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• B R Y C E •
Die dümmste Person auf diesem Planeten schaut mir aus dem Spiegel entgegen.
Und weißt du, was mich noch viel mehr ankotzt? Das du dazu noch so verdammt schön bist.
Ich habe selbst nicht begriffen, was ich da eigentlich von mir gegeben habe, bis ich im Bad war und der Satz sich ständig in meinem Hirn wiederholt hat. Seitdem starre ich auf meine Reflexion und hoffe auf einen Amboss, der vom Himmel fällt und mich unter sich begräbt. Aber solange mein Leben kein Cartoon ist, wird das nicht passieren. Stattdessen muss ich mich weiter durch diese schlecht geschriebene Shitshow quälen.
Falls sowas wie Karma wirklich existiert, muss Jayden gewaltig Scheiße gebaut haben, um sich solche Typen wie seine Exfreunde zu verdienen. Für viel wahrscheinlicher halte ich es aber, dass er extrem viel Pech hatte. Und dass er zu dumm ist zu verstehen, dass ihm ein aufrichtiger, liebevoller, ehrlicher Mann zusteht, der ihn wirklich liebt. Und zwar ohne krankhafte Fixierung, Eifersucht und Manipulation. Oder - und das kommt wohl sehr viel näher an die Wahrheit heran - er glaubt wirklich daran, dass der Vorwand Liebe alles rechtfertigt.
Ich nehme mir einen Moment, um tief durchzuatmen, werfe mir dann eiskaltes Wasser ins Gesicht und sehe zurück in den Spiegel. Diese ganze Sache nimmt mich viel mehr mit als sie es sollte. Es hat schon lange nichts mehr damit zu tun, dass ich Ungerechtigkeit hasse und Jayden mir die perfekte Möglichkeit bietet, meinem Heldenkomplex nachzugeben. Es macht mich fertig zu wissen, dass Personen wie Jordan und Derek Zuneigung von Jayden bekommen haben. Dass er sich auf solche Menschen eingelassen hat, dass er sie geküsst hat, dass er sie geliebt hat.
Diese Gedankenspirale macht mich ganz verrückt. Ich will mit alle dem doch eigentlich gar nichts zu tun haben. Es ist Jays Leben. Keine Ahnung, warum mich das alles so beschäftigt. Jayden sollte mir egal sein. Nicht dabei zusehen zu können, wie jemandem offensichtlich wehgetan wird, ist die eine Sache. Aber nachts wach zu liegen und darüber nachzudenken, wie sehr ich ihm die Sicherheit geben will, die ihm zusteht, eine komplett andere.
Mies gelaunt trotte ich an Miles geschlossener Zimmertür vorbei durch den Flur. Eric läuft unruhig in meinem Zimmer auf und ab und kommt sofort auf mich zu, als er mich reinkommen sieht.
„Ich habe gerade kurz mit Jordan telefoniert. Er meinte, er will das mit uns klären und jetzt wartet er vor der Tür."
Auch das noch.
„Gut, gehen wir es klären." Ich mache nur einen Schritt in Richtung Tür, da hält Eric mich panisch fest und lacht unsicher vor sich hin. „Äh, ich meinte Jordan und mich."
Mein Kopf schüttelt sich von ganz allein. „Ich habe keine Lust mehr darauf, dass diese Kakerlake sich von allen Richtungen in mein Leben schleicht. Entweder, er macht sich demnächst bei mir sympathisch oder ich zerquetsche ihn."
Eric verdreht die Augen. „Als würde sich die Welt nur um dich drehen."
Ich schnaube. „Schlimm genug, dass sie das nicht tut."
Nach meinem auffordernden Nicken in Richtung Tür, geht Eric mit einem genervten Brummen voran. Diesmal hindert er mich nicht daran, mitzukommen.
Jordan steht zunächst mit dem Rücken zur Tür. Im ersten Moment lächelt er noch, als er sich umdreht und Eric sieht. Sobald sein Blick meinen trifft, vergeht ihm das aber.
„Können wir nicht zu zweit miteinander reden?", bittet er Eric, greift dabei nach seiner Hand.
Dieser schnaubt und schlägt seine Griffel von sich. „Nein, können wir nicht. Bryce kennt dich anscheinend deutlich besser als ich und wenn er dich für eine Kakerlake hält, weiß ich echt nicht, ob ich weiter was mit dir zu tun haben will."
Ein triumphierendes Grinsen schleicht sich auf meine Lippen, als Eric sich so deutlich auf meine Seite stellt. Mir ist klar, dass er Jordan gerade bewusst die kalte Schulter zeigt. Dass er überzeugt und umworben werden will und Jordan bewusstmacht, dass er sich sein Vertrauen verdienen muss. Und ich setze dem noch die Krone auf, indem ich Eric von hinten meine Hand auf die Schulter lege.
Jordan sieht auf die Stelle, schluckt und nickt dann. „Ich wusste gar nicht, dass ihr so gut befreundet seid"
Eric schnaubt leise. „Genauso wenig wie ich wusste, dass du noch Gefühle für deinen Ex hast"
Jordan öffnet den Mund, um sich zu verteidigen, doch man sieht ihm an, dass es nichts gibt, womit er sich verteidigen kann. Also schließt er ihn wieder und sieht kopfschüttelnd zu Boden.
Er ist anders als früher. Als wir uns kennengelernt haben, strotzte er nur so vor Selbstbewusstsein. Er war charismatisch, arrogant und sehr verführerisch. Er hatte mich sofort in seinem Bann. Jetzt scheint ein ganz anderer Mensch vor mir zu stehen. Seine Schultern hängen viel zu weit unten, sein Ausdruck wirkt kraftlos und seine Worte aufrichtiger.
„Meine Gefühle für Jay bedeuten nicht, dass ich keine Gefühle für dich haben kann", meint er nach viel zu langer Zeit leise. Er sieht Eric dabei in die Augen und so misstrauisch ich auch sein will, irgendwie glaube ich ihm.
Eric schaut mich an, so als wolle er seine Reaktion von meiner abhängig machen. Dann brummt er einen unzufriedenen Laut und teilt Jordan mit, dass auch er noch nicht ganz über eine bestimmte Person hinweg ist.
Dann sehen sie einander stumm an mit demselben leidenden Ausdruck im Gesicht. Ich kann nicht lange dabeistehen und zusehen, wie sie sich selbst quälen. Manche Leute sind echt absolut unfähig.
„Okay, folgender Vorschlag. Entweder ihr zieht hier einen Schlussstrich und Jordan verpisst sich endlich oder wir gehen in mein Zimmer und reden ausführlich über alles. Du..." Ich sehe Jordan an. „...bist mir noch eine Rechenschaft schuldig. Und du..." Mein Blick wandert zu Eric. „...kannst dir Jordans Blaskünste kaum entgehen lassen wollen."
Er zieht überrascht die Augenbrauen hoch, wirft Jordan einen kurzen Blick zu und sieht dann wieder mich an. „Überzeugt."
Auch Jordan stimmt zu.
Wir gehen zusammen in mein Zimmer und ich lasse keine Sekunde zu, dass wieder Stille einkehrt. Während Eric und Jordan nebeneinander auf meiner Bettkante sitzen, platzte ich mich mit dem Schreibstich Stuhl vor ihnen.
„Schütte uns dein Herz aus", fordere ich von Jordan. „Du hast dich total verändert und ich will wissen wieso."
Jordan schluckt, wirft Eric einen kleinen Blick zu und nickt dann. „Ich bin grade selbst dabei, herauszufinden wer und wie ich eigentlich bin. Ohne es wirklich zu checken bin ich zu einem Menschen geworden, der ich nie sein wollte. Und ich hatte meine Gründe, aber das rechtfertigt noch lange nicht, was ich alles getan habe. Ich weiß, dass ich es nicht wiedergutmachen kann... Alles, was Jay und Jackson und Miles meinetwegen passiert ist. Aber ich will nicht mehr so weitermachen."
Mit zusammengekniffenen Augen mustere ich ihn. Es braucht keine weitere Aufforderung von mir, damit er weiter auspackt. Beinahe in chronologischer Reihenfolge erzählt er von allem, was passiert ist. Wie er Jayden kennenlernt und sich in ihn verliebt hat. Wie Derek dazwischenstand, wie Jayden begonnen hat, die Gefühle zu erwidern, wie Derek in den Knast kam, wie ihre Beziehung verlief, wie Derek sie zerstört hat und wie er Jordan verändert hat.
Obwohl ich nach wie vor eine tiefe Abneigung gegen Jordan hege, schürt seine Geschichte und vor allem wie er sie erzählt, Mitleid in mir. Anhand seiner Formulierungen und dem Klang seiner Stimme wird sehr deutlich, dass er sich selbst nie als Opfer gesehen hat. Obwohl er das zweifelsohne war. Alles, was er verbrochen hat, war sich in Jayden zu verlieben. Er war noch jung und naiv und hatte keine Ahnung, dass Derek ihn manipuliert, um Jayden wieder für sich zu gewinnen, nachdem er aus dem Gefängnis kam.
„Es waren nur wenige Wochen, dann war ich eins zu eins wie er." Jordan schnaubte. „Und er hat mich dafür belohnt. Er war freundlich und stolz und er hat mir Geld gegeben und ich dachte echt, ich hätte was richtig Tolles geleistet. Jay und ich haben nur noch gestritten und ich..." Er schüttelte den Kopf, sein Blick starr auf dem Boden. „Derek meinte, dass Jayden manchmal einfach zurechtgewiesen werden will. Er meinte, wenn mir was nicht passt, dann soll ich ihm eine knallen und wenn er sich darüber beschwert, dann nochmal. Solange, bis er Ruhe gibt. Ich fand das erstmal total krank und hatte dann wochenlang nichts mehr mit Derek zu tun. Zwischen Jay und mir lief es allein dadurch, dass ich keinen Kontakt mehr zu ihm hatte schon deutlich besser. Aber dann haben wir wieder immer öfter gestritten. Er hat mich als Feigling bezeichnet, weil ich mich nicht outen wollte, ich habe ihm vorgeworfen, er würde mich nicht verstehen und er meinte, er hätte mit Derek solche unreifen Probleme nie gehabt. In meinen Ohren klang das nach: Sei mehr wie er. Dich werde ich niemals so lieben wie ihn. Und dann habe ich ihn geschlagen."
Jordan atmet tief durch nach seinem letzten Satz. Er zittert dabei.
„Wir waren danach zwar noch ein paar Monate zusammen, aber es war nie wieder wie vorher. Eher wurde es immer schlimmer. Nein, ich wurde immer schlimmer. Vor allem, weil ich damit durchgekommen bin. Immer, wenn ich auf Gegenwehr gestoßen bin oder ich bemerkt habe, dass Jay es nicht mehr lange mitmachen wird, bin ich bei Derek angekrochen gekommen und er hat mir genau gesagt, was ich machen soll. Und ich habs getan. Ich habe Jay das Leben zur Hölle gemacht. Und was ich nicht wusste, war, dass Derek sich ihm die ganze Zeit über als Engel präsentiert hat. Er hat ihm von Anfang vor mir „gewarnt" und ihm gesagt, dass er ihn beschützen wird, wenn es mit mir durchgeht und dass er der einzige ist, dem er vertrauen kann. Aber das habe ich erst Jahre später rausgefunden. Ich wünschte echt, ich hätte damals schon gewusst, weiß ich heute weiß. Ich weiß nicht, ob ich unter anderen Umständen noch mit Jay zusammen wäre, aber ich weiß, dass ich es war, der ihn wieder direkt in Dereks Arme getrieben hat."
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