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• B R Y C E •

Ich bin 23 und hatte bis zum heutigen Tag noch nie ein Date. Eigentlich dachte ich auch, sowas würde mir nie passieren... Gott, das klingt, als wäre das eine Naturgewalt, der ich zum Opfer gefallen bin. Aber nein, ich habe mich aus freien Stücken dazu entschieden. 

Lexi und ich haben telefoniert letztens. Mein Vorwand, sie anzurufen, war der Gruß, den sie mir ausrichten lassen hat. So kamen wir ins Gespräch, für Stunden. Irgendwann meinte sie: „Weißt du, ich glaube, wir sollten uns mal zu einem netten Abendessen treffen“ 

„Ein Date?“, fragte ich sofort perplex. 

Sie lachte leicht, stimmte aber zu. „Jap, ein Date. Falls du willst“

Natürlich wollte ich. Das wusste sie auch ganz genau. Trotzdem spielte ich noch ein bisschen mit ihr, machte einen auf nachdenklich und überlegend, während ich die ganze Zeit über so breit grinste, dass mir irgendwann die Wangen wehtaten. 

Wir einigten uns auf Samstagabend bei ihr. Sie hat mich gefragt, ob ich an Eishockey interessiert bin und wir uns das Spiel anschauen wollen, während wir essen bestellen und darauf warten. In dem Moment habe ich kurz darüber nachgedacht, ihr sofort einen Heiratsantrag zu machen. 

Ich habe mich echt darauf gefreut, aber jetzt, wo das Treffen immer näherkommt, merke ich, wie aufgeschmissen ich bin. Ich habe keine Ahnung, was ich anziehen soll, ob ich es mit meinem Parfüm übertrieben habe und wie meine Haare am besten aussehen. Weil es praktisch ist, binde ich sie meistens zusammen und dann kommen ein paar Locken von selbst raus, aber ich höre öfter, dass ich mit offenen Haaren netter aussehe. Süßer. Die Frage ist nur: Will ich süß aussehen? Ich habe eigentlich nicht vor, Lexis Haustier zu werden. 

Meine Mum meinte, ich soll so gehen, dass ich mich wohlfühle. Es war kaum zu vermeiden, ihr mitzuteilen, dass ich mich mit einer Frau treffe, die ich sehr toll finde. Seitdem dreht sie total am Rad. Aber ihr Tipp war, denke ich, nicht mal so schlecht. Ich werde die Haare offenlassen, aber zur Sicherheit einen Haargummi mitnehmen. Parfüm mache ich nur auf mein Shirt, damit man es im Falle des Falles an meinem Hals nicht schmeckt und als Outfit trage ich eine gute Jeans und ein Hemd, das schick aussieht, aber auch so, als könnte man es im Alltag tragen oder direkt overdressed zu sein.

Als ich mich so im Spiegel betrachte, kommen mir Jays Worte wieder in den Sinn. Seine Sorgen, ich könnte Lexi wehtun. Ich sehe wirklich aus wie jemand, der nichts ernstnimmt und der Reihe nach nur Herzen bricht und zum Teil ist das ja auch irgendwie wahr. Aber ich glaube in den letzten Wochen und Monaten hat mein Unterbewusstsein still und heimlich beschlossen, sich ändern zu wollen. Es ist ewig her, seitdem ich das letzte Mal mit einer fremden Person geschlafen habe. Feiern war ich in den letzten Monaten zwei Mal und das mit meinem kleinen Bruder. Ich habe grade nur Kontakt zu einer Frau, die mich interessiert. Das klingt alles schon irgendwie so als würde ich mich von meinem wilden Singleleben verabschieden. Von der Freiheit... oder dem, was ich vor ein paar Monaten noch dafür gehalten habe. 

Ich glaube grade weil sich einige meiner Ansichten und Gefühle, was das angeht, geändert haben, hat es mich so getroffen, was Jay letztens gesagt hat. Und vielleicht auch, weil ich weiß, dass er recht hat.  Ich bin einfach nicht die Art von Kerl, mit der man sein Leben verbringen will. Ich weiß wie man flirtet und bis zu einem gewissen Punkt die Spannung aufrechterhält, aber irgendwann werde ich total langweilig und dann ist von meinem Charme nichts mehr übrig und man erkennt all meine Macken und flüchtet vor mir als wäre ich die personifizierte Pest. Jay scheint ebenfalls dieser Meinung zu sein. Dass er es nicht so gemeint hat, glaube ich ihm jedenfalls nicht, aber ich weiß es trotzdem zu schätzen, dass er sich mal wieder für seine Worte entschuldigen wollte. Er kann sehr aufbrausend sein, aber oft versucht er dann die Situation nochmal ruhiger zu bereinigen statt sich zu verstecken und darauf zu bestehen, recht gehabt zu haben. Das ist eine Eigenschaft, die vielen anderen sehr gut tun würde. Unter anderem mir. 

Auf meinem Weg zur Tür sehe ich, wie Benny und Dad sich vor dem Fernseher bereitmachen, ebenfalls das Spiel anzusehen. Mum holt grade noch Irgendein Fast Food Zeug für die Stimmung ich weiß ich genau, wie es heute Abend hier zugehen wird. Es wäre echt toll, dabei zu sein. Aber es ist ein Versuch wert, das auch mit Lexi zu erleben und wer weiß, vielleicht schaut sie ja auch mal mit meiner Familie und mir Eishockey. 

„Viel Spaß euch!“, wünsche ich den beiden. 

„Dir auch, Großer!“, ruft Dad zurück. Normalerweise würde er jetzt irgendwas sagen, das mich darauf hinweist, dass ich verhüten soll. Aber er weiß, wenn Eishockey läuft, wird nicht gefickt. Ich habe da meine Prioritäten. Außerdem verhüte ich immer. Ich bin doch nicht blöd und vögele mich ohne Schutz durch eine Großstadt. 

Mein Weg zu Lexi gibt mir viel zu wenig Zeit, mir die richtigen Gedanken über diesen Abend zu machen. Ich fühle mich irgendwie total unvorbereitet. Aber, wenn ich daran denke, was meine Mum gesagt hat, dann werde ich automatisch etwas ruhiger. Ich muss nur ich selbst sein, das reicht vollkommen aus. 

Mit einem strahlenden Lächeln, das mich sofort ansteckt, öffnet Lexi mir die Tür. „Hei! Nur rein in die gute Stube!“ Sie macht mir Platz, sodass ich zu ihr in den Flur kommen kann. 

Da ich wusste, dass ich nicht ohne ein Geschenk kommen kann, Blumen aber zu übertrieben und zu schleimig und absolut nicht ich gewesen wären, habe ich etwas Anderes dabei. Ein kleines Maskottchen meiner Lieblingsmannschaft, die heute Abend spielt. 

„Oh“ Lexi nimmt es an sich. „Das ist süß...“ Als sie wieder zu mir hochsieht und ich merke, dass sie nicht weiß, was sie sagen soll, erkenne ich das Problem ohne, dass sie es ausspricht. 

„Nein! Du bist kein Predators-Fan!“ 

„Ahh, es tut mir leid, das liegt in meinen Genen! Meine ganze Familie besteht aus Predators-Fans-“ 

„Lexi“ Ich unterbreche ihre Rechtfertigung, indem ich niedergeschlagen den Kopf schüttelte und dabei meine Hand auf meine Brust lege. „Du brichst mir das Herz“ 

Es kann doch nicht sein, dass sie mich zu einem Date einlädt, um Eishockey zu schauen und dann ausgerechnet unsere Lieblingsmannschaften gegeneinander spielen. Das ist kein gutes Zeichen. 

„Nein!“ Lexi wirkt zwar belustigt, aber auch ein bisschen verzweifelt. „Wir versuchen uns das Spiel heut neutral anzusehen, okay? Möge die bessere Mannschaft gewinnen“ Sie hält mir die Hand hin, um den Deal zu besiegeln. Auch, wenn sich alles in mir dagegen sträubt, schlage ich ein. Was man nicht alles tut, für die Frau, die man mag. 

„Meinetwegen. Ich werde mein bestes geben“ 

Sie lächelt mich an. „Danke. Auch dafür“ Mein Blick fällt wieder auf das Maskottchen, als sie damit herumwackelt. Der Panthers-Fan in mir will ihn in aus den Händen reißen, aber anderseits ist er jetzt ohnehin schon kontaminiert. Und, wenn das mit uns was werden soll, müssen wir wohl beide Kompromisse eingehen. Jetzt bereue ich es schon ein bisschen, ihr nicht einfach Blumen gebracht zu haben. 

Wenige Minuten später sitzen wir auf dem Sofa, die Vorbereitungen zum Spiel laufen und Lexi überreicht mir verschiedene Speisekarten von Lieferdiensten, wo wir uns etwas zu essen bestellen können. 

„Siehst übrigens sehr schick aus in deinem Hemdchen“ Sie zupft an meinem Kragen und grinst mich neckend an. 

Ich sehe von der Speisekarte auf, die ich gerade gemustert habe und kneife leicht die Augen zusammen. „Du auch in deinem Predators-Trikot“ 

Sie lacht über den abwertenden Ton in meiner Stimme und lehnt sich dann an meine Seite, um ebenfalls in die Karte mitreinsehen zu können. Wir bestellen uns etwas zu essen und unterhalten uns dann ein bisschen über Spieler und andere Mannschaften. Lexi kennt sich mit Eishockey aus, das wird dabei sehr deutlich. Ich kann gar nicht beschreiben, wie heiß es ist, einer Frau zuzuhören, wenn weiß, wovon sie da spricht. 

Als das Spiel nur wenige Minuten läuft, klingelt es an der Tür und Lexi springt auf, um schnell das Essen zu holen ohne viel vom Spiel zu verpassen. Ich rufe dabei durch die Wohnung, was passiert, um sie auf dem Laufenden zu halten. Als sie jedoch statt mit Essen mit ein paar Kerlen zurückkommt, verstumme ich. 

„Wer ist das denn? Dein Freund?“, lacht einer davon, während er sich aufs Sofa wirft. Auch Derek ist dabei. Bis eben hat er noch gegrinst, aber jetzt verzieht er das Gesicht, als er mich sieht und zischt Lexi zu, was ich hier mache. „Im Gegensatz zu dir ist er eingeladen“, gibt sie sauer zurück. 

Das Spiel ist mir zwar echt wichtig, aber die Atmosphäre gefällt mir nicht mehr und eng wird es zwischen diesen Trollen auch langsam. Ich stehe also auf und stelle mich zu Lexi, die wild mit Derek am Diskutieren ist. 

„Hei, wir schauen immer zusammen die Spiele, schon seit wir klein sind“, meint dieser gerade. 

„Ja, okay, aber wieso bringst du deine Idioten-Freunde mit? Ich habe dir schon tausend Mal gesagt, dass ich sie nicht mehr hierhaben will, wenn sie sich immer so aufführen“ 

Derek zuckt nur mit den Schultern und ruft dann durch das Wohnzimmer. „Geht das auch leiser?“ Sofort senkt sich der Lautstärkepegel und Derek sieht mit einem leichten Grinsen zu Lexi. „Schau. Man muss nur mit ihnen reden“ 

Lexi schnaubt. „Klar. Aber nach drei Bier funktioniert das nicht mehr, das weißt du genauso gut wie ich.“ Sie atmet tief durch und legt ihre Hand auf Dereks Arm. „Hör zu, Derek. Ich habe dich wirklich lieb und meinetwegen schauen wir die Spiele auch in Zukunft nur noch zusammen. Aber ich wollte den heutigen Abend mit Bryce verbringen und ich werde meine Wohnung nicht von Typen belagern lassen, die ich nicht hierhaben will. Also entweder nimmst du sie wieder mit oder ich schmeiße sie raus“ 

Derek sieht von seiner Schwester zu mir. Er starrt mir einige Sekunden voller Hass in die Augen, ehe er wieder seinen Freunden zuruft. „Jungs, wir gehen zu mir! Meine Schwester will Zweisamkeit mit Tarzan“ 

Die Männer stöhnen genervt auf und meinen, bis sie bei Derek seien, wäre das Spiel schon halb vorbei, aber Derek scheucht sie trotzdem weiter raus. Als sie dann endlich weg sind, schließt Lexi die Tür hinter ihnen und sieht mich entschuldigend an. „Das tut mir leid, ich wusste nicht, dass sie kommen wollen“

„Schon okay... Aber hat mich dein Bruder gerade echt Tarzan genannt?“ 

Ihre sorgenvolle Miene weicht einer belustigten. „Jap, hat er. Und rate mal, wer als Kind sein Disney-Crush war“ Sie wackelt mit ein Augenbrauen.

Jetzt muss ich ebenfalls leicht lachen. Da hat wohl jemand Schwierigkeiten, sein unterbewusstes Verlangen nach mir zu unterdrücken. 

„Aber sehe ich echt aus wie Tarzan? Meine Haare sind doch gar nicht so lang“ 

Lexi mustert mich. Dass gerade Werbung kommt, da Pause ist, sorgt dafür, dass sie sich nur auf mich konzentrieren kann. „Deine Haare sind kürzer und dunkler. Und besser gepflegt“, meint sie nickend, was mich wieder leicht zum Lachen bringt. „Und dein Gesicht ist hübscher. Und du artikulierst dich besser.“ 

Ich versuche ein paar Affenlaute zu machen, die erstaunlich gut klingen. Lexi lacht deshalb. Ihre Hand legt sich dabei auf meine Schulter und ihre Beine befinden sich angezogen auf dem Sofa und an meinen Oberschenkel gelehnt. Ich grinse sie an, auch etwas stolz, weil ich sie durch ein paar dämliche Laute so zum Lachen bringen konnte und höre mich selbst sagen, wie schön ihr Lachen ist. 

Es wandelt sich in ein sanftes Lächeln um. Wir sehen uns für einige lange Momente in die Augen. Ich glaube, wir nähern uns einander dabei an. Aber bevor etwas passieren kann, geht das Spiel weiter und wir konzentrieren uns darauf. Enttäuscht kann ich nicht sein. Lexi lässt ihre Beine an meine gelegt und hat nichts dagegen, dass ich hin und wieder vorsichtig darüberstreiche. Sie hat auch ihre Hände auf meiner Schulter und manchmal legt sie ihren Kopf dahin. Einmal lehnt sie so an mir und bringt mein Trommelfell so fast zum Platzen, weil sie plötzlich losschreit, um ihrem Team zuzujubeln. 

„Hei, ich dachte, wir wollen neutral sein!“ Vorwurfsvoll sehe ich sie an. 

„Sorry, war ein Reflex“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange und legt dann ihren Kopf wieder auf meine Schulter. Das besänftigt mich. Und ganz ehrlich? In diesem Moment finde ich, das könnte ewig so weitergehen.

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