XX: pretend to be
Eine monströse Maschine leuchtete in Rot ihm entgegen und raste um die Ecke, bevor sie mit quitschenden Reifen, knappe zwei Meter vor Rob, zum Stillstand kam. Mit schnatternden und knarrenden Geräuschen verstummte der Motor und ein rötlicher Lockenkopf lugte aus der offenen Tür, bevor sie heraussprang und Rob entgegen lächelte. Wenn sie nun so dastand, war der Hinterreifen des Traktors knapp größer als sie, was ihn kurz staunen ließ.
"Hey Gregory", lächelte sie und kam auf ihn zu. "Schön, dass du gekommen bist."
Alles, was Bourdon nur zustande brachte, war, auf die Maschine zu zeigen und dann sie anzusehen. Diese Geste wiederum, ließ sie erneut lachen und kurz anmerken: "Du kannst gerne danach fahren, ist nicht wirklich schlimm."
Sie wedelte mit ihrer Hand vor seinem Gesicht herum, der anscheinend immer noch in einer Starre verharrte. Rob zuckte zusammen und musste nun über sich selbst lachen. Wie ihn doch nur so eine kleine Sache aus dem Konzept bringen konnte.
"Du hast es wirklich wunderschön, muss ich schon zugeben", bewunderte er erneut die Landschaft. "Ist auch nicht leicht zu finden gewesen."
Sie schmunzelte und musterte kurz ihre Schuhspitzen, bevor sie zum Haus deutete: "Hast du Hunger, ich wollte gerade etwas essen gehen."
Rob nickte kurz und sah ihr zu, wie sie ins Haus lief. Er folgte nur langsam und etwas zurückhaltend, da er nicht wirklich das Haus betreten wollte. Ohne sie.
"Komm rein und lass bitte die Schuhe an!"
Damit hatte sie ihn gerade dabei ertappt, wie er schon aus einem geschlüpft war, worauf er den zweiten nun auch auszog. Als er mit dem Kopf in den Raum lugte, bekam er nur ihren Rücken zu sehen und hatte auch schon ein Teller unter die Nase gehalten, auf welchem eine Portion dampfende Nudeln mit Gemüse platziert waren und geradewegs eine Gabel darin stach.
"Es tut mir leid, wenn du Fleisch magst, aber ich bin nun mal Vegetarierin."
Rob entkam nur ein kurzes Lachen und ließ ihr den Vortritt, worauf er hinzufügte: "Ich hab damit ein großes Problem, weil ich ja selbst einer bin."
Lächelnd ließ sie sich auf der Holzbank vor dem Haus nieder und gleich neben ihr Rob. Stillschweigend saßen sie da und aßen vor sich hin, bis beide geschlagen die leeren Teller übereinander stapelten und zur Seite stellten. Sie ließen ein paar Sekunden vergehen, bevor Robs Blick zu ihren Armen fiel, auf denen sich ein paar Kratzer verzeichneten. Er wusste, was dies bedeuten könnte, wollte sie aber darauf nicht wirklich ansprechen. War es doch ein heikles Thema.
"Ich bin mit der bloßen Hand in den Stacheldraht gefahren", bemerkte sie auf seinen Blick und rieb sich über die Wunden. "War nicht so wirklich schlau."
"Was machst du dann, wenn du nicht am Schlagzeug sitzt?"
Natürlich hatte sie auf so eine Standardfrage schon gewartet und sich vorhin beim Arbeiten die Worte schon zurecht gelegt: "Ich bin eigenständige Landwirtin. Glaubt man kaum bei der Größe, aber ich schaukle die Viehwirtschaft schon irgendwie."
"Ganz alleine?"
Kopfschütteln kam ihm entgegen: "Meine Eltern helfen noch mit, die sind aber derzeit nicht zuhause, in der Stadt."
Ein kurzes Nicken kam von seiner Seite und es wurde wieder still. Genoss er doch die Stille, die er nie so wirklich in dieser Form erlebt hatte. Wie der Wind sanft die Gräser wiegte. Er abschalten konnte.
"Und warum nochmal, hast du in den Zaun gegriffen", deutete er auf ihren Arm. "Das macht man doch nicht einfach so."
"Mit den Gedanken wo anders und dann", zeigte sie ihre Handlung gestikuliert und Rob kniff kurz die Augen zusammen.
Bourdon konnte sich vorstellen, wie weh dies getan haben müsste, war aber auch überrascht über ihre Stärke, über solche Kratzer zu stehen. Waren Frauen doch sonst sehr schnell schmerzempfindlich, welche er gekannt hatte. Nun sah er eine ganz andere Seite dieser Spezies.
"Kann ich dich mal was fragen, Gregory?", wirkte sie leicht verlegen und nicht mehr so sicher wie vorher.
Rob nickte nur und fand es wirklich amüsant, da sie ihn Gregory nannte, doch er glaubte daran, dass sie schon ihre Gründe dafür haben wird. Außerdem fand er es auch irgendwie süß, wie sie es aussprach.
Ihre Verlegenheit wuchs in ihr und scheint ihre Wort kaum aussprechen zu lassen, worauf sie an ihrer Unterlippe zu kauen begann. Rob legte ihr einen Arm um die Schultern und drückte sie leicht an sich, als kannten sie sich schon jahrelang: "Jetzt sag' es doch einfach. Ich bin nicht bissig."
Nach dem kurzen Lachen überwand sie sich letztendlich: "Hast du heute Zeit?"
"Zeit für was?"
Sie sah zu ihm auf: "Mir vielleicht zu helfen?"
"Gerne", nickte Rob lächelnd. "Wenn ich es schaffe, wirklich gerne."
Mit einem Handgriff drückte sie ihm die Schlüssel der Maschine in die Hand und er wurde leicht blass.
"Glaubst du, dass das wirklich so eine gute Idee ist?", zweifelte der Schlagzeuger an sich selbst und saß nun vor dem Steuer. Auf zwei kleinen Stahlarmen war eine Metallkiste in Grün angehängt, in welcher mehrere Holzpfosten, aufgerollter Stacheldraht und ein kleines weißes Kübelchen mit U-förmigen Nägel stand.
"Jetzt hör' auf an dir zu zweifeln", versuchte sie ihn vom Beifahrersitz links von ihm, zu überzeugen. "Es ist wie Autofahren, nur langsamer."
Rob schüttelte den Kopf, startete aber trotzdem, da er irgendwie wusste, dass er nicht von dem Sitz kam, bevor er gefahren war. So blieb ihm nichts anderes über, was im Nachhinein doch mehr Spaß gemacht hatte, als geglaubt.
Souverän vor dem Haus umgedreht und nach Sallys Angaben den Feldweg entlang, von welchem er die Hälfte des Weges schon hinter sich gelassen hatte, verschaffte sie ihm einen Schockmoment.
"Eigentlich muss man dafür einen Führerschein haben."
"Was?!", stieg er fast vor Schreck auf die Bremse. "Warum hast du mir das nicht gesagt?"
"Weil man auf Privatstraßen keinen braucht", kicherte sie und fing sich ein Augenrollen von ihm ein, bevor sie ihm deutete, anzuhalten.
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