•69•
• M I L E S •
Es ist beinahe unmöglich, ruhig mit jemandem an einem Tisch zu sitzen, an den man nicht mal denken will. Noch dazu schafft Jackson es, die ganze Zeit über geräuschvoll in seinem Kaffee herumzurühren, sodass ich ihn nicht einmal ausblenden könnte, würde ich es ernsthaft versuchen.
Ich werfe ihm einen genervten Blick zu, als er dramatisch seufzt. Es hat mir gereicht, die gesamte letzte Nacht von Grübeleien zum Thema Jackson verfolgt zu werden. Zu alle dem will ich mir nicht auch noch Sorgen um ihn machen müssen.
Das sind sicherlich nur die Nachwirkungen des Alkohols. Nichts weiter. Jackson war noch nie ein Sonnenschein. Schlecht drauf zu sein ist für ihn doch der Normalzustand.
„Guck mal, da kommt dein Freund“, meint Logan und nickt zum Eingang es Speisesaals. Die Gruppe, die wir gestern kennengelernt haben, kommt gerade rein und das große, viel zu attraktive Schnittchen sieht sich sofort suchend um.
„Na toll“ Jacks wirft sich die Kapuze seines Hoodies über den Kopf und sinkt in seinem Stuhl nach unten, beinahe so als würde er sich verflüssigen und seine Existenz um eine Erfahrung als Pfütze unter einem Frühstückstisch erweitern wollen.
„Freust du dich gar nicht ihn zu sehen?“, hakt Logan nach.
Er ist ganz anders heute. Total ruhig und irgendwie... erwachsen. Verübeln kann ich es ihm nicht. Jackson hat gestern viel zu sehr mit diesem Surferboy herumgeturtelt. Diese Blicke zwischen ihnen... Die Funken. Fast hatte ich geglaubt, das Spa würde jeden Moment abbrennen – trotz des ganzen Wassers. Da kann einem die Urlaubsstimmung nur vergehen.
„Soll ich ihn herrufen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, hebt Logan die Hand.
Bevor er jedoch etwas hervorbringen kann, hält Jackson ihm solange den Mund zu, bis Logan ihn von sich schlägt.
„Was denn? Gestern hattest du auch nichts gegen seine Anwesenheit“
„Fuck, Logan!“, zischt Jacks ihm zu. „Du weißt genau, dass das am Alkohol lag. Nüchtern hätte ich niemals mit ihm rumgemacht!“
„Wieso?“, höre ich mich fragen. „Ist er nicht dein Typ?“
Keine Ahnung, wie ich es schaffe, so desinteressiert zu klingen, während mich jede Sekunde, die ich auf eine Antwort warten muss, immer mehr zum Brodeln bringt.
Logan und Jackson sitzen mir gegenüber. Sie sehen mich gleichermaßen verwirrt an. Logan legt dann den Kopf schief und mustert mich weiter, während Jackson durch eine Geste verneint.
„Er hat einen Freund“, erinnert Logan mich, noch bevor Jacks etwas sagen kann. „Er heißt Carter. Und er ist ein echt lieber Kerl“
Der Vorwurf in Logans Stimme ist kaum zu überhören.
Jacksons wütender Blick geht unberührt daran vorbei. „Ja, das ist er. Danke für die Erinnerung“
„Gerne. Obwohl man dich nicht daran erinnern müssen sollte.“
„Mann, Logan, ich weiß, dass ich scheiße gebaut habe. Aber ich wäre nicht ernsthaft fremdgegangen, okay? Sowas mach ich nicht“
„Ach, aber rummachen ist okay? Zählt das für dich nicht als betrügen? Überleg mal wie du dich fühlen würdest, wenn Carter dir erzählt, dass er sich an wem anders gerieben hat wie ein ralliger Bär“
Obwohl ich kaum an ihrem Gespräch teilnehme, gilt ihnen meine gesamte Aufmerksamkeit. Bis zu dem Moment, an dem mich ein schmerzhaftes Stechen heimsucht. Genau in der Brust. Dort, wo es wochenlang wehgetan hat, nachdem ich von Nicks Betrug erfahren habe.
„Du bist so ein Arschloch“, murmele ich ungläubig.
Ich kann nicht verstehen, wie ich mich ihm jemals anvertrauen konnte. Wie ich mich ihm hingeben konnte. Wie ich mich so in ihm täuschen konnte.
Natürlich hat Jackson nicht mich hintergangen. Zumindest nicht jetzt. Trotzdem fühlt es sich so an, als würde etwas zwischen uns zerbrechen. Das letzte Stückchen des Weges zueinander, den wir uns vor langer Zeit durch harte Arbeit aufgebaut haben. Es ist weg. Und übrig bleiben zwei unterschiedliche Seiten, die nichts mehr miteinander verbindet.
„Was geht dich das jetzt an?“, zickt Jackson sofort zurück. „Du weißt doch nicht mal worum es geht“
„Ich bin nicht dumm, Jackson“.
Ich sehe ihn konzentriert aus zusammengekniffenen Augen an und versuche all meine negativen Gefühle auf ihn abzuschieben. Ich will, dass er nur für eine Sekunde nachempfindet, was in mir vor sich geht. Danach kann er unmöglich weiterhin ein gewissenloses Arschgesicht sein. „Es geht darum, dass du deinen kleinen Schwanz nicht in der Hose behalten konntest, obwohl du einen Freund hast, du beschissener Wi-“
„Okay, beleidigend zu werden ist jetzt nicht unbedingt nötig“, wendet Logan ein.
Jackson und ich blenden ihn vollkommen aus.
„Mein Schwanz ist nicht klein“
Ich schnaube. „Hast recht, er ist winzig. Genauso wie dein Hirn, wenn du nicht mal die Kapazität aufbringen kannst, dich daran zu erinnern, dass du in einer Beziehung bist. Echt, ich verstehe es nicht. Wie kann man sowas Abartiges machen, mh? Wie kann man so horny sein, dass man jemanden hintergeht, den man behauptet zu lieben? Oder war es dir einfach egal? Bist du so verlogen, dass du zu in ein paar Tagen zu ihm gehst und ihm heile Welt vorspielst? Bist du so eiskalt?“
„Nein, Mann! Ich... Ich habe nicht nachgedacht! Das war doch das Problem!“
„Natürlich! Und wenn du es Carter doch beichtest, hast du bestimmt trotzdem für alles irgendeine dämliche Rechtfertigung. Am besten auch noch ihm die Schuld geben, oder?“
„Miles“ Wieder nehme ich Logans Versuch, auf sich aufmerksam zu machen nicht wahr.
„Wie lange hätte es gedauert, bist du mir fremdgegangen währst, mh? Ist es für Typen wie euch echt so schwer, aufrichtig zu sein?“
„Typen wie uns?“ Jackson ist vollkommen perplex. „Wen meinst du bitte?“
„Ach, du hast dich dazu entschieden, ahnungslos zu spielen? Feige bist du also auch noch. Glückwunsch.“
„Miles!“ Diesmal ist Logan lauter. Er greift über den Tisch nach meiner Hand. Durch sein Rütteln erwache ich aus einer Art Trance.
Ich blinzele schnell, löse meinen Blick von Jackson und sehe zwischen Logan und ihm hin und her.
„Fuck“, zische ich. Es klingt gleichermaßen belustigt und verzweifelt. Obwohl ich zu lächeln beginne, will ich am liebsten weinen. Und schreien. So laut, dass die ganze Welt es hört.
Gerade, als ich mich wortlos zum Gehen abwenden will, nimmt Louis neben mir Platz. Er lässt einen Arm auf meiner Lehne und lächelt in die Runde. „Da seid ihr ja. Hab euch schon gesucht. Wollt ihr euch rüber zu uns setzen? Wir haben einen tollen Tisch an den Fenstern“
„Nein, wollen wir nicht“, unterbricht Jackson ihn. „Verpiss dich, Louis“
Ich wende mich Jackson erneut zornig zu. „Dein fucking Ernst?! Gestern noch rummachen und heute kannst du nicht mehr normal mit ihm reden? Ganz ehrlich, wie kannst du eigentlich noch in den Spiegel sehen ohne zu hassen, was du darin siehst?“
Auf meine Worte folgt Ruhe. Obwohl wir in einem Speiseaal sitzen und niemand unser Gespräch verfolgt hat, scheint alles still zu stehen.
„Ehm. Ich weiß nicht wirklich, was hier abgeht, aber ich glaube, das solltet ihr unter euch klären.“ Louis will aufstehen und gehen.
Ich ziehe ihn an seinem Arm zurück auf den Stuhl. „Du bleibst.“
Er sieht mich zwar verunsichert an, nickt jedoch. „Okay?“
„Jackson würde dir gerne sagen, dass er einen Freund hat“, eröffne ich ihm.
„Oh“, meint Louis überrascht. Und sieht zwischen uns hin und her. „Ich wusste nicht, dass ihr... Ich dachte...“
„Nein, nicht mich!“, unterbreche ich ihn sofort ungehalten. „Carter! Er heißt Carter und er ist ein netter Kerl“
„Okay?“ Erneut scheint er in Jacksons Gesicht nach etwas zu suchen.
Dieser sitzt nur mit verschränkten Armen da und starrt wie versteinert auf den Tisch, so als ginge ihn das alles gar nichts an.
„Wieso regst du dich dann so auf?“
Ich konnte Louis von Anfang an nicht leiden. Ich bin aber davon ausgegangen, er würde ein klein wenig Anstand besitzen und bereuen, was er mit Jacks gemacht hat, wenn er von seiner Beziehung erfährt.
„Weil sowas scheiße ist“, wendet Logan ein. Er verdeutlicht mir durch seinen Blick, dass ich den Mund halten soll und ich tue es. Ich kann meine eigene Stimme nicht mehr ertragen. Dieses erbärmliche Klagen. Wie eine jammernde Ziege.
„Schon... Aber Jackson hat eigentlich gar nichts gemacht. Es ist alles von mir ausgegangen. Er hat sogar einmal versucht, mich aufzuhalten. Ich dachte es hätte daran gelegen, das er nicht erwischt werden wollte.“
„Wie, er hat versucht, dich aufzuhalten?!“ Alarmiert klammerte sich meine Hand um seinen Oberarm. Meine Fingernägel krallen sich darin fest.
„Naja kurz. Gezwungen habe ich ihn aber auch nicht", meint Louis sofort zu seiner Verteidigung. „Kannst du mich bitte loslassen? Das tut weh“
So gerne ich auch auf etwas einschlagen will, ich löse meine Hand von ihm und ebenso meinen Blick. Egal, wo ich hinsehe, ich erkenne nur noch Nick, der behauptet mich zu lieben, nachdem er mich wochenlang belogen hat.
In all dieser Zeit habe ich weiterhin gedacht, ich hätte den ehrlichsten und aufrichtigsten Mann an meiner Seite, den diese Welt zu bieten hat. Und obwohl ich geglaubt habe, darüber hinweg zu kommen und Nick noch eine letzte Chance geben zu können, begreife ich nun, dass dem nicht so ist. Ich kann ihm nicht verzeihen.
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