Kapitel 36
Kapitel 36
Als ich an diesem Morgen aufwache, schläft Helen noch. Ich beschließe sie nicht aufzuwecken, sondern ziehe mich lediglich um und verlasse unser Zimmer. Gerade als ich aus der Tür heraus bin, fällt mir ein, dass wir Bob noch gar nicht unser Geld gegeben haben.
Ich schleiche mich also noch einmal leise ins Zimmer und nehme unsere Handtaschen. Weil ich ja dann eh zu Bob gehe, kann ich das Geld von den Jungs ja auch mitnehmen.
Da ich allerdings nicht weiß, wo Minos Zimmer ist, gehe ich direkt zu Louis. Ich klopfe an die Tür und aus dem Zimmer höre ich ein zerknirschtes Herein.
Ich betrete das Zimmer und sehe Louis, der mich, noch im Bett liegend, verschlafen mustert. "Warum zur Hölle bist du so früh hier?", seufzt er und zieht sich das Kissen über den Kopf.
"Ich wollte euer Geld mitnehmen zu Bob", antworte ich ihm und halte die Handtaschen hoch. "Schon vergessen, dass ich dir mein Geld schon auf der Party gegeben habe?"
"Oh", ist das einzige was ich hervorbringe. Mh, das ist jetzt natürlich blöd gelaufen. Aber Louis soll sich mal nicht so anstellen, so früh ist es ja gar nicht.
Ich suche in seinem Zimmer nach einer Uhr, finde aber keine. Egal, wird schon nicht allzu früh sein, sonst wäre ich sicherlich nicht wach.
"Dann habe ich noch eine Frage, wo ist Minos Zimmer?" Ich beiße mir auf die Unterlippe, ich kann mir vorstellen, dass Louis ziemlich genervt ist.
Ein Seufzer entfährt ihm. "Setz dich auf das Bett, ich zieh mich an und komm mit dir. Ich kann eh nicht mehr schlafen", antwortet er und steht auf.
Ich lasse mich auf das zweite Bett fallen und spiele an den Steinchen meiner Handtasche herum. Als mir einer davon abfällt, höre ich sofort damit auf und versuche ihn so gut es geht wieder dranzumachen.
Gerade als ich wieder anfangen will mit den Steinchen zu spielen, kommt Louis aus dem Bad. Seine Haare sind noch leicht zerzaust, aber das steht ihm irgendwie.
Ich stehe auf und verlasse vor ihm das Zimmer. Wir laufen ohne ein Wort zu sagen über der Flur und bleiben vor einer Tür stehen.
Ich will gerade klopfen, da hält Louis meine Hand fest. „Ich denke nicht, dass Mino und sein Mitbewohner so begeistert davon wären, wenn du sie jetzt weckst", meint Louis und öffnet leise die Tür.
Er geht rein und kommt Sekunden später mit einem Geldbündel wieder raus. "Komm wir gehen", meint er, doch ich halte ihn zurück.
"Wir müssen Mino eine Nachricht hinterlassen, sonst weiß er ja nicht, dass wir das Geld genommen haben", wende ich ein und denke nach, was man hinterlassen könnte.
"Keine Sorge, er wird wissen, dass ich da war", meint Louis nur grinsend und geht weiter. Ich will ihn fragen wieso, aber mir scheint es nicht so, als würde er mir darauf antworten, also lasse ich es bleiben.
"Du solltest hoffen, dass Bob schon da ist", meint Louis als wir den Flur zu seinem Büro betreten.
Verdammt, habe ich mich wirklich so mit der Zeit verschätzt? "Wie spät ist es denn?", will ich jetzt wissen und sehe Louis fragend an.
"Hätte mich mir denken können, dass du gar keinen Plan davon hast, wie früh es ist", meint er grinsend. Beleidigt boxe ich ihm gegen die Schulter.
"Das Training bringt was, jetzt tut es sogar ein bisschen weh", grinst Louis mich an und ignoriert weiter meine Frage nach der Uhrzeit. Aber Training ist ein gutes Stichwort.
"Training wäre mal wieder gut", sage ich und warte seine Antwort ab. "Ja, können wir nachher wohl machen, aber um zurück zu deine Frage zu kommen, es ist halb Acht gewesen als du mich geweckt hast."
Genervt verdrehe ich die Augen. Soo früh war das jetzt auch nicht. Als wir vor Bobs Büro stehen, klopft Louis an die Tür.
Von drinnen ertönt ein Herein und wir treten durch die Tür. "Wir wollten dir das Geld bringen", sage ich direkt und lege ihm die Handtaschen sowie das Bündel auf den den Schreibtisch.
"Guten Morgen erst mal. Ziemlich früh wach ihr beiden. Schlafen die anderen noch?", fragt Bob und Louis nickt.
"Und ihr? Wer hat wen geweckt?", fragt er weiter und blickt zwischen uns hin und her. Dann breitet sich ein Grinsen auf seinen Lippen aus.
"Oder habt ihr zusammen in einem Zimmer geschlafen?" Mein Mund klappt auf und die Röte schießt mir ins Gesicht.
"Nein, Keira meinte, mich wecken zu müssen ohne vorher zu gucken, wie spät es ist"; antwortet Louis und nimmt auf einem Stuhl Platz.
Ich folge seinem Beispiel und setze mich auf den anderen. "Na dann. Kommen wir aber nun zum Geld."
Bob nimmt das Bündel und leert die Handtaschen. Beeindruckt sieht er auf das Geld. "Nicht schlecht. Ist denn alles glatt verlaufen?"
Ich schüttel den Kopf. "Lucy, meine beste Freundin, war dort. Louis und ich sind früher gegangen, damit sie mich nicht sieht", erkläre ich ihm, was gestern passiert ist.
"Nun gut. Ich denke deine Idee hat sich als wahre Goldgrube entpuppt, Keira. Wir werden also öfters solche Partys besuchen, vor allem du. Auch wenn das Risiko besteht, deine Freundin anzutreffen."
Ich nicke und kann ein Lächeln nicht unterdrücken. Es fühlt sich gut an, etwas richtig gemacht zu haben.
Da wir fertig sind, stehen Louis und ich auf. Während ich noch halb in der Tür stehe und Louis bereits draußen ist, hält Bob mich noch auf.
Fragend sehe ich ihn an. "Deine Mutter wäre stolz auf dich", sagt er und mein Lächeln wird größer.
Ich schließe die Tür und gehe zu Louis. "Und jetzt?", frage ich ihn. Bevor er antworten kann, knurrt mein Magen laut.
"Ich denke, wir sollten frühstücken gehen", antwortet Louis mit einem Grinsen. Im Speisesaal sitzen bereits Mino und Helen.
Nachdem wir uns was zu essen geholt haben, setzen wir uns zu ihnen. "Du bist ein Arschloch, Louis", ist das erste was Mino sagt.
Louis grinst und auch Helen muss sich ein Lachen verkneifen. Fragend sehe ich die drei an. Ich habe keine Ahnung wovon Mino redet.
Als Antwort zieht Mino seinen Oberteil hoch und auf seinem Oberkörper prangt ein schwarzes Bild. "Was ist das?", will ich wissen und sehe näher hin, kann aber noch immer nicht wirklich erkennen, was es darstellen soll.
"Ein Kunstwerk von Louis. Glaub mir, du willst nicht wissen, was genau das ist", meint Mino und zieht seinen Oberteil wieder runter. Trotzig verziehe ich den Mund, da mich interessiert, was auf seinem Arm ist.
Allerdings will ich auch nicht weiterfragen, da irgendwie ja ich Teilschuld bin. „Du bist ein richtiger Mistkerl, du weißt doch, dass ich mich heute noch mit Meggy treffe", beschwert sich Mino weiter.
„Warum denkst du wohl habe ich das gemacht", antwortet ihm Louis gelassen. „Wer ist Meggy?", will ich wissen, da ich außerhalb meiner Klasse kaum Leute kenne.
„Nur ein Mädchen das dumm genug ist sich auf Mino einzulassen", meint Louis, aber ich sehe ihm an, dass das nicht alles ist.
Fragend sehe ich Mino an. „Außerdem ist sie Louis Ex", fügt er hinzu, wofür Louis ihn wütend anfunkelt. Mein Bauch zieht sich leicht zusammen, aber ich ignoriere es so gut es geht.
„Die Kaffeefreundin?", will ich grinsend wissen. „Ja", gibt Louis seufzend zu und Mino und Helen gucken mich fragend an.
„Nicht so wichtig", winke ich ab. „Und da triffst dich jetzt einfach mit seiner Ex?", frage ich Mino. „Ja, immerhin sind sie seit einem Jahr nicht mehr zusammen und Louis hat nichts dagegen."
Mein Blick wandert zu Louis, welcher nickt. „Ich hab Schluss gemacht. Meggy ist wirklich nett, aber auch ziemlich mädchenhaft und naiv. Das ging mir irgendwann auf die Nerven." Irgendwie erleichtert mich seine Antwort, obwohl ich vorher nicht gemerkt hatte, dass ich angespannt war.
„Du vergisst zu erwähnen wie unglaublich gut sie aussieht", ergänzt Mino und sorgt dafür, dass sich mein Bauch erneut zusammenzieht.
„So gut sieht auch nun wieder nicht aus, sie erinnert mich eher an ein Barbiepuppe"; mischt sich Helen jetzt ein. Ich kann nicht mitreden, da ich keine Ahnung hab wie Meggy aussieht.
„Oh nein", seufzt sie und starrt auf etwas hinter mir. „Was ist los?", will ich wissen und drehe mich um. Weiter hinten steht ihre kleine Schwester und redet mit irgendeinem Jungen.
„Das ist ihr Exfreund. Er ist ein Arschloch, schafft es aber immer wieder sie um den Finger zu wickeln. Jedes Mal endet es gleich, sie streiten sich, machen Schluss und sie ist am Boden zerstört. Naja, ich werde mal das schlimmste verhindern gehen. Man sieht sich", erklärt Helen und steht auf.
„Ich mach mich auch mal auf den Weg in mein Zimmer damit ich dein beschissenes Kunstwerk wegbekomme bevor ich Meggy treffe", sagt Mino mit einem wütenden Blick auf Louis und verschwindet ebenfalls.
„Gehen wir trainieren?", frage ich und Louis nickt. Wir stehen auf und gehen zusammen in den Trainingsraum.
„Greif mich an", fordert Louis mich auf. Im ersten Moment will ich direkt auf ihn losgehen, entscheide mich dann aber für ein Täuschungsmanöver.
Ich deute an direkt auf ihn zuzugehen, weiche im letzten Moment aber aus, sodass ich neben ihm stehe.
Mit meiner Faust verpasse ich ihm ein Hieb in die Rippen. Er stöhnt kurz auf, fasst sich aber wieder. Allerdings lässt der Schlag auch mich nicht kalt, denn jetzt pulsiert meine Hand wie wild.
Louis setzt zu einem Gegenangriff an, dem ich aber ausweichen kann. Noch immer halte ich meine Hand, da der Schlag verdammt wehgetan hat.
Ich versuche mich zusammen zu reißen und setze zum nächsten Angriff an. Irgendwie schaffe ich es hinter Louis zu kommen und springe ihm auf den Rücken.
Er taumelt für einen kurzen Moment, bleibt aber standhaft. Mist, ich hatte damit gerechnet, dass er fällt.
Jetzt war ich im Nachteil, denn Louis packt mich und wirft mich nach vorne rüber. Ich versuche den Aufprall zu dämpfen und auf meinen Unterarm zu fallen, aber das gelingt mir eher schlecht und so rutsche ich von der Matte und knalle mit dem Kopf auf den Boden.
„Oh Gott, Keira. Das wollte ich nicht", ruft Louis erschrocken und kommt sofort zu mir. Mein Kopf pocht wie verrückt und ich sehe schwarze Punkte vor den Augen.
„Mir geht's gut", versuche ich ihn zu beschwichtigen und will aufstehen, doch das misslingt mir, denn noch bevor ich stehe falle ich zurück auf den Boden.
Louis hilft mir hoch und als ich stehe, dreht sich alles um mich herum. Sofort wird mir übel und ich presse meine Hände vor den Mund.
Louis schaltet sofort und schnappt sich irgendein Gefäß und hält es mir gerade rechtzeitig hin. „Scheiße, wir müssen auf die Krankenstation. Du blutest und es sieht nach einer Gehirnerschütterung aus", meint Louis und stützt mich.
Ich will protestieren, doch übergebe mich ein zweites Mal und merke selber, dass es wohl besser ist einen Arzt aufzusuchen.
Ich versuche mithilfe von Louis vorwärts zu gehen, doch das Schwindelgefühl nimmt nur noch mehr zu und ich muss mich zusammenreißen um mich nicht ein weiteres Mal zu übergeben.
Louis scheint ebenfalls zu merken, dass das so nicht funktioniert und hebt mich kurzerhand hoch. Wieder will ich protestieren, aber lasse es dann doch bleiben. Alleine gehen würde auch nicht klappen.
Auf der Krankenstation angekommen, setzt Louis mich auf eine Liege und holt einen Arzt. „Wie ist das denn passiert?", will er wissen und leuchtet mit einer Lampe in meine Augen.
„Bin hingefallen", antworte ich bevor Louis etwas sagen kann. „Hast du dich übergeben?", fragt er und ich nicke.
Das war allerdings ein Fehler, denn ein stechender Schmerz fährt durch meinen Kopf. Sofort fasse ich mir an die Stirn und spüre etwas Feuchtes.
Ich sehe auf meine Finger, die vor meinem Auge doppelt erscheinen und sehe etwas Rotes, Blut. Ach ja, Louis hatte etwas davon gesagt.
Davon kam wahrscheinlich auch der pochende Schmerz. „Es sieht so aus als hättest du eine Gehirnerschütterung, nichts weiter schlimmes. Allerdings solltest du die nächsten Tage auf Sport verzichten und für dein Gehirn anstrengende Dinge, wie lesen. Außerdem hast du eine Platzwunde am Kopf, aber auch die ist nicht weiter schlimm. Ich mache dir einen Verband um den Kopf und in ein paar Tagen sieht die Welt schon viel besser aus", erklärt mir der Arzt und ich antworte mit einem leichten Nicken.
Diesmal ist der Schmerz weniger schlimm und auch das Schwindelgefühl lässt leicht nach. Während der Arzt meine Wunde desinfiziert und verbindet, sieht Louis mich besorgt an.
Noch ein wenig desorientiert versuche ich ihm in die Augen zu sehen, damit er weiß, dass alles okay ist, aber es gelingt mir nicht.
„So, ich bin fertig. Ich hole dir noch Tabletten gegen die Übelkeit und die Schmerzen. In einer Woche kannst du am besten noch einmal zur Nachuntersuchung kommen", sagt der Arzt und verschwindet aus dem Raum.
Sofort kommt Louis zu mir. „Das tut mir so leid, das wollte ich nicht", fängt er sofort an sich zu entschuldigen.
„Ach was, ist doch nichts Schlimmes passiert. Aber ich würde sagen aufs Training müssen wir die nächsten Tage verzichten", antworte ich lächelnd.
Jetzt weicht auch Louis schuldbewusster Blick einem Lächeln. „Du nimmst das viel zu leicht, Keira. Aber das mag ich an dir."
Ich will etwas sagen, mir fällt aber nicht ein was, weshalb ich einfach stumm da sitze und ihn anlächle. Mittlerweile ist mein Schwindelgefühl so weit zurückgegangen, dass ich es schaffe ihm in die Augen zu sehen ohne mich groß anstrengen zu müssen.
Sein Blick wandert von meinen Augen zu meinen Lippen und bevor ich wirklich realisiere was er vorhat, liegen seine Lippen bereits auf meinen.
Erneut spüre ich dieses Kribbeln in meinem Bauch, doch ich kann das nicht mehr. Ich stoße Louis leicht zurück und er sieht mich verletzt an.
„So kann das nicht weiter gehen Louis, ich kann das nicht mehr", fange ich an und suche verzweifelt nach den richtigen Worten.
„Was kann so nicht weiter gehen?", fragt er und sieht mich unsicher an. „Das mit uns", antworte ich und er sieht mich an wie ein verletztes Reh. Es zerreißt mir das Herz ihn so zu sehen.
„Ich kann das einfach nicht mehr. Wir küssen uns und dann tuen wir so als wäre nichts passiert. Wir machen dasselbe wie sonst auch immer, aber ich kann das einfach nicht mehr. Jedes Mal so tun als wäre nichts passiert, als wäre alles so wie immer ohne irgendeine Gewissheit", versuche ich es ihm zu erklären.
„Dann hören wir auf damit", meint Louis. Seine Worte sorgen dafür, dass mein Herz in tausend kleine Teile zersprengt wird. Am liebsten würde ich schreien und weinen zugleich.
„Ich will das auch nicht mehr, Keira. Aber ich hatte Angst, dass du anders denkst. Immer wenn wir wieder so getan haben, als wäre nichts passiert, hat es mich innerlich zerrissen."
Louis nimmt meine Hände und sieht mir in die Augen. „Verdammt, ich glaube ich liebe dich, aber ich hatte Angst unsere Freundschaft kaputt zu machen. Du hast Recht, es geht nicht so weiter. Es tut mir Leid", meint Louis und schaut zu Boden.
Mein Herz macht einen Satz bei seinen Worten. Ich brauche ein paar Sekunden um seine Worte zu verarbeiten.
„Aber wir können anders weitermachen", lächel ich ihn an und küsse ihn. „Das anders könnte mir gefallen", meint Louis und küsst mich erneut.
„Mir auch" antworte ich lächelnd und vergesse fast den Schmerz meiner Kopfwunde.
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