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•B R Y C E•
„Bryce? Kommst du kurz in mein Büro?" Eddy steckt seinen Kopf in den Pausenraum, wo ich mir gerade einen Kaffee mache. Heute ist echt absolut nichts los, ich langweile mich total und leide unter meiner selbst aufgestellten Regel, nicht mehr mit Caroline zu ficken.
Eigentlich habe ich mich nur verzogen, um mir einen Kaffee zu machen, damit ich unauffällig mit Lexi schreiben kann. Unser Date gestern war schön. Wirklich schön. Obwohl wir keinen Sex hatten, obwohl wir nicht rumgemacht haben, obwohl wir uns nicht mal geküsst haben. Wir saßen einfach nur da, schauten das Spiel und versuchten, diesem neutral zu folgen. Danach redeten wir noch gute drei Stunden über alles Mögliche. Es wurde ziemlich spät, daher habe ich heute Morgen darauf verzichtet, Sport zu machen und lieber etwas länger geschlafen. Ein schwerer Fehler. Ich fühle mich körperlich richtig gerädert. Auch, wenn ich das Gefühl habe, ich könnte nochmal eine Woche genau so mit Lexi verbringen. Sie ist echt eine klasse Gesellschaft.
Vermutlich hat Eddy bemerkt, dass ich etwas abwesend bin und will ein ernstes Wörtchen mit mir reden. Er geht schon voraus in sein Büro und ich folge ihm, sobald mein Kaffee fertig ist.
„Was gibt's?"
Er steht an der Glasfront und sieht nach draußen. So kann er das gesamte Gelände überblicken und auch einen Teil des Stadtteils. Ich schließe die Tür hinter mir. Ich bin etwas unsicher, das muss ich zugeben. Ich wurde bisher noch nie in sein Büro zitiert. Normalerweise geht er viel lockerer mit mir um. Vielleicht hat er mitbekommen, dass ich Scheibenwischwasser mitgehenlassen habe. Das wäre ein Kündigungsgrund.
„Ich würde gerne mit dir über Eric reden"
Oh. Das ist nicht viel besser. Eddy hält nicht viel davon, dass sein Sohn auf Männer steht. Wenn er rausbekommen hat, dass ich es schon ewig mit ihm treibe, kann ich mich gleich von meinem Job verabschieden.
Ich antworte nicht, da ich weiß, jedes Wort, jeder falsche Ton könnte mich verraten. Also stehe ich einfach da und sehe auf Eddys Rücken, hinter dem er seine Hände verschränkt hat.
„Du verstehst dich doch gut mit ihm?"
Ich lasse mir wieder einige Sekunden, um zu antworten. In dieser Zeit dreht er sich um. Er zieht die Augenbrauen hoch und betrachtet mich somit mit aufforderndem Blick.
Ich leite meine Antwort durch ein Nicken ein. „Wir sind befreundet, ja" Seltsam das zu sagen. Eric und ich sind befreundet.
Mir war bisher noch nie so bewusst wie leichtfertig eigentlich mit dem Wort Freundschaft umgegangen wird. Für Eddy muss es so wirken als sei Eric ein lockerer Kumpel von mir, mit dem ich hin und wieder was mache und über mehr oder weniger wichtige Themen quatsche. Doch das ist er nicht. Eric ist mir wichtig, seine Gefühle sind mir wichtig und sein Glück liegt mir am Herzen. Er ist mein Freund. Also will ich ihn beschützen.
„Weißt du von seiner derzeitigen Situation?"
Ich versuche mir meine Verwirrung nicht anmerken zu lassen, weiß, dass es lange nicht mehr um mich oder meinen Job geht, sondern nur um Eric und sein Verhältnis zu seinem Vater.
„Dieser Person, die er gerade datet, meine ich", setzt Eddy hinzu. Er wirkt gar nicht mehr so spaßig und locker wie die letzten zwei Jahre über. Was Eric angeht, tut er das nie.
Ich nicke vorsichtig.
Eddy atmet tief ein und dann wieder aus. Er wirkt unglaublich angespannt dabei. „Eric kam gestern total betrunken nachhause", erzählt er mir. „Er wirkte sehr... benommen und anhand seiner geweiteten Pupillen muss ich vermuten, dass er Drogen genommen hat. Dieser Jordan hat ihn nachhause gebracht. Eric konnte seine Finger kaum von ihm lassen, er wollte ihn direkt im Flur ausziehen und hat ihm sehr unpassende Dinge „zugeflüstert""
Eddy wirkt regelrecht angeekelt, als er mir das erzählt. Sein Gesicht ist vor Abscheu verzogen und seine Körperhaltung spricht von deutlicher Abneigung. Dass ihm die Sache mit den Drogen nicht gefällt, verstehe ich sehr gut. Trotzdem scheint es dort eher Erics Begleitung zu sein, die ihn stört.
„Er ist erst 19. Ich war in dem Alter nicht viel anders" Doch war ich. Aber das muss Eddy nicht wissen. „Rede doch nochmal ruhig mit ihm, wenn er nüchtern ist."
Es war dumm zu glauben, Eddy würde meinen Rat wollen. Ich dachte, er will von mir wissen, wie er an Eric rankommt. Ich dachte, er macht sich sorgen und möchte Eric das bewusstmachen. Die Wahrheit sieht jedoch anders aus.
„Nein, du wirst mit ihm reden." Nachdem er sieht, wie ich leicht den Kopf schüttelte, setzt er ein „Bitte." hinzu, das eher nach einer Aufforderung klingt. „Auf mich hat er noch nie gehört. Seit dem Tod seiner Mutter beachtet er mich nicht mal wirklich. Ich möchte, dass du ihm diese Spinnereien ausredest und ihn zur Vernunft bringst"
Ich spüre, wie sich meine Augen leicht zusammenkneifen. Ich wusste von dem Tod seiner Mutter und wie sehr Eric davon belastet wird. Das war eines der wenigen Themen, bei denen ich ihm von Anfang an zugehört habe, wenn er mal was erwähnt hat. Wohl, weil ich gespürt habe, wie wichtig es ist. Und wie besonders, dass er mit mir darüber redet. Dass er sich ein Stück weit öffnen kann. Das fiel ihm bei seinem Vater, seinen Verwandten, seinen Freunden und all den Therapeuten, die Eddy ihm besorgt hat, sehr schwer.
„Dieser Jordan ist nicht gut für Eric", macht Eddy weiter, als er erkennt, dass ich dem Ganzen ziemlich kritisch gegenüberstehe.
Ich mag es auch nicht, dass Eric war mit Jordan hat, aber ich weiß, dass Eric groß genug ist, sich seine Leute selbst auszusuchen. Ich war beispielsweise die richtige Entscheidung. Und für Jordan habe ich bereits mit Eric geredet. Er will seine eigenen Erfahrungen machen. Aber er wird vorsichtig sein, nachdem ich ihn gewarnt habe, das weiß ich. Ich werde mich nicht weiter einmischen, nur weil sein homophober Vater nicht will, dass er sich mit Männern trifft.
„Sei mir nicht böse, Eddy, aber Eric sollte selbst entscheiden dürfen, wer gut für ihn ist. Er ist schon länger in Kontakt mit Drogen als er Jordan überhaupt kennt. Ich dachte eigentlich, das wüsstest du"
Dass er nun die Zähne zusammenpresst, beweist, dass er es wusste. Er wollte es nur als Vorwand nehmen, Jordan loszuwerden. Ein netter Versuch, das muss man ihm lassen. Aber, dass Jordan Eric nachhause gebracht hat, beweist doch zumindest, dass er sich um ihn sorgt. So ungern ich das auch sagte, aber das spricht eindeutig für Jordan.
„Und was die Drogen angeht, hatte ich schon mehrere Gespräche mit Eric. Er hat damit aufgehört, eigentlich. Ich rede aber gern nochmal mit ihm darüber"
Eddy wirkt unzufrieden. Er merkt, dass es mich nicht überrascht, dass Eric was mit Jordan hat und dass ich soweit auch nichts dagegen habe und schon gar nichts dagegen unternehmen werde.
Klar mag ich Jordan nicht und die Tatsache, dass er sich an Eric ranmacht. Aber es ist Erics Entscheidung. Er weiß, dass er immer zu mir kommen kann, falls etwas schiefgeht. Dann bin ich der erste, der Jordan in den Arsch tritt. Um ehrlich zu sein, warte ich nur darauf. Aber all das muss sein Vater nicht wissen. Der macht es Eric ohnehin schon schwer genug.
Eddy nickt schließlich nur noch und meint dann, ich soll zurück zur Arbeit. Ich bekomme kein Lächeln, kein „Schönen Tag" oder „Viel Spaß", sondern nur noch kalte Blicke. Und das, obwohl er keine Ahnung davon hat, wie oft und wie hart ich seinen Sohn schon in allen möglichen Positionen und an allen möglichen Orten durchgenommen habe. Ein Teil von mir will es ihm nur zu gern unter die Nase reiben. Ich meine, Ich kann Eddy gut leiden. Doch diese intolerante, egozentrische Seite von ihm braucht eine ordentliche Abreibung. Nur kann ich es mir leider nicht leisten, meinen Job zu verlieren.
Also halte ich die Klappe, verschwinde aus dem Büro und mache mich zurück an die Arbeit. Diesmal lasse ich mein Handy in der Hosentasche. Ich habe die leise Vermutung, dass ich meine Pluspunkte bei Eddy verloren habe. Ich sollte mir keine Fehltritte mehr erlauben.
Sobald ich fertig bin, schreibe ich Eric eine kurze Nachricht, in der ich ihm klarmache, dass wir reden müssen. Ich werde ihm von dem Gespräch mit seinem Vater erzählen und ihm wegen der Drogen gehörig die Ohren langziehen. Mir egal, dass er sich seit unserem letzten Gespräch über Jordan nicht mehr gemeldet hat.
Ich komme relativ schnell zuhause an, verweile aber mit den Gedanken noch bei Eric, solange, bis ich Nicks Riesenlatschen im Flur stehen sehe. Die Schuhe dieses Hobbits würde ich überall erkennen. Ich frage mich nur, was er hier macht. Ich weiß zwar, dass Miles öfter mit ihm geredet und telefoniert hat und dass Nick ihm seltsame Geschenke macht, die Miles total entzücken, doch hier war er schon lange nicht mehr. Und das Paar Spießerschuhe daneben wundert mich genauso. Ich dachte, Jayden dürfte nicht mehr zu uns kommen.
Mein Weg führt mich direkt zu Miles Zimmer. Ich hörte Laute daraus, die von einer Sendung stammen und leichtes Lachen.
Nick, Miles und Jayden sitzen auf dem Bett meines Bruders und sehen auf den Laptop auf Miles Schoß. Während Miles und Nick sich vor Lachen kaum mehr einkriegen, sitzt Jay bloß leicht lächelnd daneben.
Ich klopfe an die geöffnete Tür. Drei Augenpaare richten sich sofort auf mich. Mir entgeht nicht, wie Miles so weit es der Platz in seinem Bett zulässt von Nick wegrutscht. Nick scheint ihm also nicht erzählt zu haben, dass ich schon Wochen von seinem Betrug weiß und dabei geholfen habe, ihn zu vertuschen. Interessant, wenn man Miles Erzählungen darüber, wie ehrlich er sich mit Nick ausgesprochen hat, Glauben schenken will.
„Was machen die hier?" Ich klinge etwas abfälliger als beabsichtigt. Warum, weiß ich nicht. Ich könnte auch einfach in mein Zimmer gehen und vergessen, dass eine Welt außerhalb davon überhaupt noch existiert, sowie ich es in letzter Zeit viel zu oft getan habe. Aber irgendwas hält mich davon ab.
Miles zuckt mit den Schultern. „Videos schauen. Willst du mitmachen?"
Mein Blick huscht von ihm zu Nick und dann weiter zu Jayden. Dieser schluckt, und sieht sofort weg, bevor sich unsere Blicke wirklich treffen können. „Nein, aber ich muss kurz mit Jay reden"
Vorsichtig hebt er den Kopf wieder, sieht unsicher zu Miles, der wieder bloß mit den Schultern zuckt und dann meint. „Er wird dich schon nicht auffressen"
Noch nicht.
Jay steht ohne etwas zu sagen vom Bett auf und läuft an mir vorbei auf den Flur. Ich werfe Miles und vor allem Nick noch einen letzten Blick zu, bevor ich die Tür hinter mir schließe und mich zu Jay stelle, der vor meiner Zimmertür wartet.
Er lehnt an der Wand daneben, die Hände in den Hosentaschen und spielt so mit den Innereien seiner Hose herum, während er stur auf den Boden sieht. Ich gehe auf ihn zu, langsam, aber entschlossen und das, obwohl ich nicht mal weiß, was ich überhaupt vorhabe. Und dann, wenige Moment später, stehe ich vor ihm und lege meinen Zeigefinger unter sein Kinn, um sein Gesicht abzuheben. Seine gesamte Körperhaltung verändert sich, als er diesem Druck folgt. Er stellt sich aufrechter hin und wird dadurch ein Stückchen größer. Sein Blick verfängt sich automatisch in meinem und er schluckt merklich.
„Was ist los? Du siehst traurig aus" Meine Stimme klingt seltsam rau. Ruhig. Obwohl meine Worte ebenso seltsam besorgt klingen. Das wirklich seltsame daran ist jedoch zu bemerken, dass das genau meine Gefühlslage wiederspiegelt. Ich bin besorgt. Und ja, vielleicht tut es auch etwas weh, Jay so niedergeschlagen zu sehen. Es fühlt sich falsch an, zu wissen, wann er traurig ist, wenn man mal gesehen hat, wie schön er lachen kann, wenn er glücklich ist.
Er zuckt bloß mit den Schultern, will seinen Blick wieder senken und somit auf den Kopf, doch ich lasse es nicht zu. Ich mustere sein Gesicht akribisch, doch erkenne keine Spuren einer Verletzung oder von Makeup, die eine solche abdecken könnten. Doch das muss nichts heißen. „Hat er dir wieder wehgetan?"
Jay schüttelt leicht den Kopf, nur kurz. Dann atmet er tief durch und zuckt die Schultern. Um jemanden zu verletzen, braucht es immerhin nicht unbedingt körperliche Gewalt.
„Oh Jayden", höre ich mich murmeln. „Du hast etwas Besseres verdient als das"
Ich weiß nicht, woher diese Worte kommen. Ich kann kaum fassen, dass es wirklich ich bin, der das sagt. Und ich verstehe nicht, wieso ich mir für eine Sekunde einbilde, ich könnte dieses Etwas sein.
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