Kapitel 32: Abschied und Aufbruch

„Und du bist dir sicher, dass ich dich nicht zum Flughafen bringen soll?"

Kay klang verletzt als er sich vier Pommes gleichzeitig in den Mund schob.
„Das ist lieb Kay aber will vorerst nicht, dass irgendwer weiß, wohin ich fliege."

„Ich würde ihm nichts verraten! Ehrenwort"

Ich schmunzelte als er sich mit seiner Hand an sein Herz fasste.

„Kay das weiß ich grundsätzlich. Aber ich weiß auch wie überzeugend Eric sein kann und ich brauche wirklich einen Neuanfang."

Kay nickte kurz und grinste mich anschließend breit an.

„Aber ich bin nicht in ihm verliebt zu wie du!"

Einer meiner Mundwinkel zuckte verdächtig. Kay fuhr sich durch die Haare und atmete laut aus.
„Wie du willst! Ich respektiere deine Entscheidung."

Schmollend biss er von seinem Burger ab.

„Kay wir schreiben ganz viel."
Wollte ich ihn aufmuntern. Meine neue Handynummer besaß nur er und meine Eltern.

„Das ist aber nicht das selbe."

„Ich weiß und ich verspreche dir, dass ich dich ganz bald besuche, sobald das alles vorbei ist."

„Glaubst du wirklich das er dich so schnell vergessen wird, wenn du weg bist."

Ich seufzte auf.

„Keine Ahnung. Ich habe die Hoffnung. Denn das wäre das Beste für ihn und auch für mich."

„Da machst du es dir leider zu einfach Cup. Er liebt dich abgöttisch. So wie er noch keine andere geliebt hat. Ich habe ihn noch nicht mal so bei meiner Schwester gesehen."

Ich zog die Augenbraue hoch.

„Fast hätte ich vergessen, das er mal was von seiner besten Freundin wollte."

„Es ist auch egal, was er will. Es muss jetzt mal um mich gehen."

Kay nickte gedankenverloren und wir aßen unser Essen auf. Anschließend fuhr er mich zurück zu meinem Wohnheim. Das würde jetzt die letzte Nacht sein, die ich hier verbringen würde.
Kay hatte Tränen in den Augen und versuchte sie unauffällig weg zu wischen.

„Ich werde dich sehr vermissen"
Ich lag in den Armen meines besten Freundes und drückte ihn feste an mich.

„Ist es zu spät dich zu bitten, hier zu bleiben."

Traurig sah ich ihm in die dunkel grünen Augen.

„Es tut mir leid Kay. Ich wünschte es wäre anders."

Als wir uns voneinander trennten, versteckte er seine Tränen nicht. Wieder bildete sich ein fetter Klos in meinem Hals und ich hätte zu gerne alles raus gelassen. Doch es kam einfach nichts.
Ein letztes Mal fuhr er ganz vorsichtig über das neu gestochenen Tattoo an meinem Hals.

„Ich bereue es nicht, falls du dich das fragst!"

Er schmunzelte und nahm Abstand.

Am Eingang meines Wohnheimes drehte ich mich nochmal um, zeigte auf mein neues Tattoo und winkte ihm zu.

Erst im Haus, ließ ich meine Fassade fallen  und schlenderte traurig die Flure zu meinem Zimmer entlang.

**

Mit meinen Reisekoffer und meiner Tasche stand ich vor der letzten Wohnung. Nachdem ich alles an der Uni erledigt hatte. Wollte ich mich von den anderen in einem Brief verabschieden. Sogar von Blake.

Das Wetter meinte es nicht gut mit mir und so regnete es kontinuierlich auf mich herab. Da schützte mich die Kapuze meines Wollpullis wenig.
Gerade als ich den zweiten Brief in den Postkasten bei Blake und Yara eingeworfen hatte, öffnete sich die Haustür des Mehrfamilienhauses.

Ich hob den Kopf an und traf auf den Blick meines Zwillings. Wir beide zuckten zusammen und erschraken uns voreinander.
Ich war die Erste die etwas sagte.

„Ich bin wieder weg und habe nur kurz etwas bei euch eingeworfen."

Ich bemühte mich um ein Lächeln, doch das wollte nicht wirklich auf mein Gesicht treten.

„Wo gehst du hin?"
Blake deutete auf meine Koffer. Seine Stimme war neutral bis heiser und das erste Mal nicht so aggressiv mir gegenüber. Er war einfach nur neugierig.
Nervös trat ich von einem auf den anderen Fuß.

„Weg! Ich verlasse die Universität."

Überrascht zog er die Augenbrauen hoch und ich rollte etwas verärgert mit meinen Augen.

„Tu nicht so überrascht. Das ist doch genau das was du die ganze Zeit wolltest."

Damit machte ich auf dem Absatz kehrt und lief zur Straße um mir erneut ein Taxi zu bestellen. Meine Tränen waren kurz vorm überlaufen.
Doch kurz darauf hörte ich seine Schritte und meinen Namen rufen.

„Leana warte. Kann ich dich fahren?"

Wütend schüttelte ich meinen Kopf und lief weiter. War das sein Ernst? Wollte er mich weiter demütigen und verarschen?

Innerlich kochend kreuzte ich meine Arme und sagte nichts. Vielleicht würde er einfach gehen und dann hätte ich wieder meine Ruhe.
Die feinen Regentropfen landeten auf meinem Kopf und es war still.

„Du wirst krank hier im Regen und wartest wahrscheinlich ewig auf ein Taxi. Die kommen hier selten vorbei."

Immer noch blieb ich still.

„Du musst auch nicht mit mir reden. Ich fahre dich nur zum Flughafen und danach sehen wir uns eh nie wieder. Bleib einfach hier stehen."

Blake holte sein Auto und half mir anschließend meine Sachen in seinen Kofferraum zu verstauen. Wortlos und ohne Wahl, stieg ich ein.

„Welcher Flughafen?"

„JF Kennedy"
Antworte ich knapp und er fuhr los.
Wir kamen in einen dicken Stau und Blake stöhnte leise auf. Da ich wusste, das um diese Zeit viel los wahr in New York, hatte ich mich extra früh auf den Weg gemacht.

Blake hupte aber wir bewegten uns gerade keinen Millimeter.
Ich spürte eine ganze Zeit seinen Blick auf mir, bis ich ihm geradewegs in die Augen sah.

„Mach ein Foto zur Erinnerung, dann hast du länger was zum starren, falls du mich vermissen solltest."

Blake rollte die Augen und sah wieder nach vorne. Erneut haute er frustriert auf die Hupe.

„So wird das nichts. Damit kommen wir auch nicht schneller vorwärts. Aber ich kann mir auch ein Taxi rufen. Dann wärst du mich schon früher entgültig los."

Zornig fühlte ich wieder seinen Blick auf mir.

"Was willst du von mir Leana?"

"Gar nichts. Du bist ein Feigling!"

Er war gerade angefahren und drückte sofort wieder auf die Bremse. Mein Oberkörper schnellte nach vorne und wurde von dem einschneidenden Gurt gebremst!
"Was hast du gesagt?"

"Das du ein Feigling bist."

"Du kennst mich nicht."

"Eben! Du kennst MICH nicht! Anstatt mich kennen zu lernen und dann einen Vergleich zu unserer biologischen Mutter zu ziehen, verurteilst du mich vom ersten Moment wo du mich siehst.
Nur weil ich ein paar äußer Ähnlichkeiten mit ihr habe. Ich kenne diese Frau gar nicht."

"Es sind nicht nur ein paar Ähnlichkeiten!"

"Und was spielt das für eine Rolle. Meinst du nicht das ich mich Charakterlich ganz anders entwickelt habe, weil ich nicht unter ihrem Einfluss stand."

Blake schwieg und umklammerte das Lenkrad fest mit beiden Händen."

"Was willst du hören? Das es mir leid tut, wie ich dich behandelt habe? Ja okay, es tut mir leid. Aber du weißt nicht wie es war dort aufzuwachsen ohne Liebe und nur mit Druck. Ich hatte alles und auch nichts. Du dagegen wurdest von lieben Eltern großgezogen, die alles für dich tun würden. Meinst du das ist leicht dich jeden Tag zu sehen und dann noch meine Mutter in dir zu sehen?"

Ich schüttelte mit einem sarkastischen Lächeln meinen Kopf.

"Du tust mir ehrlich leid. Dein ganzes Leben beruht nur auf Unsicherheiten deiner Vergangenheit. Anstatt zu erkennen, was du alles hast, wie weit du gekommen bist und die Menschen zu schätzen die dich lieben. Hast du nur einmal bedacht, dass ich vielleicht mehr gemeinsam habe mit dir, als mit unserer Erzeugerin.
Das ich bin wie du und die selben Dinge mag? Aber stattdessen verbitterst die in deiner Vergangenheit, deinen Fehlern und Sorgen."

Blake sagte erst nichts mehr darauf.
Ich sah weiter stur aus dem Seitenfenstern und hoffte das diese Fahrt bald ein Ende hatte.

"Was ist deine Lieblingsfarbe?"

Irritiert hob ich meinen Kopf. Nach zehn Minuten des Schweigens hatte er mir diese einfache Frage gestellt.

"Blau."

Überrascht hob er eine Augenbraue.

"Deine?"

"Auch."

Erneut stelle Blake mit eine Frage.

"Was ist dein Lieblings Tier?"

Ich stöhnte laut auf.

"Beantworte einfach die Frage ja?"

"Ich liebe Hunde. Zuhause bei meinen Eltern wartet meine Labradorhündin. Sie heißt Nala."

"Cool. Ich mag Hunde auch sehr und wollte immer einen haben. Aber natürlich dürfte ich keinen haben."

"Mhh"
Gab ich möglichst desinteressiert von mir.

"Was ist dein Lieblingsessen?"

"Das ist ein wenig sonderbar."

"Egal meins auch, sag schon."

"Ich liebe Natchos, aber nicht die klassischen, sondern die mit Barbecue Geschmack, mit viel Fleisch und Käse und anschließend muss man so Salat und Joghurt darüber kippen."

Blake schluckte feste.

"Ich liebe die auch...es gibt nichts besseres. Aber ich kenne das Gericht nicht."
Es war nur ein kurzer Moment und ich setzte mich gerade auf. Jetzt war auch ich verwundert.

"Deinen Musikgeschmack kenne ich ja schon und ich muss sagen, das ich den auch nicht schlecht finde."

Gab Blake hier gerade zu das sie Zwillingsgemeinsamkeiten hatten?
Ich nickte und verfolgte weiter jede seiner Bewegungen. Wir stellten fest das wir viele Geschmäcker teilten, bei ganz unterschiedlichen Themen. Natürlich nicht alles aber einiges war sehr gleich.

Ich betrachtete ihn heimlich länger, was ich mich vorher nie getraut hatten. Seine Nase sah meiner sehr ähnlich und unsere Lippen waren ganz gleich.
Die geschwungene Form, sogar die Farbe war gleich.
Unsere Augenfarbe ähnelte sich auch auch. An seinem Hals sah ich ein kleines Muttermal mit einer seltsamen Form.
Das kannte ich von meinem Oberschenkel.

Ich hatte genau das gleiche auf meiner Haut.
Ein warmes Gefühl machte sich breit in meinem Bauch.
Es war neu und irgendwie aufregend. Neben mir saß das erste Mal jemand der die selben Gene mit mir teilte.
Sowas kannte ich nicht und ich hätte nie gedacht so etwas je kennen lernen zu dürfen.

Blake war plötzlich ziemlich locker. Erzählte von sich und schönen Erlebnissen mit Yara. Unsere Eltern mied er konsequent in dem Gespräch.
Ich weiß nicht ob er so viel redete um die Stille im Auto zu füllen oder mich wirklich an seinem Leben teilhaben zu lassen, das ich nicht kannte.

Kurz bevor wir den Flughafen erreichten, stellte er eine letzte Frage.
"Ich biete das nur einmal an. Willst du etwas über deine biologischen Eltern wissen?"

Ich musste nicht lange überlegen und schüttelte meinen Kopf.
"Nein. Ich will rein gar nichts über meine Erzeuger wissen, die mich verstoßen haben."

"Gar nichts?"
Fragte er mich und hob verwundet beide Augenbrauen.

"Gar nichts!"
Bestätigte ich ihm.

"Warum nicht?"

"Wieso sollte ich mir dieses Wissen an eigenen, das keinerlei Einfluss auf meine Zukunft hätte. Mein Leben würde trotz der Information einfach weiter so laufen und ich habe ihnen nie etwas bedeutete, also bedeuten sie mir auch nichts."

Blake schwieg und parkte in einem der vorgesehen Parkplätze ein.

"Das gilt aber nicht für dich! Ich habe mich für dich interessiert, schon bevor ich wusste, das du mein Bruder bist."

Blake ging nicht darauf ein und sah mich mit Tränen in den Augen an.

"Sie wollten dich nicht wegen deines Fehlers, deinem kaputten Herz."

"Das wurde komplett behoben. Ich habe nur noch eine nicht besonders schöne Narbe an meinem Rücken."

Blake fuhr sich durch sein Gesicht.

"Das konnte man damals wohl noch nicht absehen."

"Sag mal wie viel weißt du eigentlich über mich?"
Empört kreuzte ich meine Arme vor der Brust.

Er lachte ironisch auf.
"Viel! Ich habe die ganzen Unterlagen in den Regalen meiner Eltern gefunden, als ich eigentlich was ganz anderes gesucht habe."

Ich nickte kurz und starrte noch einen Moment gerade aus, bevor ich wusste das es Zeit war für mich zu gehen.

"Lebewohl Blake."

Mit diesen letzten Worten stieg ich aus und holte selbstständig meine Reisetaschen aus dem Kofferraum.

Doch bevor ich gehen konnte, hörte ich, wie sich seine Autotür öffnete und schloss.
Kurz darauf stand er vor mir. Sah mich unbeholfen an und nahm mich anschließend in seinen Arm.
Eine Berührung die ganz seltsame Gefühle aus meinem Inneren heraus kramte.
Überfordert regierte ich sehr spät, doch schloss dann meine Arme um seine Mitte.
Es fühlte sich richtig an.

"Es tut mir leid!"

Ich spürte seine Tränen an meinem Hals.

"Ich bewundere sich für deine Stärke, aber ich bin nichts so stark. Lebewohl Lea."

Damit löste er sich von mir und stieg wieder ins Auto. Er fuhr nicht weg aber er kam auch nicht heraus.
Endlich löste sich diese eine Träne aus meinem Auge, die es so nötig gehabt hatte in Erscheinung zu treten.
Mein Bruder hatte es geschafft mich nach all den Jahren zum weinen zu bringen...

Okay...

Das war es dann wohl endgültig oder?
Könnt ihr Blake's Entscheidung sich von Leana fern zu halten verstehen?

War das wirklich ihr letztes Wiedersehen?
Was wird aus Kay, Yara und vor allem Eric?

Bald geht es weiter 😀

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