III: points of authority

Mit einem tiefen Seufzer ließ Mike sich direkt neben Rob an die Wand gelehnt, nieder und starrte an die Decke. Er musste seine Gedanken zusammensammeln. Anders würde er keine wirklich sinnvollen Sätze hervorbringen können.

Was hat er sich auch in das ganze einmischen müssen. War es doch einer seiner schlechten, kaum vorkommenden Tage gewesen. Er wusste nicht einmal mehr richtig, was er alles zu Bourdon gesagt hatte. Mike hatte nur noch den Schuljungenblick im Kopf. Also waren es nicht die sanftesten Worte gewesen.
Im Nachhinein, hatte Mike nie das Recht dazu gehabt, über ihn so zu urteilen. Über beide zu reden. Als wären ihm Gefühle gleichgültig. Doch das weitaus schlimmere, für Mike, war, dass Chester nichts davon wusste, wie er mit Rob umgegangen war. Eine​ Standpauke, von der er Angst hatte.
Wo Mike sonst immer zu Chester gehen konnte, der ihm immer ein offenes Ohr schenkte. Chester war dieser wirkliche Typ Freund, der mit einem durch dick und dünn ging. Jeden Blödsinn Backstage trieb. Und auch mal durch halb München lief, wenn nicht genug aufgepasst wurde, was Verkleidung und Versteck anbelangt. Ein richtiger Freund eben.

Doch wenn es um solche Sachen ging, die bandintern als kleine Streitereien unter der Akte ohne Diskussion abgeheftet war, was bei ihnen schier nie vorkommt, war Chester ernst. Da verstummte sogar Brad, dem es nicht gefiel, nicht das letzte Wort zu haben.

Mike atmete tief durch und sah dann zu Rob, der noch immer in seinen salzigen Tropfen ertrank. Shinoda legte nur einen Hand auf die Schulter seines Freundes, der nur kurz zusammenzuckte. Mike machte nicht eine lockere Hand, wie es meist der Fall war. Er klammerte sich leicht kräftig an die Schulter und zeigte damit, wie verdammt ernst er es meinte. Wie schwer es ihm viel, sich zu entschuldigen und einzusehen, nicht geglaubte Grenzen überschritten zu haben.

"Willst du mit mir reden?"

Bourdon schniefte kurz und sah mit einem leicht missbilligen Blick über die Schulter: "So wie letztes Mal? Dass ich danach mich fühle, als wäre ich einen klitzekleinen Zentimeter groß, als du mich niedergemacht hast?"

"Nein", kam es aus der Pistole geschossen, "ich habe Fehler gemacht, ja. Aber die kann ich nicht mehr ungeschehen machen."

Rob sah Shinoda nur an, als wäre er mit dieser Art von Entschuldigung, wenn sie auch nur angedeutet war, nicht zufrieden. Hatte er doch das ganze Leben des Schlagzeugers zu Schut und Asche niedergebrannt mit ein paar simplen Sätzen. Dieser Satz war zu wenig, um alles wieder aufzubauen.

"Du kannst mich anschreien, mich schlagen, mir weh tun. Egal was Rob, ich werde nichts sagen. Ich nehme alles auf mich, tue alles, ertrage alles was sein muss, damit ich hier nicht sitzen muss und mit mir Selbstgespräche führe. Ich will nicht wissen, dass da jemand neben mir sitzt, mit dem ich in einem Hotel schier übereinander übernachtet habe, da wir keinen Platz gehabt haben, und nichts mit mir redet. Dass er mich für meine verfluchte menschliche Seite ignoriert", setzte Shinoda kurz ab, um sich selbst zu sammeln, "ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe, dass ich dich mehr als nur ein bisschen im Innern verletzt habe. Dass ich nie das Recht hatte, dich zu Entscheidungen, die du nicht getroffen hättest, getrieben zu haben. Also bitte nimm meine Entschuldigung an. Ich ertrage es nicht, von dir auf die kalte Schulter genommen zu werden und dass du mich hasst. Tief in deinem innersten auslachst für diesen elenden Versuch, wieder etwas​ zu heilen."

Mike war nun zu überwältigt, noch etwas zu sagen. Sein ganzes Herz hatte gesprochen und ihm Tränen in die Augen getrieben. Tränen, die er nicht mehr zurückhalten konnte.

Neben ihm begann sich langsam jemand zu rühren. Er drehte sich zu Mike, der nur auf den Boden starrte und seinen Tränen nachsah, die im Teppich, auf dem sie saßen, verschwanden.

"Mike", hauchte er. Seine Stimme war vergleichbar mit Chester nach einem Konzert oder ähnlichem. Völlig heiser aber noch genug vorhanden, um doch sprechen zu können. Shinoda gab die Schuld dem Blutverlust, der immerhin bei diesen aufgefetzten Handflächen nicht minimal ausgefallen sein müsste.

"Hilfst du mir?"

Beide mit gläsernen Augen die schimmerten, als wären sie der Sternenhimmel höchst persönlich. Shinoda nickte hastig, festigte den Griff an der Schulter von Rob, der sich nun, ohne Einsatz seiner Hände, zu Shinoda drehte.

"Ich will sie nicht verlieren", kam es noch leiser und überwältigt. Rob war am Ende. Seiner Kräfte sowie seines seelischen Zustandes. Er wollte nur in ihre Arme, ihren Herzschlag spüren und seine Nase in den weichen Locken vergraben. Ihr Englisch hören, welches ihm immer wieder ein Lächeln auf die Lippen gezaubert hatte. Ein Lächeln, welches er nun allzu brauchte.

"Was kann ich tun", fand Mike zu seiner Stimme und musterte Bourdon immer noch leicht besorgt. Mit der Angst, der Blutmangel würde ihn gleich bewusstlos werden lassen.

Als Rob ihm deutete, ihm aufzuhelfen, sprang Shinoda auf und zog seinen Freund auf die, wenn auch wackligen Beine. Bourdon konnte sich schwer irgendwo abstützen, worauf nun Mike sich entschloss, einmal den Ton anzusagen. Diesmal mit sorgfältig gewählten Worten.

"Wir fahren ins Krankenhaus", griff er ihm unter die Arme, "du brauchst Blut."

Rob öffnete nur den Mund, verzog ihn aber bei der ersten Handbewegung mit dem Gesicht in eine schmerzverzerrte Miene.

"Ich glaube", lächelte er leicht und musste sich nun Mike geschlagen geben, "du hat recht."

"Dann lass uns keine Zeit verlieren", war Shinoda guter Dinge, worauf er Rob ein wenig überraschte, der sich aber mehr als nur ein wenig diesem Gedanken anschloss.

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