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•J A Y D E N•

Mitten in der Nacht wache ich auf, weil meine Blase derart drückt, dass ich das Gefühl habe, ich würde mich einpinkeln, wenn ich auch nur einen Muskel bewege.
Aber liegenbleiben kommt auch nicht in die Tasche, also bleibt mir nichts anderes übrig als aufzustehen und mit leichten Schritten zur Toilette zu huschen.

Mein Kopf pocht und allgemein ist meine Sicht etwas schleierhaft und mir ist schwindelig. Ich hätte nicht so viel trinken sollen. Naja, viel war es nicht, aber für meine Verhältnisse.

Dieses Gefühl nach dem Toilettengang ist einfach unbeschreiblich erleichternd.
Nach dem Händewaschen schließe ich die Tür auf und erschrecke, als ein oberkörperfreier Bryce direkt vor mir steht. Er hält ein Glas Wasser in der Hand und scheint gerade von der Küche gekommen zu sein.

"Musst du auch immer so dringend, wenn du was gesoffen hast?", fragt er mich geradeheraus.
"Und wie. Geht oben rein und fällt wie durch ein Loch nach unten durch", antworte ich ihm und lehne mich müde gegen den Türrahmen. Er muss nach meinen Worten leicht lachen.
"Na du hast aber doch noch ganz schön einen sitzen oder? Komm mit, ich kann dir was gegen die Kopfschmerzen geben".
Immer noch leicht grinsend zieht er mich an meinem Arm hinter sich her in sein Zimmer und schaltet hinter mir das Licht im Flur aus.

"Setz dich ruhig", er dirigiert mich zu seinem Bett und wühlt dann in der Nachttischschublade, vermutlich nach einer Tablette.
Es dauert nicht lange, da hat er sie gefunden und gibt mir eine in die Hand, ehe er sich ebenfalls eine nimmt und sie mit dem Glas Wasser runterspült, bevor er es an mich weiterreicht.
"Ach du auch?", schmunzle ich. Er verzieht leicht das Gesicht.
"Bei den ganzen Idioten muss man sich abschießen. Sonst hält man das nicht aus", erwidert er.
"Aber dir ist bewusst, dass du der größte von ihnen bist oder?", hinterfrage ich und muss schmunzeln, als ich erkenne, dass er kurz in der Bewegung innehält.

Gespielt schockiert dreht er sich zu mir um und stützt die Hände an den Hüften ab.
"Wie bitte?", mit einer Hand fast er sich ans Herz, als hätte er plötzlich starke Schmerzen.
"Das bricht mir mein Herz. Wie kannst du nur sowas behaupten?"
"Ich würde ja sagen, dass es mir leid tut, aber das wäre gelogen", antworte ich und zucke mit den Schultern.
Mein Blick heftet sich an seine trainierte Brust und die Muskeln, die unter seiner Haut spielen, als er sich auf mich zu bewegt.

"Findest du, ich sollte mehr trainieren oder denkst du, mein Trainingsprogramm ist ausreichend?"
Er bleibt vor mir stehen, drückt mit seinen Fingern mein Kinn nach oben.
"Meine Augen sind hier oben", er zwinkert und scheint dann auf eine Antwort meinerseits zu warten.
Ich räuspere mich.
"Also ich finde es gut so."

Das scheint ihm zu reichen und er lässt sich neben mir auf der Bettkante nieder.
"Darf ich dich was fragen?"
Ich richte meinen Blick wieder auf ihn, nicke ihm zu.
"Wie geht es dir?", fragt er ernst.
Plötzlich fühlt es sich an, als würde die Stimmung in eine komplett anderen Richtung umschlagen.
"Mir gehts gut", antworte ich unsicher. Ich weiß nicht so ganz, worauf er hinaus will. Wieso fragt er mich das?
"Nein. Wie geht es dir wirklich?"
"Bryce, ich-"
"Nein Jay. Von außen siehst du vielleicht glücklich aus, aber in deinem Inneren sieht es anders aus. Das kann ich in deinen Augen sehen. Vor allem dann, wenn du konzentriert bist. Du kannst mit mir reden, wann immer du willst. Du musst nicht alles runterschlucken."

Ich schaue wieder in seine Augen, die meinen Blick förmlich festhalten.
"Ich habe nichts worüber ich reden will. Ich versuche gerade selbst mit alledem klarzukommen…zu verarbeiten, wie naiv ich vielleicht immer noch bin. Da kann mir niemand helfen. Aber ich weiß es zu schätzen Bryce", antworte ich ihm.

"Denkst du wirklich, dass ich ein Idiot bin?", er wechselt geschickt das Thema.
"Wieso ist es dir so wichtig, was ich über dich denke? Du hältst doch sonst nichts von der Meinung anderer", ich muss leicht lachen. Aber eher vor Verlegenheit.
"Naja, ich habe das Gefühl, du bist ehrlich und würdest mir die Wahrheit sagen. Wenn ich andere fragen würde, würden die mir vermutlich das sagen, was sie denken, was ich am liebsten hören möchte", antwortet er.
"Nein, du bist kein Idiot. Du benimmst dich nur manchmal wie einer. Das ist der Unterschied."
Er muss lächeln und tatsächlich ist es ansteckend.

Irgendwann beginnt er dann zu lachen und wechselt erneut das Thema.
"Das war schon echt abartig, als Nick vorhin den Boden ablecken musste."
Ich verziehe das Gesicht, was Bryce noch mehr lachen lässt.
"Ich glaube, ich hätte gekotzt", erwidere ich angeekelt und eine Gänsehaut überkommt mich.
"Ich hätte dir auch die Haare gehalten", Bryce zwinkert mir zu.
"Oh wie freundlich von dir. Darf ich dann parallel auch deine Hand halten?" Ich verdrehe die Augen.
"Du kannst auch gerne was ganz anderes halten", erwidert er mit ernster Stimme und wackelt mit den Augenbrauen. Ich wiederum ziehe diese nur zusammen.
"Wo nichts ist, kann man auch nichts halten Bryce."

Empört stöhnt er auf und packt sich an den Hosenknauf.
"Ich zeig dir gleich 'wo nichts ist', du Wurm."
Ich schlage empört seine Hand von seinem Hosenknauf.
"Bah, du Perverser", werfe ich ihm an den Kopf, aber er grinst wieder nur.
Hätte er jetzt wirklich seine Götterschlange vor mir ausgepackt? Hoffentlich nicht.

Wir brechen wieder beide in Gelächter aus. Und als ich ihn so lachen sehe, wird mir auf einen Schlag bewusst, wie hübsch er eigentlich ist. Ich habe ihn schon oft angesehen, doch erst jetzt durchzieht dieses Gefühl meinen Körper, lässt mir warm ums Herz werden, als er sich vor lachen den Bauch hält.
Komisches Zeug dieser Alkohol. Ich muss echt aufpassen, das nächste mal nicht so viel zu trinken. Da ich nichts gewohnt bin, vertrage ich nun auch nicht viel.

Gähnend will ich wenige Minuten später aufstehen, als Bryce mich zurückhält.
"Leg dich hin und schlaf, ich schlafe auf dem Boden", er drückt mich nach unten und schmeißt dann die Decke über mich.
"Dein Ernst?", hinterfrage ich, aber er zuckt nur mit den Schultern.
"Das macht mir nichts aus", antwortet er und verschwindet aus meinem Sichtfeld, als er sich allen ernstes auf den Boden legt.
"Wenn du meinst", antworte ich noch und bin kurz darauf auch schon eingeschlafen.

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