Kapitel 32
Kapitel 32 – Der Plan
Erwartungsvoll sieht Narie zu Beetee, der sie beinahe schon euphorisch anschaut. Sie weiß, dass es wahrscheinlich ein sehr guter Plan sein wird, immerhin hatte Beetee ihn entwickelt.
»Wo fühlen sich die Karrieros am sichersten? Im Dschungel?«, fragt Beetee und sieht in die Runde, als würde er sich gerade in einem Raum voller Schüler befinden.
»Der Dschungel ist ein Albtraum.«, kommentiert Haymitch und Narie nickt zustimmend.
»Vermutlich hier am Strand.«, fügt sie dann hinzu und Beetee nickt zustimmend.
»Warum sind sie dann nicht hier?«
»Weil wir hier sind und ihn uns genommen haben.«, stellt Finnick fest und Beetee nickt erneut. Narie kommt sich wirklich vor wie in der Schule.
»Und wenn wir weg wären, würden sie kommen.«, stellt der Tribut aus Distrikt drei fest.
»Oder sich am Rand des Dschungels verstecken.«, wirft Narie ein und erntet dafür erneut ein zustimmendes Nicken.
»Dessen Boden in ungefähr vier Stunden immer noch von der zehn Uhr Welle vollgesogen sein dürfte... und was passiert um Mitternacht?«
»Da fangen die Blitze an einzuschlagen.«, meint Haymitch.
»Wir machen es so: Wir verschwinden bei Sonnenuntergang, bewegen uns Richtung Gewitterbaum. Damit locken wir sie wieder zum Strand. Bevor es Mitternacht wird, verlegen wir unseren Draht vom Baum zum Wasser. Und wer sich im Wasser aufhält oder auf dem nassen Sand, bekommt einen tödlichen Schlag.« Narie sieht Beetee fasziniert an. Niemals wäre sie auf so eine Idee gekommen. Ihr bester Vorschlag wäre wahrscheinlich gewesen die Karrieros mit einem Pfeil zu durchbohren und zu hoffen, dass sie trifft. Aber Beetees Plan klingt genial.
»Woher wissen wir, dass der Draht dabei nicht durchbrennt?« Haymitchs Worte bremsen ihre anfängliche Euphorie etwas, doch Narie versucht diesen Gedanken aus ihrem Hinterkopf zu verbannen.
»Ich habe ihn erfunden. Da brennt gar nichts durch.« Ein fast schon stolzes Grinsen schleicht sich auf Beetees Gesicht. Finnick und Narie wechseln einen Blick, bis Finnick schließlich zustimmend nickt.
»Ist besser als ihnen nachjagen zu müssen.«, teilt er Beetee seine Entscheidung mit und blickt dann fragend in die Runde. Immerhin kann er nicht der einzige sein, der dieser Entscheidung zustimmt.
»Ja, wieso nicht? Wenns schief geht würde uns zumindest nichts passieren.«, pflichtet Narie ihm bei und Beetee nickt zufrieden. Dann hatte er ja bisher schon Mal zwei von drei auf seiner Seite. Alle Blicke richten sich auf Haymitch, der als einziger noch zustimmen muss.
»Wir sollten es versuchen.«, stimmt auch er dem Plan zu und Beetee nickt zufrieden. Sehr schön, denkt er sich.
»Wie können wir dir helfen?«
»Sorgt dafür, dass ich um Mitternacht noch am Leben bin. Das wäre extrem hilfreich.«
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Der Weg durch den Wald war für Narie der schlimmste, den sie bisher hinter sich gebracht hatte. Ihr Kopf konnte einfach nicht abschalten und sie weiß, dass sie im Falle eines Angriffs ein leichtes Ziel gewesen wäre. Doch der Gedanke an das, was sie gleich tun werden, hatte ihr doch ein wenig Angst gemacht. Sie betet, dass Marvel sich nicht auf dem nassen Sand befindet, wenn der Blitz einschlägt.
»Haymitch, Narie. Ihr beide geht zusammen.«, meint Beetee, nachdem er den Anfang des Drahtes am Gewitterbaum befestigt hat. Sofort schaltet sich Finnick in das Gespräch ein.
»Wieso kann ich nicht mit ihr gehen?«, fragt er und Beetee rollt mit den Augen.
»Ich brauche dich hier. Als Schutz.«, meint er und Finnick sieht ihn empört an.
»Narie braucht auch Schutz!«, beteuert er. Sanft sieht Narie ihn an.
»Ist schon in Ordnung, Finnick. Haymitch und ich sind sofort wieder zurück.«, versichert sie ihm.
»Bist du dir sicher?«
»Ja, keine Sorge. Haymitch und ich bekommen das hin.« Widerwillig stimmt Finnick Beetees Aufforderung zu und nickt.
»Rollt den Draht sorgfältig ab und sorgt dafür, dass die Spule richtig im Wasser liegt. Dann kommt zum Baum im zwei Uhr Sektor, wir kommen dort hin.«, erklärt Beetee den beiden und drückt dann Haymitch den Draht in die Hand.
»Wir sehen uns um Mitternacht!«, meint Narie aufmunternd in Richtung Finnick und Beetee, dann sieht sie auffordernd zu Haymitch und läuft mit ihm gemeinsam los.
Der Weg durch den Wald verläuft bisher eigentlich ohne Komplikationen. Haymitch rollt den Draht aus, während Narie mit gespanntem Bogen hinter ihm herläuft und sich aufmerksam die Umgebung ansieht. Bisher hatte sie nichts Außergewöhnliches entdecken können, doch sie hatte gelernt, dass sie immer auf der Hut sein muss. Und sobald sie etwas hinter einem der Bäume sieht, ist sie bereit es zu töten.
Haymitch klettert unbeholfen über einen weiteren großen Stein und gerade, als Narie ihm folgen will, hält Haymitch inne. Irgendwas stimmt nicht, das spürt er sofort. Er zieht etwas stärker an dem Draht. Wahrscheinlich hat er sich nur in einem Busch verhakt. Haymitch zieht erneut an dem Draht, doch wieder passiert nichts. Gerade, als Narie fragen möchte, was denn los sei, schnappt der Draht zurück. Narie sieht geschockt auf das Ende des Drahtes, das durchgeschnitten wurde und entdeckt nicht mal eine Sekunde später Brutus vor sich auftauchen. Sofort zieht sie einen Pfeil aus ihrem Köcher. Doch noch bevor sie ihn abschießen kann, trifft sie von hinten etwas hart an ihrem Hinterkopf und sie stürzt zu Boden. Sofort sitzt Haymitch auf ihr und hält sie fest.
»Vertrau mir und bleib unten!«, zischt er ihr zu und Narie sieht ihn geschockt an. Sie hätte niemals gedacht, dass er sich gegen sie wenden würde! Ihr geschockter Ausdruck auf ihrem Gesicht wird zu einem verwirrten, als Haymitch ihr in den Arm schneidet. Narie keucht auf, denn der Schmerz ist unerträglich, doch so schnell wie er gekommen ist, verschwindet er auch wieder. Sie sieht, dass Haymitch ihr Ortungsimplantat aus dem Arm zieht und ihs neben sich wirft. Sofort schmiert er ihr das Blut, das er an seinen Händen hat, an ihren Hals und sieht sie dann eindringlich an.
»Bleib unten! Und wenn sie weg sind, hilf Beetee!«, zischt er ihr zu, dann steht er auf und rennt los. Sehr zu seiner Erleichterung folgt Brutus ihm, sodass er alle Aufmerksamkeit von Narie abgewandt hat. Dass Enobaria ihm ebenso folgt, erleichtert ihn nur noch mehr.
Narie währenddessen bleibt völlig verwirrt auf dem Boden liegen und versteht nicht, was hier eben geschehen ist. Erst dachte sie, dass Haymitch sie umbringen wird. Aber wieso hatte er ihr nur das Ortungsimplantat aus dem Arm geschnitten?! Was passiert hier? Narie beschließt, dass sie sich darüber später Gedanken machen kann. Wichtig ist, dass sie jetzt zu Finnick und Beetee kommt. Denn was auch immer hier vorgeht, es scheint sich nicht gegen sie zu richten.
Unter Schmerzen richtet Narie sich auf und sprintet dann los. Sehr zu ihrem Glück liegt der Draht noch auf dem Boden und zeigt ihr somit direkt, wo sie langlaufen muss. Narie stolpert, als sie einen weiteren Schritt gehen möchte und kommt hart auf dem Boden auf. Sie stöhnt, als sie sich wieder aufrichtet und läuft weiter.
Nach nur wenigen Schritten kommt sie wieder an dem Baum an, doch von Finnick ist keine Spur. Gerade, als sie einen weiteren Schritt nach vorne treten möchte, leuchtet etwa fünf Meter vor ihr das Kraftfeld auf. Sofort rennt sie auf die Stelle zu und sieht Beetee, wie er sich unter Schmerzen am Boden windet. Er muss gegen das Kraftfeld gekommen sein!
Narie kniet sich neben ihm auf den Boden und sieht ihn geschockt an. Unsicher, was sie tun soll, sieht sie sich hektisch um, als ihr Blick an etwas hängen bleibt, das ein Stück neben Beetee liegt. Irritiert sieht Narie sich den Ast an, um den ein Teil des Drahtes geschlungen ist. Was zur Hölle wollte Beetee damit?! Wieso hat er den verdammten Draht um den Ast gebunden? Vor ihr schimmert das Kraftfeld und Narie hat eine wahnsinnige Idee im Kopf. Doch dann wird ihr bewusst, dass diese Idee vielleicht gar nicht so wahnsinnig ist. Vielleicht ist das genau das, was Beetee geplant hatte! Denn wieso sonst hatte er den Draht, der immer noch mit dem Baum verbunden ist, so kurz vor dem Kraftfeld abgerollt?
So schnell sie kann wickelt sie den Draht wieder von dem Ast ab und greift nach einem ihrer Pfeile. Sie weiß, dass diese aus Metall sind und sie nur einen Versuch hat, das zu tun, was getan werden muss. Es mag wahnsinnig sein und weit hergeholt, aber es wird wahrscheinlich funktionieren. Und wenn sie das Kraftfeld in die Luft sprengt, dann sind sie frei. Sie sind frei aus der Arena. Und sie zeigt Snow, dass sie das hier nicht mit sich machen lassen. Dass sie sich wehren und nicht kampflos untergehen.
Mit zittrigen Händen wickelt sie den Draht um ihren Pfeil und richtet sich dann auf. Sie legt den Pfeil ein und richtet ihn dann in den Himmel, genau dort, wo sie das Kraftfeld vermutet. Es kann sich nur noch um wenige Sekunden halten, dann wird es so weit sein.
Zwischen den Büschen sieht sie Finnick hervorkommen, der sich hektisch umsieht und erleichtert wirkt, als er Narie entdeckt.
»Oh, zum Glück geht es dir gut! Ich habe schon überall nach dir- was tust du da?«, fragt er sie verwirrt, als er Narie mit dem Pfeil sieht. Er blickt in die Richtung, in die der Draht verläuft und versteht, was sie dort vor hat.
»Narie, komm von dem Baum da weg und lass den Mist!«, warnt er sie und Narie kann die Panik in seiner Stimme hören. Über ihr beginnt es zu knistern und sie wirft einen entschuldigenden Blick zu Finnick. Dieser will gerade einen Schritt näher auf sie zukommen, als es blitzt.
»Narie, komm da weg!«, fordert er erneut, dieses Mal deutlich energischer und ängstlicher. Narie sieht, dass er ihr näherkommt, doch in diesem Moment schlägt der Blitz in dem Baum ein und sie lässt die Sehne ihres Bogens los.
Als der Blitz in den Baum einschlägt wird Narie von der Druckelle von den Füßen gerissen und durch die Luft geschleudert. Um sich herum sieht sie nur noch, dass sich der künstliche Himmel auflöst und das Dach der Arena beginnt in sich zusammenzustürzen, dann wird alles um sie herum schwarz.
Als Narie wieder aufwacht tut ihr alles weh. Ihr Arm brennt und sie spürt eine harte Unterlage, auf der sie liegt. Alles um sich herum bewegt sich. Narie braucht einen kurzen Moment, um zu verstehen, dass sie sich in einem fliegenden Objekt befindet und ihr nicht der Schwindel einen Streich spielt. Narie richtet sich vorsichtig auf die Unterarme auf und sieht Beetee neben sich auf einer weiteren Liege liegen.
Verwirrt sieht sie sich um. Wo zur Hölle ist sie?
Narie schwingt die Beine von der Liege und richtet sich nun komplett auf. Ihre Beine fühlen sich wackelig an, aber sie läuft trotzdem einige Schritte. Narie sieht sich aufmerksam um und versucht etwas über ihre Umgebung herauszufinden, als eine Stimme in ihr Ohr dringt, die ihr nur allzu bekannt vorkommt.
»Finnick?«, fragt sie laut und tritt daraufhin durch die Tür, die sich vor ihr befindet. Sofort sieht sie die meergrünen Augen und die karamellblonden Haare von Finnick und läuft auf ihn zu. Sie fällt ihm in die Arme und er erwidert ihre Begrüßung ebenso stürmisch. Sein Griff um sie ist fest und es wirkt so, als würde er Angst haben, dass sie wieder verschwindet, wenn er sie nicht fest genug greift.
»Was ist passiert?!«, fragt Narie ihn geschockt. Finnick löst sich kein Stückchen von ihr, als er ihr antwortet.
»Du bist in Sicherheit. Alles wird gut.«, meint er und realisiert nicht, dass er Naries Frage damit kein Stück beantwortet hat. Ein Räuspern reißt sie aus ihrer Umarmung mit Finnick und lenkt ihre Aufmerksamkeit auf eine Person, die sie bisher noch nicht gesehen hatte.
»Blight!« Auch Blight und Narie fallen sich in die Arme, dann allerdings fällt Naries Blick auf eine Person, die hinter ihm steht und sie erstarrt.
»Was ist hier los? Was macht der hier?«, fragt sie kalt und sieht Plutarch mit einem finsteren Blick an. Er steht dort in der Ecke, unschuldig dreinblickend und so als würde er keiner Fliege etwas zuleide tun können. Einzig und allein Finnick und Blight hindern sie daran, sich sofort auf den Spielmacher zu stürzen, der immerhin dafür verantwortlich ist, dass mehrere ihrer Freunde und Verbündeten gestorben sind.
»Wir konnten dir nichts sagen, weil dich Snow die ganze Zeit beobachtet hat!«, meint Blight eindringlich, als sich Narie gegen seinen Griff wehrt, der sie daran hindert auf Plutarch loszugehen. »Es war besser es dir zu verschweigen.«
Narie sieht ihren langjährigen Freund verwirrt an und versteht noch immer nicht richtig, was hier eigentlich vor sich geht. Sie weiß nur, dass sie dringend eine Antwort braucht, bevor sie noch di Geduld verliert. Denn tief in sich drinnen spürt sie die Wut, die sich langsam aber sicher einen Weg nach oben bahnt und nur noch ausbrechen muss.
»Wovon zur Hölle redest du?«, fragt Narie deshalb mit Nachdruck und sieht Blight und Finnick eindringlich an. Blight kann erkennen, dass Naries Geduld sich dem Ende neigt und räuspert sich.
»Wir hatten einen Plan: Dich aus der Arena herauszuholen.«
»Und wieso verdammt?«
»Für die Revolution. Du bist der Spotttölpel.«, mischt sich Plutarch ein und Narie sieht ihn verwirrt und gleichzeitig auch wissend an. In ihrem Kopf verschwimmt das Bild, das sie bis eben noch von dem eiskalten Spielmacher hatte und nichts ergibt mehr Sinn für sie. Doch was scheinbar Sinn ergibt ist, dass sie gemeinsam irgendwo hinfliegen. Und das nicht als Gefangene, sondern als ein Team. Und wenn Plutarch sich mit den Tributen verbrüdert, dann kann er nicht so treu dem Kapitol ergeben sein, wie er es immer getan hat. Als Narie dies realisiert fällt ihr etwas ein, das ihr schon eher hätte bewusst werden müssen: Sie hat keine Ahnung, wohin sie fliegen.
»Wo sind wir?«, fragt sie deshalb direkt nach und Plutarch lächelt leicht. Er erkennt, dass Narie langsam versteht, was hier vor sich geht.
»Wir sind unterwegs nach Distrikt 13.«, erklärt er und sieht, dass Narie ihn völlig geschockt ansieht.
»13? Ich dachte Distrikt 13 wäre vernichtet worden.« Auf den Gesichtern der anderen sieht sie, wie sehr sie damit nur falsch liegen könnte und verzieht das Gesicht. Was alles hatte man ihr noch verschwiegen? Was kann sie noch glauben und was nicht?
In diesem Moment wird ihr allerdings etwas bewusst: Sie hatte Beetee gesehen. Finnick und Blight befinden sich ebenfalls hier. Johanna muss sich ebenfalls hier in der Nähe aufhalten, sonst wäre Blight mit den Nerven völlig am Ende. Doch das sind noch lange nicht alle Tribute, die hier anwesend sein könnten.
Narie hat fast schon Angst, als sie zu sprechen beginnt, um ihre nächste Frage zu stellen. »Wo sind Marvel und Haymitch?« Stille breitet sich im Raum aus und Narie kann auf Finnicks Gesicht erkennen, dass ihr die Antwort sicherlich nicht gefallen wird, denn er verzieht mitleidig das Gesicht. Auch, wenn er weiß, dass sich Marvel von der Gruppe getrennt hatte, wusste er, weshalb er dies tat. Er wollte nur nicht, dass Narie vor seinen Augen stirbt. Oder sie ihn töten muss. Dafür bedeutet sie Marvel zu viel. Und umgekehrt weiß Finnick auch, wie viel Marvel Narie bedeutet. Sie wird sich für immer schuldig dafür fühlen, dass er ihr das Leben gerettet hatte. Und zusätzlich sind die beiden trotz ihres seltenen Kontaktes gute Freunde geworden. Das wird Narie nicht einfach so ignorieren können.
»Die Aufspürer sind noch in ihren Armen... Haymitch hat deinen rausgeschnitten.«, beginnt Blight leise und Naries Gesichtsausdruck verfinstert sich. Sie kann sich denken, dass die nächsten Worte, die Blight aussprechen wird, nicht die sind, die sie hören möchte.
Blight widerum zögert und Narie sieht ihn fast schon genervt an. Dann allerdings wird ihr Blick auffordernd: »Wo sind sie? Spucks aus!« Blight seufzt.
»Im Kapitol.«
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