Kapitel 19: Stress oder mehr?

Am nächsten Morgen konnte ich von Glück sagen, das man bis auf den Kratzer an meinem Auge nichts mehr sehen konnte.
Gerade noch rechtzeitig, weil ich Ric nicht mehr davon abhalten konnte mich zu sehen.

Selbst meinen Schulweg durfte ich heute nicht alleine beschreiten und als es an meiner Tür klopfte, konnte ich nicht anders, als zu lächeln und mich zu freuen.
Natürlich hatte ich ihn auch vermisst.

Ich strich meine gelbe Bluse glatt und öffnete ihm vorher aber nicht, ohne einen kleinen Blick in den Spiegel zu riskieren meine Tür.
Eric stürztet sich förmlich auf mich und zog mich sofort in die Arme.
Das ich ihm so gefehlt habe, hätte ich nie gedacht.

Ich schmunzelte an seiner Schulter und holte erstmal kräftig Luft, um mich anschließend aus seinem Klammergriff zu befreien.

Lächelnd betrachtete ich sie schönes Gesicht, als ich etwas Abstand zwischen uns gebracht hatte.
Mutig wie nie, stellte ich mich auf meine Zehenspitzen und drückte ihm einen federleichten Kuss auf die Lippen.
Sofort kribbelte mein Bauch und eine Gänsehaut bildete sich an meinem Armen.

Jetzt wurde auch mir erneut bewusst, wie sehr ich ihn und dieses einzigartige Gefühl vermisst hatte.

„Danke das du mich abholst." flüsterte ich an sein Ohr ehe mich wieder zurück zog. Etwas Seltsames blitzte in seinen Augen auf bevor er von seinem Grinsen abrückte. „Oh Little Bird...du machst mich schwach." schnurrte er und war dabei mich erneut zu küssen. Doch ich schob sein Gesicht zur Seite und quetschte mich durch meine Tür in den Flur.

„Wir müssen endlich los, sonst kommen wir zu spät zum Unterricht!"

**

Eric vergewisserte sich über den Tag immer wieder wo ich war und ob es mir gut ging. Er schien wohl Sorgen zu haben, das ich einfach wieder untertauchte.
Doch solange ich nicht wieder eine gewisse Begegnung mit jemanden haben würde, musste er sich keine Sorgen mehr machen.

Mein Unitag fiel kürzer aus, als geplant und ich nutzte die Zeit um nochmal zum Krankenhaus zu fahren und mit meiner Betreuungsärztin zu besprechen.

Dr. Black hatte kurz Zeit und ich machte es mir auf dem Stuhl bequem, der direkt vor ihrem Schreibtisch stand. Sie sortierte noch etwas bei ihren Akten ein, bevor sie mir ihre volle Aufmerksamkeit schenkte.

„Miss Daniels ich hatte sie vor nächster Woche gar nicht mehr erwartete. Geht es um eine Beurteilung für ihre Schule?"

Sie musterte mich gespannt und blickte mit ihren ruhigen braunen Augen in meine.
Ich schüttelte nur den Kopf und spielte nervös mit dem Reißverschluss meines Rucksackes der auf meinem Schoß lag.

„Nein das ich es eigentlich nicht. Es geht hier eher um etwas Privates, zudem ich ihrem Rat brauche?" begann ich etwas nervös.
Plötzlich fühlte sich das hier, wie eine ganz dumme Idee an.

„Ja du kannst mich alles fragen. Worum geht es?"

Jetzt gab es kein zurück mehr. Schließlich hatte ich mich extra auf den Weg gemacht, um mit ihr zu sprechen. Und jetzt einen Rückzieher nach dem Gesagten zu machen, wäre unnötig auffällig und unlogisch.

„Also ich...ich habe da eine Frage zu einem Bekannten von mir. Er ist oft sehr aufbrausend und dann schnell traurig schon fast Depressiv. Manchmal lacht er dann aber auch wieder viel, besonders wenn Alkohol im Spiel ist.
Ich dachte vielleicht könnten sie mir mehr über die Bipolare Störung erzählen, weil ich nämlich denke das er..."

Dr. Black brach meine kleine Ansprache ab und ich hob schüchtern meinen Blick.

„Miss Daniels ist dieser Bekannte auf ihrem College?"

Ich nickte erneut.

„Wissen sie, wenn man anfängt Psychologie zu studieren und die Patienten kennen lernt, die unter vielen dieser Krankheiten leiden, dann beginnt das Unterbewusstsein, die Menschen in seiner Umgebung auf genau diese Krankheiten zu prüfen.
Das passiert jedem und da kann sich der Stress der sich auf die Personen legt zu ganz normalen Stimmungsschwankungen führen."

Dr. Black redete noch etwas weiter und ich bekam es nur am Rande mit. Sie war wirklich nett aber ich fühlte mich so missverstanden wie noch nie.
Ich bildete mir das doch nicht ein. Mit meinem Bruder stimmte etwas nicht. Oder bauschte ich die ganze Sache in meinem Kopf nur auf.
Vielleicht war es viel einfacher als ich dachte und er war einfach nur ein Arschloch.

Dr. Black stellte mir noch ein paar Fragen zu meinem Bruder, von dem sie nicht wusste wer er war.
Ich versuchte die Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten und kam mir dümmer den je vor.

Mehr und mehr wurde mir nur klar, das ich eine Krankheit gesucht hatte, um das zu rechtfertigen, was er mir angetan hatte.

Zum Ende bedankte ich mich bei Dr. Black und entschuldigte mich für die beanspruchte Zeit. Doch sie lächelte nur und winkte ab.
Kurz bevor ich aus der Tür raus ging, hielt sie mich nochmal auf.

„Nehmen sie es sich nicht zu Herzen! Das passiert den Besten, das man eine Situation falsch einschätzt. Sie kommen nächste Woche wieder arbeiten?"

Ich bejahte ihre Frage und sie lächelte freundlich.

„Gut, gut...das freut mich.  Sie sind bei weitem einer der besten und motiviertesten Erstsemester die ich je gesehen habe."

Zufrieden über das aufrichtige Lob und das mein Weg also doch nicht ganz umsonst war, schlenderte ich aus dem Krankenhaus.
Mit dem Bus fuhr ich die paar Stationen und hörten meinem Lieblings Rapper beim Singen zu.
Von der Haltestelle, war es nicht so weit bis zu meinem Wohnheim.
Da es schon dämmerte, war der Wind auch was frischer.
Ich summte leise mit, als sich eine Hand auf meine Schulter legte.
Ein spitzer Schrei entfuhr mir, als ich herumwirbelte.

Arvid stand mit geweiteten Augen vor mir und ich riss mir meine Kopfhörer aus dem Ohr. Mein Herz pumpte Adrenaline direkt durch meine Venen zu meinen Beinen. Alles in mir wollte weg rennen, doch ich war wie festgewachsen am harten Asphaltboden.

Als er einen Schritt vor machte, konnte ich endlich schwerfällig zwei zurück treten.

"Was willst du?"

Meine Stimme triefte vor Bitterkeit und gleichzeitig suchte ich heimlich die Umgebung nach Menschen ab. Hier in der Öffentlichkeit würde er mir doch nichts tun oder?
Nicht weit entfernt liefen drei Frauen die sich kichernd unterhielten.
Zu mindestens war ich für den Moment nicht alleine, aber bald würden sie weg sein.

"Ich wollte mich entschuldigen!"

Überrascht zog ich meine Augenbrauen hoch aber verschränkte meine Arme vor der Brust.
Es kam plötzlich eine unmenschliche Wut über mich.

"Dafür kann man sich nicht mal eben entschuldigen!"

Wütend zeigte ich mit meinen Fingern auf das schon fast wieder verheilte Auge.

"Ich sehe da nicht viel Lea, bitte mach aus einer Mücke keinen Elefanten."

Ich jabste nach Luft und taumelte nach hinten.

"Das sah vor ein paar Tagen noch ganz anders aus, wenn du willst kann ich dir ja mal ein Foto zeigen."

Plötzlich änderte sich etwas an seiner Haltung.

"Du hast davon Bilder gemacht?"

Wusste ich doch, das er das alles hier nicht ernst meinte. Als mein Handy leise klingelte, versteifte ich mich leicht. Das war bestimmt Ric, der in meinem Wohnheim schon auf mich warten musste.
Zum Glück ging Arvid gar nicht darauf ein, sondern schien in Gedanken zu sein.

"Wenn sonst nichts ist, würde ich jetzt gerne gehen."

Ich hatte mich bereits umgedreht als er wieder feste meinen Arm griff, doch nicht fest genug. Denn ich konnte mich sofort los reißen.

"Fass mich nicht an." Knurrte ich.
In seinen Augen spielten sich wieder so viele Emotionen ab, das mich erneut eine Welle von Angst ergriff. Die Frauen waren fast weg und ich wollte nicht alleine mit ihm hier stehen bleiben.

"Kann ich es wieder gut machen? Vielleicht mit einem Abendessen?"

Ungewöhnlich ruhig fragte er mich, obwohl ich den Sturm in seinen Augen sehen konnte.
Eigentlich wollte ich nicht zusagen, aber er war mein Bruder und vielleicht war das alles ja wirklich nur ein Ausrutscher gewesen und er hatte wegen irgendetwas enormen Stress.
Und die restliche Angst schrie mich an ihn ja nicht zu provozieren.

"In Ordnung. Aber ich weiß noch nicht wann. Erstmal will ich Abstand haben."

Er lächelte seid langem das erste mal wieder und nickte, als hätte er Verständnis.
Wieder klingelte mein Handy in meiner Tasche und nun wurde auch Arvid aufmerksam darauf.

"Das ist bestimmt nur Mum. Ich hatte versprochen sie heute noch anzurufen."
Log ich schnell und meine Hände begannen zu schwitzen.

"Geh ruhig ran..."

"Schon gut. Ich rufe gleich zurück. Du solltest außerdem auch mal mit ihr sprechen."
Erinnerte ich ihn erneut an ihren Wunsch.

"Das werde ich machen."

Er kam wieder auf mich zu und wollte mich in den Arm nehmen. Aber ich wich ihm geschickt aus und tat so als ob ich es eilig hätte, was ja auch stimmte.
Ich musste dringend hier weg.

Mein Misstrauen wurde nur noch mehr angefacht, als ich das böse Funkeln in einem dunklen Augen sah.
Ich beschleunigte meine Schritte und bog um die nächste Ecke. Zitternd fasste ich an meine Brust bevor ich immer zwei Stufen nahm und zu meinen Zimmer eilte.

Vor meinem Zimmer wartete schon Eric, der mir im halbdunkeln erneut einen Schreck versetzte.

"Baby alles gut?"

Völlig erschöpft lehnte ich mich an die Wand gegenüber und rang nach Luft.

"Leana, du bist ja ganz blass! Was ist passiert?"

Seine Stimme war jetzt richtig sorgenvoll. Doch ich konnte ihm etwas beruhigen, als ich ihm weiß machte, das er es war der mich erschreckt hatte.
Völlig überzeugt war er mich nicht aber das reichte mir.
In meinen vier Wänden fuhr ich endgültig runter und bat Eric sich zu setzten während ich unter die Dusche sprang.

Mit einer gemütlichen leggings in einem roten Pullover trat ich in mein Zimmer und sah ich Eric grinsendes Gesicht.

"Du siehst süß aus!"

Er zog mich auf seine Oberschenkel und ich kuschelte mich an seinen festen Oberkörper, bevor er mich in den Arm nahm.

"Willst du mir jetzt erzählen was wirklich passiert ist?"

Warum konnten bitte nur alle dich mich hindurchsehen und wussten sofort wenn ich log oder etwas verheimlichte.

Um Eric nicht ganz im Dunkeln zu lassen, sagte ich ihm nur das mich ein seltsamer Typ angesprochen hatte und ich im Angst bekommen habe, weil er mich nicht gehen lassen wollte und kaum noch einer draußen war.

Er spannte seine Muskeln kurz an und ich spürte an meinem Kopf das er nickte.

"Das versteh ich Baby. Aber lass dich das nächste mal einfach nicht verwickeln und versuch unter Menschen zu bleiben. Wenn so etwas nochmal ist ruf mich einfach an, dass ich dich abholen kann."

Ich nickte zwar, wusste aber auch das er nicht immer da sein konnte und das schon gar nicht, wenn es um meinen Bruder ging.
Er wusste ja nicht was er mir angetan hatte.

"Können wir los?"

Erstaunt neigte ich mein Gesicht so, das ich ihn ansehen konnte.

"Wohin?"

"Na wir treffen uns doch noch mit den anderen. Heute ist "DateNight" und Yara war dran mit aussuchen."

Innerlich seufzte ich. Ich hatte keine Lust seine Freunde zu sehen. Vor allem nicht nach diesem frustrierenden Tag.

"Wir müssen nicht gehen, wenn du zu müde bist!"

Anstatt auf seinen Vorschlag aufzuspringen, verneinte ich und erhob mich.
Warum machte ich es immer nur allen recht?

Denn in dem Fall wäre es echt besser gewesen nicht zu gehen...

Ein kleiner großer Cliffhanger am Ende dieses Kapitels...

Was sagt ihr zu dem Besuch von Lea bei Dr. Blake?
Hat sie recht? Oder hat Arvid dich ein Problem?

Danke das ihr fleißig beim lesen bleibt...

Bis bald AnnaYlvie

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