XXI: blackout

"Hau mir bitte nicht auf die Finger", jammerte er und schloss die Augen, während er den Stacheldraht an den Holzpfosten hielt.

Kopfschüttelnd, zog sie mit dem Hammer schon aus, doch ihr Arm sank wieder, als Rob um mehrere Zentimeter verrutschte und ihr der Nagel aus den Fingern rutschte. Geradewegs in das Gras fiel.

"Warum vertraust du mir denn nicht", zupfte sie etwas das Gras zur Seite, bevor sie sich absichtlich gegen ihn lehnte. Stolz in Händen nun das silberne Metall haltend, welches in späterer Folge den Zaun am Holz halten sollte. Und das bis zum Ende des Herbstes.

"Ich glaube, wir kennen uns noch nicht so ewig, dass ich hierbei Erfahrung haben sollte", lächelte er leicht unschuldig.

Sally dachte kurz nach. Es gab viele Dinge in gewisser Hinsicht, was er dabei meinen könnte, doch war es eindeutig die Angst, er würde mit einem blauen Finger wieder nachhause gehen.

"Wie, ist das so ein Vorurteil wie, dass Frauen nicht einparken können?"

"Hey", verteidigte er sich und boxte ihr leicht auf die Schulter, "so etwas habe ich nie gesagt. Du schnappst das nun wirklich falsch auf."

Gespielt beleidigt, setzte sie wieder an der Stelle von vorhin an. Ein Auge zusammengekniffen und auf die Zunge gebissen mit den Lippen. Rob hielt nur stumm und sah ihr zu, wie sie anvisierte und nun einen gezielt Schlag setzte. Doch anstatt den nächsten unmittelbar danach zu tätigen, ließ sie den Hammer fallen und klammerte sich an Bourdon, der nun etwas überwältigt in das knöcheltiefe Gras fiel.

Sally gab immer wieder leise gehauchte Quietschgeräusche von sich, während sie sein Shirt immer noch krampfhaft in ihre Finger krallte.

"Du hast dir doch nicht ernsthaft..."

Rob brach in mitten seines Satzes ab, da er glaubte, dass es nicht wirklich sinnvoll war, sie nun das zu fragen.

"Gregory", hauchte sie und begann etwas verträumt zu blinzeln, "ich seh' Sterne, ist das normal?"

Mit einem Ruck, hatte er sie auf seine Hände gehoben und sah sie kurz an. Schmerzend krümmte sie sich zusammen und umklammerte die verletzte Hand fest.
"Ich seh' auch Sterne", setzte er sich langsam in Bewegung, "aber gewöhnlich nur nachts. Vielleicht ist das so eine besondere Gabe von dir."

Ein kurzes Lachen kam ihm entgegen, bevor sie sich an ihn kuschelte, sichtlich am Ende ihrer Kräfte und blass wie der Schnee auf den Bergen. Ihre Haarspitzen zitterten leicht.

Vorsichtig legte er sie auf die Bank vor dem Haus und schnappte sich die Teller, die immer noch dort vom Mittagessen standen, nachdem er ihr die Jacke übergeworfen hatte, die er noch im Traktor gefunden hatte. Dieser stand noch an der Stelle, wo Rob ihn hingefahren hatte. Die Teller nahm er mit nach drinnen und begann das Gefrierfach des Kühlschranks zu durchsuchen, bis ihm einer dieser blauen Kühlbatterien entgegen leuchtete. Genau das, was er brauchte.

Sichtlich erfreut über seinen Fund, rannte er sichtblind und gedanklich online durch den Flur. Geradewegs auf den Türrahmen zu, der sich auf seiner Augenhöhe befand.
Als er das erste Mal durch diese Tür gegangen war, hatte er sich schon gedacht, dass dies einmal passieren würde. Nun war sein Verdacht in Kraft getreten.

Mit einem kurzen Schrei, fiel die Kühlbatterie vor ihm auf den Boden und schlitterte mehrere Zentimeter von ihm weg. Rob legte nur eine Hand auf seine Stirn, wobei er sich schier die ganze Sicht verdeckte. Mit der anderen Hand, versuchte er sich langsam zur Bank zu tasten, worauf er glaubte sich nicht getäuscht zu haben, ein kurzes Gregory vernommen zu haben.

Schwer ließ er sich fallen und sog scharf die Luft ein, bevor er die Hand abnahm und nur ein paar braune Augen vor ihm sah. Diese musterten ihn zuerst gespannt, bevor ihre Aufmerksamkeit​ danach von etwas ganz anderem auf sich gezogen wurde. Er spürte, wie ein paar Haare, die vorhin an seiner Haut geklebt waren, aus dem Weg gezogen wurden und nun einen ziehenden Schmerz, der nicht von ungefähr kam. Kein Wunder, wenn Sally mit vollster Kraft seine klaffende Wunde zusammenhält.

Danach rannte sie, leicht schwankend in das Haus und kam mit weißen dünnen Streifen wieder zurück, die Bourdon noch unbekannt waren. Doch er konnte sich ausmalen, was sie bewirken sollten. Hatte vor nicht allzu langer Zeit Mike solche an seiner Hand getragen, als das Kochen mit Anna und Messer etwas schief gegangen war.

Mit geschickten Handgriffen waren diese platziert und sie ließ sich nun etwas kraftlos neben ihn nieder. Nun war es an Rob, sich zu revanchieren und er stand auf, um die Kühlbatterie, die eigentlich für sie bestimmt gewesen war, aufzuheben.

Er machte es ohne Umschweife, wickelte das blaue, eckige Plastik mit gefrorenen Gefriermittel in den Jackenstoff, eher er es ihr übergab. Sichtlich froh darüber, dass nun jemand da war, lächelte sie ihm entgegen, was er nur entgegnen konnte. War es doch mehr als nur liebenswert und konnte er kaum anders, als selbst zu lächeln.

"Du Gregory?", lehnte sie schon mehrere Minuten an seiner Schulter, die Beine angezogen und knapp davor, wegzuschlafen, "wie hast du das vorhin gemeint, mit dem nicht so lange kennen?"

"Was meinst du", grübelte er kurz.

Sie drehte sich leicht, damit sie zu ihm aufsehen konnte, da sie ihn diese Aussage nicht wirklich glaubte: "Das war vor knappen zehn Minuten. Sag jetzt nicht, dass du dich nicht mehr erinnerst."

"Der Zusammenstoß mit dem Türrahmen hat mir schon ein paar Sternchen bescherte", schmunzelte er, "ich bin gerade etwas weggetreten."

Leicht seufzend, rückte sie wieder an ihre vorherige Stelle: "Wenn du mich noch nicht wirklich kennst, warum hast du mich dann geküsst?"

Ein kurzes Lachen entkam Rob, da er sich unlängst selbst diese Frage gestellt hatte.
"Ich kann dir darauf keine Antwort geben", spürte er, wie sie erneut seufzte und fügte noch hinzu, "nicht weil ich so ein Macho bin, der sich in jedem anderen Ort ein anderes Mädchen sucht, sondern weil ich wirklich in meinen inneren keine Antwort finde. Ich musste es irgendwie tun."

"Und warum musstest du es tun?", betonte sie das Müssen im wiederholten Satz.

"Weil du so wunderschön bist. Hätte ich es nicht getan, wäre ich wahrscheinlich​ gestorben."

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