Kapitel 28: Die Schlange und die Maus
Zwei Wochen waren ins Land gezogen.
Nachdem ich es geschafft hatte das ganze Chaos in meinem Zimmer zu beseitigen, hatte ich einen Antrag bei der Verwaltung auf einem Zimmer Wechsel gestellt.
Als Grund gab ich die blinde Zerstörung meines Eigentums an, das Jess verursacht hatte.
Nachdem ich ihnen Bilder zugesendet hatte, musste ich abwarten.
Schließlich war das Wohnheim ziemlich voll und es gab nicht so einfach einen freien Platz.
Sie versicherten mir das sie für einen Teil des Schadens aufkommen würden und Jessica eine Rechnung stellten.
Die ersten Tage hatte ich sie nicht mehr gesehen. Entweder verpassten wir uns immer und ich war mir sicher, dass sie auch wo anders.
Vielleicht bei Eric oder sonst irgendjemanden. Es interessierte mich auch nicht.
Eric hatte mir hunderte Anrufe und Nachrichten hinterlassen. Am Anfang stand er auch mehrmals vor meiner Tür und hatte versucht mit mir zu reden, bis ich unten bei der Hausmutter erbeten hatte ihn nicht mehr rein zu lassen.
Wenigstens auf das konnte ich mich verlassen.
Da unser Projekt schon längst abgeschlossen war, sah ich ihn auch nicht mehr im Unterricht oder musste mit ihm zusammen arbeiten.
Ich stand früh morgens auf, mied jeden Platz den ich kannte, von dem ich wusste er würde da sein.
Kay unterstützte mich wo es ging. Er holte mich oft nach Unterrichtsschluss ab und unternahm was mit mir.
Er war der einzige, der wirklich zu mir stand. Obwohl sich Yara auch regelmäßig erkundigte, wie es mir ging.
Nach den Informationen die ich von den beiden bekommen hatte, hatte dieser Streit und alles was darum war einen großen Spalt in die Freundesgruppe gebracht.
Blake und Eric redeten gar nicht mehr miteinander. Megan stand zu ihrem besten Freund. Was immer wieder Spannungen zwischen ihr und Kay auslöste. Wobei die beiden mittlerweile das Thema einfach mieden.
Yara und Everil blieben neutral, was die Sache auch nicht einfacher machte. Und Tilda versuchte mit allen Mitteln an Eric heran zu kommen, der wohl nicht mehr aß oder schlief.
Auch ich hatte abgenommen. Mir schien nichts mehr Freunde zu machen, noch konnte auch ich gut schlafen.
Das einzige was noch besser wurde, waren meine Noten.
Heute hatte Kay keine Zeit gehabt um mich abzuholen. Aber das machte nichts! Ich wollte ihm keine Umstände machen und er sollte sein Leben normal weiter leben und nicht um mich herum bauen.
Meinen Ordner mit den heutigen Unterlagen hatte ich fest unter meinen Arm geklemmt, als immer zwei Stufen auf einmal nahm, um die Treppe hinter zu laufen.
Wie immer hielt ich vorsichtshalber Ausschau nach ihm. Und tatsächlich sah ich ihn genau gegenüber von mir, etwas hundert Meter entfernt.
Es war das erste Mal das ich ihn nach zwei Wochen sah und es erschreckte mich.
Seine Haare lagen stumpf und platt auf seinem Kopf und unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Augenringe ab.
Als sich unsere Blicke trafen bildete sich ein fester Knoten in meinem Magen.
Ich sah sicher nicht besser aus.
Er setzte sich in Bewegung und Panik machte sich in mir breit. Er wollte zu mir!
Gerade als ich weglaufen wollte hörte ich meinen Namen.
„Leana!"
Mein Bruder Arvid joggte auf mich zu gefolgt von meinen Eltern. Er hatte ein strahlendes Lächeln aufgesetzt und umarmte mich.
„Da bist du ja Schwesterherz."
So freundlich hatte er mich noch nicht mal vor zwei Wochen begrüßt, als ich endlich seiner Bitte nach einem gemeinsamen Abendessen nachgegeben hatte.
An dem Tag hatte er durch den Flurfunk in seiner Verbindung auch erfahren, das mit mir und Eric alles aus war.
Seitdem hatte er unmenschlich gute Laune. Aber das toppte er an diesem Tag noch mehr.
Tja des anderen Leid, war des anderen Freud!
Meine Eltern begrüßten mich noch überschwänglicher und ich konnte wirklich sagen, das auch ich sie sehr vermisst hatte.
Auch wenn der Zeitpunkt in meinem Leben nicht der günstigste war. So war es jetzt der richtige Moment um Eric weiter aus dem Weg zu gehen.
„Wie geht es dir Pumpkin?"
Meine Mutter knuddelte mich glücklich und übergab mich weiter an meinen Vater.
„Sag mal Liebes, isst du genug hier? Du siehst so dünn aus."
Fragte mein Vater. Doch Arvid antwortete schon für mich.
„Ach Leana geht es gut. Sie hat gerade nur ihre erste Trennung durch gemacht."
Ich schickte meinen Bruder einen wütenden Blick, als meine Eltern mich besorgt musterten. Das hätten sie noch früh genug erfahren. Musste das unbedingt die erste Information sein, die sie hörten.
„Ach Liebling das tut mir leid. War es dieser Eric?"
Fragte meine Mutter betroffen.
„Können wir bitte über etwas anderes reden?"
Unsicher trat ich von einem Fuß auf den anderen.
„Natürlich Schatz, erzähl uns von deinen Professoren und den Kursen."
Mein Vater legte liebevoll den Arm um meine Schultern und wir verließen zu viert den Campus.
Arvid redete angeregt mit meine Mutter und ich berichtete alles meinem Vater.
Ich blickte mich noch mal kurz um. Aber Eric war verschwunden und ich konnte erleichtert aufatmen.
**
Das Mittagessen mit meinen Eltern war schön gewesen. Auch wenn Arvid sich wie immer, mit spitzen Kommentaren über mich amüsierte. Es schien meinen Eltern nicht aufzufallen.
Eine wirkliche Ablenkung war das Essen auch nicht gewesen. Aber wie konnte es das auch sein, wenn ich ständig an ihn denken musste.
Wir blieben mit unseren Eltern bis zum Abend zusammen und trennten uns anschließend. Sie wollten das Wochenende bleiben und anschließend nach Hause fliegen.
Die beiden waren durch den langen Flug sehr erschöpft und deswegen verabschiedeten sie sich und das passte Arvid besonders gut.
Immer wieder erzählte er mir aufgeregt auf dem Rückweg von dieser einen Party zu der er unbedingt wollte. Er hatte ein Mädchen kennengelernt, das er dringend wieder sehen wollte.
Während er neben mir herlief zum Wohnheim plapperte er ununterbrochen von ihr. Es nervte schon und ich versuchte mein Augenrollen zu unterdrücken.
„Warum kommst du nicht mit?"
Völlig perplex sah ich meinen großen Bruder an. Er wollte mich besonders seit dem ich hier war, nie irgendwo mit hin nehmen. Also warum gerade heute?
Argwöhnisch sah ich ihn von der Seite an und antwortete nicht.
„Jetzt sieh mich nicht so an. Das wird bestimmt lustig und du kannst mal wieder lockerer werden. Seit das mit Eric war, bist du furchtbar angespannt und isoliert."
„Nein danke!"
Gab ich eine Spur zu bissig von mir.
Ganz sicher gab ich mir keinen Abend, an dem ich meinem Bruder dabei zusehen durfte, wie er sich amüsierte und ich vielleicht auch noch Ric treffen konnte.
„Komm schon Leana! Sei nicht so prüde."
Er hänselte mich weiter und seine Tonlage änderte sich, was mir eine Gänsehaut bescherte.
„Wird er da sein?"
„Ich bin mir sicher das er nach der Abfuhr ganz lange nicht auf irgendeiner Party auftauchen wird."
Mein Bruder lachte in sich hinein und folgte mir zum Wohnheim.
Er wartete zum Glück unten am Eingang und ich konnte mich so alleine umziehen.
Er hätte keine Wiederrede geduldet und ich hatte ihn nicht vor zu verärgern, nach allem was war.
Ich wollte auf seiner guten Seite stehen.
Schnell hatte ich mir ein paar weiße Shorts übergezogen und ein grünes Trägertop.
Ich gab mir keine groß Mühe mich zu schminken oder meine Haare zu machen.
Sobald er mich aus den Augen ließ, würde ich mich eh aus dem Staub machen.
Das war mein Plan.
**
Wir waren spät dran und die Party war schon im vollen Gange.
In der Mitte des großen Verbindungshauses der Nachbaruni befand sich ein Pool.
Einige hielten es wohl für nötig sich auch da auszutoben, obwohl es nicht allzu warum war.
Wie ein verlorener Welpe trotte ich meinem großen Bruder hinter her.
Er genehmigte sich sofort ein alkoholisches Getränk und bot auch mit eins an.
Doch ich lehnte freundlich ab. Schließlich sollte nur er sich betrinken, damit ich ganz schnell hier raus konnte.
In einigem Abstand folgte ich ihm und wurde immer wieder von fremden Menschen angerempelt. Ich hasste diese Szene hier.
Arvid hielt Ausschau nach seiner Bekannten und traf immer wieder Kollegen von ihm, die er abklatschte und begrüßte.
Irgendwann schien er gefunden zu haben was er wollte. Ich erkannte sie nicht. Es waren zu viele Leute in meinem Sichtfeld aber das machte nichts. Langsam schlich ich mich zurück, darauf bedacht unbemerkt zu bleiben.
Aber ich knallte mit jemanden zusammen und war einfach nicht gut vorbereitet ihn zum zweiten Mal heute zu sehen.
Mit Schwung drehte ich mich um und geriet ins Taumeln. Eric fing mich ab.
„Little Bird."
Hauchte er so leise. Das es kaum zu hören war. Er sah schlecht aus und ich meine so richtig schlecht.
Von nahem erkannte ich es besser als heute Morgen. Auch die flackernden bunten Partylichter halfen nicht gerade dabei, dies zu verstecken.
Ich entfernte sofort seine Hände von meinen Armen die mich immer noch stützten.
Seine Berührungen brannten auf meiner nackten Haut.
Doch er legte sie erneut ganz leicht auf meinen Oberarm ab.
„Fass mich nicht an. Verschwinde einfach und lass mich in Ruhe."
Reflexartig nahm er seine Hände von mir und steckte sie in seine Hosentasche.
„Bitte ich will nur reden."
„Ich aber nicht. Es ist genug geredet worden. Ich muss jetzt gehen, weil ich eh nicht hier sein will."
Rechtfertigte ich mich ohne Grund.
„Leana!"
Rief plötzlich Arvid und ich fluchte leise in mich herein. Verdammt er hatte mich gefunden bevor ich abhauen konnte.
Ich drehte mich zu der Stimme meines Bruders, der leicht schwankend auf mich zukam.
Und ich traute meinen Augen nicht. In seinen Armen lag Jessica, Erics Freundin oder Exfreundin?
Ich war verwirrt.
„Was machst du hier? Dir noch einen Korb holen?"
Lachte mein Bruder Eric ins Gesicht.
Jess klebte an ihm wie ein alter Kaugummi und ich musste mich fast übergeben.
Ich zog meine Nase kaum merklich kraus.
Das war mit Abstand einer der seltsamsten Situationen in denen ich je gewesen war.
Abgesehen von der, wo mir Blake eröffnet hatte das ich seine Zwillingsschwester war.
So richtig verarbeiten konnte ich das noch gar nicht.
All die Erinnerungen prasselten wieder auf mich ein.
„Little Bird...Ana...bitte hör mich an. Ich will das du es verstehst. Du bedeutest mir alles und ich..."
Er wurde verlegen weil mein Bruder immer noch bei uns stand.
Der schien gar nicht genug von dem Drama vor uns zu bekommen, so breit war sein Grinsen.
„Würdest du bitte gehen Arvid. Das geht dich hier nichts an und deine neues Anhängsel auch nicht."
Es war eine Möglichkeit endlich Arvid los zu werden, wenn ich mit Eric redete und ganz ehrlich. Ich konnte auch nicht leugnen, das ich gerne hören wollte, was er zu sagen hatte.
„Vergiss es Ana. Wie gehen jetzt."
Er wollte meinen Arm nehmen doch ich schubste ihn weg.
Er wurde sauer und Jess versuchte ihn abzulenken.
„Lass uns gehen Arvid. Die sind es nicht wert. Eric wird sie schneller fallen lassen als eine heiße Kartoffel, wenn er das bekommen hat was er will."
Sie ließ ihren Blick verachtend über ihn laufen und ich sah sie mit großen Augen an.
Sie konnte man nur so ein schlechter Mensch sein und anderen absichtlich weh tun.
„Wobei, wenn ich mir deine „unschuldige" kleine Schwester so ansehe...ist das wohl schon längst passiert."
Als hätte man einen Schalter umgelegt, stieß mein Bruder Eric um und verpasste ihm einen Faustschlag ins Gesicht.
Dabei landeten sie auf dem Boden.
Eric verteidigte sich nur und schlug nicht zurück. Mein Bruder dagegen schlug vor blinder Wut um sich.
Ich schrie auf und zog an seiner Schulter.
Doch er hörte einfach nicht auf.
Erst als Blake kam und ihn von Eric runter zog.
„Verpiss doch bevor es richtig Probleme gibt." maulte er und stieß in mit Nachdruck von sich selber und Eric weg.
Ängstlich drängte ich mich an den Schaulustigen vorbei um nach Eric zu sehen, der sich sein blutüberströmtes Gesicht hielt.
„Ric ist alles in Ordnung?"
Sagte ich viel zu hoch. Doch bevor ich ihn erreichen konnte, packte mich mein Bruder feste und schleifte mich hinter sich her.
Weg von Ric, weg von Blake und weg von allen anderen.
Bis wir ganz alleine waren und das machte mir nicht mehr nur Angst.
Das brachte in mir eine Todespanik hoch.
Er war die Schlange und ich war die Maus, die in der Falle saß...
Guten Abend 🌇
ja ja...ich weiß es ist immer noch nicht „vorbei"
Die Spannung steigt und findet bald ihren Höhepunkt.
Vielleicht gibt es morgen ein Sonderkapitel, wenn ich gut drauf bin....
Bis bald 👋🏻
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