Kapitel 2

„Was meinst du damit?" fragte ich ihn schockiert. Er lächelte über meine Ungewissheit, das tat er oft und man musste ihn kennen um zu wissen, dass er es nicht böse meinte. „Das ich dir das nicht beigebracht habe ist ein Wunder." murmelte er und sah die Statue an. „Diese Statue ist ein Abbild des Ordens der Diebe." sagte Callum zu mir. „Der Orden der Diebe?" fragte ich. „Du hast mir nie davon erzählt, du sagtest das es nur sechs Orden gibt." Ich sah ihn verdutzt an und strich aus Nervosität eine Strähne hinter mein Ohr. „Es gibt auch nur sechs Orden. Aber vor langer Zeit gab es sieben von ihnen. Wie du weißt werden die Orden im Gleichgewicht gehalten, kein Orden darf gravierend stärker werden als ein anderer. Doch der Orden der Diebe wurde es, sie wurden zu stark. Sie waren in der Lage alle anderen Orden zu vernichten, aber sie taten es nicht. Der Orden der Diebe zielte auf Macht ab, auf Erpressungen und psychische Vernichtung. Sie waren Meister des Schleichens, des Diebstahls, des Hintergehens und des Vertrauens. Das war eine größere Kraft als jede Magie und jede Kampfkunst dieser Welt." sagte er und setzte sich aufrecht in seinen Stuhl. Ich schluckte, dann sah ich ihn wieder an. „Die anderen Orden zwangen sie langsam aber sicher zur Selbstvernichtung und zogen diesen Plan durch, doch das war vor zweihundert Jahren. Angeblich wurden alle Diebe des Ordens getötet, doch das ist nur eine Illusion. Nicht alle starben, die oberen Meister des Ordens teilten sich auf und tauchten in den Untergrund ab. Statuen gibt es von jedem Orden, die meisten sind weit verbreitet damit jeder den Orden vergöttern kann den er möchte – von diesen Statuen der schleichenden Person gibt es nur noch acht Stück, da man alle Statuen zerstört hat, außer die, die die oberen Meister mitgenommen haben. Sie sind magisch, Raven! Man hat sie mit einem Zauber belegt. Nur eine Person die dem Orden der Diebe würdig ist kann sie hochheben, geschweige denn einen weiten Weg tragen." sagte er und seine Stimme war nur noch ein raues Flüstern. „Und was hat das mit mir zu tun?" fragte ich ebenso leise zurück, mir fehlte einfach die Kraft. Unter normalen Umständen liebte ich Geschichten, Sagen und Ordenslegenden doch diese machte mir zu schaffen, da sie mit mir zu tun hatte. „Du hast sie hochgehoben und bis hier getragen, ich frage mich zwar wie sie in den Orden der Wächter kam aber dort könnte sie von einem Ordensmitglied versteckt worden sein, bedacht darauf das jemand sie findet der sie heben kann. Ich weiß es nicht genau. Jedenfalls gibt es seit einiger Zeit einige Geschehnisse die mit dem Orden der Diebe zusammenhängen könnten – verstehst du? Der siebte Orden entsteht wieder, er wird wieder ein richtiger Orden werden. Wir hätten wieder eine Gruppe der besten Diebe und jemandem zu dem wir armen Schlucker aufschauen könnten." Callum sah sich kurz um, ob uns jemand zu hörte. „Du bist fähig ein solcher Meister zu werden, du musst unbedingt zu den anderen Meistern des Ordens." sagte er. „Ich..." mehr sagte ich nicht, ich musste mich zusammenreißen. „Ich habe eine Statue hochgehoben und soll zu einem Mitglied eines Ordens werden von dem ich bis gerade nicht einmal wusste dass er existiert?" fragte ich ihn leicht verstört. „Ja, im Grunde." er lächelte mich warm an. „Was passiert wenn ich zu diesem Orden gehe?" fragte ich weiter. „Es ist noch kein Orden, aber es gibt angeblich nur wenige Menschen die solche magischen Statuen heben können also wirst du wahrscheinlich helfen müssen den Orden aufzubauen, von Anfang an Mitglied sein. Es wird lange dauern, jeder Orden hat seine eigenen Aufnahmerituale und ich kann dir nicht sagen welche, bei den Waldläufern dauert ein Aufnahmeritual vier Jahre in denen du mit deinem Tiergefährten alleine im Wald leben musst. Das überstehen logischer Weise wenige und vier Jahre sind eine lange Zeit. Dennoch wirst du dort hin gehen, ob du willst oder nicht. Es ist wichtig, dass sich der Orden der Diebe nicht unterkriegen lässt – sie sind unschuldig vernichtet worden." sagte Callum zu mir, dann lehnte er sich zurück und sah mich weiter an. „Ich möchte nicht zu diesem Orden, ich kenne ihn kaum. Wer sagt das es keine Falle ist? Ich möchte weiter bei Hazel bleiben, sie braucht mich." sagte ich nun mit klarer Stimme, zwar immer noch leise aber dennoch bestimmt. Callum lachte. „Niemand sagt uns das, aber du wirst dorthin gehen, das Schicksal bestimmt es, sonst könntest du die Statue nicht heben. Hazel ist hier in guten Händen, dass weißt du selbst am besten. Sie geht ihren Weg und du gehst deinen, ihr werdet euch sicher wiedersehen." Er schloss die Augen und sagte nichts mehr. Ich machte den Mund auf, wollte grade protestieren, da schüttelte er nur den Kopf und legte den Finger an die Lippen. Er kannte mich zu gut, er wusste das ich es nicht gut heißen konnte doch ich wieder sprach ihm nicht und nahm die Statue mit einer Hand hoch und stand auf. Ich lief hinüber in Hazels und mein Schlafzimmer, es war nicht sonderlich groß da es eher improvisiert war. Für alle anderen hatte man irgendwie Platz schaffen können doch Hazel und ich schliefen seit je her in der Speisekammer. Seit wir da waren lagerten die Lebensmittel in der Küche.

Ich musste es Hazel erzählen, doch als ich die Tür aufmachte sah ich das sie schon schlief. Auf dem Bett aus Stroh wirkte dir wunderschön, sie hob sich davon ab und strahlte selbst im Schlaf. Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn, den sie hoffentlich nicht bemerkte. Ich hatte so etwas noch nie getan, als Schwester war ich immer für sie da gewesen und ich liebte sie mehr als die Gilde, die ich als meine Familie betrachtete. Sie war als einzigste wirklich aus meiner Familie und ich hatte immer den Wunsch gehabt sie beschützen zu können. Und nun, wo ich gelernt hatte dies zu bewältigen sollte ich sie im Stich lassen? Ich verstand das Schicksal nicht, falls es denn so etwas geben sollte. Hier in Sylvain glaubten die Menschen entweder an das Schicksal oder an einen Orden, auch wenn dies nur Meister ihres Fachs waren.

Ich legte mich in das Bett neben Hazel und starrte an die Decke, die Informationen die Callum mir gegeben hatte musste ich erst mal verarbeiten.

Es schien die Sonne als ich aufwachte, ich blinzelte gegen sie und hob die Hand um meine Augen abzuschirmen. Ich schreckte hoch, normaler Weise lies man uns nur bis zum Sonnenaufgang schlafen. Danach folgte Training, Unterricht oder bereits ein Auftrag. Ich sah zur Seite, Hazels Bett war aufgedeckt und man sah das goldene Stroh auf dem sie geschlafen hatte. Ich stand schnell auf und öffnete die Holztür des Lagerraums, dann trat ich nach draußen. Travis begrüßte mich mit einem Nicken und hielt mir einen Rucksack hin, in dem die Beute transportiert worden war. „Darin sind einige Leib Brot, etwas Fleisch und einige Beutel Wasser. Die Statue kannst nur du dort hinein legen, Callum hat uns alles erzählt was wir wissen sollen." sagte Travis schnell. Ich nickte nur, mein Mund war zu trocken um etwas zu sagen. Ich würde meine Familie verlassen müssen, war das wirklich das was ich wollte? Ich würde Callum, Hazel, Travis und die anderen stolz machen, das sah man ihnen an, aber dennoch war ich nicht erfreut aufbrechen zu müssen. Die Statue hatte ich vor mein Bett gestellt, ich holte sie und legte sie in den Rucksack, dann sah ich mich noch einmal um. Ich würde diesen Ort lange nicht sehen. Dabei fiel mir auf das ich nicht wusste wohin ich reisen sollte, wie ich reisen sollte und wann ich los musste. „Callum?" fragte ich leise und erschrocken über die Erkenntnis. Er lachte als er hinter mir aus der Küche kam. „Ich kann in deinen Augen ablesen was du mir sagen willst. Ich werde dich das erste Stück begleiten, aber dann musst du selbst weiter reisen. Auf dem Weg erkläre ich dir alles was du sonst noch wissen musst." er schnappte sich eins von den Erdbeertörtchen die irgendjemand für uns aus einer Konditorei gestohlen haben musste. „Verabschiede dich ruhig von allen!" sagte er. Ich nickte, stellte meinen Rucksack ab und ging in die Küche. Dort stand Zya schon über den Kessel gebeugt. „So früh hier?" fragte sie lachend. „Die Tomatensuppe ist für heute Mittag, nicht für jetzt!" sie grinste. „Ich werde sie nicht mehr essen können, Callum hat es dir sicher berichtet." sagte ich leise. Zya lies den Löffel in den Kessel fallen. „Stimmt!" fiel es ihr ein, manchmal war sie etwas verplant. Sie konzentrierte sich oft nur auf eine Sache und nahm das was um sie herum passierte nicht wahr. „Es tut mir so leid das du weg musst, ich werde dich vermissen!" sagte sie und kam um den Kessel herum und umarmte mich. Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter. „Ich dich auch Zya, ich werde schon alleine wegen deinem wundervollen Kuchen wieder vorbeikommen müssen, selbst wenn ich beim Orden kaum Zeit haben werde." sagte ich und Zyas Miene verbesserte sich, sie lächelte wieder und drückte mich noch mal kurz an sich. Ich drehte mich gerade um, da stolperte ich über ein Wollknäuel auf dem Boden. „Gina, fast wäre ich dir wieder auf den Schwanz getreten!" sagte ich erschrocken und selbst Zya musste kichern. Gina miaute nur etwas genervt und legte sich wieder mitten auf den Boden. Ich streichelte sie kurz, für einen liebevolleren Abschied wollte ich nicht meine Zeit verschwenden – meine Arme wollte ich nicht schon wieder zerschrammen lassen.

Als nächstes lief ich zu Travis und sah ihm in die Augen. Bei ihm konnte man nicht wissen ob eine Umarmung angemessen war, er war mein Retter, Vaterersatz und Lehrer zugleich. Travis sah mich eine Weile an, dann nahm er mich in den Arm. „Ich bin stolz auf dich, Püppchen. Mehr kann man sich für eine Tochter nicht wünschen und ich muss sagen, du bist mehr geworden als das kleine Häufchen Elend das ich damals gefunden habe." flüsterte er mir ins Ohr, in seiner Stimme schwang etwas mit, das ich nicht genau identifizieren konnte. War es wirklich Stolz, Angst oder Trauer? Ich wusste es nicht genau, ich drückte ihn nur noch fester an mich. „Pass gut auf Hazel auf, beschütze sie mit deinem Leben!" sagte ich zu ihm. Travis nickte nur, dann lies er mich los. Er lächelte. „Das werde ich." hörte ich noch von ihm, dann schlug er die Augen nieder und reichte mir meinen Rucksack den ich vor ihm abgestellt hatte. „Wo ist sie eigentlich?" fragte ich ihn dann, Hazel hatte ich an diesem Morgen noch gar nicht gesehen. „Sie ist im Waffenraum, jedenfalls glaube ich das." kam nun wieder selbstsicher und bestimmt von Travis zurück. Ich nickte zum Abschied, dann lief ich in den Waffenraum. Ich musste mir selbst noch eine Waffe mitnehmen, schutzlos würde ich nicht aufbrechen.

„Hazel?" fragte ich in den Raum als ich die Tür öffnete. „Hazel, bist du da?" Im Raum gab es kaum Licht, der Raum war ganz hinten in der Höhle und nur durch Kerzen beleuchtet. Neben den ganzen Bögen, Schwertern, Messern, Streitkolben und Äxten saß Hazel auf dem Boden den Kopf auf ihre Knie gestützt und mit dem Gesicht nach unten. „Alles in Ordnung?" fragte ich sie leise und legte ein großes Langschwert weg um mich neben sie setzen zu können. Ich legte einen Arm um sie während sie weinte. Sie schüttelte nur den Kopf und sah mir in die Augen. Ihre waren grüner als meine, außer an unserem Alter konnte man uns nur daran wirklich unterscheiden. Ich hatte eher braune Augen, der Grünststich kam darin nicht so hervor wie bei Hazel. „Ich werde nicht für immer weg sein, ich komme dich besuchen, auf jeden Fall!" sagte ich, dann wischte ich ihr eine Träne aus dem verheulten Gesicht. „Wirklich?" fragte sie mit ihrer hohen Stimme. „Natürlich, ich werde dich nicht vergessen!" sagte ich und wischte eine weitere Träne weg. Hazel nickte und vergrub ihr Gesicht in meinen Haaren. „Pass auf dich auf, ja?" flüsterte ich leise. Hazel nickte schon wieder, sie brachte wohl selbst kein Wort heraus. „Ich muss langsam los, ansonsten wird Callum gleich noch hier auftauchen und mit mitschleifen." sagte ich und versuchte zu lächeln. Hazel tat es mir nach und hörte auf zu weinen. „Machs gut, große Schwester!" sagte sie und ich stand auf. Ich nahm vom Waffenhalter an der Wand zwei Messer, die ich mir an den Gürtel steckte. Zwei weitere steckte ich mir an die Gurte, die ich um meine Beine geschlungen hatte. Dann schulterte ich noch den Rucksack und warf Hazel einen letzten Blick zu, bevor ich mich umdrehen wollte. „Warte!" sagte Hazel und ich sah sie wieder an. „Ich hab noch etwas für dich." sagte sie leise und holte etwas aus ihrer Tasche. „Ich habe es erst letztens geschnitzt, ich hatte eigentlich vor es dir nie zu geben...aber..." sie zögerte. Ich lächelte und sie öffnete ihre Hand, darin lag ein kleines Amulett aus Holz. Es war ein Rabe der seine Flügel ausbreitete. „Es ist wunderschön!" brachte ich nur heraus, die Feinheiten waren sorgfältig herausgearbeitet. Hazel strahlte, selten würdigte jemand ihre Arbeit. Sie konnte nicht kämpfen und deshalb hatten die Diebe wenig für sie übrig, hin und wieder lobte sie jemand für ihr Verhalten oder ihre anderen Künste. „Ich wusste gar nicht das du so gut mit dem Messer umgehen kannst, anscheinend besser als es zu werfen!" ich zwinkerte ihr zu. Sie machte ihre andere Hand auf. „Ich habe auch eins." sagte sie und band sich ihr Amulett mit dem Lederband um den Hals. Es war eine kleine, aus dem selben Holz geschnitzte Haselnuss. „Wegen unserer Namen?" fragte ich Hazel. Sie nickte und umarmte mich noch ein mal. „Ich werde es in Ehre tragen!" sagte ich zu ihr und öffnete die Tür. „Ich auch..." hörte ich sie nur noch flüstern als ich mir das Lederband umband und das warme Holz auf meiner Haut spürte. Dann ging ich ebenso traurig wie entschlossen auf Callum zu, nickte zum Zeichen das ich bereit sei und erklomm den Weg zur Oberfläche.

Kaum war ich aus dem Jagdhaus raus und an der frischen Luft ging es mir besser, ich fühlte die Kühle des Hains, auch wenn es morgens eigentlich warm sein sollte. Callum sah mich an, er hatte selbst nur wenig Gepäck dabei, er würde allerdings auch nicht weit gehen. Wir liefen schweigend den Weg entlang, nebeneinander, bedacht darauf dort hinzugehen wo der andere hinging. Ich beobachtete Callum, für sein Alter schien er fit zu sein. Selbst wenn er langsamer lief, hatte ich selten einen alten Mann gesehen der freiwillig einen solchen Weg auf sich nahm. Ich blieb abrupt stehen. „Wohin gehen wir?" fragte ich Callum. „Ich weiß nicht wo deine Reise hinführen wird." sagte er zu mir. „Ich kann dich nur zu einem Ort führen von dem ich dir in etwa sagen kann wo du hingehen sollst." sagte er zu mir und zwinkerte mir zu. Ich sah auf die Straße auf der wir liefen und zählte meine Schritte. Ich war bei einer Zahl, die ich mir selbst nicht mehr merken konnte, als wir aus dem Hain traten. Die dicken, verschlungenen Bäume wurden immer kleiner und es kamen einige Holzhütten in Sicht. „Das ist Myrposa." sagte Callum. Das kleine Dorf hatte keine Schutzmauer, weder eine aus Stein noch eine aus Magie. Es schien noch nie angegriffen worden zu sein, ansonsten wäre eine errichtet worden. Die Holzhütten waren aus massivem Holz, es dürfte das Holz des Hains sein. „Myrposa ist nur ein Dorf, nicht viel größer als ein Orden und es leben etwa genau so viele Menschen dort. Sie gehört zur Herrschaftsburg der Familie Dramos." sagte Callum. Ich nickte. „Wieso hast du mir nie von diesem Dorf erzählt?" fragte ich ihn. „Du brauchtest es nicht zu wissen, du kennst nur den Abschnitt des dichten Waldes, des Tannenwaldes und ein Stück bis zum Orden der Schützen. In alle anderen Orden wurdest du bis jetzt gebracht um etwas zu rauben, du kennst nicht mal annähernd die Hälfte von Sylvain." sagte er nun lachend und ging los in Richtung Dorf. Es waren noch einige Schritte, dann wurden wir von einigen Leuten begrüßt. Sie umarmten ihn und redeten auf ihn ein, er war wohl willkommen. Ich stand etwas im Hintergrund und zupfte an den Ärmeln meines dunkelbraunen Leinenkleides. Das Korsett saß eng wie immer, aber ich war froh nicht wie eine Obdachlose rüber zu kommen, die Menschen in diesem Dorf trugen ähnliche Kleidung. Man könnte denken als Dieb konnte man sich alles leisten, aber die meiste Ware war bis jetzt verkauft worden und wir hatten dafür bessere Waffen angeschafft oder für einen weiteren Auftrag andere Leute bestochen. Für die Mitglieder blieb nicht viel übrig.

Callum redete mit einigen von ihnen und zeigte dann auf mich, kurz später lief er zu mir. „Du kannst hier im Gasthaus etwas essen während ich den Mann suche der dir helfen kann, ja?" fragte er mich. Ich nickte, dann schob er mich sanft zu einer Frau mittleren Alters. Sie lächelte mich freundlich an und führte mich in eines der größeren Häuser, das sich als Taverne entpuppte. „Was möchtest du, Kleine? Keine Angst, du kannst alles haben. Callum hat noch etwas gut bei mir." sie schenkte einem weiteren Gast etwas Wein ein und reichte ihm den Becher. „Nur etwas Wein, Ihr braucht euch keine Arbeit zu machen!" sagte ich zu ihr. Sie nickte mit einem lächeln auf den Lippen, eine freundliche Frau, dann goss sie mir selbst etwas Wein in einen Becher und reichte ihn mir. Ich trank selten Wein, im Hauptquartier gab es davon zu wenig und wenn ich etwas teureres als Wasser trinken wollte ging meistens Travis dazwischen der mir einschärfte zu sparen oder Gale hatte schon alles ausgetrunken. Ich hatte Gale, Joseph und Kilian nicht Auf Wiedersehen sagen können, sie waren zwar selten da aber ein Teil der Gilde geworden. Ich hatte sie immer vermisst wenn sie nicht da waren und die Zeit genossen, wenn sie nichts verkaufen mussten. Aber oft waren sie nur einige Tage da, dann zogen sie weiter. Ich drehte den Becher mit Wein in der Hand und dachte nach, ich hatte kaum Momente für mich gehabt nach dem Callum mir die ganzen Informationen gegeben hatte. Was würde sich nun ergeben? Ich dachte nach und vergaß fast meinen Wein auch zu trinken, doch dann hörte ich etwas von draußen. Lärm. Schreie. Einen bestimmten Schrei. Dann wurde die Tür aufgerissen und Callum kam herein gestolpert. „Raven, du musst los." sagte er mit rauer Stimme, er war in Eile, das merkte man ihm an. Ich stellte den leeren Becher auf die Theke und sprang auf. Die Frau zeigte auf eine Tür, eine andere als durch die wir hinein gekommen waren. Callum nahm mich an der Hand und zerrte mich mit sich durch diese Hintertür nach draußen. „Was ist los?" fragte ich in der Hektik, mal wieder wusste ich nicht was los war und versuchte zu begreifen was geschah. Callum legte nur den Finger auf meine Lippen und begann selbst zu reden. „Das Dorf gehört zwar den Dramos, allerdings hat der Orden der Schützen einen großen Einfluss auf die Herrschaftsfamilie. Ich weiß wo du lang musst, aber ich denke jemand hat mich und den Mann von dem ich es weiß belauscht und dem Orden gesagt. Sie sind hier und nicht gerade freundlich. Geb auf dich acht, dir darf nichts passieren." sagte er schnell sodass ich ihm kaum folgen konnte. „Sie sind hinter mir her?" fragte ich in Callum's Wortschwall hinein. Er nickte. „Du musst hier weg, schnell. Die Orden sind nicht gerade erfreut das sich der siebte Orden wieder aufbaut. Sie versuchen das natürlich zu verhindern." sagte er und zog mich weiter hinter den Häusern zu einem Stall. Der Stall lag etwas höher, sodass man über den kleinen Dorfplatz sehen konnte. Die freundliche Wirtin die mir den Wein angeboten hatte stand mitten auf dem Platz und wehrte mit einem einzigen Hieb ihrer Streitaxt mehrere Pfeile der in orange gekleideten Wachen des Schützenordens ab. Ich war überrascht, ich hätte nicht gedacht das eine ganz normale Person so kämpfen konnte. Selbst ich hätte es nie geschafft wenn mir nicht geholfen wurde, diese Welt war immer wieder erstaunlich.

Callum hob mich an der Hüfte hoch und setze mich auf ein schwarzes Pferd, das dort im Stall stand. „Aber ich kann nicht mal mit Sattel gut reiten..." widersprach ich Callum. Das Pferd hatte weder Gebiss noch Sattel an und wirkte sichtlich verschreckt. „Das kann ich jetzt nicht ändern." sagte Callum und reichte mir noch meinen Rucksack, den ich mir schnell umschnallte. Ich bemerkte das Zittern seiner Hände, er war zwar alt und gebrechlich doch das hatte ich noch nie bei ihm bemerkt. Er hatte Angst, das sah man in seinen Augen. Aber nicht um sich selbst, er hatte Angst um mich.

„Da sind sie!" hörte ich eine Stimme schreien und alle Schützen, egal ob auf den Dächern der Häuser oder auf dem Boden ließen von ihren Opfern ab und zielten auf mich. Stille herrschte. „Halt dich gut fest!" flüsterte Callum, dann schlug er dem Pferd auf seinen Hinter, dass es sich erschreckte und mit einem Tempo los preschte das die Umgebung an den Seiten verschwamm. „Callum?!" rief ich noch, doch als ich mich umdrehte sah ich dass er am Weg stand, mehrere Pfeile im Bauch und dennoch lächelte. Er formte mit seinen Lippen 'Du schaffst das!', dann brach er zusammen. Das Blut breitete sich auf dem Weg auf und sickerte in den Untergrund ein, eine Träne rann meine Wange herunter, dann drehte ich mich um um auf den Weg zu achten. Ein Pfeil flog in den Baum neben mir, ich sah die Schützen hinter mir laufen, doch gegen ein Pferd hatten sie keine Chance.

Ich wusste weder wo ich hin musste, noch was ich dort sollte und wie ich dort hinkam, dennoch saß ich auf einem Pferd in dessen Mähne ich mich festkrallte – und das wahrscheinlich dort hinrannte wo es selbst hinwollte. Warum tat ich das? Hatte das überhaupt einen Sinn?


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