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•J A Y D E N•

"Möchtest du nichts essen, Jayden?"
Miles Mutter sieht mich fragend an und die Blicke aller anderen Anwesenden richten sich ebenfalls auf mich.
Bryce, der mich die ganze Zeit schon kritisch mustert, zieht nun die Augenbrauen nach oben.

"Danke, aber nein. Ich habe gerade einfach keinen Hunger. Stress schlägt mir immer auf den Magen", antworte ich und versuche es etwas ins Lächerliche zu ziehen. Tatsächlich weiß ich nicht, wann ich das letzte mal etwas gegessen habe. Aber Hunger habe ich aktuell wirklich nicht.
Miles hat seiner Mutter bereits vor dem Abendessen erklärt, dass ich ein paar Tage hierbleiben werde, da ich mich mit meinem Freund gestritten habe.

Ja, diesmal habe ich Derek ordentlich die Meinung gesagt und ich muss sagen, dass es gut tat. Obwohl mich teilweise ein schlechtes Gewissen einholt. Ich meine, er macht eigentlich alles für mich und bezahlen muss ich auch nichts. Vielleicht bin ich ein Stück weit wirklich undankbar? Aber was erwartet er denn? Etwa, dass ich ihm die Füße küsse? Nein danke. Füße sind abartig.

Steffi nickt und wirft mir einen verständnisvollen Blick zu. Der Rest schweigt und widmet sich wieder dem Essen. Es gibt irgendeinen Auflauf.

Nach dem Essen gehen Miles und ich auf sein Zimmer und lassen uns auf sein Bett fallen. Von ganzen Nachdenken bin ich echt müde geworden, doch als wir etwas später beschließen ins Bett zu gehen, bekomme ich kein Auge zu. Mein Kopf will einfach nicht abschalten. Es kommt einem so vor, als würden sich beide Gehirnhälften gegenseitig anschreien und darum kämpfen, wer lauter ist.

Miles schlummert friedlich und hat sich nahezu komplett unter der Decke vergraben.
Ich entscheide mich dazu aufzustehen und mein Blick schwankt zu Miles Wecker. 03:45
Na toll.
Aber besser ich stehe auf, bevor ich Miles noch aufwecke, da ich mich alle paar Minuten umdrehe.

Ich verlasse das Zimmer und finde mich auf dem Dunklen Flur wieder. Aus Bryce Zimmer ertönen noch Stimmen, doch ich kümmere mich nicht länger darum und gehe mit Hilfe meiner Handytaschenlampe in die Küche.
Dort nehme ich mir ein Glas und fülle es mit Leitungswasser, bevor ich mich auf den Boden setze und mit dem Rücken gegen den Kühlschrank lehne.

Was Derek jetzt wohl macht? Kann er auch nicht schlafen? Oder schlummert er vielleicht schon seit Stunden tief und fest? Vielleicht interessiert es ihn gar nicht und er ist froh, mich endlich los zu sein.
Umso mehr ich wieder darüber nachdenke, umso mehr Schuldgefühle überkommen mich wieder. Wie konnte es nur so weit kommen?

"Fuck", fluche ich und schlage mit der flachen Hand auf den Boden, als ich spüre, wie mir die Tränen kommen.
Wütend wische ich sie weg, aber es bringt nichts. Und als sich in der nächsten Sekunde starke Arme um mich legen, kann ich sie sowieso nicht mehr halten.
Es bricht einfach aus mir heraus.

Ich hatte gar nicht bemerkt, dass jemand den Raum betreten hat und die Tatsache, dass es Bryce ist, der mich gerade im Arm hält, macht die Situation noch ungläubiger.
"Pssst, es ist alles gut. Ich bin da", er flüstert die Worte nur, wiegt mich dabei leicht hin und her und ich muss zugeben, dass es mich in der Tat beruhigt.

Und naja, was soll ich sagen? Wenige Stunden später wache ich durch höllische Rückenschmerzen auf. Lasst mich euch hier einen wichtigen Tipp geben: Schlaft niemals mit dem Kühlschrank als Rückenlehne.
"Shit", ächze ich und versuche meinen Nacken aufzurichten, der sich bis dato noch auf Bryce Schulter befunden hat. Oh nein, bitte nicht. Peinlich berührt schließe ich kurz die Augen und versuche mich vor einem mentalen breakdown zu bewahren. Ich bin auf Bryce Schulter eingeschlafen. In Miles Küche, mitten in der Nacht und nach einer Heulattacke.
Ich hoffe einfach Bryce denkt, es war nur ein Traum, wenn er aufwacht.

Leise schleiche ich mich ins Badezimmer, da jeder außer ich noch zu schlafen scheint und gönne meiner Blase etwas Entspannung, bevor ich mich zu Miles ins Bett verkrümle. Dieser schläft nach wie vor wie ein Stein. Der Wecker zeigt nun 07:18. Es wird also nicht mehr lange dauern, bis Miles Eltern wach sind, da diese immer relativ früh aufstehen. Dann werden sie Bryce in der Küche vorfinden und ihn fragen, was er dort getrieben hat. Da bin ich mal gespannt, was er sich für eine Ausrede einfallen lässt. Die Wahrheit wird er nicht sagen, selbst wenn er sich erinnern kann.

Wie erwartet hört man kurze Zeit später Schritte im Haus. Ein Paar davon verschwindet im Badezimmer, dass andere läuft weiter und keine Minute später hört man Stimmen und diese kommen definitiv aus Richtung der Küche.

"Konntest du schlafen?"
Ich zucke zusammen, als Miles müde Stimme neben mir ertönt. Normalerweise schläft er länger.
Ich seufze "nicht wirklich".
Miles schaut mich mitleidig an und setzt gerade an etwas zu sagen, als sein Magen zu Knurren beginnt. Ich muss lachen und er steigt mit ein.

Nachdem wir uns etwas frisch gemacht haben, sitzen wir mit seinen Eltern am Frühstückstisch. Diese erzählen uns, dass Bryce heute früh zum Training ist, bevor er arbeiten muss. Da ich mittlerweile tatsächlich wieder Hunger habe, esse ich einen Bagel mit Frischkäse und Salat. Wenigstens halbwegs gesund.

Mein Handy steht seit gestern still. Niemand hat mir geschrieben. Nichtmal Lexi. Aber vielleicht weiß sie auch noch nichts von der Sache, auch wenn Derek ihr eigentlich immer alles möglichst schnell erzählt. Womöglich ist er einfach noch zu aufgewühlt und aggressiv.
Ich war schon am Überlegen, ob ich Lexi anrufen soll, um ihr alles zu erzählen, bevor er es tut und mich als Übeltäter hinstellt. Denn er wird die ganze Sache definitiv so drehen, als wäre ich der Böse, damit er als Opfer dasteht. Diese Methode von ihm kenne ich schon zur Genüge. Aber würde ich Lexi jetzt anrufen und es ihr vorher erzählen, wäre er wahrscheinlich sauer, weil ich es ja nötig habe, Lexi sofort zu petzen. Egal, für was ich mich letztendlich entscheiden würde, es wäre sowieso falsch und deshalb lasse ich es einfach sein.

Ich sollte einfach versuchen, die Zeit mit Miles jetzt zu genießen und meinen Kopf etwas freizukriegen.

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