archie den Gefallen und warf den Stock mehrmals eher schlecht, als recht durch die Luft. Der Hund jagte dem Holz nach und Geoff stütze sich mit beiden Händen auf dem Spazierstock ab.
„Hast du eigentlich mit meinem Vater über unseren Deal gesprochen?", fragte ich und er lachte: „Natürlich nicht. Steven würde mich mit seinem Gewehr erschießen und zu meinem Bedauern ist er ein immer noch ausgezeichneter Jäger."
Das stimmte wohl. Mein Vater ging immer noch regelmäßig auf die Jagt und zum Schießstand. Bald würde ich ihn anrufen müssen, um ihn zu erklären, dass ich Liam heiraten würde. Die ersten Bilder in der Presse hatte er bereits gesehen, aber bislang noch keine Fragen gestellt. Meine Schwester dafür zwar umso mehr, aber sie war auch eher wild darauf mich besuchen zu kommen.
Als Archie erneut den Stock vor meinen Füßen niederlegte, da sprach Geoff: „Vielleicht sollten Liam und du über Nacht bleiben, damit meine Mutter sieht, dass du wirklich sehr bald ein fester Teil der Familie werden wirst."
Ü-Über Nacht?
Geschockt sah ich auf, doch Geoff blickte auf den See vor sich. Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Liam und ich hielt es kaum mehr als vier Stunden in der Gegenwart des anderen aus. Wir vermieden es mehr Zeit als nötig miteinander zu verbringen. Jetzt sollten wir gleich eine ganze Nacht in ein und demselben Raum aushalten? Ich würde mich kaum ins Gästezimmer stehlen können, ohne das es nicht irgendjemand bemerken würde.
„Ich habe keine Kleidung für den nächste Tag dabei", entwich es mir schwach, doch ohne die Miene zu verziehen meinte Geoff: „Daran sollte es nicht scheitern."
Eigentlich war es bereits beschlossen.
Heute würden Liam und ich nicht mehr zurück zum Penthouse kommen.
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